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Test: Tone2 Icarus, Wavetable Synthesizer-Plug-in

Ein Plug-in zum Fliegen

11. Juli 2018
Tone2 Icarus

Icarus 3D Wavetable-Synthesizer von Tone2

Der Wavetable-Synthesizer Tone2 Icarus

Seit den glorreichen Tagen der Firma PPG ist die Wavetable-Synthese als eigenständige Syntheseform nicht mehr wegzudenken. Ich weiß nicht, ob man derzeit von einem Revival reden kann oder ob diese Syntheseart eigentlich nie wirklich „weg vom Markt“ gewesen ist; jedenfalls gibt es aktuell Synthesizer mit (u.a.) Wavetable-Synthese sowohl in Hardware gegossen als auch in Form von iOS-Anwendungen und als VST-Plug-ins. Sogar im aktuellsten Release von Ableton Live ist nun ein Wavetable-Synthesizer zu finden. Aber bleiben wir bei den Plug-ins. In dieser Erscheinungsart präsentiert sich der Tone2 Icarus Wavetable-Synthesizer der deutschen Software-Schmiede Tone2. Wer mehr über die Firma und seinen Gründer erfahren möchte, sollte ans Ende dieses Tests gehen. In einem Gespräch stelle ich Markus Krause und seine Firma Tone2 Audiosoftware kurz vor.

Direkteinstieg

Tone2 Icarus

Icarus Init Patch

Was genau ist nun ein Wavetable, die die Basis für die Klangerzeugung im Tone2 Icarus sind?

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Reiht man mehrere, nur einen Wellenzyklus lange Samples aneinander, erhält man ein sog. Wavetable, also eine „Tabelle voller Wellenformen“. Variieren die Samples und durchläuft man ein Wavetable z.B. von Anfang bis Ende, erhält man ein Klangbild, das sich dynamisch verändert. Je nachdem, wie die Übergänge der einzelnen Samples gestaltet sind (weich oder sprungartig), ergeben sich daraus auch entsprechende klangliche Veränderungen. So liefert schon ein einziger Wavetable-Oszillator vor jeglicher Klangbearbeitung ein größeres Klangspektrum, als ein analoger Oszillator mit Standard-Schwingungsformen liefern könnte. Aus diesen kann man natürlich ebenfalls ein Wavetable erstellen, wie das beim Icarus Init Patch der Fall ist. Dieses Patch ist einfach und „nackt“ gestaltet. Es hilft aber sehr, um sich mit der Funktionsweise und dem Aufbau von Icarus zügig auseinanderzusetzen. Natürlich kann ein Wavetable im Prinzip auch aus nur einer Wellenform bestehen. Allerdings sollte das Minimum 2 Wellenformen je Wavetable sein. Ansonsten kann man das Wavetable nicht dynamisch durchfahren (z.B. morphen) und man erhält ein statisches Ergebnis. Da Icarus ein sehr umfangreich ausgestatteter Synthesizer ist, will ich im Folgenden nur die wichtigsten Features und nicht jede Funktion und Möglichkeit im Einzelnen vorstellen. Das würde zu weit führen. Das Hauptaugenmerk wird sowieso auf den Sounds an sich liegen, denn ich denke, dass die für sich sprechen werden.

Der „Vocoder“-Tab des Tone2 Icarus

Tone2 Icarus

Icarus Vocoder-Tab

Der Vocoder-Tab ist ebenfalls Bestandteil der „Sound“-Sektion. Mit diesem Modul erzeugt man sehr schnell klassische Vocoder-Sounds, ohne ein Mikrophon dafür zu verwenden. Das „externe“ Material kann natürlich beliebig sein, sollte aber eigentlich Sprach-Samples beinhalten, um den gewünschten Effekt zu erreichen. Klassische Vocoder- und Robotersounds sowie Autotune à la Cher können schnell und problemlos über die hinterlegten Funktionen erstellt werden. Hier ein kleiner Exkurs zum Thema Vocoder aus dem Handbuch übernommen:

Einfach ausgedruckt überträgt ein Vocoder die „Charakteristiken“ eines Sounds auf einen anderen. Ursprünglich wurde er in den 30er Jahren entwickelt um eine menschliche Stimme, zwecks sicherer Kommunikation über ein Telefonnetzwerk, zu verschlüsseln. Er fand in den 70er Jahren seinen Platz in der modernen Musik.

