Edle Ethnosounds
Unter dem Namen UVI World Suite bietet der französische Software-Hersteller UVI eine neue Ethno-Soundlibrary an, die geordnet nach geographischen Regionen Instrumente der ganzen Welt umfasst. Die Spezifikationen sind eindrücklich: Es wurden über 300 Instrumente gesampelt und 8000 Loops und Phrasen aufgezeichnet. Dass dies alles nicht zum Nulltarif erhältlich ist, versteht sich von selbst. Doch wer sich für Klänge dieser Art interessiert, wird die 299 Euro kaum bereuen. Die Qualität der Samples ist schlicht hervorragend.
Ein paar technische Informationen vorweg
Insgesamt 28 Gigabyte müssen für die UVI World Suite installiert werden. Es handelt sich dabei um verlustfrei komprimierte Files (FLAC Codec). In Wav-Dateien gerechnet läge das Volumen bei 42 Gigabyte. Aufgezeichnet wurde mit 88,2 kHz, die Samples selbst liegen in 44,1 kHz vor. Zum Abspielen der Samples installiert man die UVI Workstation: ein übersichtlicher und einfach zu bedienender Sampleplayer. Eine Lizenz von World Suite umfasst drei Installationen, als Kopierschutz dient iLOK, entweder als Hardware Dongle oder Account. Unterstützt werden alle gängigen Formate: AU, AAX, VST und Standalone. Zudem wurde die World Suite in über zehn DAWs getestet und zertifiziert.
Aufbau
Das Laden eines Instrumentes dauert auf meinem fünfjährigen MacBookPro mit einer 7200er Festplatte weniger als eine Sekunde. Mit SSD sind natürlich noch weitaus kürzere Zeiten zu erwarten. Das GUI ist dreigeteilt: Oben prangt eine Zeichnung des jeweiligen Instrumentes mit einem schönen Landschaftsbild seiner Herkunftsregion, in der Mitte befinden sich die Bedienelemente und unten ein farblich markiertes Keyboard. Was es damit auf sich hat, werden wir gleich sehen.
Die Editierung ist bei jedem Instrument wieder ein bisschen anders. Meistens hat man Zugriff auf die Velocity-Kurve, die Hüllkurve, einen einfachen Dreiband-EQ, einen Hall sowie instrumententypische Effekte, beispielsweise Vibrato für die Geige. Das wirkt insgesamt schlank und durchdacht.
Nun zu den Tasten: Mit den roten können verschiedenen Samplesets des Instrumentes aktiviert werden. Da dies de facto latenzfrei geschieht, ist es auch während des Spielens möglich, beispielsweise unterschiedliche Anblasgeräusche von Flöten oder Schlagtechniken der Perkussion zu mischen.
Weiß markiert den natürlichen Tonumfang eines Instrumentes. Da dieser teils arg eingeschränkt ist (nur diatonische Tonleiter der Kora, Pentatonik bei einigen Flöten etc.), stehen zusätzlich transponierte Töne zur Verfügung, die den Tonumfang sinnvoll ergänzen. Durch die klare farbliche Trennung ist einem beim Spielen immer bewusst, wo die natürlichen Grenzen jedes Instrumentes liegen.
Eine kleine Weltreise
Es ist ein besonderes Vergnügen, durch die Klänge der UVI World Suite zu stöbern. Im übersichtlichen Browser der UVI Workstation werden die Instrumente geographisch oder Gattungen aufgelistet, was bei Weitem praktischer ist als beispielsweise eine alphabetische Ordnung.
In jeder Region der UVI World Suite befinden sich Blas-, Saiten- und Perkussionsinstrumente. Hier und da auch Vertreter der Tastenfraktion: verschiedene Ziehharmonikas und ein als Nordic Piano bezeichnetes Kleinklavier. Zum Teil ist die Zuordnung der Instrumente etwas irreführend. So wäre es bestimmt sinnvoll gewesen, Brasilien und Kuba als eigene Kategorien zu führen, anstelle der groben Zuweisung zu “South America”. Auch einige Instrumentennamen lassen mich etwas ratlos zurück: Was ist wohl unter dem argentinischen “Tango Accordeon” zu verstehen? Das Akkordeon spielt im Tango nämlich eine untergeordnete Rolle.
