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Test: Tech 21 Sansamp Classic, Gitarren Preamp

Alter Klassiker neu aufgelegt

21. Dezember 2021

Wir schreiben das Jahr 1993, Crossover ist der heiße Scheiß schlechthin und Musikrichtungen werden miteinander verwoben, die bisher diametral aufgestellt waren oder sich teilweise durch Ignoranz nicht einmal ansatzweise über den Weg gelaufen wären. In diesem Umfeld gelingt der schwedischen Band CLAWFINGER mit ihrem Debütalbum „Def Dumb Blind“ ein künstlerischer und kommerzieller Knaller, indem man Elemente aus den Genres Hip Hop, Rap und Metal gekonnt miteinander verwebt. Eine Besonderheit stellt der verwendete Gitarrensound dar, der nicht wie seiner Zeit üblich über analoge Amp-Cabinet-Mikrofon-Konstellation abgenommen, sondern mit Hilfe eines unscheinbaren Pedals namens Sansamp aufgenommen wurde. Die Neuauflage dieses Pedals liegt nunmehr als Tech 21 Sansamp Classic zum Test vor.

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Tech 21 Sansamp Classic Test

Tech 21 Sansamp Classic Front

Die Geschichte

Das 1989 kreierte Pedal lies seiner Zeit alle Gitarristen aufhorchen. Zum einen, da der erzeugte Sound zwar als klassischer Gitarrensound zu erkennen war, jedoch einen hohen synthetischen Charakter aufwies. Zum anderen gab es bis dato höchstens mit dem Tom Scholz Rockman ein weiteres Gerät auf dem Markt, bei dem man direkt in das Pult gehen konnte, ohne die klassische Mikrofonierung zu verwenden, daher auch der Name „Sansamp“, französisch für „Ohne Verstärker“. Des Weiteren wurde im Zusammenspiel mit Samplern Gitarrenriffs erzeugt, die sich in der analogen Welt nicht umsetzen ließen, was Clawfinger bei ihren früheren Auftritten auch regelmäßig Probleme in Sachen Authentizität bereitete. Heute werden sie wahrscheinlich Backingtracks für diese Passagen einsetzen und als 2-Gitarren-Band nur noch die Passagen spielen, die sich auch adäquat umsetzen lassen. Dem heutigen Publikum wird es egal sein.

Was Anfang der Neuziger als Sensation galt, ist in den heutigen Zeiten von Kemper und Plug-ins ein alter Hut, dennoch schossen die Gebrauchtmarktpreise des originalen Sansamp aufgrund der zwischenzeitlichen Einstellung in schwindelerregende Höhen. Was also macht der erfahrene Geschäftsmann? Er bringt das Original erneut auf den Markt, um dem ausufernden Secondhand-Markt das Wasser abzugraben und selbst von der Interesse der Kunden zu profitieren. Dabei langt Tech 21 ordentlich in die Vollen und ruft einen strammen Ladenpreis von 419,- Euro auf, der selbst bei dem hohen Classic-Vintage-Anteil bei dem einen oder anderen ein dezentes Stirnrunzeln hervorrufen wird. Leider geht weder aus der Umverpackung noch dem Produkt an sich (verbotenerweise) nicht hervor, wo das Pedal gefertigt wurde, aber die „Eco Friendly“ Verpackung und der Preis lassen auf eine Fertigung in den USA schließen.

Tech 21 Sansamp Classic Test

Tech 21 Sansamp Classic Seitenansicht rechts

Der Aufbau des Tech 21 Sansamp Classic

Obwohl der Tech 21 Sansamp Classic nicht vor einen Amp, geschweige denn in dessen FX-Loop gehört, ist der haptische Ausbau aufgrund des On/Off-Schalters, dessen Aktivierung über eine rote LED auf der Stirnseite des Gehäuses angezeigt wird, mit einem regulären Floorboard-Pedal identisch. Um dem 99 mm x 117 mm x 49 mm (B x T x H) großen und mit einem Gewicht von 320 g leichten Pedal jedoch auch auf dem Schreibtisch eines Heimstudios Halt zu bieten, verfügt das Pedal über 4 sehr gute kleine Gummifüße, die dem Pedal selbst auf einer Glasplatte sehr guten Halt vermitteln.

Das Pedal kann über eine 9 V Batterie oder ein externes Netzteil betrieben werden, wobei das Tech 21 Sansamp Classic in Sachen Stromverbrauch selbst für die in bzgl. Stromaufnahme an sich schon sehr zurückhaltenden Verzerrer-Gilde extrem wenig Strom zieht. Gerade einmal 6 mA zieht das Pedal, so dass selbst ein reiner Batteriebetrieb eine lange Betriebsdauer ermöglicht.