Etwas detaillierter ausgedruckt: Ein Vocoder benötigt zwei Eingangssignale, einen Träger (Carrier) und einen Modulator. Die tonalen Charakteristiken des Modulators werden auf den Sound Trägers übertragen. Normalerweise ist der Modulator eine Stimme, ein Drumloop oder andere perkussive Sounds. Dieser Sound wird durch eine Vielzahl von parallel geschalteten Filtern geleitet, um die ‚Signatur‘ des Modulators des frequenzbezogenen Inhaltes und der Lautstarke der Frequenzkomponenten zu trennen. Diese zeitlich variierte Multiband-‚Signatur‘ wird danach verwendet um den Träger zu filtern, welcher normalerweise ein anhaltender frequenzreicher Sound ist (wie Akkorde, gespielt mit einer Sagezahnwelle). Wenn Sie eine Stimme als Modulator verwenden, werden die ausgegebenen Sounds wie die Sagezahnwelle unter Verwendung der durch die Stimme erstellten Filter moduliert.“

Das Vocoder-Modul des Tone2 Icarus verfügt über 500 Bänder. Mit der Easy-Create Patch-Funktion werden sofort spielbare Vocoder-Patches erzeugt.

Die Icarus Benutzeroberfläche

Die Tone2 Icarus Benutzeroberfläche ist grob in sechs Felder unterteilt, wobei die obere Reihe die Bereiche „Browser“, „Oszillatoren“ und „Filter“ und die untere Fensterreihe die Bereiche „Hüllkurven/Arpeggiator“, „LFO/Modulationsmatrix“ und „FX/EQ-Limiter“ darstellt.

Das „Browser“-Fenster

Tone2 Icarus

Icarus Browser

Im „Browser“-Fenster sind verschiedene Funktionen zur Klangerzeugung und -ablage untergebracht. Der einfachste Weg, an einen Sound zu gelangen, ist natürlich, ein bestehendes Patch aus dem Patch-Display zu laden. In diesem Display kann man mittels Steuerungspfeilen sowohl durch die Patch-Kategorien als auch durch die dort abgelegten Patches scrollen. Durch Mausklick wird das Patch dann in Icarus geladen. Wer einen Überblick über alle Patches bekommen möchte, kann per Mausklick auf den Browser-Tab den eigentlichen Browser von Icarus öffnen. Dieses dreigeteilte Fenster erlaubt einem eine schnelle Übersicht über das existierende Soundmaterial. Sehr positiv ist die Info-Spalte. Sobald man ein Patch speichert, werden dessen Hauptmerkmale sozusagen als Tags mit abgelegt. Wählt man ein bestimmtes Patch an, kann man dieses mittels eines virtuellen Keyboards direkt per Maus spielen. Man kann die Sounds also auch ohne externes Keyboard vorhören. Über Exit gelangt man wieder in die Editor-Ansicht. Spätestens hier muss nun ein externes Keyboard an Icarus angeschlossen sein (gerade im Stand-alone-Modus). Ansonsten ist eine weitere Bearbeitung der Sounds kaum möglich.

Das „Import Sample“-Tab

Tone2 Icarus

Icarus Import Sample-Tab

In der aktuellen Version des Tone2 Icarus gibt es im Browser-Fenster nun einen „Import Sample“ Tab (früher Resynthesisis). Hier sind verschiedene „Methoden“ abgelegt, mit deren Hilfe man aus einem importierten Sample ein Wavetable erzeugen kann. Empfohlen werden 16 Bit Mono-Dateien mit hoher Audioqualität im WAV-Format, die kürzer als 2 Sekunden sein sollten. Icarus ist ein Plug-in, dessen Programmiermöglichkeiten sehr stark in die Tiefe gehen. Damit will ich sagen, dass es zu den einzelnen Top-Menüs zahlreiche Unterfunktionen gibt, die weitere Bearbeitungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Diese „Features“, wie z.B. Resynthese-Funktionen, diverse Morphing- und Filtermodelle, Bearbeitungs- und Editiermöglichkeiten für Wavetables usw. sind derart umfangreich, dass sie hier im Rahmen dieses Tests nicht alle vorgestellt werden können. Screenshots dieser Untermenüs sollen dies belegen und so werden wir nur an der Oberfläche dieses mächtigen Synthesizers kratzen können. Insgesamt sei sowieso jedem empfohlen, Icarus mit den Ohren zu testen. Mögen die Soundbeispiele dazu eine kleine Hilfe sein. Dennoch ein paar Worte zur Resynthese. Diese bedeutet die Analyse eines beliebigen Sounds und dessen „Wiederherstellung“ im Synthesizer verbunden mit der Konsequenz, dass der so gewonnene neue Klang nun wie folgt manipuliert werden kann: Variables Pitch Shifting, Variables Time Stretching, BPM Syncing, Time Freezing, Vor- und rückwärtige Abspielrichtung mit variabler Geschwindigkeit, Formant Verschiebung (zur Unterbindung von ‚Mickey Mouse‘ Effekten) und Morphing. All das kann man mit Icarus ziemlich artefaktfrei machen.

