Neue Rhythmen fürs Eurorack
Sehr gut kann ich mich noch an die anscheinend goldene Regel erinnern: 8 Stunden Schlaf braucht der Mensch. Dann hieß es morgens früh um 8 in der Schule sein und trotz größter Bemühungen fielen mir die Augen zu. Von Konzentration konnte man nur träumen und mit dieser Schläfrigkeit war ich nicht alleine. Einige Leser werden dieses Szenario wohl aus erster Hand kennen, vielleicht ist der Schuldige auch schon einigen bekannt: der zirkadische Rhythmus dirigiert den Stoffwechsel im Körper. Wann man aufwacht, am wachsten oder am müdesten ist, folgt sozusagen der inneren Uhr und es gibt kein Entkommen. Mit diesem Bild im Hinterkopf starten wir also in den Testbericht und schauen, ob Tip Top Audios Circadian Rhythms auch das Modular-System so unterjochen kann.
Wie ist der Circadian Rhythm Sequencer aufgebaut?
Wenn von Sequencern die Rede ist, wird im Eurorack-Bereich generell in zwei Typen unterteilt: CV- oder Gate-Sequencer. Während CV-Sequencer eine in ihrer Stärke variable Steuerspannung pro Step ausgeben können, geht das bei Gate-Sequencern nicht. Dafür verfügen letztere meist über mehrere Spuren, während sich CV-Sequencer oft mit 1 oder 2 Spuren begnügen. Bei unserem Testobjekt handelte sich um einen Sequencer der Kategorie „Gate“ und so kommt der Circadian Rhythms mit satten 8 Spuren daher.
Vor Inbetriebnahme braucht der Circadian Rhythm aber erst mal Platz: Insgesamt 36 Teileinheiten sind nötig, um den Sequencer ins Rack zu kriegen. Tip Top Audios typische Farbkombination von weißer Frontblende mit grüner Beschriftung ist auch beim Circadian Rhythm zum Einsatz gekommen. Die Verarbeitungsqualität ist gewohnt hochwertig und die Beschriftung sehr gut lesbar. Auffällig sind besonders die insgesamt 72 weiß-transluzenten Taster und ein verzierter Endlos-Encoder. Schaltet man das System ein, erleuchten die hinter den Tastern liegenden RGB-LEDs. Während die auf den Fotos vielleicht etwas grell erscheinen, sind sie in natura doch angenehm. Mit einer kleinen Modifikation, einer aufgeklebtem Scheibe nämlich, wurde die schwarze Encoder-Kappe mit den Unternehmensfarben in Einklang gebracht, was für ein nettes Detail!
Beim Extérieur kann der Circadian Rhythm also punkten. Wollen wir doch mal schauen, ob der Circadian Rhythm auch mit inneren Werten zu gefallen weiß.
Konzept des Tip Top Audio Eurorack Sequencers
Die Basis des Circadian Rhythm sind acht Spuren, die je 8 Steps lang sind. Jede Spur kann individuell per Mute-Taster zum Verstummen gebracht und in verschiedenen Gruppen eingeteilt werden.
Innerhalb einer von 8 Gruppen (Groups) ist Platz für 8 Presets, dazu später mehr. Zuerst will ein kleiner Groove eingetippt werden. Das geht entweder im klassischen XOX-Stequencer-Stil oder auch per Live-Recording-Funktion. Für Letzteres brauchte es aber doch einen Blick ins Handbuch, diese Funktion ist etwas versteckt. Ist das Live-Recording aktiviert, muss man die links unten liegenden manuellen Trigger-Taster zum Einspielen der Sequenz nutzen.
Zum Editieren einer Sequenz gibt es mehrere Ansichten, als Ausgangspunkt starten wir mit der vertikalen Ansicht. Gekennzeichnet durch das blaue Leuchten des gleichnamigen Tasters bietet die vertikale Ansicht direkten Zugriff auf einen angewählten Kanal.
Außerdem ist der vertikale Modus quasi das Hauptmenü, in dem man Presets oder Groups wechselt und Kanäle muten kann. Dazu reicht ein einfacher Druck auf den korrespondierten Taster, das hat man also schnell raus.
Während man im vertikalen Modus quasi auf der Makroebene arbeitet, gibt es detailliertere Ansichten zum Einprogrammieren eines Grooves. Vier über dem Vertical-Taster liegende Knöpfe bringen Nutzer in eine horizontale Darstellung des gesamten Patterns. Eben jenes wird wahlweise in der Auflösung von 8×8, 4×16, 2×32 oder 1×64 für alle Channel gleichzeitig dargestellt.
Während man in der 8×8-Ansicht alle Spuren von allen Kanälen direkt sehen kann, muss man in den feineren Auflösungen mit den Pfeiltastern nach unten/oben scrollen. Um das gesamte Pattern darstellen und editieren zu können, fungieren sämtliche Taster in diesem Modus als Steps. Möchte man an weitere Einstellungen oder zum Beispiel die Group wechseln, heißt es zurück in die vertikale Ansicht. Für den Anfang ist das gewöhnungsbedürftig, nach ein paar Stunden geht das aber leicht von der Hand.
Wie lässt sich der Circadian Rhythm bedienen?
