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Test: Vermona MeloDICER, Eurorack Sequencer

Stochastische Sequenzen Generierung vom Feinsten

10. Juni 2020

Stochastische Sequenzen Generierung vom Feinsten – der Vermona Melodicer

Manchmal gibt es Dinge, die gibt es nicht. Das gilt zumindest auch für das Modul, das ich hier bespreche. Den Vermona Melodicer gibt es nämlich nicht – zumindest, wenn man ihn auf der Website von Vermona sucht. Das liegt aber nur daran, dass Vermona vom Erfolg des Melodicers so überrumpelt wurden, dass sie nicht dazu kommen, die Website zu aktualisieren. Aber Gott sei Dank gibt es Videos im Netz und als ich auf ein solches stieß, war ich gleich Feuer und Flamme. Bei Schneidersladen kann man das Modul „auf Anfrage“ kaufen und tatsächlich traf das Päckchen fünf Tage nach der Bestellung bei mir ein.

Die Frontplatte des Vermona Melodicer

Die Frontplatte des Vermona Melodicer (Foto: Alex4)

Per Zufall Musik generieren

Die Idee, den Zufall als Mit-Komponisten zu engagieren, ist nicht neu. Schon zu frühen Barockzeiten finden sich Kompositions-„Spiele“, die Würfel verwenden. Die moderne „klassische“ Musik adaptiert weitaus komplexere Zufalls- und Wahrscheinlichkeitskonzepte aus der modernen Physik. Ein Beispiel ist das Stück Pithoprakta von Iannis Xenakis.
In der modularen Synthsizerwelt gab es auch früh schon Ansätze dafür, Buchlas Source of Uncertainty ist ein Beispiel dafür. Aber der äußerst bescheidene Erfolg der (doch eher unkonventionelle Tonfolgen erzeugenden) Zufalls-Sequencer im Buchla-Stil im Vergleich zu den meist sehr konventionelle Melodien liefernden klassischen Step-Sequencern in der Tradition des Moog 960 spricht Bände. Was den Zufallsmelodien lange Zeit fehlte, war die strukturelle Wiederholung und das Einbetten in unsere harmonischen Hörgewohnheiten. Das änderte sich erst, als Quantizer mit wählbaren Tonleitern zu akzeptablen Preisen auf den Markt kamen. Der Weg zu einem kompakten Kompositions-Modul war aber noch weit.

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Der Imaginator VCX-378 Sequencer fürs Eurorack

Ein gewisses Aufsehen erregte der – inzwischen nicht mehr hergestellte – Imaginator VCX-378, den Analogue Solutions 2015 im Auftrag und nach dem Konzept von Vince Clarke baute. Dabei gab es für jeden Basis-Aspekt einer musikalischen Figur einen entsprechenden Parameter sowie einen Skalen-Quantizer, mit dem man die zu spielende Tonleiter bestimmen konnte. Allerdings setzte sich der Imaginator nicht so recht durch. Zum einen war er (verständlicherweise) etwas einseitig an den von Clarke gewünschten Funktionen ausgerichtet, zum anderen kannte er keine Möglichkeit, eine einmal gefundene Sequenz abzuspeichern und später wiederzugeben. Bei dem sehr an MIDI ausgerichteten Konzept war das auch kein Problem – jeder externe MIDI-Sequencer konnte das Ergebnis ja aufnehmen. Aber der relevante Markt, die Eurorack-Modularwelt, hatte sich mittlerweile von MIDI größtenteils verabschiedet.

