Studio oder HiFi? Oder gar beides?
Mit dem Sennheiser HD620S möchte das Unternehmen mit Sitz im niedersächsischen Wedemark einen konventionellen geschlossenen Kopfhörer mit einem möglichst offenen Klangbild ausstatten. Ob und in welcher Form das gelingt, haben wir für euch getestet.
Inhaltsverzeichnis
Sennheiser HD620S – Überblick
Die Firma Sennheiser gehört mit Sicherheit zu den bekanntesten Herstellern aus dem Studio-/Live- bzw. Pro-Audio-Segment und seit der Gründung 1945 hat man sich einen festen Platz in der Branche erarbeitet. Mit dem HD620S haben wir uns kürzlich das neueste Kopfhörermodell von Sennheiser ins Studio geholt. Die Ankündigung liest sich auf alle Fälle interessant:
„Wer sagt, dass ein geschlossener Kopfhörer nicht offen klingen kann? Der HD 620S ist ein geschlossener Kopfhörer für alle Audio-Enthusiasten, die ein ablenkungsfreies Hörerlebnis suchen, ohne auf einen natürlichen, luftigen und detaillierten Klang zu verzichten. Mit seiner außergewöhnlich offenen Schallwand und den angewinkelten Wandlern gelingt es ihm, die räumliche Abbildung von Lautsprechern zu reproduzieren – ohne dass du abgelenkt wirst oder andere störst.
Auch wenn das in der Pressemeldung durchaus nach HiFi-Kopfhörer klingt, haben wir uns dazu entschlossen, den HD620S zu testen, denn die Vergangenheit hat – zumindest im Hinblick auf die Sennheiser Kopfhörer – gezeigt, dass sich eine Vielzahl der vermeintlichen HiFi-Kopfhörer der Firma auch für das Studio einsetzen lassen und dies auch von vielen unserer Lesern so in der Praxis gemacht wird.
Aufbau des Sennheiser HD620S
Der HD620S wird in einem schnörkelosen, vor allem in Blau gehaltenem Pappkarton ausgeliefert. Neben dem Kopfhörer selbst befindet sich darin ein 1,8 m langes, gerades Kabel, das auf der linken Seite des Kopfhörers angeschlossen wird. Durch eine halbe Drehung des Steckers wird das Kabel in der Buchse verriegelt und kann so nicht aus Versehen herausrutschen. Auf der anderen Seite endet das Kabel auf einem vergoldeten 3,5 mm Miniklinkenstecker. Ein Adapter auf 6,3 mm Klinke liegt bei.
Zur Aufbewahrung und für den Transport legt Sennheiser dem Kopfhörer einen Stoffbeutel bei. Dieser schützt den Kopfhörer zwar nicht vor größeren Blessuren, sofern er einmal herunterfällt, aber für die Aufbewahrung ist solch ein Beutel ein gern gesehenes Extra.
Optisch präsentiert sich der Kopfhörer schnörkellos und dezent. Schwarz ist in diesem Fall die Farbe der Wahl bei Sennheiser, was dem HD620S ein zeitloses Äußeres verpasst. Lediglich das Sennheiser Logo auf den Außenseiten der Ohrmuscheln sowie der Firmenname heben sich durch die silberne Farbgebung ab. Die Form ist modern gestaltet und insgesamt gefällt mir der Kopfhörer sehr gut.
Der Kopfhörer besteht größtenteils aus Kunststoff und bringt entsprechend moderate 326 g auf die Waage. Die beiden Ohrmuscheln lassen sich sowohl horizontal als auch vertikal nur um wenige Millimeter drehen, was ausreicht, um den Kopfhörer an die eigene Kopfform anzupassen, mehr aber auch nicht. Einseitiges Abhören ist nicht möglich, dafür ist der HD620S aber auch ehrlicherweise nicht gedacht. Klein und kompakt zusammenfaltbare Kopfhörer erfreuen sich größerer Beliebtheit, aber auch hier muss der HD620S passen. Einklappen, umschwenken & Co. sind nicht vorgesehen.
