Die Legende lebt
Ich gebe es zu: Als ich hörte, dass Magix die Audio- und Video-Software von Sony übernimmt – wie ACID, Spectral Layers Pro, Vegas und eben auch Sound Forge – war ich einerseits erleichtert (da Sony sich bei der Weiterentwicklung dieser Reihen in den letzten Jahren nicht gerade überschlagen hatte), zum anderen auch etwas beunruhigt: Magix brachte ich halt noch immer – trotz Samplitude oder Sequoia – mit ordentlichen, aber eher volksnahen Produkten wie „Retten Sie Ihre Videokassetten“ oder „Music Maker“ in Verbindung. Und da Sound Forge schon seit der Version 4 (also noch zu Sonic Foundry-Zeiten) fester Bestandteil meines Audio-Werkzeugkastens ist, bangte ich schon ein wenig um die Zukunft meines Standard-Tools. Nun ist mit Sound Forge Audio Studio 12 eine erste Weiterentwicklung für Windows PCs aus dem Hause Magix erschienen, nachdem man im Mai bereits eine neue Pro-Version für den Mac abgeliefert hatte. Wie also schlägt sich das neue Sound Forge Audio Studio 12? Muss ich mir ein neues Tool suchen? Oder setzt Magix die gute Arbeit von Sony fort?
Was ist Sound Forge?
Sound Forge Audio Studio 12 ist ein Audio-Editor zum Aufnehmen, Bearbeiten, Optimieren, Exportieren, Konvertieren und Mastern von Audiodateien. Aufnahmen sind in Stereo oder Mono bis zu 32 Bit / 384 kHz möglich, dabei nutzt die neueste Version eine 64 Bit Architektur; Multitracking dagegen ist nicht vorgesehen. Die Software läuft mit Windows 7, 8 und 10 (jeweils 32 und 64 Bit).
Intermezzo: Versions-Wirrwarr
Momentan erhältlich sind Sound Forge Audio Studio 12, Sound Forge Pro 11 (beide für Windows) sowie Sound Forge Pro Mac 3. Die „größte“ Version mit der längsten Entwicklungsgeschichte ist die Pro-Ausgabe für Windows, derzeit also Version 11, eine Version 12 soll Ende des Jahres folgen. Die Pro-Reihe geht zurück auf das Ur-Sound Forge, das Ende des letzten Jahrhunderts von Sonic Foundry entwickelt wurde, 2003 dann an Sony verkauft wurde und 2016 wiederum von Magix übernommen wurde.
Die „Studio-Reihe“ wiederum ist die Lite-Auskopplung aus der Pro-Reihe, mit der – wenn ich mich recht erinnere – Sony mit der Ausgabe 7 begonnen hatte. Wobei die Version 11 dann von Magix übersprungen wurde, um mit der kommenden Pro-Version für Windows wieder im Gleichschritt zu sein. Sound Forge Pro Mac schließlich ist ebenfalls auf Sonys „Mist gewachsen“, als man 2013 schließlich dem Drängen der Mac-Besitzer nachgab und den beliebten Windows Audio-Editor schließlich für den Mac umsetzte – deshalb dann auch die niedrigere Versionsnummer. Allerdings läuft es auf dem Mac noch nicht so stabil und rund wie auf dem Windows-PC, auch fehlt es da noch ein wenig an Umfang.
Die „Audio Master Suite“ schließlich ist ein Bundle, das in der Windows-Version Sound Forge Pro 11, SpectraLayers Pro 4 und der iZotope Mastering & Repair Suite enthält, in der Mac-Version Sound Forge Pro Mac 3, SpectraLayers Pro 4, iZotope RX Elements und iZotope Ozone Elements 7.
Download und Installation
Die Installation geht schnell über die Bühne. Kurz den wenige MB schlanken Installer runterladen, bei der Installation auswählen, ob man die 64 Bit oder die 32 Bit Version benötigt und ob man die zusätzlichen Tools „Magix Audio Cleaning Lab“ (230 MB), „Music Maker“ (700 MB) und „iZotope Ozone 7 Elements“ (90 MB) mit auf die Platte holen will, der Rest ist (ebenso schnelle) Formsache. Bei der Wahl der Verzeichnisse sollte man nicht unbedingt die – meist kleine – C-Partition nehmen; während das Hauptprogramm mit unter 200 MB überschaubar (und erstaunlich) klein ist, können die (temporären) Audiofiles schon einiges an Platz belegen. Aber das nur nebenbei.
