Zwei klassische SSL EQs in einem Modul
Inhaltsverzeichnis
Bei dem SSL 611 E-EQ handelt es sich um einen API500 Equalizer, der die Filtersektion der SL 4000 E Kanalzüge reproduziert. Ihr neutraler Klang und ihre durchsetzungskräftigen Mittenfrequenzen haben einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass die Mischpulte des britischen Herstellers Solid State Logic in den 80er-Jahren neue Maßstäbe in der Musikproduktion setzten.
Gleich zwei verschiedene Revisionen dieses Equalizers hat SSL in dem 611 E-EQ untergebracht, die sogenannte Brown- und Black-Knob-Version.
SSL 611 E-EQ API500 Equalizer auf den ersten Blick
Die originalen 611 Kanalzüge der SL 4000 E Konsole setzen sich aus mehreren klangformenden Komponenten zusammen: Einem Vorverstärker, einem Hoch- und Tiefpassfilter, der Dynamik-Sektion und dem Equalizer – die letzten beiden bietet SSL separat für das 500er System an.
Ein Test des 611 E-DYN Moduls, das Kompressor, Expander und Gate vereint, erscheint ebenfalls bald auf AMAZONA.de.
Bereits vor über 10 Jahren kam der E-EQ für das 500er System auf den Markt, die aktuelle MK2 Auflage lässt Solid State Logic, wie fast alle seine Produkte, in China fertigen. Mit einer Höhe von 3 HE ist diese Kassette für einen freien Träger in einer Lunchbox oder einem Rack bestimmt, die dem von API entwickelten Standardformat entsprechen.
Allein das Design der Bedienungsoberfläche des 611 E-EQs verrät sofort,. worum es hier geht: Die bunten Knöpfe sind nicht nur ein charakteristisches Merkmal der SSL Kanalzüge, sondern sorgen auch optisch für eine klare Trennung der vier aktiven Filterbänder, wodurch ein schneller Zugriff erleichtert wird.
Angesichts dieser einfachen Struktur und des überschaubaren Funktionsumfangs ist auch die Bedienung weitestgehend selbsterklärend:
Für die Höhen und Bässe gibt es jeweils ein Band mit variabler Eckfrequenz, das sich entweder in Kuhschwanz- oder Glockenform nutzen lässt, während die zwei Mittenbänder als vollparametrische Glocken-Filter ausgelegt sind. Alle Potentiometer haben einen freilaufenden Regelweg, lediglich die Gain-Regler für Boost und Cut rasten in der 12-Uhr-Position ein. In der Mitte liegt schließlich noch einen übergeordneten Bypass-Schalter für alle Bänder.
Technische Details zum SSL 611 E-EQ API500 Equalizer
Wie eingangs erwähnt, beinhaltet der E-EQ zwei verschiedene Schaltungstopologien, die im Studiovolksmund als die Brown- und Black-Knob-Versionen bekannt sind. Ursächlich für diese Namensgebung ist die einfache Tatsache, dass SSL zum Unterscheiden der verschiedenen Revisionen die Farben der Kappen des Tiefenbandes veränderte.
In den frühen 80er-Jahren waren die SL 4000 E Konsolen mit den 02-EQ-Karten bestückt, die sich an den braunen Knöpfen erkennen lassen. SSL nutzt heute diese Schaltung als Standard-Setup für den 611 E-EQ, wobei alle Bänder einen Anpassungsspielraum von +/-15 dB haben. Die Kuhschwanzfilter verfügen über eine Flankensteilheit von 6 dB pro Oktave, sobald die Glockenform aktiviert wird, beträgt der unveränderbare Q-Wert 0,8. Auch der maximale Gütefaktor von 2,5 der beiden Mittenbänder ist relativ flach und sorgt für einen behutsameren Klang als die spätere Black-Knob-Version.
Diese wurde wiederum Mitte der 80er-Jahre von SSL in Zusammenarbeit mit George Martin, dem Produzenten der Beatles, für eine Konsole seiner AIR Studios entwickelt und hieß offiziell 242-EQ.
