Ein Tribut an den deutschen Metal!
Bei dem TWS Lulis handelt es sich um ein E-Gitarren-Topteil bzw. einen Amp Head, der sich klanglich an zwei unterschiedliche, leicht gemoddete Vorbilder aus dem Haus Marshall anlehnt. Wir haben den Test gemacht!
Inhaltsverzeichnis
TWS E-Gitarren-Tropteil – Was ist „Lulis“?
Es gibt Testberichte, die man als Autor klassisch neutral behandelt, es gibt Testberichte, welche einen aufgrund der Konstruktion emotional stärker angehen und es gibt Testberichte, bei denen eine nicht unerhebliche Historie dem Testbericht zugrunde liegt. Bei dem TWS Lulis handelt es sich um letztere Variante. Bei dem TWS Lulis handelt es sich um den Signature-Verstärker für den Gitarristen Uwe Lulis, welcher den meisten Lesern als einer von drei Gitarristen des von Wolf Hoffmann geleiteten deutschen Metal-Urgesteins ACCEPT ein Begriff sein dürfte. Sein Einstieg erfolgte 2013, was demnach auch schon zu einer 11-jährigen Mitgliedschaft geführt hat.
Was jedoch gerade in der letzten Zeit des Öfteren vergessen wird, ist die Tatsache, dass Uwe im Jahre 1986 der Band Grave Digger beitrat und dort 14 Jahre bis zum Jahr 2000 verblieb. Uwe’s Spiel- und Kompositionsstil trugen maßgeblich dazu bei, dass selbige Band in dieser Zeit ihren wirtschaftlichen Zenit erfahren hat. So zeichnet Uwe unter anderem als Komponist für den größten Hit der Band, „Rebellion“ verantwortlich, einem Titel, der in Zusammenspiel mit der nahezu zeitgleichen Veröffentlichung des Mel Gibson Klassikers „Braveheart“ zu dem festen Bestandteil einer jeden GD Playlist gehört.

TWS Lulis – ein E-Gitarren-Topteil der Sonderklasse
Da ich nun selber 9 Jahre nach Uwe’s Ausstieg aus der Band von 2009 – 2023 ebenfalls für 14 Jahre Gitarrist und Komponist der Band Grave Digger war, ist mir der klassische Grave Digger Sound mehr als nur vertraut. Eben diese Ära diente als klangliche Basis für den TWS Lulis mit all ihren Besonderheiten, jedoch nicht ohne einige klangliche Erweiterungen am Amp vorzunehmen.
Konstruktion des TWS Lulis Gitarrenverstärker
Wie bereits erwähnt, gilt es bei dem TWS Lulis darum, die klangliche Grave-Digger-Ära wieder aufleben zu lassen. Während Uwe bei Accept dazu verpflichtet ist, Kemper zu spielen, kann er den TWS Lulis unter anderem bei seinem Solo-Projekt oder auch im Studio einsetzen.
Um den Sound des Amps zu verstehen, muss man sich vor Augen führen, wie sich die Verstärkersituation vor ca. 40 Jahren gestaltete. Wenn man die klangliche Situation brutal herunterbricht, kommt man im Prinzip auf drei Sounds bzw. drei Verstärkertypen. Die Regel war, erstens für cleane Sounds Fender, zweitens für angezerrte Sounds Marshall, drittens für High-Gain Sounds Mesa Boogie.
Da aber vielen Gitarristen mit der aufkommenden Heavy Metal Welle der Mesa Boogie Lead Sound zu weich und zu sehr in Richtung Carlos Santana ging, versuchte man mit allen möglichen Mitteln, den zweiten Bereich, sprich die Marshall Ära, in irgendeiner Form anzublasen. Dies erfolgte erwartungsgemäß mit Pedalen, wobei man dazu sagen muss, dass damals bereits die Master Volume Abteilung von Marshall Einzug gehalten hatte, sprich, man bekam einen guten angezerrten Sound vom Amp und musste, um daraus einen High Gain Sound zu machen, ein entsprechendes Pedal benutzen.