Bescheiden ist Sound Forge Audio Studio 12 aber nicht nur im Platzbedarf, sondern auch mit seinen Anforderungen ans System: Mit 512 MB Arbeitsspeicher, einem 1 GHz Prozessor, insgesamt 500 MB für die gesamte Installation und Grafik/Sound onboard lässt sich der Editor auch bequem auf älteren Systemen installieren – ungewöhnlich für eine aktuelle Musik-Software. Für die Registrierung schließlich wird eine einmalige Internetverbindung gefordert, das war es dann aber auch schon.
Die zusätzliche Installation des mitgelieferten Izotope Ozone 7 Elements lohnt in jedem Fall – auch wenn der auf der Magix Website angegebene Wert des Tool-Paketes von 109,- Euro doch ein wenig übertrieben ist. Zwar wird die – mittlerweile erhältliche – 8er-Version von Elements auf der iZotope-Seite mit 99,- US-Dollar aufgeführt, doch gibt’s den 7er inzwischen bereits für 39,- Euro. Trotzdem: Bei einem Preis von 60,- Euro für das Soundforge-Ozone-Paket ist das immer noch eine durchaus lohnenswerte Angelegenheit.
Was ist neu: Fensterpflege
Was sofort gegenüber der Version 10 ins Auge fällt, ist die komplett neu geordnete Benutzeroberfläche. Statt frei skalierbarer Fenster für die einzelnen Audiofiles, die sich beliebig positionieren lassen, gibt es jetzt für jedes File einen Reiter. Die werden entweder nacheinander aufgerufen oder neben- oder übereinander angeordnet. Was für Alt-Sound-Forgeler schon eine Umstellung ist; mal eben einen Abschnitt markieren und per Drag&Drop ein neues File anlegen, scheitert schon daran, dass es keine freien Bereiche mehr im Arbeitsfenster gibt. Ich persönlich finde die neue Aufteilung zwar etwas übersichtlicher (und es sieht auch besser und moderner aus), muss mich aber trotzdem erst einmal daran gewöhnen; meinen persönlichen Workflow bremst das also etwas aus.
Eine echte Verbesserung dagegen stellen die neuen Visualisierungen in Sound Forge Audio Studio 12 dar. Hier ist alles am Start, was es da so gibt: Peakmeter, Vectorskop, Korrelationsmesser, Richtungsmesser, Spektroskop, Spektrogramm, Bitmeter und sogar ein Tuner (mit einer chromatischen, sieben Gitarren-, fünf Bass- und drei Ukulele-Stimmungen) sind im Angebot und können einzeln oder im Verbund aufgerufen werden; für Letzteres gibt es dann mehrere vorgefertigte Layouts. Außerdem lässt sich jede Waveform nun auch alternativ in einer Spektralansicht darstellen.
Es lassen sich auch mehrere Visualisierungsfenster aufrufen und platzieren – zum Beispiel neben der Wellenform (wie früher) der Peakmeter (der jetzt auch die Lautheit mit anzeigt), darunter Korrelations- und Richtungsmesser. Oder was immer man gerade benötigt. Das ist dann schon ziemlich praktisch und flexibel. Auch, weil die früher nur als Pop-up erhältliche Zeitanzeige da mit eingepflegt wurde und jetzt zudem auch deutlich übersichtlicher und reichhaltiger ist.
Was ist neu: Schnittfunktionen
Besonders das Editing war schon immer die Paradedisziplin von Sound Forge. Weshalb ich dann schon seit Jahren meine Radioclips mit Sound Forge recorde und schneide, dann in Wavelab mehrspurig zusammensetze und rendere und das fertige File dann zum Schluss wieder in Sound Forge den letzten Schliff verleihe. Klingt vielleicht etwas umständlich, hat sich aber über Jahre bewährt und geht auch schneller, als es sich vielleicht liest.
Nun also wurde das Editing um einige Neuerungen erweitert. Dazu gehört zum einen das „Slice Editing“. Eine Waveform lässt sich jetzt in mehrere Teile zerlegen („Slices“), die anschließend frei auf der Zeitachse verschoben werden können, wobei sich an den Überlappungen zu dem folgenden (oder vorhergehenden) Slice dann Crossfades generieren lassen. Slices entstehen auch durch das Einkopieren von Audiomaterial in eine Waveform oder durch die Bearbeitung eines Teils; das Ergebnis der Bearbeitung liegt dann über dem Ausgangsmaterial. Gerade beim Zusammenfügen mehrerer Audiofiles ist das schon eine Arbeitserleichterung, werden doch mehrere Arbeitsschritte in einen Durchgang gepackt.
Neu ist auch die „Soft Cut“-Funktion. Dabei werden bei allen Kopieren- und Editing-Operationen, beim Löschen oder bei Effektbearbeitungen automatisch an den Kanten kurze Crossfades zwischen dem eingefügten oder bearbeiteten Audiomaterial eingefügt. Mit Hilfe des Crossfade-Editors können Länge und Kurventypen individuell definiert werden.
