Drum Trigger für das neue Jahrtausend
Die Sunhouse Sensory Percussion sind Trigger, die direkt an eine echte Trommel mit Fell oder Meshhead angebracht werden. Das System beruht aber nicht auf den üblichen Piezo-Abnehmern, sondern bringt das Prinzip des Gitarren-Pickups in die Schlagzeugwelt. Aber Sunhouse Sensory Percussion ist noch mehr, denn anstatt „nur“ MIDI auszugeben, ist dem Ganzen noch eine ausgewachsener Sampler beigestellt, mit dem die erstaunlichen Fähigkeiten des Systems erst richtig zur Geltung kommen.
Die junge Firma, die aus einer Zusmmenarbeit von Künstlern, Programmierern und Designern aus New York, Los Angeles und Berlin entstanden ist, hat dabei bereits schon einige illustere Kunden, die z. B. Schlagzeug für Herbie Hancock oder Maroon 5 spielen. Im Test auf der Website wird dann auch recht dick aufgetragen: „our technology makes drums into an expressive tool for composing and performing with samples, effects and midi“ – hört sich nach nichts anderem als der eierlegenden Wollmilchsau an.
Etwas ist neu hier bei Sensory Percussion
Tatsächlich ist das Trigger-System anders konzipiert als alles auf dem Markt Befindliche. Erstens kann man seine gewohnten Drums benutzen und zweitens funktioniert das System auch mit Mesh-Heads, so dass man auch E-Drums damit ausstatten könnte – aber ergibt das Sinn?
In beiden Fällen appliziert man mithilfe einer Abstandsvorrichtung eine kleine Metallplatte auf das Fell. Dann bringt man den Sensor darüber an. Dieser besteht aus schlagfestem Nylon, wirkt allerdings ein wenig wie ausgedruckt. Der Sensor (oder Abnehmer) wird dann über ein normales Audiointerface mit XLR-Eingängen und Phantomspeisung an den Rechner angeschlossen. Ab hier übernimmt die Standalone-Software das Regiment.
Die Einrichtung des Plättchens und die Ausrichtung des Abnehmers sind, wie überhaupt alles, sehr gut auf der Website dokumentiert; jeder Schritt wird erklärt, keine Fragen bleiben offen. Zusätzlich gibt es auch ein ausführliches YouTube Video, das die Einrichtung des kompletten Systems erläutert.
Selten habe ich so eine ausführliche und verständliche (vorausgesetzt man ist des Englischen mächtig) Dokumentation eines Produktes gesehen. Man könnte jetzt annehmen, das sei so, weil die Einrichtung und die Software schwer zu bedienen sind – dem ist aber überhaupt nicht so. Nach Betrachtung des Videos ging es in den Schlagzeugraum und innerhalb von ca. 15 Minuten lief auch schon alles.
Davor steht die Installation und die ist auf sehr angenehme Weise einfach. Man bekommt mit den Abnehmern Codes geschickt, die man auf der Website registrieren kann, wobei nur eine E-Mail-Adresse benötigt wird. Schnell bekommt man einen Freischaltcode, der ab da für alle Installationen auf beliebig vielen Rechnern gültig ist.
Das Software-System besteht aus drei Teilen: der Standalone-App, den Sample-Packs und der Bridge-Software. Diese benötigt man, um die Audioausgabe direkt in eine DAW zu leiten. Und obwohl die Software noch recht neu ist, gibt es bereits 20 Sample-Packs, die ihrerseits mehrere komplette Kits enthalten und beliebig verändert werden können. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil, wenn man ein solch neues System etablieren möchte. Denn obwohl es sehr einfach ist, eigene Sample-Sets zu erstellen, will man ja doch so schnell wie möglich loslegen und sich eine Vorstellung davon machen, was man mit den Sunhouse Sensory Percussion erreichen kann.