Hier musste man zwei Bereiche unterscheiden. Entweder man boostete das Ausgangssignal der Gitarre und übersteuerte die Vorstufe des Verstärkers, oder aber man nahm den Halbwellenschnitt des Verzerrerpedals zur Hilfe, um eine höhere Verzerrung zu erreichen. Eine Kombination aus beidem war natürlich auch möglich. Die beiden absoluten Spitzenreiter in diesem Bereich waren erwartungsgemäß der TS9 von Ibanez und der OD1 von Boss, wobei der OD1 auch der Favorit von Uwe war, um seinen Marshall anzublasen.
Wie wir später noch sehen werden, ist ein OD1-Schaltkreis im Verstärker mit verbaut, wobei innerhalb der Schaltung der Volume Regler des ursprünglichen Pedals fest auf Maximum eingestellt ist und der Rechtsanschlag des Gain Reglers am Amp der 12 Uhr Stellung am Pedal entspricht. Dem ist zu entnehmen, dass das Pedal primär zum Boosten des Amps verwendet wurde.
Eine Besonderheit stellt auch dar, dass Uwe die 50 Watt-Modelle von Marshall (Modell 2204) den 100 Watt-Modellen (Modell 2203) vorgezogen hat. Der Grund ist insbesondere in der schnelleren Ansprache und in der etwas geringeren Kompression zu suchen, was bei schnellen Staccato-Riffs im Metal auf jeden Fall Vorteile hat. Leider wird das Modell 2204 aufgrund der mangelnden Nachfrage schon seit vielen Jahren nicht mehr gebaut und ist nur noch auf dem Gebrauchtmarkt zu erwerben.
Die Konstruktion des TWS Lulis
Trotz der vielen soundlichen Erweiterungen handelt es sich bei dem TWS Lulis „nur“ um einen einkanaligen Verstärker, welcher allerdings auf den persönlichen Geschmack hin optimiert werden kann. Für die klangliche Ausrichtung wurden die Modelle JTM und JCM von Marshall in der Vorstufe als Basis genommen, wobei das JCM Modelle leicht gemoddet wurde. Sprich, die soundliche Kurve wurde etwas weicher gestaltet als die originale und für die JTM Schaltung wurde eine Vorstufenröhre aus dem Signalweg entfernt. Bekanntermaßen „beißen“ die ursprünglichen JCM Modelle ganz ordentlich in den Hochmitten, was aber auch für das exzellente Durchsetzungsvermögen der Amps sowohl live als auch im Mix sorgt.
Der Verstärker verfügt über eine klassische 3-Band-Klangregelung (Bass, Middle, Treble) und einen Presence-Regler für die Endstufe. Des Weiteren gibt es zwei Master-Volumen-Regler, zwischen denen mittels eines Fußschalters umgeschaltet werden kann.
Apropos Fußschalter: Über den mitgelieferten Fußschalter lässt sich sowohl zusätzlich der Overdrive Circuit aktivieren als auch eine weitere Besonderheit des Verstärkers, eine schaltbare A/B-Box. Diese schaltbare A/B-Box hat den Zweck, dass man das Gitarrensignal mittels eines Schalters wahlweise an einen zweiten Verstärker oder aber ein Stimmgerät weiter leiten kann. Dies macht insbesondere Sinn, da der Lulis Verstärker primär für verzerrte Sound konzipiert ist und man einen ultra-cleanen Sound, sofern man diesen haben möchte, mit diesem Verstärker gar nicht erzielen kann, was aber auch gar nicht Sinn und Zweck dieses Verstärkers ist.
Um zusätzlich noch etwas klangliche Flexibilität hinzuzufügen, wurden die beiden Vorstufen mit der Möglichkeit versehen, über zwei Mini-Switches jeweils eine Bright- oder eine Deep-Schaltung zu aktivieren.
