Die Shred-Maschine to go!
Ach ja, das waren noch Zeiten, die 80er Jahre! Die Haare hoch toupiert, die Schulterpolster zurechtgerückt und in die neonfarbenen, knallengen Leggins reingesprungen – so ging es auf die Bühne, in einer Zeit, in der der Heavy Metal mit all seinen Facetten den absoluten Zenit erreichte. Einer der Ikonen dieser Zeit war sicherlich Steve Vai, der bis heute seine sehr erfolgreiche Solokarriere weiterführt und zweifellos als einer der Urväter der „Powerstrat“ bezeichnet werden kann. Zusammen mit Ibanez entwickelte Vai Mitte der 80er Jahre die RG-Serie, die nach wie vor in der Metal-Szene für viele aus ebenso vielen Gründen die erste Wahl darstellt. Die Farben, die Vai damals für seine Signature-Gitarren bevorzugte, könnten kaum besser den Zeitgeist der damaligen Epoche widerspiegeln: Schrill ging es zu, ebenso schrill, wie es der Meister selbst eben war.
Jetzt sind ja nun schon ein paar Jährchen vergangen und selbst Mr. Vai bevorzugt heutzutage ja eher die gediegeneren bzw. unauffälligeren Farbvarianten auf seinen Instrumenten. Das hält die US-Firma Traveler Guitar aber nicht davon ab, mit der Traveler Guitar TR VAIBRANT 88 DLX P ein eingeschrumpftes Modell zu präsentieren, mit dem man heutzutage garantiert die Aufmerksamkeit erhält, wie Steve Vai sie in den 80ern erfahren durfte.
Traveler Guitar TR VAIBRANT – Facts & Features
Wie alle Gitarren von Traveler Guitar wird auch die TR VAIBRANT 88 DLX P in einem passenden Gigbag geliefert – stilecht mit einem pinkfarbenen Innenfutter und ebenso in Neonpink strahlenden Applikationen auf der Außenseite. Da weiß man doch direkt, was man nach dem Öffnen erwarten darf! Der eine wird sich vermutlich mit Grauen abwenden, während der andere wiederum in der Optik dieser eingeschrumpften RG ein Déjà-vu der besonderen Art erlebt. Trotz der „schnittigen“ Form haben wir es hier, wie bei allen Gitarren des Herstellers, mit einer absolut vollwertigen E-Gitarre zu tun, die sich mit ihrer Mensur von 648 mm und einer Sattelbreite von 43 mm keinen Deut von einer „ausgewachsenen“ Gitarre unterscheidet. Der Verzicht auf Teile im hinteren Bereich des Korpus ist der entscheidende Punkt, der rund 150 mm gegenüber einer ausgewachsenen E-Gitarre an Platzersparnis einbringt. Damit gehört die TR VAIBRANT 88 DLX P mit einer Gesamtlänge von rund 840 mm und einem Gewicht von ca. 2,5 kg eindeutig in die Kategorie der sogenannten „Reisegitarren“, die sich u. a. prima im Handgepäck unterbringen lassen.
Für den Korpus der Traveler Guitar TR VAIBRANT 88 DLX P E-Gitarre wurde ein Stück Erle verwendet, der Hals besteht selbstverständlich aus Ahorn. Wenn auch nicht aus einem ganzen Stück, die Kopfplatte wurde zusätzlich angeleimt. Die Verarbeitung der Bünde ist gut gelungen, die Bundenden wurden an beiden Seiten des Griffbretts sauber abgerichtet und auch für eine gründliche Politur der Oberflächen wurde gesorgt. Nichts schleift, hakelt oder kratzt auf der gesamten Länge des Griffbretts, das uns natürlich standesgemäß 24 Bünde zur Verfügung stellt. Und die lassen sich alle problemlos erreichen, denn das weit ausgesägte Cutaway sorgt für einen problemlosen Zugang bis zum letzten Bund hinauf.
Als Inlays dienen farbige Pyramiden aus gefärbtem Kunststoff, die allerdings um 180 Grad gedreht wurden und somit auf dem Kopf stehen. Es scheint so, als würde man rechtliche Probleme bekommen, wenn die Inlays so wie beim Original korrekt positioniert wären. Ein wenig seltsam mutet das schon an, denn auch ohne die Pyramiden ist dem Kenner sofort klar, welches Instrument hier wohl als Vorlage diente. Bei der Kopfplatte hingegen sind Verwechslungen ausgeschlossen, auch wenn hier erneut strahlende Neonfarben das Bild bestimmen. Hier sind auch die sechs geschlossenen Mechaniken angebracht, was uns rüber zur Hardware der Traveler Guitar TR VAIBRANT 88 DLX P E-Gitarre bringt.