Dabei gibt es Sets, die einfach nur ein akustisches Drumset nachbilden. Ergibt für Meshhead-Drumming oder Layern auch Sinn. Interessant sind aber die Sets, die aus der Trommel eine ganz unerhörtes Schlaginstrument machen. Ebenso inspirierend sind die Sets, bei denen aus der Trommel eine Art Steel-Drum wird, so dass man tatsächlich kontrolliert tonal spielen kann.
Die AI ersetzt den Drummer bei Sunhouse Sensory
… ist natürlich Mumpitz – was aber stimmt ist, dass die Erkennung der verschiedenen Spieltechniken auf vortrainierten neuronalen Netzen beruht, die vom Nutzer individuell nachtrainiert werden können. Dabei gibt es nicht nur für jede Trommel (Snare-, Bass- und Tom-Drums) ein eigenes Modell. Es liegen sogar für alle erdenklichen Größen bereits vortrainierte Modelle vor. Für eine Snare gibt es von 11 Zoll bis 16 Zoll alles, was das Herz begehrt. Obwohl diese Modelle bereits spielbar sind, stellen sie sozusagen nur das Knochengerüst dar. Denn wo extern angebrachte Trigger vielleicht zwei oder drei Zonen erkennen, wartet Sunhouse Sensory Percussion gleich mit zehn Zonen oder eher Spieltechniken auf.
Jede dieser Spieltechniken kann nun nach Auswahl des richtigen Grundmodells am eigenen Gerät trainiert werden – nicht wie beim Soundcheck, sondern wie man üblicherweise auch spielen würde. Zwischen 50 und 100 Schläge sollen optimale Ergebnisse in der Erkennung bringen und die sind schnell erreicht. Auch ungültige Schläge, z. B. auf benachbarte Trommeln, kann man mit dem Training der „Void“ Zone (ab)trainieren. Threshold, genau wie eine individuelle Velocity-Kurve, ermöglichen zusätzliche Anpassung an den persönlichen Stil. Das eigene Modell wird automatisch angepasst und gespeichert. Man muss aber nicht jeden der zehn möglichen Bereiche trainieren. Wenn man nur einen Sound braucht, trainiert man eben nur Center und lässt den Rest inaktiv. Dann gibt es auch beim Sidestick eine Auslösung des Samples.
Gleich in der Praxis mit dem Drummer meiner Wahl ausprobiert und tatsächlich – die Werbung hält, was sie verspricht. Obwohl es bei den ersten Versuchen noch hier und da zu Falschauslösern kam, werden durch eine kurze Trainingssession schon ca. 95 % der Schläge den richtigen Spieltechniken zugewiesen. Persönlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass es nach so kurzer Zeit bereits so gut eingestellt ist. Das gilt für alle Modelle, ein komplettes Set hat man in unter einer Stunde trainiert und ist damit bereit für die Erkundung der Sets.
Die Sache mit der Sensory Percussion Software
Wenn das bis jetzt noch nicht klar ist: Hier handelt es sich nicht um einen Drum-Synth, wie die Korg WaveDrum, die Software ist ein reiner Sampler – der hat es aber in sich, da es nicht nur das übliche Sample-Werkzeug gibt, sondern eben speziell von der Spielweise abgeleitete Modulatoren. Diese Modulatoren können dann beinahe jedem Parameter der Software zugewiesen werden – mit einfachen Drag & Drop. Es gibt aber noch drei andere sog. Externe Modulatoren; da hätten wir einen guten alten Onkel LFO und beliebige MIDI-Signale. Dritter im Bunde ist, etwas ungewöhnlich, die Rechner-Tastatur. Man kann auch Buttons modulieren und so z. B. auch ein komplettes Kit innerhalb des Sets wechseln. Man kann einen Modulator nicht nur mehrfach zuweisen, sondern auch seine Steuercharakteristik für jedes Ziel unterschiedlich einstellen.
