Reverb-Plugin mit Hardware-Controller
Während ich vor einigen Wochen den TC1210-DT Spatial Expander zum Test bei mir hatte, folgt heute die nächste Kombination aus Plugin und Hardware-Controller: TC Electronics TC8210-DT.
Ein Reverb – das wissen Gitarristen, Sänger und auch immer mehr Synthesizer-Spieler – muss im direkten Zugriff sein. Mal mehr Hall, mal weniger, Plattenhall, Spiralhall, Synthetik Hall – das Spiel mit dem Raum gehört zum täglichen Musizieren, Mixen und Mastern dazu.
Das TC8210-DT kostet 99 Euro und in dieser Preisklasse (sagen wir 50 – 150 Euro) ist es selbst für den Fachmann schwierig, den Überblick zu behalten. Gerade in Sachen „Reverb Plugin“ ist die Auswahl in diesem Preisbereich riesig: Waves, Universal Audio, iZotope, Eventide & Co. geben sich hier ein Stelldichein. Und dann gibt es noch sehr etablierte kostenlose Reverbs, wie das in Apple Logic X enthaltene ChromaVerb, das einen sehr guten Ruf mitbringt.
In Sachen Reverb-Pedal tummeln sich in diesem Segment ebenfalls namhafte Hersteller, wie TC Electronic, Mooer, Electro Harmonix und auch das bekannte Boss RV-6, das ich hier zum Vergleich einsetze.
Warum also das TC Electronic TC8210-DT?
Nun, zunächst mal, weil es von mehreren namhaften Produzenten gehypt wird. Da ist die Rede von Tue Madsen (Meshuggah) oder Jon Burton, der für die Produktionen von The Prodigy verantwortlich war. Also: Der Leumund stimmt. Anders als das TC1210-DT, das ein klassisches Vorbild im Rack-Format hat und für Legenden wie U2 und Eric Clapton im Einsatz war, hat das 8210 keine elitäre Geschichte. So muss es also mit seinen Qualitäten punkten. Und diese schauen wir uns im Folgenden an.
Die Bedienung des Controllers
Wie schon im Test des TC1210-DT beschrieben, handelt es sich beim TC8210-DT um ein Software Plugin, das über einen Hardware-Controller bedient wird. Dieser Controller ist im selben Format wie der TC1210 Spatial Expander und dient auch hier als Kopierschutz (Dongle), ohne den die Software nach 60 Tagen ihre Funktion einstellt. Die Bedienung des relativ kleinen, aber dafür sehr stabilen Controllers gestaltet sich durch die Einteilung in drei Sektionen sehr übersichtlich:
Oben die Input- und Output-Anzeigen mit jeweils 5 LEDs pro Kanal. Darunter die „Sound“-Sektion, bei der man über den Select-Taster zwischen den verschiedenen Hall-Signaturen wählen kann:
- TC Hall
- Box
- Ambient
- Room
- Club
- Live
- Plate
- Spring
Links daneben die Möglichkeit, den Klang zu beeinflussen und zwar in einem Bereich von 1 – 20, wobei nicht definiert ist, was “eins mehr” bedeutet. Einstellbar sind:
- LO COL = Regelung der tiefen Frequenzanteile des Halls
- COLOR = Hier werden die hohen Frequenzen des Halls verstärkt oder abgeschwächt
- MOD = Hier wird der Hall gemäß voreingestellter Parameter moduliert. Die Geschwindigkeit der Modulation wird im Software-Plugin definiert
Und in der „Main“-Sektion unten wählt man die Länge der Ausklangzeit (Decay) und stellt die Werte (Value) der folgenden Parameter ein:
- Pre Delay
- Dry/Wet
- Early/Rev
Außerdem kann man hier das Preset auswählen. Auch hier (wie beim TC1210) muss man sich die Nummer der gewünschten Vorauswahl merken. Mehr Hinweise gibt es nicht, so dass man entweder mit einem Spickzettel arbeiten oder immer wieder einen Blick auf das Plugin werfen muss.
Das Software-Plugin
Auch wenn ich es bereits erwähnt habe, ich stelle es hier noch einmal klar: Das TC Electronic TC8210-DT ist in erster Linie ein Software-Plugin. Im Controller befindet sich keinerlei DSP-Logik, die die DAW entlastet. Der Controller dient einzig der Steuerung der Parameter, wie man es bei einem MIDI-Controller kennt.
Da bei diesen TC Electronic Geräten aber Hard- und Software eine Einheit bilden, kann man die häufig genutzten Einstellungen (z. B. das Decay) nur (!) am Controller einstellen und selten verwendete Parameter nur im Plugin. Deshalb wirkt das Plugin auch wie die „Einstellungen“-Seite einer Audio-Software. Keine VU-Meter, keine grafische Darstellung des Reverb-Verlaufs oder andere Raumparameter.
