Diodenbrücke neu gedacht
Rupert Neve Designs erweitert mit dem Rupert Never Designs Portico 535 Diode Bridge Compressor sein API-Lunchbox Portfolio. Dabei wurden dem ursprünglichem Design der Konsolenversion (2252, 2253, und 2254) einige Überarbeitungen zu Teil, die das Einsatzgebiet des Kompressor/Limiters deutlich erweitern. Ob die Überarbeitung des bekannten Klassikers mit dem typischem Regelverhalten, aber auch notorischem Rauschen den Ladenpreis rechtfertigen?
Eine Legende wird geboren
Es war 1969, als Rupert Neve eine Anfrage von ABC Television erhielt. ABC erwarb zuvor bereits eine Bus-Konsole von Neve und hatte sie mit entsprechenden Modulen bestückt. Auch ein Bus-Kompressor der Firma Pye, eine Philips-Tochter, war in der Konsole im Einsatz. Und obwohl er klangtechnisch gute Dienste leistete, plagte ABC ein anderes Problem – die Module waren nicht besonders zuverlässig. Sie wurden sehr heiß und hatten deswegen öfter Defekte. Das war für eine Fernsehanstalt nicht tragbar und so meldete sich ABC bei Neve, der seine Werkstätten in Shelford, England, hatte und machte ihm einen Vorschlag. Wenn er es schaffen würde, innerhalb von vier Wochen ein Modul mit vergleichbaren Funktionsumfang und identischem Formfaktor herzustellen, würde ABC eine nicht unerhebliche Menge davon abnehmen.
Die Diodenbrücke
Rupert Neve stellte sich der Aufgabe und am Schluss der Entwicklung stand der Neve 2252 Bus-Kompressor, der später noch weiterentwickelt wurde und die Bezeichnungen 2253 und 2254 (der wohl bekannteste und Inspiration für den Portico 535) trug.
Und obwohl nur eine so geringe Zeit zur Entwicklung zur Verfügung stand, erschuf Rupert Neve einen zeitlosen Klassiker. Zugegeben, die Wahl einer Diodenbrücke als Regelelement war zur damaligen Zeit, als Halbleiter noch relativ neu waren und es nicht für jede Anwendung spezielle ICs gab, ein Wagnis. Denn ohne zu sehr auf die technischen Hintergründe einzugehen, gibt es ein zentrales Problem bei dieser Art von Schaltung. Damit die Diodenbrücke als Regelelement eingesetzt werden kann, muss das Nutzsignal vorher sehr leise gemacht werden – sonst gibt es Verzerrungen (Fuzz-Effekte nutzen gerade diese Diodenverzerrung aus). Um also nachher wieder auf einen annehmbaren Studiopegel zu kommen, muss das Signal ordentlich verstärkt werden, manchmal um bis zu 60 dB. Und das war 1969 nicht ohne Weiteres und ohne einen gehörigen Anteil an Rauschen möglich.
Der Rupert Neve Designs Portico 535 nimmt sich also der wünschenswerten Charakteristika an und erneuert das Design des 2254, der als Inspiration diente. Dabei wurden der Rauschabstand verbessert, die Attack- und Release-Zeiten erweitert sowie der Regelbereich für Ratio und Threshold. In der Sidechain, die das Kontrollsignal für die Kompression ableitet, kommt nun auch eine Diodenbrücke zum Einsatz (als Vollwellengleichrichter), die erstens schneller reagiert und zweitens weniger Verzerrungen generiert. Denn auch wenn „nur“ das Steuersignal verzerrt ist, wirkt sich das auf die Klangregelung aus.
Die neuen Features
Der ursprüngliche Threshold-Bereich wurde ordentlich erweitert und reicht nun von -18 bis +20 dBu. Eine zusätzliche Ratio von 1:8 ist hinzugekommen und die getrennte Regelung von Attack- und Release-Zeit wurde zugunsten einer Ein-Knopf-Lösung aufgegeben. Mit dem Timing-Regler werden die beiden Werte gleichzeitig eingestellt. Durch den zusätzlicher Fast/Slow-Schalter stehen dann insgesamt zwölf Timing-Einstellungen zur Verfügung. Dabei passen sich die Zeiten nicht nur im Auto-Modus an das Eingangsmaterial an und werden zusätzlich noch von Ratio und Threshold beeinflusst.
Um zu verhindern, Bassanteile im Signal die Kompression zu heftig werden zu lassen (das sog. Pumpen), gibt es ein Highpass-Filter für die Sidechain. Zum Schluss kann das Signal noch um bis zu 20 dBu aufgeholt werden und vor allem mit dem Blend-Regler das Originalsignal stufenlos beigemischt werden (New-York Kompression). Der Kompressor kann auch ganz aus der Signalkette genommen werden (COMP IN), um eine Kontrolle über die Lautstärke des komprimierten Signals durchführen zu können. Eine optische Kontrolle über Eingangs- und Reduktionspegel liefern das LED-Meter mit acht Segmenten.