Die Turing-Machine

Die Turing Machine von Tom Whitwell gibt es nur als Bausatz

Bereits 2012 tauchte die Turing Machine von Tom Whitwell in der Eurorack-Szene auf. Bis heute offiziell nur als Bausatz bei Thonk.co.uk erhältlich, bietet sie das Konzept eines „würfelnden“ Sequenzengenerators erstmals für die Eurorack-CV-Gemeinde. Zusammen mit einem Skalen-Quantizer, etwa einem Sonic-Potions Penrose oder dem Intellijel Scales, ist man schon nah an der Idee des Imaginators und kann im Steuerspannungsland bleiben. Der derzeit aktuelle Stand der Entwicklung präsentiert sich in zwei Modulen, die letztes Jahr präsentiert wurden, dem Omsonic Stochastic Inspiration Generator und dem Vermona Melodicer. Während das Omnisonic-Modul noch nicht auf dem Markt ist, gibt es den Melodicer schon zu kaufen.

Überblick zum Vermona MeloDICER

Der Name Melodicer setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern melody (was ich jetzt mal nicht übersetze) und dice, dem Wort für Würfel. Und das beschreibt grob, was das Modul macht: Es würfelt Melodien. Technischer gesagt erzeugt der Melodicer eine Gate- und Steuerspannungs-Sequenz von maximal sechzehn Schritten. Dabei verwendet er Töne einer Skala, die man mit zwölf Schiebereglern vorgibt. Allerdings kann man nicht die Reihenfolge der Töne bestimmen – die „würfelt“ der Melodicer selbst. Wie häufig er bei dieser zufällig generierten Melodie welche der gewählten Noten benutzt, das bestimmt man damit, wie weit der jeweilige Schieberegler aufgezogen wurde. Den Oktaven-Umfang der Melodie bestimmen zwei weitere Schieberegler.

Die Note-Schieberegler des Vermona Melodicer

Je weiter oben der Schieberegler einer Note ist, umso häufiger kommt die Note in der Sequenz vor

Die Tonhöhen sind aber nur ein Aspekt einer Melodie. Genauso wichtig ist es, Noten kurz oder lang zu machen, Noten zu binden oder Pausen zu lassen. Diese zeitbezogenen Aspekte der Melodie gibt man am Melodicer mit vier Drehreglern ein. Mit einem Regler stellt man das Grundmetrum ein (Viertel, Achtel, Triolen und ähnliches). Mit den drei anderen Reglern gibt man vor, wie häufig von diesem Grundmetrum mit Legato-Noten, Pausen und Notenlängenvariationen abgewichen wird. Aber auch hier gilt: Man bestimmt nur die Rahmenbedingungen. Den eigentlichen Rhythmus erzeugt dann der Melodicer zufällig unter Berücksichtigung der mit den Reglern vorgegebenen Wahrscheinlichkeiten. Die so erzeugte Sequenz lässt sich mit freiem Tempo oder extern synchronisiert abspielen, die Länge der Sequenz kann man über Start- und Endpunkt einstellen. Mit externen Steuerspannungen kann man die gesamte Sequenz transponieren, aber auch die Wahrscheinlichkeitsparameter kontrollieren. Ich verspreche: Das klingt komplizierter als es ist. Schauen wir uns die Funktionen im Einzelnen an.

Eine kleine Melodie

Für den Melodie-Bereich bietet der Vermona Melodicer vierzehn Schiebregler und einen Dice-Taster. Zwölf der Schieberegler stehen für die Halbtöne der Tonleiter und zwei weitere Schieberegler bestimmen den Tonumfang, also von wie weit unten bis wie weit oben die zu erwürfelnde Melodie gehen soll.
Zieht man zum Beispiel die Regler von C, E und G auf Mittelposition so bekommt man irgendeine C-Dur Sequenz vorgespielt (um den Rhythmus wollen wir uns an dieser Stelle noch nicht kümmern). Die Abfolge der Noten kann man zunächst nicht bestimmen, sie bleibt aber erst mal immer gleich.
Um die Sequenz zu ändern, drückt man den Dice-Melody-Taster (eingedeutscht in etwa: „Würfel die Melodie!“).

