Kabellose Freiheit für Bläser und mehr
Bewegungsfreiheit ist eine tolle Sache. Gut, aktuell sind wir durch ein kleines Virus darin ziemlich eingeschränkt, aber generell würde mir wohl jeder diesbezüglich zustimmen. Weniger schön ist, wenn eben diese Bewegungsfreiheit an die Länge eines Kabels geknüpft ist. Deshalb erfreuen sich Funksysteme seit vielen Jahren großer Beliebtheit. Doch nicht nur Saitenspieler freuen sich über kabellose Freiheit, auch Blech- und Holzblasinstrumentalisten zieht es bisweilen an den Bühnenrand. Die Thomann-Hausmarke the t.bone hat mit dem the t.bone GigA Pro Wind Set vielleicht genau das richtige Produkt im Programm. Doch zunächst ein Überblick über die drahtlose Wirklichkeit in Deutschland, Stand April 2020:
Kabellos gleich problemlos glücklich?
Die digitale Dividende hat für Veranstaltungstechniker und Musiker gewissermaßen den Weltuntergang eingeleitet. Die Versteigerung der Funkfrequenzen zugunsten des digitalen Netzausbaus mit LTE hat für massive Verluste gesorgt, weil plötzlich die bestehenden Systeme nicht mehr genutzt werden durften und eine Umrüstung unwirtschaftlich oder gar unmöglich war. Außerdem sorgte sie auch für neue Probleme, weil in den neu zugewiesenen oder verbliebenen Bereichen nicht mehr so viele Funkstrecken gleichzeitig und frei von Interferenzen genutzt werden konnten. So blieb den Herstellern von Funktechnik nichts anderes übrig, als neue Bereiche für sich zu erschließen. Dazu gehört auch der Bereich um 2,4 GHz, auch bekannt für seine Nutzung für WLAN und Bluetooth. Genau genommen funkt man hier digital im Bereich von 2,400 – 2,4835 GHz. Hier im dicht besiedelten Ruhrgebiet kommen auf wenige Quadratmeter oft mehr als 30 stark sendende WLAN-Router. Die meisten Router senden dabei permanent mit einer Sendeleistung von 100 mW. Im Vergleich dazu sendet unser Testgerät mit einem Zehntel der Leistung, nämlich 10 mW. Beim Test von digitalen Funkstrecken, die im WLAN-Bereich unterwegs sind, musste ich immer wieder feststellen, dass der Betrieb eines einzelnen Systems ohne Probleme möglich ist. Die Nutzung mehrerer Systeme gleichzeitig führte in der Regel zu Störungen, entweder bei der Audioübertragung oder zu verzögerter Weiterleitung von Signalen im Bühnen-WLAN, das zum Beispiel für die Steuerung von digitalen Mischpulten oder das Licht verwendet wird. Dennoch haben sich Funksysteme im 2,4 GHz Bereich schnell verbreitet und sind bei Musikern beliebt, was auch am günstigen Verkaufspreis und der Tatsache liegen dürfte, dass eine teure Anmeldung nicht notwendig ist und weltweit keine Beschränkungen existieren.
Was sind die Alternativen? Bislang gab es kostenfrei den ISM-Bereich von 863 bis 865 MHz und die Duplex-Lücke von 823 bis 832 MHz. Außerdem die Duplexlücke bei 1,8 GHz. Hinzu kam kürzlich der „neu erschlossene“ VHF-Bereich (174 bis 230 MHz). Vielleicht erinnert sich noch der eine oder andere Musiker oder Techniker an die ersten Funksysteme mit sehr langen Antennen zum Ausziehen? Für professionelle Anwender vorbehalten ist der Bereich von 490 bis 694 MHz. Dieser war anmelde- und kostenpflichtig. Nun hat die Bundesnetzagentur mit der kürzlich erlassenen Verfügung 34/2020 für die Bereiche von 470 bis 608 MHz und 614 bis 694 MHz für Sendeleistungen bis 50 mW Allgemeinzuteilungen für professionelle Anwender erlassen (nachzulesen hier) Die Bundesnetzagentur nennt nach wie vor den professionellen Anwender als Zielgruppe.
