Der neue Mastering Standard?
TC Electronic hat ja inzwischen eine ganze Serie nativer Plugins im Programm, die mit einem eigenen Hardware-Controller ausgestattet sind. Beginnend mit vier Effekten in schwarzen Gehäusen sind inzwischen auch die beiden Midas basierten Dynamics und EQs in Blau erschienen. Nun kommen die Mastering-Plugins Master X HD-DT und Brickwall HD-DT mit silbernen Desktop-Controllern in der Icon Series mit dazu. Den Multiband-Prozessor Master X HD-DT schauen wir uns einmal näher an.
Die Master X HD-DT Hardware
Niedlich ist das kleine Gerät, denn mit 13,5 x 5,4 cm Frontfläche nimmt es nicht viel Platz auf dem Studiotisch in Anspruch. Front- und Bodenplatte bestehen aus Metall, so bringt der Controller mit ca. 200 g genug Gewicht mit, um sicher zu stehen. Hierbei helfen auch die gummierten Flächen auf der Unterseite.
Die Bedieneinheit ist leicht angeschrägt und damit gut ablesbar. Die obere Hälfte wird vom Display eingenommen, das die Infos bereitstellt. Darunter dienen zwei Endlos-Encoder und acht Taster der Bedienung. An den Rechner angeschlossen wird der Controller über USB, das beiliegende Kabel ist mit ca. 120 cm ausreichend lang. Übrigens ist TC Electronic inzwischen davon abgerückt, die Hardware als Dongle zu nutzen, das Plugin ist also auch ohne die Hardware-Einheit lauffähig.
(Nahezu) alle Einstellungen lassen sich am Hardware-Controller einstellen, manchmal sind dafür aber Tasten doppelt zu drücken.
Die Software-Installation
Außer dem Controller und dem USB-Kabel liegt ein Quick-Start-Guide dem Paket bei. Die Software ist also von der TC Website herunterzuladen. Leider ist die angegebene Seite nicht auffindbar. Macht nichts, also einfach bei www.tcelectronic.com nach dem Produkt suchen, nun kann der Installer geladen werden. Hier befindet sich auch die vollständige Bedienungsanleitung in Englisch.
Die Master X HD App liegt für Mac und PC in der Version 1.0.01 vor und kann ab Mac OS X 10.13 und Windows 7 genutzt werden. Die unterstützten Plugin-Formate sind VST 2.4, VST 3, AU und AAX Native, jeweils mit 64 Bit. Die unterstützten Samplerates reichen von 44,1 bis 192 kHz.
Für die Freischaltung ist ein iLok-Account notwenig, ein Hardware-iLok-Dongle wird allerdings nicht benötigt. Der Activation-Code ist auf dem rückseitigen Deckblatt des Quick-Start-Guides aufgeklebt, diesen also nicht verlieren.
TC Electronic bietet auch eine 14 Tage Demoversion an, die ohne Limitierung läuft und unter Angabe des iLok-Accounts freigeschaltet werden kann. Diesen Weg wähle ich, um den Code nicht nutzen zu müssen, das Paket soll ja wieder zurück.
Schon kurze Zeit später erscheint das Plugin in meinem iLok-Account und kann dort aktiviert werden. Beim Installieren lassen sich unter „Angepasste Installation“ die gewünschten Formate auswählen. Hier befindet sich auch eine Möglichkeit, die Software wieder zu deinstallieren, sehr schön.
Das Plugin
Das Master X HD Plugin lässt sich mono, stereo und auch dual-mono einbinden. Hier ist also schon ersichtlich, dass nicht nur ein Werkzeug für die Stereosumme, sondern auch für Busse und Einzelspuren angeboten werden soll.
Das Master X kein Mastering Prozessor ist, wie der Name eigentlich vermuten lässt, zeigt der Funktionsumfang: Expander, Kompressor und Limiter liegen jeweils als 3-Band-Prozessor vor. Dazu kommt eine Softclip-Funktion.