Die "Dice"-Knöpfe des Melodicers

Die Dice-Funktion „würfelt“ Rhythmus oder Melodie neu

Jetzt ändert sich die Abfolge der Töne zu einer neuen Sequenz, die gewählten Noten C, E, G bleiben aber gleich. Ziehen wir den C-Regler ganz nach oben, so wird das C zum eindeutigen Grundton. Es kommt zum einen häufiger vor und nach einem nochmaligen Drücken des Dice-Tasters ist die Wahrscheinlichkeit, dass es die erste Note in der Sequenz wird, extrem hoch.
Dieses Spiel mit der Wahrscheinlichkeit kann man zum Beispiel für Akkordwechsel nutzen: Wir ziehen die Regler der Noten C, E, G und A auf Mittelstellung und dann setzen wir abwechselnd alle zwei Takte den C-Regler oder den A-Regler auf Maximum. Daraufhin wechselt die Sequenz erkennbar von C-Dur6 zu a-moll7. Die beiden Akkorde setzen sich ja aus den gleichen Noten zusammen und unterscheiden sich theoretisch nur darin, was man als Grundton betrachtet. Diese Betonung des Grundtones bekommt man eben mit der Erhöhung der Häufigkeit, mit der die jeweilige Note gespielt wird. Dabei ist es übrigens nicht nötig, die Melodie mit dem Dice-Taster neu zu würfeln; das erledigt der Algorithmus selbst.

Die Range-Slider des Vermona Melodicer

Die Range-Regler geben den Tonumfang der Sequenz vor – hier volle fünf Oktaven

Die beiden Range-Schieberegler am Vermona Melodicer für den Tonumfang verhalten sich ähnlich. Mit ihnen setzt man die Grenzen für die höchste und tiefste Note der Sequenz. Verschiebt man einen der beiden Regler, so erklingen manche Noten der Sequenz eine Oktave höher oder tiefer. Setzt man den Regler zurück, wird wieder die vorherige Notenabfolge gespielt. Dahinter vermute ich ein Grundkonzept des Melodicers: Eigentlich erwürfelt er eine maximal komplexe Sequenz und mit den verschiedenen Reglern bestimmt man, wie sehr diese komplexe Sequenz vereinfacht wird. Tatsächlich ist es zum Beispiel so, dass eigentlich immer alle Töne für die Melodie verwendet werden, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Töne mit heruntergezogenem Schieberegler drankommen, gleich Null.
Der große Vorteil ist, dass man bei einer einmal gewürfelten Sequenz nach einer Änderung der Regler eigentlich immer wieder zu einem vorherigen Ergebnis zurückkehren kann, gleichgültig, ob die Änderung vom komplexen zum einfach oder umgekehrt war. Das erlaubt dann auch, dass man in Echtzeit eine eigentlich statische Basis-Sequenz für eine Steigerung variieren kann, um dann wieder zur Basis zurückzukehren.

Der Rhythmus, wo man mit muss

Bisher bin ich nur auf den Aspekt der Tonhöhen eingegangen, aber der Melodicer bietet noch eine weitere Spielwiese: die Rhythmik der Sequenz. Wie schon erwähnt, gibt es hierfür vier Regler: Note Value, Variation, Legato und Rest.
Mit dem „Note Value„-Regler gibt man die Basis-Schrittlänge ein. Das ist die Notendauer, die gespielt wird, wenn die anderen drei Regler keinerlei Variation vorgeben. Die möglichen Werte sind ganze Note, halbe Note, Viertel, Viertel-Triole, Achtel, Achtel-Triole, Sechzehntel und Zweiunddreißigstel. Wer sowohl in Mathe wie auch in Musik aufgepasst hat, wird nun einwenden, dass eine ganze Note als Metrum doch wenig sinnvoll ist, wenn die gesamte Sequenz eh nur sechzehn Sechzehntel lang sein kann. Und tatsächlich wird bei NoteValue = 1 in der Basiseinstellung nur eine einzige Note gespielt. Das sieht aber ganz anders aus, wenn man sich mit dem zweiten Rhythmus-Parameter beschäftigt.