Die Verarbeitung machen einen sehr guten Eindruck. Ausreichend robust gebaut ist der Sennheiser Kopfhörer allemal. Wer den HD620S vorwiegend im Tonstudio oder zu Hause nutzt, wird sicherlich lange Freude daran haben. Links und rechts lassen sich die Ohrmuscheln jeweils um ordentliche 5,5 cm ausfahren, so dass auch größere Köpfe darunter Platz finden sollten.
Tragekomfort des HD620S
Der Anspressdruck ist vergleichsweise hoch und zusammen mit seiner hohen Dämpfung überkommt mich nach dem ersten Aufsetzen zunächst das klassische Gefühl eines abgeschotteten, geschlossenen Kopfhörer. Vom einem „offenen Gefühl“ kann ich da erstmal nicht sprechen, aber dazu später mehr.
Die Innenseiten der Ohrmuscheln sind mit Kunstleder ausgestattet und liegen sanft am Ohr an. Weich sind sie, allerdings wird es bei längeren Hör-Sessions recht schnell warm. Schade, da gefallen mir die Velours-Polster des HD490 Pro oder des HD 660S2 deutlich besser.
Der Kopfbügel passt sich wie gesagt gut an meine Kopfform an. Und auch bei einigen Studio-Kollegen sitzt der Kopfhörer gut und verrutscht nicht. Im Takt nicken und den Kopf dazu bewegen, geht mit dem HD620S somit einwandfrei.
Die Dämpfung nach außen hin und umgekehrt die von Außengeräuschen nach innen fällt gut aus, so dass man zu Hause niemanden stört und sie sorgt ebenfalls dafür, dass man von der Außenwelt relativ wenig mitbekommt.
Technische Daten zum Sennheiser HD620S
Der HD620S ist ein dynamischer Kopfhörer, der mit einem Frequenzbereich von 6 bis 30.000 Hz aufwartet. Der Kennschalldruck liegt bei 105 dB (1 kHz/1 Vrms) und die Impedanz gibt Sennheiser mit 150 Ohm an. 42 mm messen die verbauten Treiber und laut Sennheiser spielen diese in eine offene Schallwand hinein, was zum erwähnten offenen Klang führen soll. Von außen ist davon nichts zu erkennen, denn die Außenseiten der Ohrmuscheln sind, wie üblich bei einem geschlossenen Kopfhörer, eben nicht mit einem luft- und schalldurchlässigem Gitter versehen, sondern mit einer Kunststoffplatte abgeschlossen.
Die Wandler sind leicht angewinkelt verbaut, was laut Sennheiser zu einer breiteren Klangbühne führen soll.
Wie klingt der Kopfhörer Sennheiser HD620S?
Um den offenen Klang des HD620S zu belegen, hat Sennheiser auf der Website zum Kopfhörer ein Frequenzdiagramm zum HD620S im Vergleich zum offenen Modell HD600 eingebaut. Wie zu erkennen ist, wartet der HD620S mit einem stärkeren Bassbereich auf, während der Klang zwischen 200 Hz und 10.000 Hz relativ identisch ist, auch wenn sich die Kurven oberhalb von ca. 3.000 Hz leicht verschoben sind.
Auch wenn ich keinen direkten Vergleich zum HD600 ziehen kann, empfinde ich den Bassbereich des HD620S als gut ausgeprägt, aber sicherlich nicht als mega druckvoll. Akkurat und – typisch geschlossener Kopfhörer – eben mit einem ordentlichen Druck versehen, bringt der Sennheiser Kopfhörer Kickdrums und Bässe gut ans Ohr. Dabei bleibt er auch bei höheren Lautstärken akkurat und verzerrt nicht.
Besonders auffällig und positiv zu bewerten ist der mittlere Frequenzbereich. Hier zeigt der Sennheiser HD620S was er kann und das bedeutet: viele Details ans Ohr bringen. Auch wenn der HD620S, wie eingangs erwähnt, schon als Kopfhörer beworben wird, mit dem man Musik vor allem genießt und nicht bewertet, kann er mit seinem Klangbild auf alle Fälle auch für den Studioeinsatz herangezogen werden. Grundsätzlich höre ich beim HD620S keinerlei Verfärbungen, für Recording würde ich ihn also sicherlich nutzen.