Auch in der Software befinden sich drei Sektionen. In diesem Falle „Levels“, bei denen Input- und Output-Pegel ausgewählt werden sowie das Dry/Wet-Verhältnis. Die „Sound“-Sektion bietet Veränderungsmöglichkeit der sogenannten „Early Color“, was letztlich in der Wärme des Halls hörbar wird. Der Parameter „Mod Rate“ bestimmt die Geschwindigkeit der Modulation. Leider hat man bei „Early Color“ und Mod Rate“ jeweils nur zwei Optionen zur Auswahl (Light/Dark oder Slow/Fast). Warum eigentlich? Es ist Software und da erwarte ich ehrlich gesagt schon, dass ich hier stufenlos feintunen kann. Immerhin ist das bei „Diffuse“ möglich, der den Hallsound einweicht und die Strukturen verwaschen werden.
Dann der bereits erwähnte „Preset“-Bereich, der das Abrufen, Erstellen und Speichern von Einstellungen ermöglicht und wo man auch ein paar Presets von mehr oder weniger bekannten Produzenten findet.
Ganz unten haben wir noch die Statusleiste, in der die Verbindung zum Controller durch ein grünes Kettensymbol dargestellt wird und die Software-Updates durchgeführt werden.
In der Praxis
Wie beim Spatial Expander ist die Einrichtung des Classic Reverbs sehr einfach. Software herunterladen, installieren, Controller mit einem freien USB-Port verbinden, fertig! In der DAW kann man dann bei TC Electronic das 8210 auswählen und schon kann man starten…
… wenn man kleine Hände und dünne Finger hat. Denn im Eifer des Gefechts treffen die männlich ausgeprägten Finger (= Wurstfinger) des Autors auch mal die benachbarte Taste.
Wie erwähnt sind die Controller von TC Electronic recht klein, was natürlich auch den Vorteil hat, dass man damit nicht seinen Studiotisch zupflastert. Die Bedienung der Basisparameter ist schnell herausgefunden und man kann auch das 18-seitige englischsprachige Handbuch (als PDF) zu Rate ziehen, um die Details der jeweiligen Einstellung zu erlernen.
Aber: Läuft das so bei Ihnen? Fuchsen Sie sich richtig in Ihr Reverb rein und versuchen mit jedem Zehntel Parameter oder Bogensekunden Poti-Drehung das Letzte aus dem Hall herauszuholen? Bei Effekt-Pedalen findet man meist vier Regler (Volume, Time, Stärke und eine Auswahl der Effektart) und dort wird nach Gehör in wenigen Sekunden das gewünschte Ergebnis gefunden. Im Plugin hingegen kann ich mich mit Maus und Tastatur durch unzählige Parameter inklusiver optischer Rückmeldung klicken und – gerade im Mastering – noch viel aus den Tracks rausholen.
Und das TC Electronic TC8210-DT finden wir irgendwo in der Mitte. Weniger als im Plugin, aber mehr als bei den meisten Reverb-Pedalen. Wie soll ich das finden? Die Antwort darauf ist sehr subjektiv und hängt vom Einsatzgebiet und den persönlichen Präferenzen ab. Ich habe damit meine Probleme.
Im Testbetrieb muss ich immer wieder auf das kleine Kästchen schauen, um auf die Tasten zu drücken. Und mal so als Anregung: Wirklich im Flow beim Mischen bin ich nur mit Reglern und Fadern. Ich schließe die Augen und drehe so lange am Poti (bzw. schiebe den Fader) bis das Ergebnis stimmt. Mit den von TC Electronic verbauten Tasten verliere ich diese Konzentration. Blick runter, ah, hier ist das Decay, ok, 2x auf den Pfeil hoch, passt und wo ist jetzt noch mal die Einstellung für Color, ah oben, Finger positionieren und Tasten drücken. Nein, meiner Arbeitsweise kommt das nicht entgegen und mich würde sehr interessieren, ob Sie das ähnlich sehen.
Ich lege mich fest: Mit dem Bedienkonzept der TC Electronic Desktop Controller für die Plugins werde ich nicht warm – und ich habe es wirklich versucht, glauben Sie mir!
Der Klang
OK, es gibt genug Audio- und Studiogeräte mit einer viel schlimmeren Bedienung. Trotzdem findet man sie in vielen Studios, weil sie einfach fantastisch klingen. Beim 8210 kann ich das nicht in dieser Klarheit sagen. Sehr schnell habe ich herausgefunden, warum die oben genannten Produzenten aus den eher härteren Genres kommen.
The Prodigy mit ihren Genen im Acid, Hardcore und Meshuggah, die mit ihrem Experimental-Metal jetzt auch nicht als Meditationshilfe geeignet sind. Der Reverb des 8210 klingt tendenziell kühl. Bombastische Drums und epische Becken, da fühlt sich das TC Electronic wohl. Der Hall klingt immer ernsthaft und wenig verspielt. Auch die Presets gehen sehr in diese Richtung. Will ich einem Singer/Songwriter-Duo ein wenig Raum verschaffen, würde ich nicht zum TC8210-DT greifen. Die feinen Töne sehe ich eher bei Boss, Strymon oder den Eventide Plugins.