Was ist (fast oder weniger) neu: Restauration und Effekte
Dass Magix seine frühere Audio-„Retten-Sie-Ihre-Schallplatten“-Klientel nicht ganz aus den Augen verloren hat, merkt man an den überarbeiteten Restaurationswerkzeugen. Die waren zwar ansatzweise auch schon in früheren Ausgaben enthalten, wurden jetzt aber runderneuert und erweitert. Mit der neuen Spektralbearbeitung (bei der vermutlich die Technik aus dem ebenfalls von Sony erworbenen „SpectraLayers Pro“ mit eingeflossen ist) können gezielt einzelne Bereiche im Klangspektrum des Audiomaterials entfernt werden. Das funktioniert – je nach Ausgangsmaterial und Geduld – recht ordentlich, Wunderdinge sollte man da aber natürlich nicht erwarten. Zudem wurde die Abteilung „Restaurierungs-Effekte“ aufgeräumt. Waren die im Vorgänger noch über mehrere Menüpunkte verteilt (und auch nicht sonderlich zahlreich), gibt’s nun das komplette Quintett aus DeClicker/DeCrackler, DeClipper, DeEsser, DeHisser und DeNoiser auf einen Blick. Weggefallen ist die „Stimmentfernung“ aus der Studio 10-Ausgabe; aber ok, das war eh mehr eine Spielerei, die selten zu einem zufriedenstellenden Ergebnis geführt hat, die wird kaum jemand vermissen.
Bei den „verbauten“ (recht brauchbaren) Effekten gibt’s erst einmal wenig Neues zu berichten. Ok, hier und da wurde umbenannt und verschoben, der alte Envelope ist weggefallen, dafür bietet die 12er-Ausgabe einen Limiter – alles nicht so dramatisch. Dafür wirken die Effekt-Fenster jetzt deutlich übersichtlicher und aufgeräumter, was ebenfalls dem Workflow gut tut. Und schließlich gibt’s mit dem iZotope Ozone 7 Elements-Paket noch eine schöne Zugabe an Mastering-Effekten. Wobei es das aber – wenn ich mich recht erinnere – in ähnlicher Form auch schon in Ausgabe 10 vorhanden war, auch damals gab es schon ein FX-Beipack.
Arbeiten mit Sound Forge Audio Studio 12
Sound Forge Audio Studio 12 verarbeitet eine ganze Anzahl von Formaten, darunter auch etwas exotischere Formen wie MUS oder DSD/DSF (bei den Audios) oder HEVC oder DVCpro (bei den Videos). Dateien werden nicht nur über das übliche Menü, sondern auch über den integrierten Explorer geladen, dann per Drag & Drop, was ebenfalls wieder dem Workflow recht zuträglich ist.
Das Aufnahme-Fenster gibt sich jetzt erheblich auskunftsfreudiger; dass ich hier dann auch gleich Bittiefe, Audioeingang oder Kanäle einstellen kann, ohne erst noch wie früher in die Menüs abtauchen zu müssen, ist ebenso erfreulich wie das Einfügen eines Aufnahme-Timers mit voreinstellbarer Aufnahmedauer. Und dass mir die Pegelautomatik dann auf Wunsch auch eigenständig den Eingangskanal mit dem höchsten anliegenden Pegel auswählt, fällt ebenfalls in die Abteilung „Komfort“.
Weniger schön: Der Menüpunkt „Effektfavoriten“ wurde bei Sound Forge Audio Studio 12 gestrichen – und damit auch die Möglichkeit, meine alten DirectX-Effekte aus (z.B.) Sound Forge Pro 10 zu übernehmen – was im Vorgänger noch bequem machbar war. Lediglich VST-Plug-ins können noch zusätzlich eingelesen werden. Ist zwar auch ganz nett, aber in vielen Fällen (in meinem zum Beispiel) kein adäquater Ersatz. Sollte jemand doch eine Möglichkeit gefunden haben, so gebe er mir bitte Bescheid.
Und sonst so? Erneut wird viel Wert auf das komfortable Brennen der Ergebnisse auf CD gelegt (der Weg zum CD-Master ist noch schneller und komfortabler geworden), die Pitchbend-Funktion hat jetzt endlich ein Fenster über das ganze Display und zudem vernünftige Zeichenfunktionen bekommen (und löst damit das Gefrickel aus der 10er-Version ab) und Audios lassen sich nun leichter aus Videos extrahieren.