Die drei Dynamik-Einheiten lassen sich jeweils einzeln ein- und ausschalten. Dabei sind einige grundlegende Einstellungen global zu treffen. Das sind die Crossover-Frequenz und der Pegel der einzelnen Frequenzbereiche. Außerdem kann mit „Curve“ eine Bearbeitungskurve vorgegeben werden. Während „Flat“ auf alle drei Bereiche gleich wirkt, wird mit „Bass“ der Tiefenbereich stärker beeinflusst, mit „Air“ die Höhen und bei „Smiley“ werden Höhen und Bässe gegenüber den Mitten stärker reglementiert.
Alle drei Dynamik-Bereiche weisen eine typische Parametrisierung auf. Der Expander ist mit Threshold, Ratio und Release ausgestattet, beim Kompressor kommt noch die Attack-Time mit hinzu. Die gibt es auch beim Limiter, hier fehlt logischerweise die Ratio. Alle drei Einheiten sind zudem mit dem Regler „Factor“ ausgestattet. Dieser regelt die Stärke der voreingestellten Curve für jeden der drei Dynamikbereiche.
Bei „Flat“ bleibt dieses Poti also ohne Bedeutung, da hier keine Anhebungen oder Absenkungen der Randbereiche zum Mittenband existieren. Wird z. B. „Smiley“ voreingestellt und der „Factor“ beim Kompressor erhöht, so werden die Parameter in den äußeren Bereichen stärker als auf den Mittenbereich wirken, für den die eingestellten Parameterwerte gelten. So möchte TC dem Benutzer eine schnelle und praxisorientierte Einstellung ermöglichen, ohne ihn mit ausufernder Parameteranzahl zu überfordern.
So sind die Parameter für die einzelnen Frequenzblöcke nicht einzeln einstellbar. Ein höherer Threshold-Wert und eine andere Ratio auf den Bassbereich z. B. geht schlicht nicht. Man ist einfach auf die „Target/Factor“-Steuerung angewiesen.
Aber schauen wir uns die weiteren Blöcke an. Die Softclip-Funktion lässt sich in ihrer Stärke einstellen, zusätzlich kann mit dem Look-ahead-Poti in die Zukunft geschaut werden.
I/O bietet In- und Output-Gain und unter Mix lässt sich die Balance und ein Dry/Wet-Regler finden, der Parallelkompression ermöglicht.
Die grafische Darstellung der Geschehnisse übernimmt ein großzügiges Feld im oberen Teil des Plugin-Fensters. Dabei sind den verschiedenen Dynamikbearbeitungen die Farben Grün für den Expander und Blau für den Kompressor zugeteilt. Der Limiter wird in Gelb dargestellt. Im oberen Bereich kann auch noch ein weiteres Display ausgeklappt werden, das die Bereiche zusammengefasst darstellt. Hier befinden sich auch die Solo-Buttons für die drei Frequenzblöcke.
Der In- und Output Pegel wird in vier Balken am rechten Rand des Plugins angezeigt. Im unteren Bereich lassen sich die Presets aufrufen und die Spur benennen. Eine große Anzahl Presets sind schon vorhanden, geordnet nach Kategorien.
Wichtig ist das Link-Symbol links unten. Wenn mehrere Einheiten im Song verwendet werden, wird hier durch Anklicken diese Spur dem Hardware-Controller zugeordnet. Rechts unten lässt sich das Plugin-Fenster skalieren.
Arbeiten mit dem Master X HD-DT
Zunächst muss ich gestehen, dass ich die Umsetzung mit dem Hardware-Controller eher suboptimal empfinde. Während das z. B. im Falle der EMT 250 Emulation DVR250-DT sinnvoll ist, weil da die originalen Bedienelemente in Miniatur kopiert werden, fügt der Master X Controller einfach einen zweiten anderen und meiner Meinung nach sperrigeren Workflow zum Plugin hinzu. Nun ist es ganz praktisch, zum Einstellen des Kompressors die wichtigen Parameter auf den zwei Encodern anliegen zu haben, aber schon das Umschalten der Dynamik-Blöcke geht in der Software wieder bedeutend schneller.