Die Rückseite des TWS Lulis Topteil
Die Rückseite des Amps startet mit einer sehr sinnvollen Netzschaltung am linken Rand. Mittels eines Drehschalters kann man zwischen einer Netzspannung von 115 Volt oder aber 230 Volt wählen, was dem Amp – vielleicht von Japan abgesehen – eine weltweite Einsatzmöglichkeit eröffnet. Es folgen zwei parallel geschaltete Speaker-Out-Buchsen, deren Impedanz mittels eines Chickenhead-Potentiometers zwischen 16, 8 und 4 Ohm schaltbar eingestellt werden kann. Damit lässt sich jede gängige Boxenkombination umsetzen; mir ist in meiner Lautbahn zumindest im Gitarren Cabinet Bereich noch nie ein Fullstack mit 2x 4 Ohm unter gekommen, es sei denn, die Stagecrew hat mal wieder den Impedanzschalter bei den aktuellen Marshall Cabinets falsch geswitcht.
Weiter geht es mit einem seriellen FX-Loop und 3 Stck. TS Buchsen für das Schalten des OD1, der beiden Mastervolume und die A/B Box. Sehr schön, dass TWS Mastermind Mario Gebhardt hier auf Klinkenbuchsen und nicht auf DIN oder gar RJ45 Stecker zurückgegriffen hat. Über den klassischen TS Stecker lässt sich der Amp deutlich einfacher in eine Rack Schaltzentrale einbinden und muss nicht erst mit extra gelöteten „Fummelkabeln“ eingebunden werden.
Zum Abschluss gibt es rechts außen noch die schaltbare A/B Box, deren Einsatz in der Praxis gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Gleich drei sinnvolle Aktionen lassen sich mit diesem unscheinbaren Ausgang ermöglichen. Zum einen haben wir die Möglichkeit, einen separaten Amp anzuschließen, welcher galvanisch vom Haupt Amp entkoppelt ist. Als zweite Möglichkeit gibt es endlich eine sinnvolle Einbindung eines Racktuners, welche sonst immer mit einem riesigen Kabelaufwand in das persönliche Setup integriert werden musste. Und last not least kann man den Amp damit herrlich stumm schalten, zum Beispiel bei einem Gitarrenwechsel!
Der Sound des TWS Lulis Gitarrenverstärker
Schon vom ersten Ton an hört man die britische Prägung des TWS Lulis. Allerdings muss man sagen, dass der Amp deutlich weicher und geschmeidiger zu Werke geht als sein klangliches Vorbild, der Marshall 2204, welcher sich durch jede Menge Biss auszeichnet. So gesehen müsste man von einem leichten amerikanischen Einschlag sprechen, sofern diese Wortwahl überhaupt in irgendeiner Form Sinn macht. Auch die Dreibandklangregelung geht deutlich anders zu Werke. So ist insbesondere die Mittenfrequenz geschmackvoller und etwas tiefer ausgelegt, als die an sich recht uneffektive Klangregelung des Marshalls. So gesehen hat man deutlich mehr Möglichkeiten, seinen Sound an diesem Amp zu finden.
Was mich jedoch letztendlich total überzeugt hat, ist der Grundsound des Amps, verbunden mit den beiden Boost-Schaltern. Es ist unglaublich, wie der Bright-Schalter gerade im JCM-Bereich den Sound noch einmal deutlich durchsichtiger und aggressiver macht, ohne dass er in den Ohren wehtut. Ein hervorragender Amp, der sich für alle Richtungen, angefangen bei Blues bis über klassischen Rock hin zum Hard Rock spielen lässt.
Mit der Hinzunahme des OD1 Schaltkreises kommt dann letztendlich der Nerdfaktor ins Spiel. Hier haben wir jetzt wirklich den 1:1 Grave Digger-Sound, wie er auf den erfolgreichen Alben der frühen 90er produziert wurde. Sprich, es werden Bässe weggenommen und es kommt ein Hauch von synthetischem Clipping, bedingt durch den Schaltkreis, hinzu, was genau den entscheidenden Biss ausmacht, wie man ihn von den früheren Grave Digger-Platten her kennt.