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Die Regler für die Rhythmusparameter des Vermona Melodicer

Mit vier Drehreglern stellt man die Rahmenbedingungen für den Rhythmus ein

Der Regler Variation am Vermona Melodicer besagt nämlich, ob und wie sehr vom Basis-Metrum abgewichen wird. Dabei ist die Null-Position, also keine Abweichung, bei der 12-Uhr-Stellung des Reglers. Dreht man nach links, so werden immer wahrscheinlicher längere Noten eingestreut, dreht man von der Mitte nach rechts so kommt es immer öfter zu kürzeren Noten. Dabei wird zuerst nur der nächst längere beziehungsweise nächst kürzere Wert genommen; zum Beispiel bei einer Viertel-Basis kommen Achtelnoten dazu. Dreht man den Variation-Regler über die 3-Uhr-Stellung hinaus, dann werden auch die „übernächsten“ Werte genommen; bei einer Viertel-Basis werde dann Achtel und Sechzehntel-Noten eingestreut. Damit ist dann auch die ganze Note angesichts der eintaktigen Sequenz sinnvoll, denn man kann Live einfach mal die Variation in Richtung „kürzer“ reindrehen und dann wieder auf die ganze Basisnote zurückkehren. Im Prinzip kommt man übrigens zu ähnlichen Ergebnissen, egal ob man bei Viertel-Basisnoten kürzere Variationen oder bei der Achtel-Einstellung längere Noten einfügt. Bei triolischen Basis-Werten ist der Variaton-Parameter übrigens außer Funktion. Woher soll das Gerät auch wissen, wie die Variation einer Triole aussehen soll. Umgekehrt ist aber das manuelle kurzfristige Umschalten des Note-Value in die Triolen sehr cool – Trap und Dubstep lassen grüßen.

Der Regler für Legato scheint im ersten Moment etwas Ähnliches zu machen wie die Longer Variation. Aber während eine Longer Variation die Tonhöhe länger als vom Basismetrum vorgegeben hält, ändert sich bei Legato die Tonhöhe durchaus weiterhin im Basismetrum. Nur die Gate-Länge umfasst dann zwei oder gar noch mehr Schritte. Verwirrend? Nehmen wir als Basis-Metrum Viertel an und gehen wir von einer Sequenz C E G B aus. Drehen wir die Variation auf longer, so ändert sich die Sequenz zu C E-e B. Das E wird eine halbe Note lang gespielt statt einer Viertelnote; das G wird dafür weggelassen. Drehen wir statt der Variation die Legato-Wahrscheinlichkeit auf, so bekommen wir C E-g B. Das G wird also auch gespielt, aber es bekommt keinen separaten Gate mehr. Am wirkungsvollsten ist die Legatofunktion, wenn man sie im Modularsystem mit einem spannungsgesteuerten Portamento kombiniert. Einfach das Gate-Signal als Steuerspannung für das Portamento benutzen und man bekommt die typischen Legato-Rutscher, die man vor allem von der TB-303 und Anverwandten kennt.
Das Gegenstück ist die Rest-Funktion, also das Einfügen von Pausen. Während bei Legato die Steuerspannung weiter-„spielt“, bleibt bei der Rest-Funktion die Steuerspannung auf dem vorigen Wert stehen. Obgleich die Funktion wenig spektakulär scheint, bringt sie zusammen mit etwas Variation doch mit die musikalischsten Ergebnisse.

Mit dem Drehgeber können unter anderem Start und Endpunkt der Sequenz eingegeben werden

Bisher habe ich einen optisch sehr markanten Regler noch nicht erwähnt: einen Endlosdrehgeber mit einem sechzehnstufigen LED-Kranz. Im Standardmodus zeigt der LED-Kranz die 16tel-Schritte der Sequenz an. Drückt man einen der danebenliegenden Pfeil-Taster, so kann man mit dem Drehgeber den Anfangs- und den Endschritt der Sequenz bestimmen und somit die Sequenzlänge. Das ist also das Rhythmus-Äquivalent zu den beiden Tonumfang-Regler. Ganz begeistert bin ich, dass die Sequenz automatisch wieder auf die Ursprungs-Rhythmik zurückkehrt, wenn man von einer ungeraden Schrittzahl wieder auf die kompletten 16 Schritte zurückschaltet. Davon könnte sich manch anderer Sequencer eine Scheibe abschneiden.
Und zuletzt: Wie auch bei der Melodie-Sektion gibt es einen „Dice“-Taster für den Rhythmus, mit dem sich ein neuer Groove würfeln lässt.