Zudem empfiehlt TC Electronic als Ergänzung gleich noch den Brickwall HD-DT, nimmt man dann vielleicht noch den PEQ 3000-DT und 1-2 Effekte mit hinzu, ist der Arbeitstisch mit den kleinen Kistchen schnell überbelegt. Mit den USB-Ports wird es dann auch eng, denn jeder Controller braucht ja seine eigene Buchse.
Im Display sind In- und Output-Gain schön abzulesen, die Kompression und die Pegel der einzelnen Bänder werden gut dargestellt, der Einsatz von Expander und Limiter angezeigt, das ist gut gemacht. Die Bedienung des Plugins mit der Hardware hingegen geht für mich nicht flüssig von der Hand. Zudem muss man für einige Einstellungen, die Anwahl des Plugins oder auch Kanal im Dual-Mono-Modus doch wieder zur Maus greifen oder aber, z. B. zum Ausschalten der Blöcke eine Tastenkombination bedienen.
Lassen wir also den Controller so stehen, für mich hat er eine unterrangige Bedeutung und verteuert das Produkt. Kümmern wir uns um die Software.
Hier möchte ich mit dem wichtigsten Block beginnen, dem Kompressor. Ich starte mit einem Drumbeat. Schnell erreiche ich, ausgehend vom Preset „Drum Bus“, mit den Einstellmöglichkeiten ein zufriedenstellendes Ergebnis, das die Kick knackiger macht und die Mitten bereinigt. Dabei kommt auch die Softclip-Funktion und über „Mix“ eine Parallelkompression zum Einsatz.
Durch das Zuschalten des Limiters lässt sich der Kompressor noch stärker anfahren, für das Signal bringt das aber nicht unbedingt einen Gewinn, man hört ihn schon arbeiten. Nicht ohne Grund empfiehlt TC als Ergänzung den transparenten Brickwall HD-DT.
Der Expander soll ja dazu dienen, Nebengeräusche, die durch starkes Komprimieren entstehen, zu unterdrücken. Ich stelle ihn hier als ein Gate ein, um den Beat zu formen. So lassen sich die einzelnen Schläge schön separieren, durch Wegnahme der Parallelkompression wird die HiHat eliminiert.
In diesem Fall ist der Master X sehr brauchbar, es werden schnelle Ergebnisse geliefert, ohne einen riesigen Parameterdschungel bedienen zu müssen.
Nun nehme ich eine Vocal-Aufnahme, die mit Kompressor versehen wird.
Auch hier gelingt es, ausgehend von einem Preset, schnell einen druckvollen Sound zu finden. Da hier die „Flat“-Kurve genutzt wird, lässt sich ein vergleichbares Ergebnis mit jedem anständigen Kompressor-Plugin erzielen, das muss kein Multiband sein.
Dieser Spur mische ich nun etwas Rauschen anhand von Meereswellen hinzu. Mit dem Expander versuche ich, diese Störung zu unterdrücken.
Das gelingt auch, hier muss aber sehr sorgfältig gearbeitet werden, um kein Flattern oder grobe Artefakte im Gesangspart hervorzurufen. Besser also, seine Vocal-Aufnahmen nicht am Meeresstrand zu machen.
Nun soll sich der Master X wirklich in der Stereosumme bewähren. Dafür nehme ich den AMAZONA.de-Song, den ich mir für solche Fälle vor einiger Zeit zusammengeschoben habe.
Tatsächlich bekommt man den Song mit Master X deutlich lauter.
Da der Integrated LUFS aber vorher schon bei -8,6 dB lag, komme ich nun auf -4,6 dB. Soll diese Musik nun bei einem Streaming-Dienst erscheinen, passiert folgendes: Dort werden alle Songs auf ein einheitliches Lautstärkemaß heruntergezogen, meist werden -14 dB Intergrated LUFS angepeilt. Dann hören sich unsere Files so an:
Hat also nichts gebracht, jetzt klingt der vorher so fette Song nach dem Master X Einsatz schlaff und unausgewogen.
Dies einfach mal als Beispiel, dass es wenig sinnvoll ist, mit unzureichenden Vorkenntnissen Tools einzusetzen, die vorgeben, durch vereinfachte oder automatische Prozesse alles besser zu machen.
