Kapitän Nemos Mikrofon
Endlich im Test: das Soyuz SU-017 Röhrenmikrofon aus russischer Fertigung. Auf den mir bis dahin unbekannten Mikrofonhersteller Soyuz wurde ich zum ersten Mal auf der pro lights and sound vor drei Jahren aufmerksam. Ich hatte mir geschworen, mich absolut nicht um Mikrofone zu kümmern und hatte das auch bis zum Stand des russischen Herstellers durchgehalten, der überschaubare zwei Produkte anbot. Einen Kleinmembraner und das auffällige Großmembran Mikrofon SU-017.
Bereits optisch ist das Soyuz SU-017 der absolute Hingucker. Retro Bottle Design, polierte Messingparts, kombiniert mit cremefarbigen Teilen. Bei einem kleinen Test konnte ich mich auch schnell von den klanglichen Qualitäten überzeugen. Ein Testobjekt war beim damaligen Distributor schnell klar gemacht. Leider erfolgte ein Vertriebswechsel und ich konnte das Exemplar leider nicht erhalten. Umso größer war nun meine Freude über die Anfrage der Redaktion, das Soyuz nun doch noch testen zu können.
Geschichte
Die Geschichte von Soyuz Microphones währt tatsächlich erst kurz, ist aber nichtsdestotrotz interessant. 2013 wurde die Firma vom amerikanischen Musiker David Brown zusammen mit dem Russen Pavel Bazdyrev gegründet und in dessen Heimatstadt Tula angesiedelt, in der auch Oktava seine Mikros fertigt. Der Hauptgrund für diesen Standort waren die niedrigen Kosten und qualifizierte Arbeitskräfte. In Tula ist ein Teil der russischen Waffenindustrie ansässig, so dass Fachkräfte zur Metallverarbeitung ausreichend zur Verfügung stehen. Es konnten hier auch günstig Secondhand-Maschinen aus der Rüstungsindustrie angekauft werden. So werden Soyuz Mikrofone auf Maschinen gefertigt, auf denen früher Kalashnikows hergestellt wurden. Schöner kann man den „Schwerter zu Pflugscharen“ Slogan der ehemaligen DDR Friedensbewegung nicht umsetzen.
Portfolio
Hier hat sich bei Soyuz inzwischen einiges getan. Dem Röhrenmikrofon Soyuz SU-017 wurde mit dem SU-019 ein FET-Kondenser zur Seite gestellt, der dieselbe Kapsel enthält. Ganz neu bei den Großmembranern ist das SU-023, dass es mit anderer Kapsel und Übertrager schafft, in einen dreistelligen Preisbereich zu gelangen.
Bei den Kleinmembranern arbeitet das SU-011mit einer Röhre. Hier ist auch eine Version mit drei Wechselkapseln, Niere, Kugel, Hyperniere erhältlich. Beide Varianten sind als abgestimmtes Stereopaar zu beziehen. Mit dem SU-013 gibt es nun auch ein FET-Kleinmembran-Mikro für das optional neben der Standard Nierenkapsel auch die Richtcharakteristiken Kugel und Hyperniere erhältlich sind.
Verarbeitung und Lieferumfang
Die Soyuz Mikrofone werden in Handarbeit in Tula gefertigt. Ungewöhnlich ist, dass auch die Kapseln selbst hergestellt werden. Die Kapsel des Soyuz SU-017 ist der des alten Neumann K67 nach empfunden. Diese ist zwar mit zwei Membranen ausgestattet, aber nur die goldbedampfte vordere Membran ist aktiv, damit bietet das SU-017 als einzige Richtcharakteristik eine Niere.
Die Verdrahtung der Elektronik wird oldschool Point-to-Point realisiert.
Die Metallarbeiten sind sorgfältig ausgeführt, hier wird aus dem Vollen gearbeitet, was sich auch im Gewicht von beinahe 1 kg niederschlägt. Auch die Lackierarbeiten werden intern erledigt und sind sauber geraten.
Es geschieht zuweilen, dass das Zubehör qualitativ nicht mithalten kann, nicht so bei Soyuz. Die Mikrofonspinne ist massiv gefertigt und optisch genau auf das Mikrofon abgestimmt. Das zugehörige Netzteil besteht aus dickem Stahlblech und ist mit guten Komponenten ausgestattet. Das 6-polige Verbindungskabel steuert der deutsche Hersteller Sommer bei.
Geparkt wird das Mikro in einer schicken Holzschatulle mit Magnetverschluss, die innen schön mit Samt und Leder ausgeschlagen ist.
Hier befinden sich auch die individuelle Frequenzmessung und die handunterzeichneten Karten von Fertigungskraft und Endkontrolle. Diese finden sich auch in der DIN A5 Bedienungsanleitung in englisch und deutsch wieder. Ergänzt wird der Lieferumfang durch eine Ersatzröhre für das Mikrofon und eine Sicherung für das Netzteil.
Technische Daten
Das Soyuz SU-017 deckt den üblichen Frequenzbereich von 20 Hz bis 20 kHz ab. Der max. SPL liegt mit 120 dB nicht gerade hoch, eine PAD-Funktion ist nicht vorhanden. Ebenso fehlt ein Low-Cut-Schalter. Die Empfindlichkeit ist mit 16 mV/Pa angegeben, die Impedanz liegt bei 270 Ohm.
