Modulation
Die drei Hüllkurven sind klassische ADSRs, im Fall der Oszillator-Hüllkurven plus Shaping, mit dem man die Kennlinie von übersteuert bis knallig verbiegen kann, und Retrigger-Funktion, die den Verlauf bei Tastenanschlag auf Null zurücksetzt oder beim erreichten Level ansetzt und z.B. ein „Aufschaukeln“ der Hüllkurve wie bei analogen Synths ermöglicht. An der Geschwindigkeit gibt es nichts auszusetzen, alle Modulatoren reichen beim Nemesis bis in den Audiobereich. Die LFOs erreichen 440 Hz, sind zum Host-Tempo synchronisierbar und auch die Phasenlage ist regelbar, so sieht man das gerne.
Die Matrix verfügt über 12 Slots, in die man Modulationsquellen und -ziele eintragen kann. Das ist angesichts der Tatsache, dass man viele essentielle Funktionen nur dort findet (Pitchbend Range, Master Tune, Velocity etc.), ziemlich wenig, und für bestimmte Modulationen wie Modwheel-Vibrato braucht man gleich zwei Slots. Dabei wird man angesichts der gebotenen Quellen durchaus animiert, noch das ein oder andere mit einzubauen. So gibt es zusätzlich zu den LFOs und ADSRs auf der Bedienoberfläche weitere (nicht editierbar mit fixen Frequenzen/Zeiten), nützliche Spielereien wie Random, Flipflop und mathematische Verknüpfungen, natürlich ein paar Standard-MIDI-CCs, sogar Rauschen und das Ausgangssignal der jeweiligen Stimme (Voice Output) – die Matrix ist audiofähig und erweitert die Synthese noch ein wenig um z.B. logarithmische FM oder AM.
Als einziger Effektparameter ist das „Ducking“ der Delays (s.u.) als Modulationsziel verfügbar, da wären auch Flanger/Phaser-Parameter wünschenswert gewesen, aber neben fast allen Synth-Parametern stehen auch wieder die Matrix-Slots zur Verfügung, komplexen modulierten Modulationen steht also nichts im Weg.
Konfiguration/Voicing
Auch hier wurde an alles gedacht, von Unisono über Stereoverteilung der Stimmen bis zu verschiedenen Glide- und Triggermodi im Poly- und Monofonbetrieb. Gerade um einen Poly-Glide drücken sich die Hersteller oft herum, Tone2 hat hier ganz vorbildlich gut funktionierende Modi eingebaut, wie auch mehrere Microtuning-Arten. Im Handbuch sind sie etwas schwammig erläutert, aber neben temperierter Stimmung gibt es reine und unreine in verschiedenen Abstufungen.
Ergänzt wird diese Abteilung durch diverse EQ-, Clipping- und Enhancer-Algorithmen, mit denen man dem Sound den letzten Schliff geben kann.
Effekte
Nemesis hat zwei FX-Slots, die parallel, seriell oder im Split-oder Mix-Modus betrieben werden können (z.B. unterschiedliche Effekte für die beiden Oszillatormodule). An Algorithmen stehen die üblichen zur Verfügung, diverse Reverbs, Delays, Phaser und Flanger, Tremolo und Vibrato, Verzerrer und Amp-Simulation sowie Bitcrusher und Degrader. Auch an Kompressor und Surroundmixer wurde gedacht. Solide Ausstattung in guter Qualität, und die Parameter sind via MIDI-Learn mit Controllern steuerbar. Außerdem wird ein „Ducking“-Modus geboten, der Reverb- und Delay-Feedbacks bei neu eingespielten Noten dämpft, eine vor allem live gut einsetzbare Betriebsart.
In Sachen Prozessorlast schlägt vor allem das Reverb ganz gut zu Buche, aber da hat die Qualität nun einmal Vorrang.
Arpeggiator
Das entsprechende Kapitel im Handbuch ist eines der längsten, Tone2 hat hier ganze Arbeit geleistet und den automatischen Tastendrücker maximal aufgebohrt. Er ist frei programmierbar, also eher ein Step-Sequencer inklusive Modulatorspur (die im StepLFO-Modus als reiner Modulator einsetzbar ist), mit allen denkbaren Betriebsarten und Schikanen wie Glide, Chords, Swing/Shuffle etc. Daher ist es fein, dass an eine Load/Save-Funktion für die Patterns gedacht wurde. Das lässt keine Wünsche offen!
Trancegate
Wie zu vermuten ist, handelt es sich dabei nicht um ein transdimensionales Portal in erweiterte Bewusstseinszustände, sondern um einen Gater für die Techno/Trance-typischen zerhackten Flächenklänge, selbstverständlich zum DAW-Tempo synchronisierbar und dankenswerterweise in stereo. Mit weiteren Parametern lässt er sich für jeden Bedarf konfigurieren: Mix, Stereobreite, Contour (Ein- und Ausschwingen der Schritte), Schrittzahl, Tempo, Swing/Shuffle und Fade-In. Man könnte bemängeln, dass diese Patterns nicht separat speicherbar sind, aber sie sind schnell zusammengeklickt.
Und zu guter Letzt noch ein paar Werkspresets, die die Vielfalt des Nemesis ein wenig zeigen:
Endlich mal wieder einer Softwaresynth der neue Möglichkeiten bietet statt die Vergangenheit zu emulieren. Schade wurde der Schritt nicht bei der Grafik gemacht: diese fotorealistischen Oberflächen sind einfach nur ärgerlich.
@Joghurt Jau, der Nemesis kriegt bei mir seinen festen Platz im VSTi-Rack. Es ist prima, dass die digitale Synthese mal wieder einen Schritt vorankommt. Und die fotorealistische Schiene ist halt Standard, weil die Kundschaft es offenbar so verlangt… nun, es gibt schlimmeres. Aber ich habe auch schon besser ablesbare Potikappen gesehen als diese grau-auf-grau-Dinger…