Traveler Guitar TR VAIBRANT – Hardware & Pickups
Ganz und gar nicht eingeschrumpft wurde das verbaute Floyd-Rose-Vibrato, es handelt sich um ein vollwertiges System, inklusive des Klemmsattels, der den Mechaniken ein gutes Stück weit Entlastung bringt. Allerdings stammt die Hardware nicht aus US-Produktion, sondern aus Fernost, was sich leider in einer nicht ganz perfekten Stimmstabilität widerspiegelt. Dezent eingesetzt gibt es keine Probleme, setzt man jedoch zu den allseits beliebten „Dive-Bombs“ an, dann wandert die Hand unweigerlich danach zu den Feinstimmern. Die im Übrigen sehr zäh laufen, auch ein typischer Schwachpunkt an den FR-Systemen aus fernöstlicher Produktion und oft genug schon an anderen Instrumenten so vorgefunden.
Erstaunlicherweise gibt es aber keine Probleme beim Ablegen der rechten Hand, der Handballen findet einen bequemen Platz im Bereich des oberen Stehbolzens und der Saitenreiter der E- und A-Saite, ohne dabei die Stimmung ungewollt zu beeinflussen. Ehrlich gesagt war das eine meiner größten Befürchtungen: Wohin mit der rechten Hand und dem Unterarm? Sicherlich bedarf es der Eingewöhnung, um eine komfortable Spielposition mit diesem Winzling zu finden. Aber es ist ohne Weiteres möglich, auch wenn die Traveler Guitar TR VAIBRANT 88 DLX P zur Kopflastigkeit neigt und daher der Einsatz mit bzw. an einem Gurt doch zu empfehlen ist.
Auch wenn es ziemlich nach DiMarzio aussehen mag – die drei von pinkfarbenem Kunststoff umschlossenen Tonabnehmer stammen aus der Produktion von Traveler Guitar. Es erwartet uns das typische Schaltungsbild einer Gitarre mit H-S-H Bestückung, wie das folgende Diagramm zeigt:
Die Bedienelemente Fünfwegeschalter, Tone- und Volume-Poti sind von bester Qualität: Der Schalter rastet satt in seine Positionen ein und die federleicht laufenden Regler, bestückt mit herrlich schrill-gelben Plastikknöpfen, laufen völlig frei von Spiel auf ihren Achsen. Somit sind speziell mit dem Lautstärkeregler beispielsweise Volume-Swells ganz easy anwendbar. Auch wurden die Potis und der Schalter genau dort angebracht, wo sie auch beim Original sitzen: Griffgünstig und doch nicht zu nah im Aktionsradius der rechten Hand platziert.
Traveler Guitar TR VAIBRANT – In der Praxis
Die Grenzen der Physik lassen sich auch im Instrumentenbau nur schwer überlisten und so ist es kein Wunder, dass die Traveler Guitar TR VAIBRANT 88 DLX P E-Gitarre im unverstärkten Zustand kein Feuerwerk an Resonanzen und Sustain abfeuert. Dafür aber gibt es ein herrliches und knackiges Attack sowie ein kräftig ausgeprägtes Mitten/Höhenbild, das Akkorden und Voicings die notwendige Tiefe verleiht. Die Bespielbarkeit ab Werk geht bei unserem Testinstrument in Ordnung, Mr. Vai würde hier aber sicher noch mal Hand anlegen wollen.
Wie bereits weiter oben erwähnt, bedarf es einer kurzen Eingewöhnung, um sich an die Ergonomie des Instruments zu gewöhnen. Die Kopflastigkeit ist nervig und erschwert die Sache ein klein wenig, nach ein paar Minuten hat man sich aber an das neue Format gewöhnt und bespielt die TR VAIBRANT 88 DLX P so wie jede andere E-Gitarre auch.
Die Tonabnehmer kommen mit dem gebotenen Grundsound recht gut zurecht. Die Kombinationen ermöglichen die gewohnte Bandbreite einer H-S-H Gitarre, die sich aber primär im Metal-Bereich zuhause fühlt, gerne aber auch mal über den Tellerrand schaut. Negativ auffällt lediglich das Klangbild bei hohen Verzerrungen, bei denen der Grad zwischen brutalem Druck und undefinierbarem Brei sehr schmal ist und man recht schnell merkt, dass dies des Guten zu viel ist. Ansonsten aber verhalten sich die drei Pickups unauffällig in puncto Nebengeräusche, selbst der Singlecoil im Alleinbetrieb fällt diesbezüglich nicht großartig auf.
Traveler Guitar TR VAIBRANT – Die Klangbeispiele
Die Klangbeispiele wurden mit folgendem Equipment aufgenommen: Traveler Guitar TR VAIBRANT 88 DLX P – Orange Micro Dark Head mit angeschlossener 1×12″ Celestion V 30 Box – AKG C3000 Mikrofon – Logic Audio ohne weitere Bearbeitung der Tracks.