Auch im Höhenbereich bringt der HD620S den Klang mit viel Detailreichtum ans Ohr und überzeugt hier vor allem bei akustischen Songs. Für den Pop- und Electro-Bereich könnte er zwar durchaus noch mehr Pegel bieten, denn hier muss man den Kopfhörer am Verstärker schon weiter aufziehen als bei Vergleichskandidaten und insgesamt sind da Mitbewerber einfach noch ein Stück lauter und druckvoller.
Bei der Darstellung der Stereobühne und Tiefenstaffelung empfinde ich den Kopfhörer als gut. Positionierungen auf der virtuellen Bühne lassen sich mit dem Sennheiser Kopfhörer gut nachvollziehen und entsprechend eignet er sich in diesem Bereich auch für Mix-Entscheidungen.
Noch ein paar Worte zum offenen Klang des HD620S: Im Vergleich zu meinem eigenen AKG K812 ist der Klang des Sennheisers schon ein deutliches Stück von einem wirklich offenen Klang entfernt. Das fängt schon beim Gefühl nach dem Aufsetzen des Kopfhörers an, da liegen konstruktionsbedingt einfach Welten zwischen den beiden Kopfhörern – und fairerweise erwähnt, natürlich auch ein paar hundert Euro. Aber auch klanglich sehe ich den HD620S nicht wirklich als offene Variante oder Kombi mit „dem Besten aus beiden Welten“.
Interessant das eben eher höherpreisige gerne Kunstleder benutzen, was unverzüglich zum Schwitzen neigt. (Ganz schlimm: AKG) Im Sommer gleich doppelt. Ich kann es leider nicht direkt vergleichen, aber hatte (aktuell sind es die dritten Studioheadphones) immer nur Polster und das ist wirklich klasse! So eine Traditionsfirma wie Sennheiser sollte das eig. wissen! Was ich nicht weiß? Vielleicht kann man diese Polster ersetzen durch andere Materialien. Ich verstehe solche Dinge nicht wirklich. 🤷♂️
@Filterpad Es gibt spezielle Hersteller für Ohrpolster aller Marken z. Bsp. Dekoni Audio:
https://dekoniaudio.com
@Filterpad Ich würde auch immer Velours bevorzugen, allerdings ist das schlagende Argument, dass eben nur die Kunstleder-Muscheln wirklich dicht abschließen. Darum sind die bei allen geschlossenen und ANC-Kopfhörern (leider) Standard.
Mich stört sehr das die Treiber ungeschützt sind und würde den Kopfhörer schon deshalb nicht kaufen.
Was mich bei KHs immer fuchst, ist das Kabeleräusch, wenn man selbiges bewegt. Es gibt Modelle, die soviel davon auf die Ohrmuscheln übertragen, dass es stört. Besonders bei starren Kabeln und sehr leicht gebackenen Kunststoffmuscheln. Das AKG271 headset ist so ein Kandidat.
Wie ist das hier?
@sola Stimmt, das 271 ist der blanke Horror. Eigentlich braucht man dazu keine weitere Schallquelle mehr. 🤨
@sola Also ich find‘s bei dem nicht besonders ausgeprägt bzw. störend.
Habe mir einen Gebrauchten zugelegt, um tagsüber ungestört abhören zu können. Hatte als Besitzer diverser HDs (580J, 600, 650, 6xx, 820s) nichts Besonderes erwartet und bin jetzt nach einer guten Stunde Dauerhören doch sehr positiv überrascht. Für einen Geschlossenen klingt der wirklich ganz hervorragend, fein, transparent aber auch kraftvoll und voluminös.
Er ist jetzt auch nicht im Ansatz lästig geworden und ich könnte sicher noch eine ganze Weile weiter hören, wenn jetzt nicht gleich Besuch kommen würde.
Also ich kann den nur empfehlen.