Spiel unter Kontrolle mit dem Vermona MeloDICER

Der Vermona Melodicer kann sowohl mit einem internen Tempo als auch mit externem Clock laufen. Das interne Tempo gibt man mit einem Tap-Tempo-Taster wie auch bei anderen Geräten als Viertelschläge vor. Als externes Clocksignal muss man – Achtung! – ebenfalls Viertel vorgeben. Technisch ist das zwar eine verständlich einfache Lösung, aber praktisch ist es nicht. In einem üblichen Modularsystem dürften 16tel-Clocksignale Standard sein. So muss man einen irgendwie immer ein Teilermodul einfügen. Hier ist absolut wünschenswert, dass optional auch ein 16tel-Clock möglich wäre.

Darstellung der Trigger, die für die Synchronisation des Vermona Slicers nötig sind

Als Clock benötigt der Melodicer Trigger auf den Vierteln, das letzte Sechzehntel der zweiten Spur liefert den Reset-Impuls

Im Gegensatz zu allen mir bekannten Sequencern kennt der Melodicer keine Start- oder Stopp-Funktion. Das ist schon irritierend, wenn mit dem Einschalten des Modularsystems sofort eine Sequenz losläuft. Zwar gibt es die Möglichkeit, die Gate-Ausgabe zu „muten“, es ist auch möglich, die Sequenz zu resetten und in der Theorie könnte man die fehlenden Funktionen mit externen Modulen ergänzen (ein Divider, ein VC-Switch, ein Sample&Hold-Modul) – aber wirklich praktisch ist das alles noch nicht.

Inputs und Systemeinstellung

Links die Eingangsbuchsen, daneben die Übersicht der Systemkonfiguration

Am Telefon sagte mir Thomas Haller von Vermona, dass sich das Modul per USB updaten lässt und dass Vermona hier und bei ein paar anderen Funktionen noch mal nachlegen wird. Denn Bedienmöglichkeiten gibt es genug:
Neben den schon erwähnten Bedienelementen gibt es nämlich zwei Gate- und zwei CV-Eingänge, sowie ganz rechtes sechs Taster. Die Eingänge können sehr frei den verschieden Funktionen zugewiesen werden, sei es dass ein Gate-In einen Reset oder einen „Dice“ auslöst oder ein CV-In zum Beispiel den Variationsgrad ändert.

Der unterste der sechs Taster ist fest einer Locking-Funktion zugewiesen. Ist dies aktiviert, so wird weiterhin die gleiche Sequenz gespielt, egal, was man jetzt an den Bedienelementen ändert – für Live sicher sinnvoll. Der oberste Taster schaltet zwischen einem direkten Modus und einem Edit-Modus um. Im direkten Modus haben drei der vier übrigen Taster feste Funktionen: „Mute“, „Save“ und „Load“. Ja, richtig gelesen: Der Melodicer kann die gewürfelten Pattern abspeichern und man kann sie natürlich auch wieder laden. Sechzehn Speicherplätze gibt es dafür. Damit wird man zwar keine Symphonien komponieren, doch sind sechzehn Basslinien schon mal ausreichend für ein kleines Live-Set. Und wer jetzt aufgepasst hat, merkt, dass da ein Schalter unbelegt ist. Genau dort würde ich mir jetzt die Start/Stopp-Funktion wünschen.

Die Mode-Taster des Vermona Melodicers

Die Mode-Taster haben unterschiedliche Funktionen. Im Moment ist die Sequenz gemutet.