Habe ich das richtig verstanden »nur zwei Spuren«? Wer kommt denn damit hin? Wie ist der Klang? Auch ist das Programm in jeder Hinsicht Cockos »Reaper« unterlegen. Besonders glänzt »Reaper« durch einen exelenten Klang und auch hier mit einer ca. 75MB kleinen Installation. Dazu ist der Preis sensationell! »Soundforge« wird es so gesehen sehr schwer haben und ist irgendwie von gestern.
@Franz Walsch Wer mit Samples arbeitet kommt meiner Meinung nach nicht um Soundforge herum. Was Photoshop für Grafik ist Soundforge für Audio! Hoffentlich ändern die Jungs von Magix nicht zu viel an der GUI und vorallem nicht an den Shortcuts!
Es handelt sich um einen – „destruktiv“ arbeitenden – Editor für Audiofiles, ähnlich Steinberg WaveLab, Adobe Audition (im Waveform-Modus) oder – einfacher – Audacity. Und eben KEINE Digital Audio Workstation.
Nicht jeder braucht einen solchen Waveform Editor, aber viele schon – daher ist Soundforge auch immer noch verbreitet. Mit den Waveform-Fenstern üblicher DAWs mit Sequencerfunktion – darunter auch Reaper – kann man derartige Aufgaben jedenfalls nicht oder nur grob und sehr viel langsamer erledigen.
Als Waveform-Editor relativ gut geeignet sind ProTools, Audition und – aus eigenem Hause – MAGIX Samplitude. Dafür haben diese Programme nur rudimentäre bzw. gar keine Sequencingfunktionen, sind also für das reine Recording/Mixing/Mastering – und „Editing“ – gedacht. Ich und andere arbeiten jedenfalls so ähnllich wie Matthias mit Soundforge 10 (für’s Schneiden) im steten Wechsel mit WaveLab 6 (für’s Spectral Editing und mp3-Encoding). Ziemlich strange und oldschool, aber funktional und flott.
Erinnerungen an ShareWare Zeiten werden wach ;D.
Soundforge und CoolEdit waren die Alternativen zum damals schon sauteuren WaveLab. Aber nur 2 Spuren für die kleine Version und dann gleich 300 für die Pro-Version? Hm neee muss nich sein.
Top Tipp für alle „einfachen“ Audio-Anwendungen: Audacity. Kostenlos, für Windows und Mac erhältlich, mit Plugins enorm erweiterbar und out-of-box schon mit reichlich Features am Start. Mehrspur? So viel, wie der Rechner kann…
Eine kleine Frage. Sound Forge benutze ich seit der ersten Version zur Sample-Bearbeitung. Schneiden, Loopen etc. Da gab es für mich nie etwas besseres. Bei der MAC Version wurde die für mich wichtigste Funktion weggelassen: Der Looptuner. Darum meine Frage: Gibt es den Looptuner noch? Wird es den Looptuner auch mal für die MAC Version geben? Eine kurze Antwort wäre super. Auf der Webseite von Magic konnte ich keinerlei Angaben zum Looptuner finden.
@Jörg Schaaf In der 12er Audio Studio-Version für PC ist der Loop-Tuner nicht mit dabei (zumindest konnte ich ihn nirgendwo finden, auch der alte Shortcut ALT+Ctrl+3 ist nicht mehr besetzt). Ob es den für den Mac geben wird, kann ich nicht sagen, hab die Frage aber an die Entwickler weitergegeben. Sollte es da eine Antwort geben, werde ich die hier natürlich posten.
Ich habe früher Cool Edit Pro fürs Aufnehmen verwendet, war damit eigentlich ganz zufrieden, vor allem mit den Edit-Möglichkeiten, aber der Sound war irgendwie nix, weshalb ich auf Reaper umstieg, womit ich sehr zufrieden bin. Allerdings vermisse ich schmerzlich die direkten Edits, die mit Cool Edit möglich waren – also einen Teil der Aufnahme markieren und div. Effekte, Reverse, usw. auf die Selektion anwenden. Das geht zwar mit Reaper irgendwie auch, ist mir aber zu umständlich. Kann ich das mit SoundForge machen?
Ja, das funktioniert in Sound Forge auch. Du kannst Effekte auch direkt auf einzeln ausgewählte Bereiche anwenden.
Hallo Lightman,
auch auf die Gefahr hin, hier Fredfledderei zu betreiben: Das hinzufügen von FX zu einzelnen Abschnitten geht in Reaper doch eigentlich sehr gut. Ich habe hier
http://home.voltage-life-support.de/index.php/reaper/221-reaper-4-5-fx-pro-take-anwenden
mal ein kleines Tutorial gemacht. Das lässt sich sogar mit ganzen FX-Ketten machen.
Grüße,
Thilo