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Test: sE Electronics RNT, Großmembranmikrofon

(ID: 222418)

Ran an den Speck des sE Electronics RNT

Beim Aufbau des sE Electronics RNT stört ein kleines Detail den sonst einwandfreien Verarbeitungseindruck: Schraubt man das Mikrofon in die Spinne, quietscht es lautstark vor sich hin. Vielleicht legt sich das ja mit der Zeit, aber in dieser Preisklasse erwarte ich mir absolut butterweich laufende Gewinde. Der Stabilität tut das keinen Abbruch, die Spinne hält das Mikrofon bombenfest und das auch quer, falls man es zum Beispiel als Drum-Overhead positionieren will.

Schalten wir nun also die Floorbox ein und legen endlich los! Oder besser gesagt, legen wir uns noch ca. 15 Minuten hin oder machen erst mal Kaffee, denn ein wenig Aufwärmzeit sollte man so einem Röhrenmikrofon schon gönnen. Auch überlegt man sich am besten vor dem Einschalten, wie man das sE RNT positionieren will, denn zu viel Herumgewackel setzte der heißen Röhre zu und verkürzt auf lange Sicht ihre Lebensdauer.

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Ich habe für meinen Test die Sängerin Pat Appleton eingeladen und sie gebeten, ein paar Takes mit dem Mikrofon einzusingen. Einige von euch kennen Pat bestimmt von ihren Solo-Platten oder als Frontsängerin der Band DePhazz, mit der sie gerade das neue Album „Black White Mono“ veröffentlicht hat. Auch an E-Gitarre, Akustikgitarre und E-Bass habe ich das Mikrofon getestet und zahlreiche Klangbeispiele von den verschiedenen Richtcharakteristiken für euch gemacht. Als klangliche Referenz habe ich mich entschieden, dem sE Electronics RNT das C414 XLS von AKG zur Seite zu stellen, da das es ein weiterverbreitetes Standard-Mikrofon ist. Durch seine FET-Technik ist es übertragerlos und ein Solid-State-Mikrofon, wodurch der klangliche Unterschied zu den Neve Übertragern und dem Röhrenaufbau des sE RNT anschaulich dargestellt werden soll.

Auf dem Weg in den Computer kommen nur die internen Vorverstärker meines RME UFX zum Einsatz, damit keine externen Preamps (und damit weitere Übertrager) den Klang beeinflussen.

Bei einem so eigenständigen Mikrofon ist man immer versucht, es in eine Schublade einzuordnen. Hier klingt es wie Modell XY, da würde Modell YX aber anders klingen etc. Man muss aufpassen, sich sein Urteilsvermögen nicht durch zu viele klassische Referenzen und Hörerwartungen zu beeinflussen.

Ein Blick auf das Frequenzdiagramm des sE Electronics RNT offenbart schon, dass es deutlich heller abgestimmt ist als das AKG C414.

In „Niere“ ist der Frequenzgang bis 6 kHz absolut linear und steigt dann bis 10 kHz um rund 4 dB an. Im Modus „Acht“ fällt dieser Anstieg in den Höhen deutlich geringer aus. Hier steigt der Frequenzgang laut Messdiagramm bereits schon ab 2 kHz an und erreicht sein Maximum + 2 dB ab 5 kHz.

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Die Rückseite des sE Electronics RNT

Meine eigenen Messungen bei den Tests mit E-Gitarre weichen allerdings etwas von den Diagrammen im Handbuch ab.

Die Acht betont den Bereich zwischen 3 und 7 kHz um stellenweise 5 dB mehr als im Modus Niere.
Auch im Bereich zwischen 100 und 500 Hz ist die Abschwächung etwas größer, als das Diagramm vermuten lässt.

Beim Vergleich zwischen Kugel und Niere zeigt sich das Bild genau andersherum. Hier gibt es eine Absenkung zwischen 3 und 7 kHz um stellenweise bis zu 5 dB mit einer leichten Betonung im Bassbereich zwischen 100 und 500 Hz um ca. 3 dB.

Dadurch entsteht der erste Eindruck von einer ausgewogenen Niere, einer etwas aggressiven Acht und einer bedeckten Kugel. Veränderungen im Frequenzgang sind übrigens per se nichts Schlimmes und kommen in den besten Familien vor. Wenn der Aufnahmeraum eine gute Akustik besitzt, lässt sich mit den unterschiedlichen Richtcharakteristiken auch „klangmalerisch“ arbeiten.
Die Niere gefällt mir zum Beispiel bei der verzerrten Crunch E-Gitarre sehr gut, beim Solo könnte man die Acht verwenden, um mehr Biss und Durchsetzungskraft zu haben. Für eine cleanere Jazz-Gitarre würde ich eher die Kugel verwenden, die klanglich fast schon in Richtung Bändchenmikrofon geht und das Signal butterweich werden lässt.