Mit der etablierten Konkurrenz von UA, Waves & Co. kann man das 8210 auch nur schwer vergleichen. Es fehlt der „Vibe“, dieses gewisse Etwas, das in einem Hallerzeuger den Unterschied zwischen Luft und Bits ausmacht. Ein UA Pure Plate Reverb oder ein UA Lexicon 224 bieten mir mehr Seele und organischen Klang. Das kann ich im TC Electronic nicht in dieser Art feststellen.
Hören Sie sich mal die Klangbeispiele an. Ich habe ein einfaches Gitarrenriff mit mehreren Presets des TC8210-DT und auch – zum Vergleich – mit dem Boss RV-6 in Logic X aufgenommen. Gerade bei der Beurteilung von Reverbs geht es um Konzentration. Hören Sie auf den Moment, wo sich der Hall vom Grundton löst und wie sich das Hallereignis im Verlauf des Ausklingens verhält. Klingt der Hall lebendig und natürlich oder haben Sie das Gefühlt, dass hier nur ein Rechner den Sustain-Anteil kalkuliert? Und nicht zuletzt: Hall ist komplex! Ein kurzer Schrei in Ihrem Badezimmer oder in einem Wald – auf der Bühne oder in ihrem Wohnzimmer – spüren Sie den Ausklang ihrer Stimme durch das nahezu chaotische Brechen und Interferieren der Luftverdichtung und -expansion?
Sie merken es: Das TC8210-DT ist jetzt nicht der Feingeist unter den Reverb-Plugins, aber gerade wenn es etwas härter wird, setzt sich der Reverb recht gut in den Mix. Relativiert man dazu noch, dass das Hardware/Software-Bundle von TC Electronic bereits ab 99,- Euro zu haben ist, kann ich es gerade für diesen Einsatz auch guten Gewissens empfehlen – wenn Sie mit der Bedienung klarkommen.
Eigentlich mag ich die TC Reverbs echt gerne!
Bei Diesem hat mich noch bevor ich den Artikel gelesen habe die Bedienung etwas abgeschreckt…
Da würde ich Fader schon viel besser finden, oder Encoder gingen auch.
Klar die brauchen Platz, und sind auch wahrscheinlich teurer.
Die Bedienung würde sicher profitieren…!
Aus Sicht des Kopierschutzes mag das Konzept ja schlüssig sein, aus Anwendersicht und aus Sicht der Nachhaltigkeit ist es nicht zu Ende gedacht. Wenn ich (in einigen Jahren) 10 TC Plugins laufen hätte, müsste ich dann 10 Controller rumstehen haben? Abgesehen davon, das das unnötig viele USB-Ports am Rechner benötigt (oder halt einen HUB, aber das Gesamtsystem belastet das trotzdem unnötig ) warum nicht wenigstens ein universaler Controller wie bei Softubes Console?. So hat man wie gesagt lauter -Spielzeug – Controller herumstehen, die von der Haptik her bescheiden sind – ja sein müssen – wie soll sich das bei einem Gesamtpreis von unter 100 Euro sonst ausgehen?
@toneup Und kann man die Controller „zusammenstecken“und einen großen Controller bauen? Am einfachsten wäre es auch, wenn man dann nur einen USB Anschluss für alle Controller benötigt, aber ich denke das ist hier nicht der Fall…
@Soundreverend Nein, leider geht das nicht. Man sieht immer wieder Bilder, wo sich die Nutzer eine Art Desktopgestell gebaut haben:(https://www.bonedo.de/fileadmin/_processed_/0/e/csm_TC_Electronic_TC2290-DT_03_Family_04dc304bde.jpg)
Aber man muss jedes Gerät einzeln anschließen – schon alleine wegen dem Kopierschutz.
Ich finde es gut vom Autor die Handhabung und das Gefühl bei der Bedienung mit eingeflossen zu haben. Zeigt es mir doch, das Amazona doch tatsächlich kritisch testet.
Hat der Hall eigentlich irgendetwas mit den klassischen TC-Hallgeräten wie M2000-6000 und Co. zu tun?
@Michael Krusch Es gibt im TC8210 eine TC 4000 Preset und im Handbuch steht, dass TC bekannt für Studioreverbs, wie das 6000er bekannt ist. Ein technisches Erbe ist das 8210 aber sicher nicht.
Kann es sein, dass bei den RV6 Beispielen der Hall fehlt? Mir fällt es auch schwer die Wahl des RV6 als Benchmark gegen diese TC Emulation von eher Studiogeräten zu verstehen, ebenso wie ein solche Brat-Gitarren-Riff nicht sonderlich geeignet ist, die Feinheiten der Presets zu zeigen. Aber es mag auch einfach nur eine Frage persönlicher Vorlieben sein.
@swissdoc ich kann bei den RV6 Beispielen den Hall hören, finde aber die Beispiele des TC8210 wesentlich ansprechender und habe mir das Gerät bestellt.