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Die „Oszillator“-Sektion

Tone2 Icarus

Icarus Oszillator-Fenster

Zentrum des Icarus Universums ist die „Oszillator“-Sektion, deren sichtbarer Teil stellvertretend für drei identische Oszillatoren steht, die jeweils unterschiedlich programmiert und gesteuert werden können. Verschiedenste Synthesemethoden können also kombiniert werden. Der sichtbare Teil stellt die Wavetables des ersten Oszillators dar. Will man tiefer in die Struktur der Wavetables eintauchen, muss man die Oberfläche von Icarus durch Druck auf den Edit-Knopf auch schon wieder verlassen, um den Wavetable Editor zu öffnen.

Icarus Wavetable-Editor

Der Wavetable Editor wird im Tone2 Icarus in einem neuen Fenster geöffnet. Dieser Editor ist eine echte Werkzeugkiste, wenn es um die Bearbeitung und Anpassungen von Wavetables geht. Der obere Bereich des Fensters ist das „Wavetable Strip Display. In ihm ist das gesamte Wavetable dargestellt, wobei jede einzelne Wellenform einem eigenen Slot zugeordnet ist. Insgesamt kann ein Wavetable aus maximal 256 Wellenformen bestehen. Über das Plus-Zeichen eines leeren Slots können weitere Wellenformen hinzugefügt werden. Im unteren Bereich des Strips sind zwei sog. Vorschau-Keyboards zu finden. Mit denen kann entweder das gesamte Wavetable oder nur ein spezieller Slot gespielt und vorgehört werden. Leider kann ein externes Keyboard, mit dem der echte Synthesizer gespielt wird, dieser Funktion zugewiesen werden. Hier ist nur ein „Spiel“ mit der Maus möglich. Ein weiteres Minus ist für mich, dass nur ein Undo-Schritt in der Bearbeitung möglich ist. Das ist viel zu wenig. Theoretisch müsste man jede Variation speichern, um in irgendeiner Form Vergleiche mit den Bearbeitungsvorgängern ziehen zu können. Salopp gesprochen ist das nicht gerade cool. Unterhalb des Strips wird die Wellenform eines beliebigen Slots hoch aufgelöst dargestellt. Durch ein Set von verschiedenen Werkzeugen kann die Einzel-Wellenform modifiziert oder komplett „umgemalt“ werden. Die grafische Editierung geschieht ebenfalls mit der Maus. Man beachte auch hier: a) nur ein Undo-Schritt und b) kein paralleles Vorhören durch ein Masterkeyboard möglich. Alles geschieht durch die Arbeit mit der Maus … nacheinander.

Tone2 Icarus

Icarus Wavetable-Editor-Optionen

Am linken Rand des Editors des Tone2 Icarus befinden sich weitere Werkzeuge und Optionen, mit denen bestehende Wavetables verändert, kombiniert, überlagert oder komplett neu erzeugt werden können. Die wichtigsten Optionen seien hier kurz erklärt:

Sweep: Durch verschiedene Morph-Modi wird die bestehenden Wellenform durch eine andere Wellenform ersetzt.

Mix: Hier befinden sich verschiedene Algorithmen, um eine Wellenform „mit sich selbst“ zu mischen. Die Stärke des Effekts wird durch einen virtuellen Schieberegler gesteuert. Leider ist die Veränderung der Wellenform nicht simultan zu sehen, sondern immer erst nach Loslassen der Maustaste. Man hat also keine genaue Kontrolle darüber, welche Veränderung des Signals einen erwartet. Auch hier gilt nur ein Undo-Schritt.

Filter: Hier findet man ein paar Algorithmen, die in die Obertonstruktur des Signals eingreifen.

Modify: Hier finden sich Funktionen zur Signalmodifikation wie Saturate, Bitcrush, Downsample oder Phase Distortion. Auch hier wird die Stärke der Veränderung über einen Schieberegler gesteuert.

Spectrum: Funktionen, um die Obertonstruktur der Wellenform zu verändern

Phase: Anpassungen der Phase der Wellenform

Resynthesis: Resynthetisiert und erstellt einen Wavetable aus einem importierten Sample

Vocoder: Erstellt einen Vocoder Wavetable mittels eines importierten Samples

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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    chk

    Sehr ansprechende Klangbeispiele! Ich hoffe mal, das macht Schule auf Amazona.de. :)

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