Die Software beherbergt aber nicht nur eine Sample-Zelle, die man beliebig oft auf einen Teilbereich legen kann, sondern eben auch Effekte. Nimmt man also die drei spielabhängigen Modulatoren Timbre, Velocity und Speed, kann man z. B. den Anteil des Nachhalls des Reverb-Fx mit der Anschlagsdynamik steuern. Eine besondere Rolle nimmt dabei der Timbre-Modulator ein. Mit ihm definiert man einen Übergang, z. B. vom Rand zur Mitte, der dann je nach Position einen Zwischenwert ausgibt. Die Anleitung regt hier auch zu ungewöhnlicheren Übergängen an, wie z. B. Cross-Stick zu Damped.
Jeder Teilbereich kann seine eigenen FX haben und wird damit zu einem Instrument in sich. Auch eine Cross-Control ist möglich, so dass die Velocity auf einem Bereich die Tonhöhe des ganzen Kits steuern kann. Alles zusammen, also Trainings-Modell, Sample-Belegung, FX und Modulatoren, ergibt dann ein Instrument, das man speichern kann. Aus diesen Instrumenten baut man sich dann ein Kit zusammen – das muss nicht aus Snare, Bassdrum und zwei Toms bestehen. Es können auch vier Snares sein. Mehrere Kits ergeben dann ein Set. Bei der Anzahl an Modulatoren, FX und Sample-Zellen gibt es erst mal keine Grenze – lediglich die Rechenlast steigt natürlich, so dass es für Patches mit vielen Samples und Zuweisungen einen entsprechend guten Rechner braucht.
Die dritte Komponente besteht aus dem immer noch im Beta-Stadium befindlichen Audio Router Plugin als VST für Windows und AU für Mac-Rechner. Es dient dazu, die Spuren, die aus der Standalone-Software kommen, digital direkt in die DAW zu bringen. Dazu muss man das Router Plugin dann entweder als Input-FX setzen oder aber den Ausgang der Spur aufnehmen. Nur dann kann man auch das aufnehmen, was man hört. Aber es empfiehlt sich noch eine andere Option. Man kann auch das Signal aufnehmen, wie man es vom Pickup hereinbekommt. Das hört sich leidlich perkussiv an und ist für sich nicht zu gebrauchen. Nutzt man jedoch eine Loop-Back-Funktion, kann dieses Signal auch wieder in die Sunhouse Sensory Percussion Software geleitet werden. Dann kann man in aller Ruhe am Sample-Set feilen und so das optimale Ergebnis herausholen oder tausend Variationen ausprobieren.
Die schöne neue Drum-Welt
Und genau das ist es, was dieses Produkt so unglaublich gut macht in meinen Augen. Jedes Set wird ein Instrument in sich und es ist nicht nur mit mehreren Trommeln möglich, ganze Songs nur mit dem Schlagzeug zu spielen. Die daumendicke Butter, die man im Websites-Text aufträgt, entspricht tatsächlich der Wahrheit. Das Sunhouse Sensory Percussion System ermöglicht Drummern in der Tat eine bisher verschlossene Welt. Die Software ist dabei wirklich einfach zu bedienen, aber mächtig genug, um die aberwitzigsten Klangwelten zu erschaffen.
Die Flexibilität ist dabei ein weiterer Trumpf – man kann einfach ein vorhandenes Set „dicker“ machen, z. B. mit 808-Drums oder 909-Snares. Oder aber man geht den ganzen Weg und erschafft im wahrsten Sinne des Wortes unerhörte Instrument-Welten. Gerade die Möglichkeit, die Tonhöhe der Samples mit den Timbre-Zonen oder der Anschlagstärke zu variieren, macht riesig Spaß. Dabei kommen nämlich nicht nur lustige Gummiband-Töne zustande, denn dank der Pitch-Quantisierung, die jede Zelle unabhängig bietet, kann man eben auch in Tonleitern spielen. Bei der richtigen Einstellung und mit Übung ist das mehr als nur ein Gag-Effekt – man kann tatsächlich mit dem Schlagzeug Melodien spielen.
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