Vier Drehregler erzeugen im Zusammenspiel mit acht DIP-Schaltern eine breite Palette an Zerrsounds, die von sehr dezentem Crunch bis zu High-Gain gehen. Das Pedal verfügt über keine „echte“ Klangregelung, sondern hält über einen High.Regler lediglich die Höhen unter Kontrolle. Dafür gibt es zwei Zerrregler, wobei einer sich speziell den Höhen annimmt (Presence Drive) und einer die Verzerrung eines Röhrenamps (Amplifier Drive) simuliert. Über einen Schieberegler an der Seite können drei verschiedene Preset Module mit den Bezeichnungen „Lead“, Normal“ und „Bass“ aktiviert werden. Die Bezeichnung Bass ist im Übrigen wörtlich zunehmen, das Tech 21 Sansamp Classic Pedal ist eines der wenigen Pedale, das sowohl für eine E-Gitarre, als auch einen E-Bass verwendet werden kann.

Die sehr fummeligen DIP Schalter, die mit einem Plektron noch einigermaßen gut zu bedienen sind, Männer mit kurzen Fingernägel aber schnell in die Nähe eines Wutanfalls bringen, besitzen folgende Funktionen:

Mid Boost I: erste vorgefertigte EQ-Kurve (kann in Kombination mit Mid Boost II genutzt werden)

Mid Boost II: zweite vorgefertigte EQ-Kurve (kann in Kombination mit Mid Boost I genutzt werden)

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Low Drive: eine Art dezenter Bass-Boost, wirkt bei Deaktivierung als High-Pass

Clean Amp: verringert den Gain im Eingang und ermöglicht so einen stabileren, cleaneren Sound

Bright Switch: Schiebt die Höhen abhängig vom Verzerrungsgrad an. Ist am effektivsten bei niedrigen Gain-Einstellungen und hat bei High-Gain keinen Effekt mehr auf den Sound.

Vintage Tubes: Lässt den gewählten Klang etwas „weicher“ erscheinen.

Speaker Edge: Ein zusätzlicher Höhen-Boost, der eine veränderte Position eines Mikrofons am Lautsprecher emuliert.

Closed Miking: Simuliert den Nahbesprechungseffekt eines Mikrofons, das sehr nahe an der Schallquelle sitzt und geht mit einer Bassanhebung einher.

Die einzelnen Schalterstellungen beeinflussen sich zusätzlich gegenseitig, so dass es wirklich eine sehr große Auswahl an Sounds gibt. Gerade für ungeübte Musiker ist diese Soundverwaltung recht einfach, da man nicht so schnell Gefahr läuft, sich in den teils unübersichtlichen Einstellungsmöglichkeiten anderer Hersteller zu verlaufen. Das Ganze allerdings auf die Bühne zu übertragen, bringt mehrere Probleme mit sich. Sich im laufenden Showbetrieb mit den DIP-Schaltern zu befassen, ist faktisch unmöglich, was im Umkehrschluss bedeutet, dass man sich für einen Sound entscheiden muss, den man entweder aktiviert oder deaktiviert. Einzig der seitlich angeordnete Dreiwegeschalter lässt sich vergleichsweise einfach bedienen, sofern man es nicht scheut, während der Show in der Hocke an seinem Board zu basteln.

Tech 21 Sansamp Classic Test

Tech 21 Sansamp Classic Seitenansicht links

Der Tech 21 Sansamp Classic in der Praxis

Um den Klang des Tech 21 Sansamp Classic zu beurteilen, sollte man sich immer vor Augen halten, dass das Konzept des Pedals über 3 Dekaden auf dem Buckel hat und mit heutigen Produkten weder im Wettstreit liegt, noch am beliebten Wettbewerb „wie nahe komme ich klanglich einem perfekt mikrofonierten Lautsprecher“ teilnehmen kann. Vielmehr muss man den Klang des Pedals ähnlich der Tretminen, die zum Beispiel Jimi Hendrix in seiner Ära verwendet hat, betrachten, die aus heutiger Sicht klanglich sehr archaisch wirken, jedoch für eine ordentliche Anzahl legendärer Sounds verantwortlich zeichnen. Das Glück der frühen Geburt.

Trotz vergleichsweise großer Auswahl an klanglichen Möglichkeiten, klingen alle Sounds vergleichsweise „stumpf“ ohne die nötige Durchsichtigkeit, wobei dieser klangliche Effekt vor allem im Gitarrenbereich, aufgrund der unterschiedlichen Frequenzen jedoch weniger bei der Verwendung eines Basses zutage tritt. Wenngleich der eine oder andere Leser nun mit den Worten „das bekomme ich auch von einem preisgünstigeren Pedal“ daher kommt, ist dieser Vergleich nicht ganz von der Hand zu weisen, jedoch muss man den Tech 21 Sansamp Classic in seiner Gesamtheit betrachten. Ein Jaguar E-Type definierte 1961 auch den Typ „Sportwagen“ nach Belieben, ist technisch heute jeder Mittelklasse Limousine unterlegen und erreicht trotz eines Alters von knapp 50 Jahren immer noch sechsstellige Verkaufspreise, was einer Wertsteigerung einer Apple Aktie in den letzten zehn Jahren um den Faktor 10 gleichkommt.

