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Test: Solid Gold FX Lysis, 76 Plus – Verzerrer-Pedale

Fuzz-Synthie und Germanium Schlachtschiff im Doppelpack

10. Mai 2020

Test: Solid Gold FX Lysis Fuzz 76 Plus Fuzz

Das allererste Mal, als der Fuzz-Effekt auf einem Tonträger landete, war 1960. Marty Robbins‘ Single „Don’t worry“ wies während des Bass-Solos einen eigenartigen Effekt auf, der eher durch Zufall entstanden war. Gibson griffen 1962 das Ganze auf und entwickelten den ersten Fuzz der Geschichte – den Maestro Fuzz, das erste kommerzielle Fuzz-Pedal. Wer die damalige Promotion  für das Maestro aus den frühen 60ern hören möchte:

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Fuzz ist eine seltsame Angelegenheit. Der Effekt hat ein Eigenleben entwickelt, manche Genres gewürzt, andere quasi maßgeblich entstehen lassen. Gated Fuzz, Octaver Fuzz, Germanium Fuzz – ein paar Verstärkerstufen hintereinander, Kompression und Rechtecksignal – fertig ist das Sägewerk. Ein guter Bekannter von mir kann stundenlang über Transistoren und Schaltkreise in Fuzz-Pedalen reden. Overdrive- oder Distortion-Pedale entfachen meines Wissens nicht die gleiche Begeisterung in Leuten, aber da könnte ich eventuell falsch liegen. Ich selbst habe den Russian Muff Pi V7, die Fuzz Factory 7 und den Incinerator von Industrialectric in den letzten paar Jahren als beste Fuzz-Erfahrungen erlebt – es kann einfach einen Heidenspaß machen loszubrutzeln. Dass auf diese kleine Liste nun zwei weitere Namen hinzukommen, ist Solid Gold FX aus Montreal zu verdanken. Wir haben in unserer Redaktion das heiß erwartete Lysis zum Testen bekommen sowie das 76 Plus – ein Pedal hat meine Erfahrungen erfüllt, das andere hat sie übertroffen.

Solid Gold FX Lysis & 76 Plus, Fuzz-Pedale

Solid Gold FX sind keine frisch aus dem Boden gestampfte Firma, sondern bereits seit eineinhalb Jahrzehnten am Machen und Werkeln – der Apollo-Phaser dürfte den meisten noch am ehesten ein Begriff sein. Sie sind nicht auf Verzerrungen und Fuzz spezialisiert, sondern bedienen die ganze Bandbreite. Weshalb das Lysis und das 76 Plus sich hervorheben, werden wir in diesem Doppeltest nachvollziehen. Gleich im Vorfeld – die Pedale zu paaren, ist nur bedingt sinnvoll. Doch beide punkten mit ihrem individuellen Charakter. Der Reihe nach:

Solid Gold FX Lysis – Facts, Features & Panel

Der Solid Gold FX Lysis ist polyphon mit deutlichem Synthie-Charakter – weniger also Abrissbirne, mehr ein psychedelischer Tausendsassa. Ausgangspunkt ist ein Square- oder Sawtooth-Signal, das mit einer Filter-modulierten Oktave angereichert wird. Gab’s schon mal? Definitiv, aber bei der Filter-Sektion des Solid Gold FX Lysis wird es spannend – dazu später mehr. Das Solid Gold FX Lysis besitzt für Eingang und Ausgang zwei 6,3 mm Klinken und eine 6,3 mm Klinke für das Expression-Pedal. Die Verarbeitung ist grundsolide, die Regler sind nicht eingerastet, sondern haben einen freien Regelweg, darüber hinaus wiegt das gute Stück 365 g. Die Maße sind für ein Fuzz nicht unbedingt Pedalboard-freundlich, sondern machen sich auf dem Brett mit 125 x 95 x 65 mm ein bisschen breit, aber das ist zu verschmerzen.

Test: Solid Gold FX Lysis Fuzz 76 Plus Fuzz

Das Panel verzeichnet fünf Regler, vier Kippschalter, zwei Fußschalter – nicht ganz unkompliziert, dafür gibt sich der Lysis äußerst vielseitig. Die Modulation des Filters kann auf vielen Wegen erfolgen. Schauen wir uns das mal genauer an:

