Kondensatormikrofon - Made in USA
Ein neues Mikrofon von Telefunken, das ist interessant. Denn der amerikanische Hersteller, der die traditionsreiche Mikrofonsparte des ehemaligen deutschen Konzerns fortführt, erntet mit seinen Produkten regelmässig großes Lob. So hatte ich vor nicht allzu langer Zeit das TF51 im Test, Kollege Spohn durfte sich des TF47 annehmen.
Das Telefunken TF11 – erster Eindruck
Ganz neu ist das TF11 auf dem Markt und ergänzt die Alchemy Serie des Herstellers. Wir haben pünktlich zum Erscheinen das erste in Deutschland aufgeschlagene Exemplar mit der Seriennr. 024 erhalten.
In meinem Test zum TF51 habe ich die gesamte Serie schon kurz vorgestellt, die bisher aus vier Mikrofonen bestand. HIER der Link für Interessierte zum Nachlesen.
Optisch fügt sich der Neuling nahtlos ins Alchemy Universum ein, schlicht und edel wirken Form und Materialien. Die Chromteile übernehmen den dunklen Look des TF47 und des TF51, der Body wurde dieses Mal mit einem attraktiven Dunkelblau pulverbeschichtet. Vorne ist die Telefunken Raute und einen Niere zu finden, da kann man mit der Einsprechrichtung nichts falsch machen. Wie nicht anders zu erwarten ist die Verarbeitung tadellos.
Was sofort auffällt, das Mikrofon ist deutlich kompakter als die bisherigen Modelle, der Durchmesser ist allerdings gleich geblieben. Des Rätsels Lösung: das TF11 ist das erste FET-Kondensatormikrofon der Reihe und soll die vier Röhrenexemplare auch preislich nach unten abrunden.
Entsprechend ist der Lieferumfang angepasst, es wird hier ja weder Netzteil, noch Spezialkabel gebraucht. Geblieben sind die stabile Mikrofonspinne M 703 und der einfache Mikrohalter M 782. Beide Teile sind massiv gefertigt, das Gelenk lässt sich ordentlich fest ziehen. Das Mikrofon wird mittels einer Rädelmutter bombenfest mit dem jeweiligen Halter verbunden. Für die Spinne liegen zwei Ersatzgummis mit bei. Etwas ärgerlich ist, dass nur ein Reduziergewinde 5/8“ auf 3/8“ dabei ist, so muss man beim Halterwechsel jedes mal umschrauben oder sich den Cent-Artikel nachbestellen.
Mikrofon und der M 782 finden in einer Box Platz, die schön Retro aus Pappe mit Papierbeschichtung besteht und damit dem Plastikzwang widersteht. Das Innenleben ist auch weiterhin aus Formschaum. Mit bei liegt ein „Visitenkärtchen“ mit Modell, Seriennummer, Initialen des ausführenden Mitarbeiters und der Endkontrolle mit jeweiligem Datum.
Die Box wiederum wurde in einen Karton gepackt; hier ist die Mikrospinne und ein staubschützender Strumpf mit aufgehoben.
Technische Daten
Hier gibt sich das neue Mikrofon noch sehr sparsam. Das ist dem Umstand geschuldet, dass wir das Exemplar vor der offiziellen Vorstellung erhalten haben. Ein Datenblatt oder Quick Start Guide ist noch nicht bei gefügt und die spärlichen Infos habe ich quasi beim Vertrieb, unter dem Versprechen der strikten Geheimhaltung, vor der offiziellen Vorstellung abgefragt.
So war immerhin zu erfahren, dass im TF11 eine Rand-polarisierte CK12 Style Kapsel verbaut ist. Diese Kapsel wird bei Telefunken dem österreichischen Sound zugeordnet, da sie in frühen Versionen des AKG C414 verwendet wurde. Das zeigt eine gewisse Nähe zum TF51 auf. Anders als dieses ist das TF11 aber rein auf eine Nierencharakteristik beschränkt, so dass hier eine Single Membran Kapsel mit der Bezeichnung TK51S verbaut ist.
Die Niere als einzige Richtcharakteristik entspricht wiederum eher dem TF29. Der verwendete Ausgangsübertrager ist in der Alchemy Serie bisher noch gar nicht aufgetaucht, hier wird ein in England speziell hergestellter OEP/Carnhill eingesetzt. Ein Transformer dieses Herstellers wird übrigens auch in der passiven DI-Box TDP-1 von Telefunken verwendet.
Wir sehen also, das TF11 ist von Grund auf neu konstruiert, es wurde nicht einfach bei einem bestehenden Alchemy Mikrofon die Röhre gestrichen.
Ansonsten ist aus den Vorabinfos bisher nur zu erfahren, dass das Mikro einen sehr schönen und detaillierten Frequenzgang anbietet, für schnelle Transientenwiedergabe prädestiniert ist, hohen Schalldruck aushält und wenig rauscht. Die empfohlenen Einsatzgebiete sind Stimme, akustische Instrumente und Drum-Overheads.