Dem Gelegenheitsanwender bleiben also im Prinzip der 2,4 GHzz-Bereich sowie der ISM-Bereich und die Duplex-Lücken. Stellt man sich aus diesen Bereichen geschickt die Funkstrecken zusammen, sollte selbst bei einer größeren Band die Nutzung von drahtlosem In-Ear-Monitoring parallel zum Einsatz einiger Funkstrecken für Gesang und Instrumente möglich sein.
the t.bone GigA Pro Wind Set
Mit der Eigenmarke the t.bone hat Thomann zahlreiche günstige Produkte im Programm. Das the t.bone GigA Pro Wind Set besteht dabei aus Komponenten, die auch in anderen Zusammenstellungen verkauft werden. Für den Kunden hat das den Vorteil, dass einzelne Komponenten des Sets ausgetauscht oder auch mit anderen Systemen kombiniert werden können. Doch schauen wir uns den Inhalt des Sets erst einmal genauer an. Was bekommt man für 249,- Euro im Thomann Shop?
Empfänger
Ein 9,5-Zoll-Diversity-Empfänger mit zwei Antennen soll für den guten Empfang sorgen. Acht Frequenzen können parallel genutzt werden, ein automatischer Frequenz-Scan sorgt für die Suche nach einer möglichst störungsfreien Frequenz. Für die Übertragung der gefundenen Frequenz vom Empfänger zum Sender wurde eine Infrarotschnittstelle integriert (ACT-Sync). Als Ausgang stehen eine XLR-Buchse sowie eine 6,35 mm Klinkenbuchse zur Verfügung. Während der XLR-Ausgang symmetrisch ist, ist der Klinkenausgang unsymmetrisch ausgelegt. Die Stromversorgung erfolgt über ein externes Steckernetzteil mit 12 Volt. Beigelegt sind außerdem Seitenteile für den Einbau in ein Rack. Ein helles Display gibt Auskunft über die wichtigsten Parameter.
Sender
Im Set finden wir einen sogenannten Plug-on Instrumentensender. Dieser verfügt über einen ausklappbaren Klinkenstecker, der direkt ins Instrument, zum Beispiel in die Anschlussbuchse einer Gitarre oder eines Basses, gesteckt werden kann. Ein verschraubter Adapter von 3.5 mm auf 6,35 mm Klinke sorgt für mehr Anschlussmöglichkeiten. Die Stromversorgung erfolgt über einen auswechselbaren Lithium-Ionen-Akku. Da der Sender über Ladekontakte für die Akku-Ladestation GigA Pro MP24 verfügt, kann er direkt in die Station zum Laden gestellt werden. Eine dreistellige Anzeige für die Akkukapazität signalisiert den jeweiligen Ladestand. Der Sender verfügt außerdem über eine flexible Antenne.
Clip-on-Mikrofon
Das Clip-on-Mikrofon besitzt einen Schwanenhals und kann somit einfach am Instrument befestigt und ausgerichtet werden. Es verfügt über Nierencharakteristik und überträgt laut Hersteller einen Frequenzbereich von 65 Hz bis 20 kHz. Bei der Mikrofonkapsel handelt es sich um eine Kondensatorkapsel mit einer Größe von 10 mm.
Als weiteres Zubehör liegen dem the t.bone GigA Pro Wind Set ein Klinkenkabel für den Anschluss des Empfängers an einen Verstärker, ein Adapterkabel mit einer Miniklinkenbuchse auf der einen Seite und einem 6,35 mm Klinkenstecker auf der anderen Seite zum Anschluss einer Gitarre an den Sender, ein Gürtelclip, ein Windschutz sowie das Ladegerät für den Akku bei.