Wahrscheinlich ist damit das Bandoneon gemeint, das zwar auch eine Ziehharmonika ist, aber gewiss kein Akkordeon. Für manche Nutzer ist dies bloß eine intellektuelle Haarspalterei, als Komponist ist es für mich dennoch wichtig zu wissen, mit welchem Instrument ich es genau zu tun habe. Ein anderes Beispiel betrifft die orientalische Sektion von World Suite (genannt “Middle East”), die unter anderem eine Lute (Laute) bietet. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um eine Oud. Überprüfen kann man es als Nutzer nicht. Außerdem bestehen zwischen türkischen und arabischen Ouds beträchtliche Unterschiede, so dass es auch ganz sinnvoll wäre, etwas mehr über die genaue Herkunft der Instrumente zu erfahren. Doch hier tappt man leider im Dunkeln. World Suite gibt keinerlei Informationen über die gesampelten Instrumente preis. Auch die ausführliche Bedienungsanleitung führt hier nicht weiter, was ein bisschen schade ist.
Eine solch umfassende Library verstehe ich auch als klingendes Nachschlagewerk. Mit ein paar zusätzlichen Informationen könnte die UVI World Suite zur musikalischen Enzyklopädie avancieren.
Traveler: Die lokale Band für die Session zwischendurch
Traveler sind Multi-Programme, bestehend aus sechs Instrumenten und zahlreichen Loops, die sich zu kleinen Ethno-Bands zusammensetzen. Die gespielten Pattern klingen dabei sehr lebendig und groovig, und da die Transposition über MIDI problemlos funktioniert, eignen sich die Traveler auch als Begleitautomationen. Der Aufbau ist denkbar simpel und erinnert an ein Mischpult mit direktem Zugriff auf Lautstärke, Panorama und Effekt Send (Reverb). Zudem können sie per Mausklick stummgeschaltet werden. Die Loops liegen in der UVI World Suite in zahlreichen Variationen vor und können für jedes Instrument einzeln über Pfeiltasten im laufenden Betrieb umgeschaltet werden. So ergeben sich unendliche Kombinationen, die meistens auch gut klingen. Die Loops liegen übrigens auch als einzelne Wav-Dateien vor.
Vocals
Die UVI World Suite kann auch singen. Oder sagen wir mal so: Es wurden auch Sänger mit ganzen Phrasen gesampelt. Es finden sich über 400 in sich geschlossene Phrasen von einer bis etwa zehn Sekunden Länge. Über MIDI lassen sie sich transponieren, doch ist ein freies Spiel der Stimmen durch die Tastatur nicht vorgesehen: Die Phrasen sind de facto unveränderbar.
Interessant, danke für den Test.
Das „Nordic Piano“ klingt allerdings so sehr nach abendländischer Kammermusiktradition, dass es wie ein Fremdkörper in dieser Sammlung wirkt.
Die Blas- und Streichinstrumente sollte man vielleicht unter erweiterten Controllerbedingungen testen. Die wirkliche Stärke von Bläsersamples kann man z.B. besser bei Crescendi hören (per Breath Controller oder Modwheel). In deinen Audiobeispielen klingen sie arg nach Keyboardtastatur, auch die Bindungen.
@Chick Sangria Grüß Dich Chick
Für mich wirkt das „Nordic Piano“ auch wie ein Fremdkörper. Habe zwar nichts gegen ein weiteres Piano Sample in meinem Rechner, kann mir aber nicht wirklich vorstellen, wann ich dieses doch eher dünn klingende Klavier jemals nutzen sollte.
Und natürlich hast Du Recht, was die Bläsersamples betrifft, mit einem Breath Controller könnte man hier noch viel mehr rausholen. Leider fehlt mir einer in meiner Sammlung.
Mixed Vocals and Drone… nicht auszuhalten.
Demnächst auf tausend Entspannungs-CDs (oder welchem Tonträger auch immer) im Dritte-Welt- oder Esoterik-Laden Ihres Vertrauens.