Ich persönlich sehe den gesamten Tech 21 Sansamp Classic als ein Preset, wenn es um genau diesen einen Sound mit all seinen Stärken und Schwächen geht, Sampler-Attitüden inklusive. Keyboarder dürften das Pedal eventuell mehr zu schätzen wissen als Gitarristen, die in Sachen Emulation in den letzten Jahren spätestens mit dem Aufkommen des Kemper Booms sehr verwöhnt wurden. Trotz der großen Soundvielfalt bleibt dem Tech 21 Sansamp Classic immer der nur der grob aufgelöste Grundsound, der in jeder Hinsicht ein Markenzeichen des Pedals darstellt.

Tech 21 Sansamp Classic Test

Tech 21 Sansamp Classic Aufsicht

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Fazit

Mit dem Tech 21 Sansamp Classic bringt das amerikanische Unternehmen einen großen Klassiker der Neunziger erneut auf den Markt. Als einer der ersten Direct-to-desk-Pedale bietet das Pedal einen der großen Markenzeichen der Neuziger und trug maßgeblich zu dem Erfolg der schwedischen Crossover-Band Clawfinger mit ihrem Debütalbum „Def Dumb Blind“ bei.

Wer diesen klassischen Sound für seine Produktionen oder Live-Shows sucht und dabei nicht die umständliche Soundverwaltung mittels DIP-Schaltern scheut, ist bei diesem Pedal genau an der richtigen Adresse. Wer hingegen ein Pedal sucht, das einen High-End Mikrofon-Sound emuliert, könnte eventuell vom klanglichen Ergebnis etwas enttäuscht sein.

Plus

  • klassischer Grundsound
  • Verarbeitung

Minus

  • grobe Auflösung
  • eingeschränkte Benutzung im Live-Betrieb

Preis

  • 419,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    OscSync AHU

    Ein schöner Test, dessen Fazit ich teile. Ich habe ein Herz für die SansAmp-Sachen und habe auch schon einiges davon genutzt. Wie Du richtig schreibst, haben der originale Sansamp und seine zahlreichen Kinder heute ganz eindeutig das Nachsehen gegenüber aktuellen Modelling-Lösungen und IRs. Als nützliche Helfer können Sie aber nach wie vor praktisch sein, und als Klangfarbe hat der Sound auch seine Berechtigung. Mir persönliche macht der Sansamp-Sound auch einfach Spaß, egal wie authentisch er ist. Der Trademark 30 ist zB ein toller, praktischer und sehr leichter Amp mit ziemlich großem Sound, der mit mir schon einige Reisen im Zug unternommen hat, bei denen ich kein größeres Besteck mitnehmen konnte.

    Was das „Made In“-Statement betrifft: Tech21 legt sich seit einiger Zeit hier nicht mehr fest, ähnlich wie EHX, die statt wie früher „Made in NYC“ nur noch „EHX NYC“ schreiben. Die regulatorischen Anforderungen für „Made In“-Statements haben sich in vielen Branchen verschärft. Häufig ist zB der Schritt der größten Wertschöpfung entscheidend, welches Land in der Herstellkette das Herstellerland ist. Vielleicht beziehen Hersteller wie EHX oder Tech21 assemblierte Boards aus Asien und setzen sie in ihren Werkstätten nur noch in Gehäuse ein, was dann vielleicht für ein Made In nicht mehr ausreicht. Das ist jetzt nur Spekulation, aber passt zu aktuelleren Firmenvideos zB von EHX, wo man eigentlich nur Silk Screening von

    • Profilbild
      OscSync AHU

      @OscSync …Gehäusen und Einbauen fertiger Platinen sieht. Aufgrund ähnlicher Thematiken sieht man auch immer öfter Statements wie „Made in the USA with globally sourced materials“.

  2. Profilbild
    Fadermaster

    Das weckt Erinnerungen! In den 90erjahren basierte das gesamte Demo-Material einer Band mit der ich damals sehr aktiv war auf einem Yamaha-RY30 Drumcomputer, den ich mit den Fingern live einspielte, und einem SansAmp. GItarre und „Schlagzeug“ waren die ersten beiden Spuren, die immer gemeinsam eingespielt wurden – auf einem Fostex X-18 4-Spur Recorder. Niemals hätten wir im WG-Zimmer die Möglichkeit gehabt, ohne echten Amp einen derart fetten und überzeugenden Sound zu bekommen. Heute z.B. mit einem Blackstar Dept. 10 Dual-Drive ist man natürlich Welten davon entfernt, aber ich hatte den guten alten klassischen SansAmp schon so manches Mal irgendwo im Warenkorb.

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