Wenn der Zufall regiert
Sugar Bytes Dialekt ist eine achtspurige Groovebox-App für iOS (iPhone und iPad) sowie für Desktop-Computer (Mac/Windows). Getestet wurde hier die Version für das iPad.
Kurz & knapp
- Preisgestaltung: Die App ist mit getrennten Lizenzen für iPad und iPhone via In-App-Kauf erhältlich.
- Bedienung & Editing: Umfangreiche Editiermöglichkeiten mit innovativer Editing-Range, aber teilweise unübersichtliche Bedienoberfläche.
- Sound & Klangvielfalt: Klang ist etwas eintönig und weniger variantenreich im Vergleich zu Konkurrenzprodukten.
- Live-Performance: Gute Live-Sequencing-Funktionen und flexible Pattern-/Song-Verwaltung für kreative Arrangements.
- Fazit & Bewertung: Insgesamt solide Groovebox mit guten Ideen, aber Design-Schwächen bremsen den Spaß – dank IAP kann man sie risikofrei testen.


Inhaltsverzeichnis
Übersicht Sugar Bytes Dialekt
Sugar Bytes überzeugen ja schon seit langen mit qualitativ hochwertiger und musikalischer Software, daher darf man schon mal gespannt sein, was Sugar Bytes Dialekt alles zu bieten hat. Vorweg aber die Anmerkung, dass die App auf iOS eine der wenigen ist, bei denen die Lizenzen für die iPad und iPhone-Version getrennt zu erstehen sind.
Beide Versionen werden per In-App-Kauf freigeschaltet, so dass sie vor dem Kauf gründlich getestet werden können. Die iPad-Version kostet 29,99 Euro und die etwas Feature-reduzierte iPhone-Version kostet 9,99 Euro im iOS App-Store.
Für die Desktop-Version sind 98,- Euro zu entrichten.


Aufbau des Software
Sugar Bytes Dialekt ist in sieben Seiten unterteilt: Pattern, Synth, Memory, Song, Mixer, Effects und Settings. Der Taster „Info-Mode“ aktiviert eine Bubble-Hilfe, die beim Antippen der jeweiligen Bedienelemente angezeigt wird. Editieren ist in diesem Modus nicht möglich.
Das trifft basismäßig auch auf die Pattern-Seite zu. Diese dient mehr zur Übersicht und es lassen sich hier effektiv nur Steps de- und aktivieren sowie kopieren oder randomisieren.
Das eigentliche Editieren geschieht idiosynkratischerweise auf der Synth-Seite. Hier haben wir acht Tracks mit ihren 16 Schritt-Sequencern. Die Klangerzeugung basiert auf insgesamt 27 Oszillatormodellen inklusive Wavetables und Samples mit jeweils maximal vier Parametern.
Die Modelle sind aber zum Teil exklusiv den jeweiligen Tracks Kick, Snare, Cymbal Slicer, Mallet, Bass, Synthesizer und Chord zugeordnet und eine andere Verwendung der Spuren, als der vom Track-Namen insinuierten ist damit kaum möglich. Nur mit Wavetables und Samples lässt sich eine grundlegend andere Klangcharakteristik erzeugen.
Klangerzeugung pro Step
Jeder Track bietet den gleichen Aufbau bei der Klangerzeugung und ist bis auf die die spezifischen Oszillatormodelle identisch. Unter den 27 Oszillatormodellen gibt es einige interessante Abweichungen zu den Standards wie z. B. 3D-OSC für Rhodes/Wurlitzer-Klänge, Resonator für Blas- und Saiteninstrumente, der Super-OSC als Super-Saw-Variante oder Talky für stimmhafte Laute.
Neu hinzugekommen und im PDF-Handbuch noch nicht eingearbeitet ist der Dust-Oszillator. Wavetables und Samples dürfen natürlich auch nicht fehlen.
Wie erwähnt, stehen nicht alle Modelle in jedem Track zur Verfügung, aber es gibt immer eine Auswahl.
Die große Klangausnahme bildet der Slicer, der ein Sample mit maximal 10 Sekunden Länge in bis zu 22 Slices unterteilen kann. Die Samples können über das Mikrofon oder ein angeschlossenes Audiointerface abgegriffen werden.
Wenn Sugar Bytes Dialekt im Standalone-Modus betrieben wird, kann der Audioausgang auch direkt re-sampled werden. Als AUv3-Plug-in wird Re-Sampling dann natürlich über die Busse des DAW-Hosts gehandhabt.