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  • Freq: Ob die Cutoff-Frequenz des Filters hier eingestellt wird oder die Geschwindigkeit der Modulation beim Filter, hängt davon ab, wie man den Mode-Kippschalter einstellt – links Frequenz, rechts Geschwindigkeit.
  • Mod: Auch hier kommt es auf den Mode-Kippschalter an, der prinzipiell das Filter fixiert oder moduliert. Der Mod-Regler verwandelt das Filter im fixierten Modus in eine Art Vibrato mit Chorus- und Flanger-Anleihen, während er in der rechten Position des Mod-Kippschalters die Intensität des Filter-LFOs einstellt.
  • Blend: Wie viel Filter und Fuzz man zusammen klanglich vermischen will, lässt sich über diesen Regler einstellen. Komplett im Uhrzeigersinn ertönt nur das Filter.
  • Fuzz: Der „magische“ Regler des Ganzen – hier wird eingestellt, wie viel Fuzz ins Signal gemischt wird. Ganz links: Crunch, warm und transparent, ganz rechts: Sägezahn-Fuzz mit Lead-Charakter.
  • Vol: Wie laut der Lysis insgesamt ausfallen soll, lässt sich an diesem Master-Volume-Regler einstellen.

Die Kippschalter vertiefen die Vielfalt des Lysis Fuzz Pedals. Was die genau tun:

  • Warp: Hierzu korrespondiert der Warp-Fußschalter. Der Mod-Schalter, der die Modulation maßgeblich formt, wird durch den Warp-Fußschalter angesteuert. In der linken Position des Kippschalters aktiviert der Fußschalter einen Sweep gen Minimalwert, in der rechten Position einen gen Maximalwert.
  • Voice: Wie viel Präsenz soll die untere Oktave haben? Auf der linken Seite des Voice-Kippschalters schmiegt sich die Oktave an das Signal, während sie auf der rechten Seite einen saftigen Synthesizer-Sound formt.
  • Mode: Der bereits erwähnte, mit dem Freq- und Mod-Regler interagierende Kippschalter. Er fixiert die Modulation des Filters auf der rechten Position für den Freq-Regler und lässt ihn offen auf der linken Position, sodass er mit dem Mod-Regler oder einem Expression-Pedal geändert werden kann.
  • HPF/LPF: Und wie jedes gute Fuzz-Pedal, das etwas auf sich hält, besitzt auch der Lysis wahlweise ein Hochpass- oder Tiefpass-Filter.

Solid Gold FX 76 Plus – Facts, Features, Panel

Gleich vorweg – und das sage ich im vollem Bewusstsein meiner subjektiven Wahrnehmung: Der Solid Gold FX 76 Plus hat den Fuzz-Tone, den ich persönlich schon länger gesucht habe. Er ist unglaublich brachial. Germanium-Fuzz-Pedale müssen bei den höheren Frequenzen des Öfteren einstecken und klingen nicht ganz so bissig, schießen aber des Öfteren über das Ziel hinaus und sind im Klangbild ungemein harsch. Der 76 Plus klingt wie ein kochender Germanium-Topf, ohne einem das Gehör zu zerreißen. Meiner Empfindung trifft er also den von mir gesuchten Sweet Spot.

Test: Solid Gold FX Lysis Fuzz 76 Plus Fuzz

Für das 76 Plus haben sich Solid Gold FX vom Univox Super Fuzz und dem Shin-Ei Companion inspirieren lassen. Man weiß also, wohin die Reise geht. Auch hier gibt es oktaviert eins drauf – ein Octave-up auf den Sägezahn, dazu ein integrierter Auto-Wah – in Kombination also auch wieder echte Vielfalt, aber in Abgrenzung zum Lysis: weniger Synthie-Charakter, mehr brachialer Fuzz. In Sachen Features deckt sich das Gegebene mit dem Lysis: Breite Maße, zwei 6,3 mm Klinken für den Ein- und Ausgang, eine Klinke für ein Expression-Pedal. Und auch das Panel ist in Sachen Aufbau identisch zum Lysis: zwei Fußschalter, vier Kippschalter, fünf Regler.

  • Volume links: Fuzz-Volume
  • Volume rechts: Filter-Volume.
  • Speed: Das integrierte Wah/Filter kann schnell oder langsam moduliert werden – mit diesem Regler.
  • Fuzz: erklärt sich von selbst – ganz rechts brettert es ganz schön gehörig, ganz links gibt’s zwar keinen sanften, warmen Crunch, sondern einen leichten gated Fuzz.
  • Texture: Mitten! Das ist einer der Hauptunterschiede zum Lysis – der 76 Plus gibt einem ausführliche Kontrolle über die Mitten. Beißend oder tiefer Mid-Scoop – beides drin und alles dazwischen.