Praxis
Also wurden die Regelzeiten und das Level-Management an aktuelle Bedürfnisse angepasst, wobei es nunmehr nur noch einen Regler für Attack und Release gibt. Es sollte sich herausstellen, dass ich die getrennte Reglung nicht vermisst habe. Die Regelzeiten im Einzelnen:
- T Fast Attack (750 us), Fast Release (130 ms)
- MF Medium Attack (2,25 ms), Fast Release (130 ms)
- MED Medium Attack (2,25 ms), Medium Release (400 ms)
- MS Medium Attack (4 ms), Slow Release (725 ms)
- SLOW Slow Attack (10 ms), Slow Release (1 s)
- AUTO Medium Attack (5 ms), Dual Decay Release (T1 500 ms, T2 1 s)
Ist der Fast-Schalter aktiviert, halbieren sich die angegebenen Zeiten noch einmal. Dabei sind die angegebenen Zeiten wie gesagt abhängig auch vom Ausgangsmaterial und den Ratio- und Threshold-Einstellungen – und das nicht zu knapp. Zum Beispiel eine Snare. Um dieser eine snappy Attack zu geben, setze ich üblicherweise bei 10 ms Attack-Zeit an. Das funktioniert für VCA-Kompressoren ebenso wie den meisten Plug-in Kompressoren. Um nun einen vergleichbaren Effekt beim Rupert Neve Designs Portico 535 zu erreichen, wähle ich das Timing Medium-Fast (MF). Dort steht zwar 2,25 ms, im Endergebnis läuft es aber auf die besagten 10 ms heraus, bei einer Ratio von 3:1 und einem Threshold von -18 dBu.
Nachdem ich also einige Signale bearbeitet habe, verstärkt sich dieser Eindruck weiter. Den Rupert Neve Designs Portico 535 stellt man eher nach Gehör ein als nach Zahlen. Und das hat eben mit der Charakteristik der Diodenbrücken-Regelung zu tun, die wirklich anders ist als die von VCA- oder Opto-Kompressoren. Von einzelnen Snare-Schlägen, bis zu komplexen Basslines. Der Rupert Neve Designs Portico 535 ist mit ein wenig Geduld und Erfahrung für jede Signalquelle ein Gewinn. Einen nicht unerheblichen Anteil daran hat vor allem der Blend-Regler. Und so kann man auch die übertrieben plakativ „larger-than-life“ Einstellungen nutzen, indem man einfach das Originalsignal beimischt, bis eine organische Verbindung entsteht, die dem Klang noch den gewissen Punch verleiht, ohne dabei zu übertreiben.
Mehrere Spuren komprimieren
In den Beispielen habe ich verschiedene Signalquellen herangenommen und jede konnte vom Portico 535 profitieren. Um einen Eindruck davon zu bekommen, wie mehrere Porticos eine Mischung beeinflussen, habe ich allen vier Spuren einer Idee, die ich gerade aufnahm, nacheinander mit dem Portico 535 bearbeitet.
Dabei kam es mir vor allem darauf an, für jedes Instrument eine Einstellung zu finden, die die Dynamik zwar begrenzt, aber die Lebendigkeit und Transparenz nicht dafür opfert. Wieder war der Blend-Regler hier von unschätzbarer Hilfe. Ich habe die Lautstärke in den ersten Vergleichsbeispielen etwa konstant gehalten, damit man sich auf den akustischen Eindruck konzentrieren kann. Die Beispiele Traveler – Processed und Traveler – Processed – louder input unterscheiden sich dabei im Pegel, mit dem ich den Kompressor anfahre. Im louder input Beispiel lag der Eingangspegel jeder Spur ca. 4 dB höher.
Man kann deutlich hören, wie sich der Klang der einzelnen Instrumente verdichtet und zu einem Ganzen zusammenfügt. Der Effekt verstärkt sich noch, wenn man die louder input-Versionen hört. Ich habe hier den Rupert Neve Designs Portico 535 aber dennoch eher dezent eingesetzt, denn richtig heftig kann er auch – aber ich denke der gezeigte Einsatz wird der Häufigere sein.
Schön, dass es nicht nur aussagekräftige Audiobeispiele gibt, nein, auch noch den Mix samt Foto mit den fünf Einstellungen. Feiner Testbericht, Thilo. Leider scheint der Portico auch ein feines Ding zu sein….
Super Test, perfekte Klangbeispiele und als Sahnehäubchen noch ein Foto von den Innereien des schicken Teilchens.
Ich bin begeistert. Danke!
Danke für den tollen aussagekräftigen Test mit entsprechenden Klangbeispielen. Kein Vergleich zu dem Dangerous Music 2-Bus Test von neulich. Bitte weiter so.
Vielen Dank,
ch bleib dran versprochen!
Und was den Portico angeht – wenn man den mal im Setup hat, tut es echt weh den wieder herauszurücken.