Wer in einer Grave Digger Tribute Band spielt, kommt um diesen Sound nicht umhin. Inwieweit jemand außerhalb dieses Unversums genau diesen Sound für seine Band sucht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Fakt ist, dass der Sound eine sehr gute Durchsetzungskraft und jede Menge Vintage Flair hat und sich auch im größten Sound-Chaos, den eine Band zuweilen produzieren kann, immer noch sehr gut durchsetzen wird.
Kommen wir noch kurz auf den Punkt zu sprechen, der wahrscheinlich einen Großteil der interessierten User abschrecken wird. Die Rede ist vom Preis des Verstärkers: Mit knapp 4.000 Euro liegt der Amp in einer Liga, wo sich sonst die absolute High-Price-Abteilung tummelt.
Wenn man allerdings bedenkt, dass dieser Amp nicht nur in Deutschland entwickelt wurde, sondern auch komplett von Hand in Einzelfertigung in Deutschland gebaut wird, relativieren sich viele Sachen. Zudem sollte man bedenken, dass der Bau dieses Amps mindestens 11 Stunden in Anspruch nimmt. Rechnet man jetzt noch die Bauteile, Vertriebsprovisionen, Versand, Verpackung etc. dazu, kommt man auf den Fakt, dass vielleicht gerade einmal 1000 Euro beim Hersteller als Gewinn hängen bleibt. Und das für einen handgebauten Amp, der nicht nur klanglich überragend ist, sondern auch von seiner Fertigung nicht besser sein könnte.
Hinzu kommen noch diese wunderbaren Spielereien, wie zum Beispiel die LED-Beleuchtung, welche individuell auf die farblichen Präferenzen des Musikers angepasst werden und bei Bedarf sogar mittels eines Mikrofons, zum Beispiel in einem iPhone, angesteuert werden kann und dann seine persönliche Lichtorgel auf der Bühne generiert.
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Nur mal so interessehalber: Wieso lasst ihr bei den Subheadlines die Genitiv-s weg? Ist das grade Trend?
@fatzratz Wie würde die Frage denn lauten, wenn sie nicht interessehalber, sondern wegen der anderen Hälfte, also aus Desinteresse gestellt wäre?
@bluebell 😂
@fatzratz Ich nehme an, es geht um den Genitiv von TWS Lulis: Da es sich um einen Namen handelt, der auf s endet, würde man sowieso kein Genitiv-s anhängen, sondern stattdessen einen Apostroph. Den würde ich persönlich auch einfach weglassen – wegen der Optik und weil die Regel eh kaum jemand kennt. Die Frage wäre dann auch, ob der Apostroph an das erste oder das zweite Wort angehängt wird: „des TWS‘ Lulis“ würde man sagen, wenn die Bezeichnung Lulis den TWS genauer spezifiziert und „des TWS Lulis'“, wenn man beide Worte als zusammengehörige Einheit betrachtet. Alleine daran sieht man: Weglassen ist hier definitiv keine schlechte Wahl.
Und weil wir gerade bei Rechtschreibung sind – „grade“ ist umgangssprachlich zwar möglich, aber schriftsprachlich falsch. Da heißt es „gerade“.
@LostSongs Sehe gerade, dass es noch die Kombis „des TWS Lulis Gitarrenverstärker“ und „des TWS Lulis Topteil“ gibt: Da würde ich persönlich das s aber auch weglassen, um die Suchmaschinen-Keyword-Phrase nicht zu versauen. Ja, was tut man nicht alles fürs Ranking…
Sehr angenehm formulierter Artikel, der schön die Besonderheiten des Produkts hervorhebt, ohne aber die offensichtliche Einschränkung bzgl. klanglicher Bandbreite unter den Tisch fallen zu lassen oder zu werten. Danke!
Vielen Dank für den tollen Artikel!
Aber ich denke da hilft alles nix… Beim nächsten Besuch im Gitarrenladen muss ich den selbst anspielen :D
@74smoky In dem Fall empfehle ich dir dich mit TWS direkt in Verbindung zu setzen, da der Amp aufgrund der extrem kleinen Stückzahlen wahrscheinlich in keinem regulären Musikgeschäft zum Antesten bereit steht.