Bei dem E-EQ lässt sie sich diese Schaltung mit dem BLK-Taster aktivieren, der leicht eingepfercht zwischen der Bypass-Funktion und dem Frequenzregler des oberen Mittenbandes liegt. Die Spanne für Anhebungen und Absenkungen ist mit +/-18 dB etwas größer als im Brown-Modus und die mittleren Filterbänder haben dank des maximalen Q-Faktors von 4 eine erheblich schmalere und steilere Form, wodurch sie präzisere und straffere Ergebnisse liefern. Auch in den Höhen und Bässen fällt die Güte der Glockenfilter mit einem Wert von 1,3 schlanker aus.
SSL 611 E-EQ in der Tonstudio-Praxis
Wie so oft bei unverkapselten Modulen, bedarf es bei dem Einbau des E-EQs etwas Feingefühl und Geduld, bis die Kontaktleiste im Gehäuseinneren eingesteckt ist. Grundsätzlich wirkt die Verarbeitung recht solide, lediglich die Taster sind etwas wackelig und bieten viel Spiel zu den Seiten, was an den weichen Kunststoffstreben liegt, die als Weiterleitung zur Platine dienen.
Die Bedienung gestaltet sich durchaus komfortabel, auch wenn die zehn Regler das Frontpaneel fast vollständig ausfüllen, lassen sie sich immer noch gut greifen. Der Platzmangel erklärt sicherlich auch, warum leider auf das Hoch- und Tiefpassfilter verzichtet wurde, das gerade bei einer Tonmischung mit einer SSL Konsole ein sehr flexibles und wichtiges Werkzeug ist.
Klanglich liefert der 611 E-EQ den berühmten, klassischen SSL-Ton, der vor allem durch Neutralität besticht. Gerade dieses nüchterne und saubere Verhalten hilft sehr, um beim Mischen ein klares und transparentes Ergebnis zu erreichen. Hinzu kommen die überaus markanten Mittenfrequenzen, die nicht wenige Tontechniker als etwas harsch und hart empfinden, aber gerade deswegen ihre berühmte Durchsetzungskraft besitzen.
Der Brown-Knob-Modus ist prädestiniert für breitbandige, entspannte Einsätze, während der Black-Knob filigranere Aufräumarbeiten zulässt. Mit ihm lässt sich aber auch ein Signal deutlich besser in Form bringen, da der hohe Q-Faktor drastischere Eingriffe in das Frequenzbild ermöglicht. Dadurch wirken die Ergebnisse straffer und sauberer, was sich besonders im Lowend positiv bemerkbar macht.
Klangbeispiele mit dem SSL 611 E-EQ API500 Equalizer
Alle Audiofiles sind wieder wahlweise im WAVE-Format (44,1 kHz, 24 Bit) oder als MP3 (320 kBit/s) aufrufbar.
Vocal
Das erste Beispiel zeigt anhand einer Gesangsspur den klassischen Sound des Brown-Knob-Modus. Die Aufnahme entstand während des Tests des IGS NE573 Preamps mit einem Neumann U87 der ersten Generation und wurde von Mani Mathia eingesungen. Die unbearbeitete Version hört sich so an:
Um den leicht matschigen Klang zu reduzieren, werden zunächst die unteren Mitten bei 300 Hz um ca. 3 dB abgesenkt. Als nächstes erhält die Stimme etwas mehr Präsenz in den oberen Mitten, während das Kuhschwanzfilter des HF die Höhen deutlich öffnet. Um dem Ganzen noch etwas mehr Fundament zu verleihen, verstärkt das Tiefenband in Glockenform die oberen Bässe bei 100 Hz.
Das Ergebnis wirkt sofort aufgeräumter und hat eine wesentlich klarere Form, so wie man es von SSL erwartet. Auch wenn der E-EQ eigentlich sehr neutral zu Werke geht, klingt die bearbeitete Version tatsächlich gefärbter. Dabei handelt es sich aber um den Sättigungseffekt des IGS Preamps, der nun mehr zum Vorschein kommt.