Eine ganz wichtige Info konnte ich aber doch noch in Erfahrung bringen, der Straßenpreis wird sich wohl auf 999,- Euro belaufen, ein Stereo Set ist für 1.850,- Euro zu bekommen.
Das Mikro bietet keinerlei Schaltmöglichkeiten. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass nach dem Entfernen des Gehäuses eine recht übersichtlich bestückte Platine zum Vorschein kommt.
Auf der Rückseite ist der Übertrager zu finden. Bei der Gelegenheit werfe ich auch im Inneren einen Blick auf die Verarbeitungsqualität, auch hier sind keine Abstriche zu machen, wie immer bei Telefunken. Und wie der Rest der Alchemy Serie wird auch dieses Modell in Connecticut, USA von Hand gefertigt.
Nachtrag: Quasi zeitgleich mit Fertigstellung des Tests wurden mir vom deutschen Vertrieb Klemm Music doch noch einige Spezifikationen übermittelt, die ich der Einfachheit halber nun noch hier anhänge.
- Frequenzbereich: 20 Hz – 20 kHz
- Empfindlichkeit: 14 mV/Pa
- Impedanz: 110 Ohm
- Grenzschalldruckpegel: >135 dB
- Gewicht: 545 g
- Größe: 175 x 46 mm (Länge x Durchmesser)
Uff, doch noch ein paar Zahlen untergebracht, dann können wir ja nun zur Tat schreiten.
Das TF11 in der Praxis
Legen wir also los. Zum direkten Vergleich darf wieder mal mein AKG C414 B-ULS mitmachen. Das hat zwar keine CK12 Kapsel mehr, österreichischer Sound trifft aber auch hier zu. Als Preamp nutze ich den neutralen Millennia HV-3C.
Aber zunächst möchte ich den Schallwandler für sich alleine stehend betrachten. Bei meinen ersten Gesangsversuchen zeigt sich das Mikrofon mit einem ausgeglichenen Frequenzgang, der die nötige Präsenz liefert, um die Stimme schön weit vorne zu platzieren. Die Höhen sind schön offen und fein aufgelöst, ohne überbetont zu klingen. Dabei klingt das Mikro eindeutig nach FET. Die Wärme und Intimität, die z.B. das TF51 liefern kann, wird hier nicht geboten. Aber das ist auch weder gewollt, noch Sinn der Sache. Die tiefen Mitten klingen schön straff und präzise, nicht zu schlank, nicht zu fett.
Das TF11 entwickelt einen recht geringen Nahbesprecheffekt und klingt auch mit etwas Abstand noch sehr natürlich. Das zeige ich mit einem kleinen Beispiel auf, der Abstand wechselt von ca. 5 cm zur Kapsel bis ca. 30 cm.
Die Niere ist recht breit ausgefallen, das lässt auch mal etwas Bewegung bei der Performance zu. Hier habe ich zur Dokumentation ein Shaker Ei benutzt, dass von der 0° Position zur Membran sich in die 45° Position und zurück bewegt.
Bei diesem Beispiel lässt sich auch gleich die schnelle Ansprache des Mikros überprüfen. Hier verschmiert nichts, die Transienten werden sauber und artikuliert übertragen.
Nehmen wir nun für ein paar Sounds das AKG mit hinzu. Zuerst eine perkussive Gesangslinie. Der Abstand zu den Mikros beträgt die Maßeinheit „eine Ellbogenlänge“.
Zuerst das Telefunken, dann folgt das AKG.
Hier zeigt sich gleich das offene Klangbild des neuen TF11, da bleibt das C414 in den Höhen etwas zurück. Allerdings ist die Kapsel inzwischen auch gute 35 Jahre alt. In den tiefen Mitten ist das Telefunken auch etwas präziser, hier wird das AKG ein wenig diffus.
Gehen wir gleich weiter zu einer Gesangspassage, die absichtlich sehr scharf gesungen ist.
Das bewältigen beide Mikros gut, ohne in den scharfen Tönen überzukippen. Erstaunlicherweise sind sich hier beide Probanden recht ähnlich, den problematischen Frequenzbereich zwischen 2 bis 4 kHz kriegen beide Mikrofone sehr gut in den Griff.
Machen wir mit akustischer Gitarre weiter. Hier nehme ich etwas mehr Abstand, um die Unterschiede durch die nicht deckungsgleiche Positionierung der beiden Membranen auszugleichen.
Hier kann das TF11 wieder mehr obere Mitten und Höhen anbieten. Auch die Räumlichkeit ist besser ausgeprägt. Das C414 kommt etwas bauchiger. Bei der schepperig gespielten Gitarre gefällt mir das AKG hier tatsächlich einen Ticken besser. Bei einer sauber gespielten Akkordfolge hätte sicher das Telefunken die Nase vorn.