Persönlich habe ich meist 3-4 Patterns in der Horizontalen eingetippt, um sie dann in der vertikalen Ansicht zu arrangieren. Hier lassen sich einzelne Presets und Gruppen im Sinne einer Pattern-Chain miteinander verknüpfen. Das wird im Fall des Circadian Rhythm als „Loop“ bezeichnet und funktioniert folgendermaßen: Bei runtergedrücktem Set Loop-Taster aktiviert man einzelne Preset- oder Group-Kanäle per Tastendruck. Beide Loops können separat voneinander aktiviert oder deaktiviert werden. Dafür wählt man entweder den Group Loop On/Off- oder den Preset Loop On/Off-Taster an.
Wer sich an die Mathematik hinter dem Circadian Rhythm erinnert, kann sich leicht ausmalen, wie schnell man so zu komplexen Arrangements kommen kann. Nach Adam Riese hätte man bei 8 Pattern/Preset x 8 Preset/Group x 8 Groups maximal 64 unterschiedliche Patterns oder 512 Steps, die auch für eine ausgedehnte Live-Performance mehr als ausreichend sein dürften.
Selbstredend gibt es auch Swing, der hat sogar ein dediziertes Potentiometer. Der Swing läuft entweder in 8teln oder 16teln. Als wäre damit nicht schon genug für Varianz gesorgt, haben Tip Top Audio dem Circadian Rhythm noch eine Random/Chaos-Funktion mit auf den Weg gegeben. Beide Funktionen generieren zusätzliche Trigger in der laufenden Sequenz. Der Unterschied ist liegt hier in der Auflösung der Noten: Während das „Random“-Setting nur in 16teln arbeitet, erzeugt die Chaos-Funktion Trigger entsprechend der angewählten Auflösung des Patterns. Die Randomisierung kann auf einen Channel, ein Preset oder auf die gesamte Gruppe angewendet werden.
Weniger sexy, aber extrem wichtig sind auch die Verwaltungsfunktionen der Circadian Rhythm. So können mit der altgedienten Copy+Paste-Kombination Patterns dupliziert werden. Die Copy-Funktion kommt auch gelegen, wenn man ein Pattern editieren, aber zum Original zurückkehren möchte: Einfach in den Copy-Buffer speichern und im Fall des Falles wieder einsetzen. Auf diese Weise lassen sich sehr schnell einfache Patterns erzeugen und arrangieren, doch dank der Zoom-Funktion kann man noch tiefer in den Rhythmus eingreifen.
Wie der Name verrät, erlaubt diese Funktion das Zoomen auf kleinste Auflösungswerte. So können extrem kurze Notenwerte, wie zum Beispiel 32tel oder 64tel-Triolen, sehr präzise gesetzt werden. So kann man dem HiHat-Pattern den letzten Schliff geben und den maschinellen Groove eines konservativen 16tel-Beats auflockern. Doch es ist nicht alles knorke: Ohne ein richtiges Display erfolgt die Navigation des Circadian Rhythm über die beleuchteten Taster. In der feineren Zoom-Auflösung kann man aber bei einer laufenden Sequenz kaum den Überblick behalten. Man „fliegt“ sozusagen durch ein Meer illuminierter grüner Punkte. Für den Live-Betrieb bedarf es also etwas vorausschauender Planung.
Performance mit dem Tip Top Audio Sequencer
Generell eignet sich der Circadian Rhythm eher zum Abfeuern vorher abgespeicherter Patterns als zum spontanen Live-Spiel. Performative Komponente ist vor allem die Fill-Funktion. Mit ihr kann man schnelle Notenfolgen einstreuen und für Abwechslung sorgen oder einen Übergang einleiten. In der Zeit des Testberichts hatte ich auch große Freude daran, den Circadian Rhythm mit einer unregelmäßigen Clock zu versorgen. Der Clock-Input akzeptiert so ziemlich alles und frisst sogar hochfrequente Signale.
Tempo halbieren, verdoppeln und sogar auf Audiofrequenz hochdrehen ist also möglich und klappt ohne Probleme. In Kombination mit dem Clock-Reset lassen sich so sehr interessante Variationen der gespeicherten Patterns bewerkstelligen. Füttert man den Clock-Reset-Input zum Beispiel mit einem euklidischen Rhythmus, kann man die fehlende Polyrhythmik des Circadian Rhythm zumindest andeuten. Natürlich kann der Circadian Rhythm auch selber als Masterclock fungieren und ein Clock- sowie Reset-Signal an andere Module schicken. Persönlich hätte ich mir eine „Hold“-Funktion gewünscht, mit der man dann kleine Fill-ins mit einem LFO hätte steuern können- das Potenzial wäre sehr groß.
Vielleicht noch ergänzend: Die Clock des Modules ist eine der exaktesten egal in welchem Tempobereich man sich bewegt. Dort wo andere schlapp machen punktet dieses Modul auf ganzer Linie. Hierzu gibt es einen Competition bei Youtube, die das ausführlich zeigt. Man sollte also das Modul als Masterclock für ein ganzes System verwenden.
@[P]-HEAD Auf keinen Fall schlapp machen, schon gar nicht die Clock! :)
@[P]-HEAD Super Zusatz-Info, vielen Dank!
Eine Möglichkeit wäre auch der A-157 von Dopefer, mit der alternativen Software a157b (https://www.rusche.ch/a157b-de/)?
Gerade für etwas abwechslungsreichere Tracks mit bis zu 5 externen Clocks, variable Tracklänge und -richtung, Loop, Chain – aber auch Accent, Roll, Swing, Euclidean Rhythm etc.
Der CR ist mein zentraler Triggersequenzer, der diverse andere Subsequenzer und Frequenzteiler zuverlässig und absolut stabil synchron laufen lässt, die den oben genannten Minuspunkten dann gerecht werden. Hochzufrieden!!