The t.bone GigA Pro Wind Set in der Praxis
Das the t.bone GigA Pro Wind Set ist sowohl für die Abnahme eines Blasinstruments wie Saxofon oder Trompete als auch als Sendeanlage für E-Gitarre oder E-Bass einsetzbar. Die Übertragung geschieht digital, das Signal wird mit 44,1 kHz und 24 Bit gewandelt. Der NF-Frequenzgang reicht von 20 Hz bis 20 kHz. Der Empfänger verfügt über wenige Bedienelemente und ein Display für Statusanzeigen. Die Bedienung geschieht im Wesentlichen über den Control-Regler. Es handelt sich hier um einen Push-Encoder – Eingaben werden durch Drücken bestätigt oder Funktionen aktiviert/deaktiviert. Die ACT-Taste startet die Übertragung der eingestellten Sendefrequenz an den Sender. Nach dem Einschalten zeigt der Empfänger im Display die folgenden Informationen an:
- Kanal
- Pegel des Audiosignals
- Bassfilter ein/aus
- Gain
- ID
- Batteriestand des Senders in Prozent (TxOFF = Sender ausgeschaltet)
- Pegel des Funksignals (H/L für High/Low)
- Stummschaltung des Senders ein/aus
Für den Anfang empfiehlt es sich, einen Scan der verfügbaren Kanäle durchzuführen. Dazu drückt man einmal auf den Control-Regler und wählt aus dem Menü den Punkt „Channel Scan“ aus. Ein weiterer Druck auf den Control-Regler startet den Frequenz-Scan. Auf der x-Achse sind die zwölf WLAN-Kanäle aufgeführt. Die senkrechten Balken zeigen die Stärke von Interferenzen auf dem jeweiligen Kanal an. Der aktiv genutzte Kanal ist durch die Anzeige „T+“ gekennzeichnet, ein bereits belegter Kanal von einem anderen Gerät mit „T!“. Mit dem Control-Regler wählt man nun einen Kanal mit möglichst geringen Interferenzen aus und bestätigt mit einem Druck auf den Regler. Der Empfänger springt zum Startbildschirm zurück.
Nun ist es sinnvoll, den gewählten Kanal direkt an den Sender zu übertragen. Dazu schaltet man diesen ein, hält seinen Infrarotsensor vor die ACT-Taste des Empfängers und drückt diese. Der Kanal wird nun vom Empfänger an den Sender übertragen. Fertig. Wer möchte, stellt noch den Pegel des Funksignals ein. In den meisten Fällen wird dieser allerdings auf „High“ stehen. Auch der Sender verfügt über eine Batteriestandsanzeige. Bevor es auf die Bühne geht, sollte man den Ladezustand noch einmal kontrollieren.
Das Clip-Mikrofon wird nun zum Beispiel am Saxofon oder an einer Trompete oder Posaune befestigt. Es sitzt in einer winzigen Spinne, sodass Körperschall sich nicht auf die Kapsel ausbreiten kann.
Bei Blechblasinstrumenten wird der Schall zu fast 100 % aus dem Schallbecher (auch Schalltrichter genannt) abgestrahlt. Das Mikrofon wird also am Schallbecher per Clip befestigt und auf dessen Mitte ausgerichtet. Keine Sorge vor Verzerrungen: Das Mikrofon verträgt laut Datenblatt einen Schalldruckpegel von bis zu 142 dB und sollte somit den hohen Schalldrücken am Schallbecher einer Trompete gewachsen sein. Bei Holzblasinstrumenten wie dem Saxofon oder der Klarinette spielt hingegen der über die Klappen abgestrahlte Schall eine viel größere Rolle. Besonders beim Saxofon ist ein Kompromiss angesagt. Das Mikrofon wird zwar auch am Schallbecher befestigt, jedoch leicht zu den Klappen hin ausgerichtet, um einen ausgewogenen Klang zu erhalten.
Angeschlossen wird das Clip-Mikrofon direkt am Sender. Dazu muss zunächst der Adapter von 3,5 mm Stereoklinke auf 6,35 mm Monoklinke abgeschraubt werden. Anschließend kann das Mikrofon am Sender aufgeschraubt werden. Das hat leider gravierende Nachteile: Wohin mit dem Sender am Instrument, denn er darf nicht stören? Mit eingelegtem Lithium-Ionen-Akku wiegt er erheblich mehr als ohne Akku und somit muss der Clip vom Mikro sowohl das Mikrofon als auch den Akku sicher halten. Nicht ganz so einfach, eine gute Position am Instrument zu finden und optisch auch nicht sonderlich schön. Der Vorteil ist allerdings, dass man das Instrument einfach in ein Stativ stellen kann. Bei einem Taschensender ist das nicht so einfach möglich.
Im Prinzip war das schon alles und man kann loslegen. Die Übertragungsqualität ist gemäß der Preisklasse als gut zu bewerten. Natürlich kann das günstige the t.bone GigA Pro Wind Set nicht mit teuren Spezialisten von Sennheiser und Co. mithalten, das muss es aber auch gar nicht. Der Musiker bekommt hier ein solides Stück Technik für den gelegentlichen Bühneneinsatz. Profis werden kaum zu Sendetechnik im 2,4 GHz-Bereich greifen, da man sich oft vor Ort mit professionellen Veranstaltungsfirmen abstimmen muss und diese zwecks Frequenzmanagement gerne die Kontrolle haben und deshalb Frequenzen in den ihnen zugeteilten Bereichen bevorzugen.