Im Edit-Modus kann man zum einen die Destinationen der Gate- und CV-Eingänge bestimmen, zum anderen kann man zwischen vier grundlegenden Funktions-Modi wählen: Sequencer ist der Modus, den ich bisher die ganze Zeit beschrieben habe. Der Seq+Gate-Modus könnte auch als Einzelschritt-Modus bezeichnet werden. Hier wird nur die Melodie-Abteilung genutzt und die einzelnen Schritte der Melodie werden durch eine Gate and Gate In 1 durchgeschaltet. Zunächst klingt das vielversprechend, doch wenn man das mit extern programmierten Gate-Figuren kombiniert, dann kommt etwas arg viel Zufall ins Spiel. Für Percussion-Sounds ist es ganz nett, weil das Ergebnis sehr variantenreich ist, aber für melodische Sequenzen wollte sich mir diese Arbeitsweise doch nicht so sehr erschließen. Thomas Haller meinte dazu auch, dass dieser Modus in einer späteren Firmware-Version wohl noch überarbeitet wird.

Der USB-Anschluss auf der Platine des Vermona Melodicer

Über einen USB-Anschluss auf der Platine kann man die Firmware upgraden

Im dritten und vierten Modus wird der Melodicer zum Quantizer für externe Steuerspannung, wobei die Skalen-Fader bestimmen, auf welche Halbtöne quantisiert werden soll. Die beiden Quantizer-Modi unterscheiden sich darin, dass der erste direkt wirkt, während der zweite Quantizer-Modus nur auf ein Gate-Signal hin quantisiert. Das sind beides von anderen Quantizern bekannte Funktionen. Da sie sowieso intern im Melodicer genutzt werden – warum soll man sie dem Benutzer nicht auch separat zur Verfügung stellen? Gut so!

Die Sequencer-Verwandtschaft

Abschließen bleibt noch der Blick auf artverwandte Geräte. Da ist zunächst der Vince Clarke Imaginator. Die Ergebnisse sind durchaus ähnlich, aber der Zufall ist dort nicht ganz so kontrollierbar wie beim Melodicer. Außerdem kann er de facto nicht einem MIDI-losen Umfeld genutzt werden. Und: Er wird nicht mehr hergestellt und ist nur noch auf dem Gebrauchtmarkt erhältlich.
Dann wäre da der Omsonic Stochastic Inspiration Generator. Die Melodie-Generierung ist dem Melodicer sehr, sehr ähnlich. Man hat fast den Verdacht, dass irgendwo in der Welt jemand mal diese Idee geäußert hat und sowohl Omsonic als auch Vermona die Idee aufgegriffen haben. Voneinander abgekupfert dürften sie nicht haben, dazu sind die Erstvorstellungen der Prototypen zu gleichzeitig gewesen. Die Rhythmus-Steuerung arbeitet beim Omsonic-Modul etwas anders. Man bestimmt mit fünf Reglern, wie wahrscheinlich Zwei-Ganze, Ganze, Halbe, Viertel, Achtel und Sechzehntel vorkommen. Außerdem fehlt die Tonumfangs-Steuerung sowie die ungerade Sequenzlänge.
Weiterhin gibt es noch „Kompas“ von Bastl-Instruments und die zu Anfang erwähnte Turing Machine von Music Thing Modular bzw. Thonk.co.uk. Beide Module können zwar auch als Sequencer genutzt werden, aber ohne Skalenquantizer sind die Ergebnisse sehr an der Grenze des im konventionellen Rahmen musikalisch Verwertbaren.