Am Anfang der Synth-Page steht die Tuning-Sektion mit Tonhöhe und Modulation, das Tiefpassfilter (2-Pole für Kick, Snare, Cymbal und Slice, 4-Pole für die anderen Tracks), die LFO- (gesynct) und Hüllkurvenmodulationsquellen sowie die Verstärkerhüllkurve.
Die Modulationsmöglichkeiten fallen hier sehr klein aus und die Klangvielfalt wird damit fast ausschließlich vom verwendeten Oszillatormodell bestimmt.
Am Ende der Klangerzeugungskette sitzen drei Send-Kanäle für die Master-Effekte Drive (Kompressor), Delay und Reverb, deren Einstellungen auf der Mixer-Seite gemacht werden.
Schließlich gibt es noch Sequencer-Einstellungen für den Track mit den Parametern Step-Verzögerung, Wahrscheinlichkeit, Roll, sowie Länge und Tempo pro Track. Polyrhythmische Patterns sind damit also kein Problem.
Das Editieren des Tracks auf der Synth-Seite geschieht entweder im Schrittmodus, bei dem die Tonhöhe eingestellt und dann auf den Step gezogen wird oder über die Bildschirmklaviatur bzw. live per MIDI-Keyboard.
Editing-Range
Eine essentielle Option von Sugar Bytes Dialekt ist die Editing-Range. Hier wird nämlich festgelegt, ob sich die Klangbearbeitungen nur auf den aktuellen Schritt, den ganzen Track, das Pattern (alle Tracks), den ganzen Song (alle Patterns) oder im Live-Modus nur momentan auswirken.
Hinzu kommt noch die Einstellung, ob die Parameteränderungen „absolut“ oder „relativ“ sind, d. h. ob der Wert direkt übernommen wird oder zu den jeweiligen bisherigen Werten addiert wird.
Damit lassen sich dann sehr schnell – leider des Öfteren auch unbeachsichtigt – drastische Veränderungen in der Komposition ausführen oder per Zufall erzeugen. Es lässt sich dann sogar zwischen zufälligen Klangänderungen und Notenänderungen wählen.
Das Design der Peset-Verwaltung ist suboptimal, da sie sich über den Hüllkurven- und FX-Sektionen versteckt und lediglich mit drei Punkten markiert ist, zwischen einem Plus- und Minus-Symbol, die so weit auseinander liegen, dass deren Kontext völlig unklar ist. Dem hätte man leicht, z. B. mit einer prägnanten Farbgebung, entgegenwirken können.
Wenn eine Änderung nicht gefällt, kann das schnell über mehrfaches Undo und Redo behoben werden, die es im Übrigen für alle sechs Seiten gibt.
Memory
Auf der Memory-Seite sind alle Patterns des Songs dargestellt, die sehr komfortabel per Drag & Drop kopiert oder in der Reihenfolge vertauscht werden können. Die Steps können hier auch pro Pattern nach links oder rechts verschoben werden, wobei immer vier „Patterns“ in einem „Part“ zusammengefasst sind und es gibt maximal acht Parts pro Song. Die Parts können noch je einem der acht Effekt-Patterns, entweder fix oder frei wählbar für die Live-Performance, zugeordnet werden. So leicht kann Organisation gehen!
Song-Modus
Im Song-Modus des Sugar Bytes Dialekt lassen sich 16 Parts aneinanderreihen sowie die Anzahl der Wiederholungen pro Part einstellen. Es kann auch pro ausgewählten Part festgelegt werden, welche Tracks stummgeschaltet werden sollen. So lässt sich das Arrangement nochmals variieren.
Der Song kann auch in Tempo, Swing, Humanize, Grundton und Tonart dynamisch angepasst werden und endlich (!), endlich (!) ist mal jemand auf die Idee gekommen, die Sequencer- und die Sound-Daten getrennt voneinander laden zu können!
Akkorde und Zufall
Die Chord-Seite bietet neben der Klangerzeugung acht Speicherplätze um vordefinierte Akkorde abzulegen, die dann entsprechend der Editing-Range-Auswahl (Step, Pattern, etc.) zugewiesen werden können und einen Arpeggiator, der die Akkorde auch als zeitversetzte Notenfolge abspielt.
Eigene Akkorde und Progressionen können beim Sugar Bytes Dialekt im Song-Randomizer festgelegt werden. Er arbeitet mit den Teilen „A“ und „B“, die jeweils vier einstellbare Akkorde und deren musiktheoretischen Variationen I bis VIII bieten.