Test: Solid Gold FX Lysis Fuzz 76 Plus Fuzz

Die Kippschalter des 76 Plus erweitern auch in diesem Falle die Bandbreite des 76 Plus enorm. Was heißt das konkret:

  • Color: Höhen? Brauche ich nicht. Für diesen Fall hat der 76 Plus drei Modi: Starker Treble-Cutoff, schwacher Treble-Cutoff oder gar kein Cutoff.
  • Clip: Die Varianten des Clippings beim 76 Plus: Starke Vintage-Kompression ganz links, rechts ein bisschen ausgewogener und in der mittleren Position gibt’s einen ordentlichen Punch.
  • Mode: Drei Filtermodi können hier eingestellt werden: Manual, Triangle und Square, von links nach rechts. Daran koppelt sich der Shape-Kippschalter, der pro Position eine Verlaufsform des Filters anbietet:

Test: Solid Gold FX Lysis Fuzz 76 Plus Fuzz

Bei beiden Pedalen ist das Netzteil im Lieferumfang nicht enthalten, übrigens (wann ist es das noch heutzutage?). Wir schauen uns jetzt im Praxisteil genau an, was die beiden Pedale jeweils auszeichnet.

Solid Gold FX Fuzz und Distortion – in der Praxis

Hut ab – selten soviel Spaß mit zwei Fuzz-Pedalen gehabt. Die zum Teil hoffnungslos überteuerten ZVex-Geschichten lassen einen manchmal ein bisschen frustriert zurück, was die Boutique-Landschaft in Sachen Fuzz angeht. Und klar ist – ein absoluter Preiskiller sind die zwei Solid Gold FX Pedale nicht. Aber die Leistung stimmt – fangen wir mit dem Solid Gold FX 76 Plus an, das es mir zweifelsohne sehr angetan hat. Der Silicon-Charakter mancher Fuzz-Pedale ist oftmals harscher als die Germanium-Stompboxen und in der Hinsicht oftmals beißend, hell und sehr harsch. Damit habe ich mich auch des Öfteren schwergetan. Der 76 Plus besitzt die Direktheit eines Silicon-Fuzz, behält aber dabei sein Low-End und bleibt zerstörerisch. Ob ein brutzelnder Gated-Fuzz wie in Beispiel 2 oder die Vielschichtigkeit des Filters durch seine Modi – der 76 Plus kann viel und verhebt sich dabei nicht.

Der Lysis – davon ist zumindest auszugehen – dürfte das etwas populärere Gerät von den beiden werden. Diese Übergänge von Fuzz und Synthie-Sounds sind oftmals fließend – beim Lysis ist vor allem der Voice-Schalter entscheidend, um das Pedal in eine retro Synthie-Maschine oder einen puren Octaver-Fuzz zu verwandeln. Germanium-Charakter trifft auf Vibe-Modulation und eine hochflexible Oktave. Der Lysis brettert nicht ansatzweise so heftig wie der 76 Plus, dafür ist der Frequenzrahmen, den der Lysis abdeckt, beachtlich. Der Filter LFO moduliert den Fuzz auch bei niedrigen Werten ganz leicht und macht das Sustain ein bisschen unberechenbar – aber das stört nicht. Das hintere Drittel von Klangbeispiel 4 demonstriert beispielsweise die Fuzz-Voice der Oktave, abseits der Synth-Charakteristik und die zweite Hälfte von Klangbeispiel 5 zeigt, was passiert, wenn man das Lowpass-Filter aktiviert, die Modulation zurückdreht und den Fuzz pur entfesselt.

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Fazit

Leichtes Rauschen, das gilt für beide Pedale. Aber wir befinden uns hier in Fuzz-Gefilden, insofern sollte das niemanden überraschen. Während der 76 Plus brachial in bester Silikon-Manier zupackt, sind seine Filter-Optionen zahlreich (wenn auch ein bisschen redundant, speziell wenn er mit dem Fuzz parallel geschaltet wird). Der Lysis singt und drückt und offenbart, dass eine Retro-Synth-Voice genauso in ihm steckt wie ein gemeiner, aber warmer Fuzz-Sound. Solid Gold FX sollten mehr Spieler auf dem Radar haben – für die Preis-Riege bekommt man hier echte Boutique-Qualität und das Lysis hat absolutes Kult-Potential.

 

Plus

  • guter, durchschlagender Sound
  • hohe Flexibilität für den Preis

Preis

  • Je 269,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Hmm, den Soundbeispielen nach zu urteilen, ist aber das Lysis das brachialere Gerät… Beim 76er ist irgendwie mehr Gequäke dabei, was auch deswegen schade ist, weil ich selten ein so gut aussehendes Pedal gesehen habe.
    Egal, ich freue mich über jeden Fuzz-Test hier, insbesondere wenn sie wie hier auch noch durch Modulationen aufgewertet werden.

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