Einstellung:
Brown Knob, HF: Shelving, 12 kHz, ca. +7 dB, HMF: 3 kHz, Q: 2 Uhr, ca: +3 dB,
LMF: 300 Hz, Q: 10 Uhr, ca. -3 dB, LF: Bell, 100 Hz, ca. +3 dB
Bassdrum und Snare
Der Unterschied zwischen dem Brown- und Black-Knob-Modus soll mit Hilfe einer Bassdrum und Snare-Spur demonstriert werden. Die Aufnahmen hat Christoph Eggener für den Test des UnderToneAudio MPDI-4 eingespielt. Bei dem Bassdrum-Track kam ein Electro-Voice RE 320 Mikrofon an dem Loch des Resonanzfells zum Einsatz, bei der Snare ein Shure SM 57, das in etwa in einem 45 Grad Winkel zum Schlagfell ausgerichtet war.
Ohne 611 E-EQ klingen beide Instrumente wie folgt:
Da die Bassdrum einen modernen Charakter bekommen soll, werden die unteren Mitten bei 350 Hz deutlich reduziert und die Höhen stark angehoben, wobei das Kuhschwanzfilter schon ab 6 kHz greift. Auch das Tiefenband erzeugt in Glockenform eine Betonung bei 50 Hz, zusätzlich verleiht eine Verstärkung bei 700 Hz der Aufnahme etwas mehr Durchsetzungskraft.
Bei der Snare muss zunächst das fehlende Mikrofon auf der unteren Seite am Teppich durch eine starke Anhebung der Höhen kompensiert werden. Die Präsenz und der Bauch der Snare erhalten ungefähr in gleicher Intensität eine Betonung bei 1,2 kHz und 200 Hz. Um das Hochpassfilter notdürftig zu ersetzen, erzeugt das Kuschwanzfilter im Lowend bei 30 Hz einen leichten Rolloff.
Angesichts der verschieden gearteten Verstärkungsreserven des Brown- und Black-Knob-Modus treten die Unterschiede natürlich sehr offensichtlich in Erscheinung. Maßgebender sind dabei jedoch die Formen der Filterkurven, die den Aufnahmen eine straffere und saubere Kontur verleihen. Vor allem bei der Bassdrum kommt dieser Effekt sehr deutlich im Tiefbassbereich zur Geltung, der wesentlich kräftiger und präziser klingt:
Einstellungen:
Bass Drum: HF: Shelving, 6 kHz, ca. +8 dB, HMF: 700 Hz, Q: 11 Uhr, ca: +4 dB,
LMF: 350 Hz, Q: 9 Uhr, ca. -5 dB, LF: Bell, 50 Hz, ca. +6 dB
Snare Drum: HF: Bell, 10 kHz, ca. +11 dB, HMF: 1,2 kHz, Q: 2 Uhr, ca: +4 dB,
LMF: 200 Hz, Q: 1 Uhr, ca. +9 dB, LF: Shelving, 30 Hz, ca. -5 dB
Infos zu den Klangbeispielen
Vocal:
Sänger: Mani Mathia
Mikrofon: Neumann U87
Preamp: IGS Audio NE573
Bassdrum:
Schlagzeuger: Christoph Eggener
Bassdrum: Pearl Masters Custom Maple Shell
Mikrofon: Electro-Voice RE 320 (Kick-Drum Mode)
Preamp: UnderToneAudio MPDI-4
Snaredrum:
Schlagzeuger: Christoph Eggener
Snare: Sonor Special Edition
Mikrofon: Shure SM 57
Preamp: UnderToneAudio MPDI-4
500er Rack: Fredenstein Bento 6S
Audiointerface: RME Fireface 800, Lucid 88192
DAW: Logic Pro
Die Klangbeispiele sind unbearbeitet, nur die Lautstärken wurden angepasst.
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