Alternativen
Wer sich wirklich für Mastering interessiert und das selbst machen möchte, für den gibt es einige Empfehlungen.
So hat TC Electronic mit Finalizer eine Software im Programm, die sich den schon länger bekannten Algorithmen der TC Hardware Finalizer und System 6000 bedient. Die standalone Software, die neben den Bearbeitungsmöglichkeiten auch umfangreiche Analyse-Tools zur Verfügung stellt, ist mit $ 199 deutlich günstiger als Master X, auch hier ist eine voll lauffähige 14 Tage Demoversion erhältlich.
Gute Bearbeitungsmöglichkeiten bietet auch die Mastering-Software Ozone 9 von iZotope, die Kollege Steinwachs HIER besprochen hat. Die Standard-Version liegt auf dem Preisniveau des Master X, auch hier ist eine Demoversion erhältlich.
Ganz hervorragende Ergebnisse liefert auch das Elevate Bundle von Newfangled Audio. Dies beinhaltet vier Plugins und wird über Eventide vertrieben. Der derzeitige Verkaufspreis von 199,- Euro ist für das Gebotene als sehr moderat anzusehen.
Wer kein zusätzliches Geld ausgeben möchte, findet auch in seiner DAW gute Möglichkeiten. Logic X kann hier z. B., neben der ganzen Palette an Plugins und Instrumenten, mit Expander, Multipressor und Limiter den Leistungsumfang des Master X abdecken. Knapp 230,- Euro sind für die komplette DAW fällig.
Die Liste lässt sich noch ewig fortführen. Diese Beispiele zeigen aber schon, dass die Konkurrenz, auch aus eigenem Hause einen deutlich höheren Funktionsumfang bietet und teilweise sogar günstiger ist. Zudem wird reine Software oft zu rabattierten Preisen angeboten. So ist z. B. im Moment der gute Waves C6 Multiband Kompressor für $ 35,99 zu ergattern. Solche Aktionen sind beim Master X aufgrund der Bündelung mit dem Hardware-Controller nicht zu erwarten.
Schöner, ehrlicher Test. Ich hab mich erst gefragt, warum der Hersteller so ein Geschiss mit iLok macht, wenn er doch das Plugin mit Hardware verkauft. Aber auch diese Frage beantwortet der Artikel.
Hallo Armin,
danke für den anschaulichen Test. Man bekommt sofort einen guten Eindruck, dass das ganze Konzept etwas unausgegoren anmutet.
Etwas seltsam ist allerdings, dass der Testsong mit -8,6 dB LUFS int. bereits mehr oder weniger an die Wand gefahren ist. Was soll man denn da an Qualität gewinnen wollen, zumal du selbst sagst, dass die Ziellautheit eigentlich -14 ist? Ziel im Mastering ist doch ein Lautheitsgewinn bei besserer Qualität.
Daher ist der Testablauf meiner Meinung nach etwas unrund und wird dem Tool auf diese Weise nicht ganz gerecht – ungeachtet der genannten Mängel.
Trotzdem toller Test, Danke!
@Marco Korda Hallo Marco,
danke dir erstmal fürs Lob.
Der Testsong besteht aus Einzelspuren, die ich aus Logig zusammen geschoben habe, die liegen schon entsprechend komprimiert vor. Mit -8,6 LUFS liegt das noch im Rahmen, wenn man z.B. eine CD pressen möchte.
Schwierig wird es eben, wenn man nicht mehr selbst die Kontrolle hat, z.B. wenn der Streamingdienst da einfach limitiert. Wenn deine Musik so veröffentlicht werden soll, gibt es das zu bedenken, da hilft es nicht, möglichst laut anzuliefern. Das wollte ich einfach mal vorführen.
Das ist nun kein Problem allein von MasterX, sondern betrifft jedes Mastering. Wenn man aber nicht den Einfluss auf alle Parameter hat, ist da umso schwieriger gegenzusteuern.
Soweit ich weiß gibt es für den Multiband nur einen globalen Ratio, Attack/Release !? WTF !?