Klangbeispiele zum Vermona MeloDICER

Klangbeispiele? Ein Sequencer klingt doch nicht. Deswegen habe ich mich eigentlich an einem Demo-Video versucht. Ich musste aber nach mehreren Versuchen feststellen, dass ich als Musik-Schuster doch besser bei meinem Audio-Leisten bleiben sollte. Erfreulicherweise gibt es vom Vertrieb ALEX4 zwei gut gemachte Videos, die ich stattdessen hier einfüge:

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Fazit

Ich persönlich war ich schon immer von der Idee fasziniert, mir Melodien erstellen zu lassen. Mit der Turing Machine und später dem Vince Clarke Imaginator machte ich dann erste Versuche, war aber letztlich nie zufrieden. Das oft eher zufällige Zusammentippen von Sequenzen auf einer TB-303 oder x0xb0x war schon interessanter, aber doch sehr langwierig. Der Melodicer dagegen ist wunderbar direkt im Zugriff. Mit zwei oder drei Handgriffen hat man innerhalb weniger Sekunden ein anhörbares Ergebnis. Zudem bietet er eine sehr intuitive Herangehensweise an das Erstellen einer Melodie. Bei anderen Step-Sequencern bestimmt man sehr akademisch: „Auf zwei und vier jeweils eine Synkope einbauen“ oder: „auf den dritten Offbeat-Schritt einen Legatobogen und bei sechzehntel Nummer drei bitte eine Pause“. Beim Melodicer sagt man im Prinzip einfach: „ich will es jetzt aufregender“ oder: „ich will es entspannter“ – und dafür gibt es dann Regler. So eine Denk- und Arbeitsweise mag bei konventionell ausgebildeten Musikern verpönt sein, aber zumindest ich bin sehr begeistert von diesem erfrischenden Ansatz. Und ganz nebenbei lernt man gegebenenfalls auch, dass eben Synkopen aufregender oder Legatobögen entspannt sind.

Plus

  • intuitive Herangehensweise
  • überzeugend musikalische Ergebnisse
  • erster Zufalls-Sequencer mit speicherbaren Sequenzen
  • sehr stabile Firmware
  • Update-Fähigkeit

Minus

  • etwas umständliche Synchronisationslösung

Preis

  • 429,- Euro
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Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Ein Melodicer und ein random rhythm in ein skiffgehäuse und alles was cv hat und nicht bei drei auf den Bäumen ist sequenzieren. So schaut mein Plan aus. Irre Geräte!

    • Profilbild
      AMAZONA Archiv

      Wie z.b. .mein Matriarch drauf reagiert wird spannend.

      • Profilbild
        Ashatur AHU

        Ja mir kribbelt es auch in den Fingern…
        Mit der Großmutter hast du mich süchtig nach mehr gemacht. Wenn ich noch mit dem ankomme dann springt aber meine Frau und ich muss bei 3 auf einem Baum sein :-D

    • Profilbild
      Datura

      Für Modularsysteme Geilo , aber ich hätte bei meinem Setup irgendwie ein schlechtes Gewissen die Melodien nicht selbst eingespielt zu haben :-P
      Ach ja: Toller Artikel ! Klasse auch , dass die älteren Zufallsgenerierer Erwähnung finden.

  2. Profilbild
    Kraut Control

    Wieder ein äußerst umfangreicher und informativer Artikel von Herrn Anwander, vielen Dank! Ein wenig würfeln, wenn die Kreativität mal wieder Pause macht…warum nicht? Ich werde das Modul auf jeden Fall mal testen.

    • Profilbild
      [P]-HEAD AHU

      @Kraut Control Toller Artikel sogar nur beim überfliegen. Den muss ich mir Absatz für Absatz reinziehen. Sieht jetzt schon so aus, als ob das Ding in die Racks muss. Die Möglichkeiten sind ja der Wahnsinn. Klasse Videos.

  3. Profilbild
    qwave

    Ich habe meinen MeloDICER hier seit einiger Zeit im eigens für ihn gekauften Eurorack. Ich habe ein MU Modular, war aber sofort bei der Vorstellung des Prototypen auf der Superbooth 2019 begeistert von der Idee und der Tonhöhenvorauswahl mittels Schieberegler.
    Ich nutze nicht immer mehrere Sequenzer gleichzeitig, weshalb ich den MeloDICER meist mit der internen Tap-Tempo Clock betreibe. Da ist mir das mit dem ¼ Noten Clockeingang kein Problem.