Für die nächsten Sounds nehme ich wieder die beliebte Methode, die beiden Mikros vor meine Abhöre zu stellen und einige Files aufzuzeichnen. Der Abstand beträgt ca. 65 cm.
Los geht es mit einem Drumbeat.
Hier hat das Telefunken TF11 ganz klar die Nase vorn. Die Kick kommt knackiger, die HiHat ist präziser und wird besser in den Kontext gerückt. Dem altehrwürdigen AKG fehlt es in diesen Bereichen, es kommt einfach zu mittig rüber.
Das setzt sich auch bei einer Piano-Aufzeichnung so fort.
Auch hier kann das Telefunken den kompletten Frequenzbereich adäquater umsetzen. Bei diesem Pop Piano Beispiel sicher die bessere Lösung. Beim Flügel in einer Bigband würde ich vielleicht eher zu den AKGs greifen.
Nehmen wir jetzt noch ein paar Bläser hinzu.
Die scharfe Linie setzen beide Mikros gut um, so wie das auch im zweiten Gesangsbeispiel gelungen ist. Das AKG tritt hierbei etwas beruhigender auf, während das Telefunken wieder den vollen Frequenzumfang raus haut. Da müsste man evtl. ein wenig mit einem HighCut Filter einbremsen.
Insgesamt zeigen aber alle Beispiele, dass es Telefunken mit dem TF11 gelungen ist, einen Schallwandler zu entwickeln, der eine neutrale und gut aufgelöste Performance für eine Vielzahl von Aufnahmen anbieten kann. Als abgestimmtes Stereo Set empfiehlt sich der Neuzugang auch als Overhead-Mikrofon oder zur Abnahme eines Pianos
Klasse Test, und die Beispiele machen ihn noch schöner .
Bravo !
@markamazon Danke dir,
endlich belohnt mal jemand mein Gemecker, dass ich nie
für die Sounds gelobt werde :-)
Nee ehrlich, tolles Mic, könnte tatsächlich meine altehrwürdigen
C414 B-ULS ersetzen.
@Armin Bauer Finde ich auch . Definitiv !
@Armin Bauer Aber mal ehrlich bei Beispiel 13 bekomme ich
Gänsehaut das aber positiv gemeint und der
Tanznerv im Fuss fängt an zu zucken :-)
@Ashatur Vielen Dank,
aber damit keine Mißverständnisse aufkommen: Alles ab s09 ist aus Logic Samples zusammen geschoben, nicht selbst gespielt!
@Armin Bauer @Armin
…und das ist ja beileibe nicht die schlechteste Referenz.
Macht schon optisch einiges her, der Oschi.
Ist Geschmacksache. Beim blauen Anteil geb ich dir Recht. Aber die verchromten oder vernickelten Hochglanzteile, die man auch bei Billigheimern oft sieht finde ich eine ganz schreckliche Mode. Aber die Dinger sind ja auch nicht zum Anschauen da ;-)
Interessantes Mic.
Mich tät ein Vergleich mit dem Austrian Audio 818 oder 18 als moderne Alternative zum 414er sehr interessieren.
@tenderboy Hi Tenderboy,
geht mir genauso.
@tenderboy Ja, das 18 ist auch auf meiner Liste. Preisleistung scheint zu stimmen
Apropos Connecticut und vernickelte Hochglanzteile: Hier wurden natürlich ausschließlich Komponenten aus dem Reicht der Mitte verbaut. Der Aufdruck auf der Leiterplatte suggeriert, dass in den USA tatsächlich noch so etwas wie eine Endmontage, Quailtätskontrolle oder Konfektionierung passiert – mag sein. In Anbetracht des bis dato gewohnten Geschäftsgebahrens von Telefunken Elektroakustik wäre das aber ein ungewohnt sportlicher Ansatz – nicht zuletzt bei der (Wow!) Produktkalkulation – der das Mikrofon überdies nicht wirklich besser macht.
Wenn’s schee macht und klingt: Sei’s drum.
@falconi Hi Falconi,
ich bin mir nicht ganz sicher, was du mit dem Kommentar aussagen möchtest.
Dass Telefunken Teile zukauft? Das ist offensichtlich, der Trafo ist gekauft, Kondensatoren und Widerstände schnitzen die sich sicher auch nicht selbst. Ob sie das Einsprechgitter selbst vernickeln? Macht es einen Unterschied?
Falls du aber Belege hast, dass die Firma ihre Kunden über das Fertigungsland belügt wäre es nett diese Infos mit den Lesern zu teilen.
Ansonsten, das Mikro ist absolut sauber gefertigt, klingt gut und stimmig und ist universell einsetzbar. Damit geht der Preis für mich auch völlig in Ordnung.
Grüße Armin