Die Chord-Rate legt fest, wie schnell die Akkorde wechseln. Das kann pro Step, Pattern oder Part geschehen. Der Arrangement-Parameter legt den „Stil“ oder „Rhythmus“ der Akkordwechsel fest.
Das Ganze kann manuell oder per Zufall sowie über ein per Zufall ausgewähltes Muster aus der internen Bibliothek erfolgen.
Bei der Häufigkeit, die der Zufallsparameter bei Sugar Bytes Dialekt eine Rolle spielt, ist es etwas verwunderlich, dass diese Funktion keine weiteren Einstellungen bietet, z. B. wie die gesteuerten Mutationen bei den Bram Bos-Apps. Immerhin bietet die Zufallsoption die Wahl zwischen Klangparametern und Sequencer-Noten.
Effekt-Sequencer
Hier gibt es die acht Effektspuren Delay, Tape-Stop, Tiefpass/Hochpass, Reverb, Phaser, Looper (punktiert ¼ bis 1/32), LoFi und Chorus. Einige Effekte sind als X/Y-Pads ausgeführt, andere nur als An/Aus-Effekt und einige der Designentscheidungen sind meiner Meinung nach sehr merkwürdig.
So ist die Delay-Zeit hier unveränderbar bei einer punktierten Viertel festgesetzt und auf dem Delay-X/Y-Pad ist Delay-Feedback auf der Y-Achse und Filter-Cutoff-Frequenz auf der X-Achse angeordnet, was ziemlich willkürlich erscheint, zumal es dann gleich daneben noch einmal ein getrenntes Tiefpassfilter mit Cutoff-Frequenz gibt.
Auch bei der Kombination „Hochpassfilter/Reverb“ ist es nicht nachvollziehbar, warum sich gerade diese zwei Parameter ein X/Y-Pad teilen müssen. Bei den X/Y-Pads für Phaser und LoFi sind die Parameterkombos (Rate/Color bzw. Bit-Crush/Sample-Rate-Deduktion) dagegen nachvollziehbar.
Auch die Editierung der Effekt-Tracks ist nicht so offensichtlich, wie es scheint. So lassen sich bei den Effekten mit X/Y-Pads nur beide Achsen gleichzeitig mit dem Finger in die Spur einzeichnen, d. h. beide Effekte bzw. Parameter werden gleichermaßen parallel eingeblendet. Möchte man das X und Y getrennt steuern, muss zuerst eine leere Step-Sequenz eingezeichnet werden, um dann per Echtzeitaufnahme über das X/Y-Pad live eingespielt zu werden. Auch das Handbuch zeigt keine weiteren Optionen zu Step-Editierung der X/Y-Pads auf.
Settings
Was die MIDI-fizierung angeht, hält sich Dialekt einigermaßen bedeckt: Solo, Mute, Lautstärke und FX-(Send)-Level sowie Program-Change (Preset-Load) sind automatisierbar.
Egal ob sächsisch, bayrisch, schwäbisch oder fränkisch: Jeder Dialekt hat was für sich. Nur deshalb muss nicht jeder den bestimmten Dialekt gut finden.
Was mich irritiert ist bei diesem gut recherchierten Artikel die gute Bewertung, wobei die negativen Punkte nicht nur mehr sind als die Positiven. Auch was dort benannt wird wirkt teilweise nicht wie Kleinigkeiten…
Da probier ich es lieber mit dem Kölsch! 🫢
@CDRowell die Negativ-Punkte sind halt vorwiegend so Sachen, an denen man sich stoßen kann oder nicht.
Im Zweifelsfall kann die App ja kostenlos getestet werden.
:)
@Markus Schroeder stimmt 🥰
Ich habe inzwischen 3 von deren PlugIns gekauft. Wie immer finde ich es nicht gut, dass Desktop und iOS Versionen getrennt verkauft werden. Hier sogar noch für iPhone und iPad. Wenigstens bei der deutlich teureren Desktopversion, die sich in nichts von der iPad Version unterscheidet, sollten die Apps für die Mobilgeräte dabei sein. So kaufe ich halt nur die iPad Version und binde sie halt in die Desktop App mit ein.
Ansonsten gefällt mir die Firma gut. Aparillo, Drumcomputer und Factory waren gute Käufe. Bei dem hier gehöre ich nicht zur Zielgruppe.
@Tai Hat mich auch schon früh bei SB gestört…