    Wenn ich einen Wunsch hätte, so wäre es noch ein zufälliges Ratcheting.

    Ich finde diesen gesteuerten Zufall sehr musikalisch. Und auch auf einer Bühne wäre der einsetzbar, weil man bei richtigen Vorgaben nie unpassende Töne bekommt, aber trotzdem durch die gewürfelten Ergebnisse Abwechslung hat.

    • Profilbild
      Florian Anwander RED

      @qwave > Wenn ich einen Wunsch hätte, so wäre es noch ein zufälliges Ratcheting.
      Im Prinzip ist Ratching ja in der „Variation“ umgesetzt. Ich nehme an, Du meinst 32tel. Die muss man explizit für die Variation aktivieren. Das geht in den „Edit Parameter“-Funktionen. Siehe Anleitung Seite 12 und 15.

  4. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Welcher CV to Midi Wandler wäre dem Ding denn gewachsen (Stichwort Ratcheting) ?

    • Profilbild
      Florian Anwander RED

      Mach doch an Vermona den Vorschlag, dass sie die Sequenz über den USB-Port als MIDI ausgeben sollen. Ich könnte mir vorstellen, dass das kein großes Problem ist. Dann einfach ein 4TE Modul daneben, das eine USB-Buchse nach außen führt trägt (und das dann auch gleich die im Text erwähnten Sync- und Start/Stop-Helferlein enthalten könnte).

  5. Profilbild
    Tim

    Super Artikel!! Vielen Dank! Bin selber großer Vermona Eurorack Verfechter… und dann kommt da wieder so ein neuer Kandidat um die Ecke… Frechheit :D:D

  6. Profilbild
    liquid orange AHU

    Danke für den tollen Artikel. Nicht nur dass er sehr präzise das Modul beschreibt, er ist auch wirklich sehr gut geschrieben!
    Nachdem ich schon megahappy mit dem randomRHYTHM von Vermona bin, ist der meloDICER ein absolutes MUSS. Ich liebe es Zufälliges zu starten und dann in diese Kreationen hinein zu improvisieren.

  7. Profilbild
    Lewis

    Wenn’s hier nicht schon zig mal stehen würde, würde ich sagen: Sehr informativ und toll geschrieben!

  8. Profilbild
    Synthie-Fire AHU

    Mhm, falls jemand ein Desktopgerät sucht das auch Zufalls- Melodien ausgibt unter bestimmten Rahmenbedingungen,kann ich noch das Synthimuse empfehlen…das ist glaub bei vielen in Vergessenheit geraten….

    Hier noch ein Clip von mir zu dem Gerät:

    https://youtu.be/LYYRj8z4q4E

    Gerüchtemässig hätte wohl auch mal eine Eurorackversion kommen sollen…

    • Profilbild
      Florian Anwander RED

      @Synthie-Fire Danke für den Hinweis! Ich hatte zwar mal über die Synhtimuse gelesen, aber dann war sie mir wieder aus dem Hirn verschwunden. Im Moment ist das gute Stück ja nicht lieferbar. Weist Du ob Garry Murray vorhat, nochmals eine Serie aufzulegen?

  9. Profilbild
    Tiberio

    Hab mir den zweiten gerade geholt. Jetzt kann ich sie gegenlaufen lassen für Technomusik. Ich liebe es, zufällige Sequenzen zu erstellen. Hammateil!!! Auch der Random Rythm einfach nur super…

  10. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Schade das keine shuffle Funktion implementiert wurde. Oder habe ich da was übersehen?
    In der Anleitung stand nichts und in den Videos klingt das auch alles sehr straight.

    • Profilbild
      Florian Anwander RED

      Shuffle oder Swing gibts tatsächlich nicht. Würde der Melodicer auf externen 16tel-Clock reagieren, könnte man ja das externe Clocksignal shufflen.

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