Zur Reichweite: Fast alle Hersteller geben unabhängig vom verwendeten Frequenzbereich 100 m im Freien als maximale Reichweite an. Auch das the t.bone GigA Pro Wind Set macht da keine Ausnahme. Das ist ein eher theoretischer Wert, dem man nicht allzu viel Beachtung schenken muss. Zunächst einmal ist keine Bühne 100 m breit oder lang. Man wird sich in der Regel in der Nähe des Empfängers aufhalten. Interessanter ist, wie sich Hindernisse auf die Funktechnik auswirken: Andere Musiker, Stative, Bühnenaufbauten und so weiter. Obwohl in geschlossenen Räumen WLAN-Signale starke Schwankungen aufgrund von Wänden zeigen, ist meine Erfahrung auf der Bühne diesbezüglich bisher sehr gut, sofern der Empfänger nicht zu weit entfernt vom Sender positioniert wird. Lediglich mehrere Sender und Empfänger im 2,4 GHz Bereich führen gelegentlich zu Problemen und beeinflussen unter anderem auch die Übertragung von WLAN-Signalen zwischen Mischpult und Tablets. Für den Kneipen-Gig oder die Jazz-Session im Café ist das Set in jedem Fall ausreichend. In der Theorie könnten bis zu acht Systeme parallel betrieben werden. Mit dem the t.bone GigA Pro Wind Set konnte ich dies aufgrund nur eines Testgeräts nicht verifizieren, kann aber aufgrund eines längeren Praxistests mit fünf 2,4 GHz Funkmikrofonen des Herstellers Shure (GLXD24) sagen, dass eine höhere Anzahl an 2,4 GHz Funksystemen ein ambitioniertes Unterfangen ist. Auch Shure spricht in der Werbung von bis zu acht simultan möglichen Funkstrecken. Gute Erfahrungen habe ich mit mehr als drei Systemen allerdings nicht gemacht.
Alternativen zum Wind Set
Es gibt zum the t.bone GigA Pro Wind Set einige Alternativen am Markt, die man sich vor dem Kauf unbedingt anschauen sollte. Die erste kommt von the t.bone selbst und hört auf den Namen the t.bone free solo 600 Ovid Sax Set. Gefunkt wird hier im UHF-Bereich und der genaue Frequenzbereich kann bei der Bestellung im Thomann-Shop sogar ausgewählt werden. Die Sendeleistung ist von 5 mW über 10 mW bis hin zu 20 mW schaltbar. Der Taschensender ist auch zu anderen Mikrofonen, zum Beispiel von AKG kompatibel. Auch eine Gitarre kann über ein passendes Kabel angeschlossen werden. Da der Empfänger über BNC-Anschlüsse für die Antennen verfügt, ist die Nutzung eines Antennen-Combiners für mehrere Empfänger und von abgesetzten Antennen eine Möglichkeit, die Empfangsleistung auf der Bühne erheblich zu verbessern. Mit 229,- Euro Verkaufspreis ist das System darüber hinaus sehr preisgünstig. Ebenfalls eine günstige Alternative ist das the t.bone TWS 16 PT 863 MHz UHF-Wireless System. Es funkt im gebührenfreien ISM-Band und arbeitet mit zahlreichen Mikrofonen von AKG oder Superlux zusammen, da auch hier ein handelsüblicher Mini-XLR-Anschluss am Sender verbaut wurde. Drei Anlagen können simultan betrieben werden. Durch den günstigen Verkaufspreis von nur 119,- Euro kann das Geld eventuell besser in ein hochwertiges Clip-Mikrofon investiert werden. Wer bereit ist, mehr Geld auszugeben, bekommt bereits für 349,- Euro ein recht amtliches Set von Sennheiser: Das Sennheiser XSW 1-908 A-Band Set umfasst hochwertig verarbeitete Hardware und ein E908T Clip-Mikrofon zum Anbringen am Instrument. Auch dieses Set kann mit einem passenden Kabel mit einer Gitarre oder einem Bass genutzt werden. Selbst der Anschluss eines Headsets sollte problemlos möglich sein.