In den folgenden Klangbeispielen betrug die Distanz zwischen Kapsel und Box 14 cm, wobei das Mikrofon mittig zwischen der Sicke und der Spule (Abdeckklappe) plaziert wurde.
Das DI-Signal wurde vorab aufgenommen und in einen Acoustic G60T, den Stephan Güte erst kürzlich getestet hat, geschickt.

Ich muss schon sagen, dass mich das sE hier an verzerrter E-Gitarre sehr begeistert. Normalerweise würde ich ein Großmembran nicht dafür verwenden, aber das sE Electronics RNT meistert diese Aufgabe mit Bravour.

Das sE Electronics RNT in Aktion

Als nächstes war meine Akustikgitarre an der Reihe. Hier gefällt mir das sE Electronics RNT besonders dank der wunderbar „schimmernden“ Höhen. Diese haben nichts Scharfkantiges und sind trotz aller Klarheit sehr weich und angenehm. So höre ich meine Taylor gerne. Auch die Bässe sind straff und nicht überbetont oder wummernd. Die Klangbeispiele dafür wurden im Abstand von 20 cm am Hals/Korpus-Übergang (14. Bund) gemacht.

Auch am E-Bass habe ich das sE RNT getestet und die beiden Möglichkeiten zur Bassabschwächung genutzt:

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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Danke für den spannenden und ausführlichen Testbericht.
    Den Klangbeispielen nach zu urteilen, schliesse ich mich der Meinung des Autors weitestgehend an. Am besten gefällt mir das SE an der Crunchgitarre, E-Bass und Sprache. In der Reihenfolge.
    Die Steelstring (am ehesten noch Picking) und Gesang passen nicht so.
    Ich könnte mir aber vorstellen, dass die doch sehr spezielle Höhenabbildung für bestimmte Stimmen und Anwendungen dann gerade passt.
    Etwas skeptisch bin ich was die eingesetzten RME-UFX „preamps“ angeht. Etwas leistungsfähiger bzw. neutraler hätte der test Preamp schon seien dürfen.
    Die RMEs sind nicht meiner Erfahrung nach keine guten, insbesondere keine neutralen Preamps. Übertrager hin oder her. Die Passung Mic->MicPre kann auch bei hochwertigen Mikrofonen grosse Unterschiede machen. Wer weiss, ob sich das Höhenbild mit einem adequaten Preamp nicht doch etwas gnädiger darstellt. Hörbar klingt auch das 414 in dieser Kombination nicht so dolle.

    • Profilbild
      Raphael Tschernuth RED

      Hi psv-ddv,

      freut mich, dass dir der Test gefällt.
      Ich wollte euch mal ein paar Klangbeispiele anbieten und bin damit in die Vollen gegangen ;)
      Klar kann man mit einem guten, externen Preamp noch etwas rausholen.
      Ich habe in meinem Studio ziemlich viele „Färber“, also Preamps, die sich schon recht deutlich auf den Klang auswirken. Dann gibt es mit verschiedenen Impedanzen und mehr Sättigung / weniger Sättigung gleich zig Variationen.
      Meine Wahl viel auch auf den RME, weil ich in der gleichen Session noch das GA-47 von Golden Age Premier getestet habe und 3 identische Mikrofonpreamps benötigte. (Der Test folgt in den nächsten Tagen)
      Ich hoffe, du kannst dir trotzdem ein paar Erkenntnisse aus den Audiobeispielen ziehen :)

      • Profilbild
        AMAZONA Archiv

        @Raphael Tschernuth Ja klar, Deine Klangbeispiele sind trotzdem aufschlussreich.
        Ich nutze im Studio mittlerweile keine explizit färbenden Pres mehr sondern versuche da nur mit der Quelle, also Mic und Positionierung zu arbeiten. Die RMEs wären mir nicht neutral genug. Dein Argument mit den 3 identischen Vorverstärkern lasse ich aber mal gelten ;)
        Freue mich auf den nächsten Test.

          • Profilbild
            AMAZONA Archiv

            @Dimension D Wenn man der Werbung glaubt, ja.
            Konstruktionsbedingt färben sie nicht vordergründig, wie z.B. viele Röhren-Preamps.
            Die Färbung ist subtiler und damit meiner Erfahrung nach problematischer, weil man sie nicht sofort bemerkt.
            Ich würde das eher pseudoneutral nennen.
            Wären RME Preamps wirklich neutral würde im Vergleich mit aufwändigeren neutralen Preamps kein qualitativer Unterschied hörbar sein. Genau das kannst Du aber z.B. in vergleichenden Testberichten immer wieder lesen. Gleiches gilt für die Wandler.
            Ist natürlich auch ein Preis/Leistungs Ding. RME liegt ja preislich eher in der unteren Mitte des Marktes. Da muss man abwägen, was einem wichtig ist.
            …und bevor mir hier Jemand RME bashing vorwirft, Treiber programmieren können die richtig gut.

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