Der Rauschpegel (EIN) ist mit 20 dB (A-bewertet) beziffert. Das ist zwar kein Weltrekord verdächtiger Wert, er liegt für ein Röhrenmikrofon aber im grünen Bereich.
Bei einer Länge von 226 mm und 55 mm Durchmesser bringt das Mikrofon 950 Gramm auf die Waage.
Im SU-017 ist eine selektierte russische 6G1P Röhre verbaut.
Die wird eher selten verwendet, so ist es schön, dass für den Fall der Fälle schon ein Ersatzexemplar im Lieferumfang mit enthalten ist. Der Übertrager aus eigener Herstellung ist handgewickelt und magnetisch abgeschirmt.
Soundcheck
Bevor es nun endlich los geht, das Auge hört auch mit. Deshalb nochmals einen kleinen Blick auf das Soyuz SU-017 als Gesamtkunstwerk. Es macht einfach schon Spaß, nur so vor dem Mikro zu sitzen. Das polierte Messing, der elfenbeinweiß lackierte Body, die massive Spinne, das Röhrenmikro strahlt einfach eine Sehnsucht nach verflossenen traditionellen Werten aus. „Die haben das Ding aus der Nautilus ausgebaut“ war mein erster Gedanke.
Aber werden wir mal nicht zu pathetisch und legen nach einer kleinen Aufwärmphase los.
Beim ersten Klangeindruck unterstreicht das SU-017 die Assoziation, die gewöhnlich mit einem Röhrenmikrofon einher geht. Es klingt warm, ein Wohlfühleffekt legt sich auf die Stimme. Dabei ist der Höhenbereich sehr schön offen und akzentuiert und brilliert mit einer angenehmen Seidigkeit.
Die oberen Mitten werden deutlich dargestellt und bringen die Verständlichkeit der Stimme nach vorne. Die tieferen Mitten präsentieren sich straff und tragen nicht zu dick auf. Schön schlank ist auch der Bassbereich ausgearbeitet, der laut Frequenzgang ab 100 Hz eine Absenkung erhält. Dadurch bleibt der Bass trocken und knackig, ein Low-Cut wird nicht vermisst.
Ebenfalls zugute kommt dem Mikrofon der recht geringe Nahbesprecheffekt, der erst ca. 9 cm nahe der Kapsel einsetzt. Anderseits reagiert die Membran recht gutmütig auf Abstandsschwankungen im mittleren Bereich. Erstaunlich ist, wie intim das SU-017 selbst bei größeren Abständen von ca. 1 m noch aufspielen kann.
Sind wir wieder etwas näher dran, ist die Kapsel wie eigentlich alle Großmembran Mikros recht poppanfällig. Hier hilft natürlich ein Poppschutz, durch die recht breite Niere des Mikros kann man sich aber auch ganz gut mit etwas an der Kapsel vorbei singen behelfen.
Der Übertrager scheint recht neutral abgestimmt, es wird kein Bereich extrem gepusht und hervorgehoben, sondern es ergibt sich ein stimmiges, geschlossenes Klangbild.
Einen Effekt bietet der Sound, der nur schwer zu beschreiben ist. Das Klangbild wirkt sehr plastisch und dreidimensional, egal wie groß der Sprechabstand ist. Das behält der Sound auch bei einer Überprüfung mit der akustischen Gitarre bei, wobei sich auch noch einmal die gute Impulstreue des Mikros zeigt.
Die große Stärke ist und bleibt aber die Stimmenabnahme, hier kann das russische Mikro seine ganze Stärke ausspielen und nahezu jede Stimme aufwerten. Dabei gelingt die perfekte Symbiose zwischen straffem, modernen Sound und eigenständigen Vintage Klanganteilen.
Uiiii…….
Also ich hab etwas übrig für Schönes. Nur leider mein Geldbeutel zieht da nicht immer adäquat mit…….
Musikalische Grüße von
Onkel Sigi
@Onkel Sigi Hi Sigi,
Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Kann mir durchaus vorstellen, dass das SU-17 durchaus nicht nur positive Assoziationen weckt.
Ich finde es optisch perfekt, klassischer Style mit mit einer eigenen (russischen) Note. Was letztendlich zählt ist die Performance und da liegt das Soyuz auch weit vorn.
Wenn ich (da geht es mir wie dir) die 3,5 dicken Steine übrig hätte, wäre die Entscheidung Soyuz SU-17 oder Brauner Valvet schwierig zu treffen. Oder auf die Röhre verzichten und das von dir getestete Audio-Technica AT5040 nehmen?
Hier ein kleines Feature über Soyuz
https://www.youtube.com/watch?v=oESnPS6deLg
Ich finde die Soyuz Produkte, gerade auch das SU-17, immer noch klasse und erwähnenswert.
Aufgrund der politischen Lage und des Überfall-Kriegs Russlands gegenüber einem autonomen Staates kann aber keine Kaufempfehlung von meiner Seite aus für jegliches Produkt aus russischer Fertigung mehr ausgesprochen werden.
Staats-Sanktionen sind die eine Sache, aber im Grunde ist jeder Einzelne gefragt, ob er einen Unrechts-Staat unterstützen möchte. Schade für die betroffenen Firmen, aber vielleicht auch die Chance sich markorientiert neu aufzustellen.
Ich rufe hiermit auch die deutschen Distributionen auf, ihr Geschäftsmodell in diesem Punkt nach gutem Wissen und Gewissen zu überprüfen.