Oldschool Hall für Future-Sound
Ein Klassiker – und das gleich im doppelten Sinne. Denn der Vermona ReTubeVerb ist nicht nur eine Vollröhrenversion des klassischen Spiralfeder-Halleffektes, sondern auch schon die zweite Inkarnation von Vermona.
Vermona ging aus dem alten VEB Klingenthal hervor, nachdem drei der ehemaligen Mitarbeiter sich entschieden hatten, nach der Wende diese Traditionsmarke nicht einfach untergehen zu lassen. Die erste Version des ReTubeVerb, die noch RetroVerb (siehe AMAZONA.de-Test) hieß, stammt aus dem Jahr 2005. Nun schreiben wir 2017 und die neue Version, die seit 2012 erhältlich ist, hat sich als beständig beliebt herausgestellt und das nicht trotz, sondern gerade wegen der Eigenarten des Federhalls.
Eigentlich böte sich hier ja an, eine kleine Geschichte des Federhalls einzuschieben, da sie aber eben nicht so klein ist, verweise ich auf das demnächst erscheinende Special. Dieses widmet sich ausführlich diesem Thema und ergründet u.a., was das Ganze mit Öldruckkolben zu tun hat.
Im Hier und Jetzt
Die meisten Gitarristen werden wohl schon einmal mit solch einem Hall in Berührung gekommen sein. Ja, ein Federhall steht sogar ikonisch für einen mit Gitarren verknüpfte Räumlichkeit. Denn sogar extrem „günstige“ 12 W Transistoramps beherbergen mitunter so einen Hall. Der Vermona ReTubeVerb ist allerdings für ein weitaus größeres Spektrum ausgelegt. Alleine der Preis von 925 Euro, für den man einen kompletten Vollröhrenverstärker mit Federhall bekommen kann, deutet darauf hin.
Alles in den Schnittstellen
Und so beginnen wir von außen und arbeiten uns langsam vor. Das erste wichtige Merkmal sind die symmetrischen XLR-Eingänge, die mit Übertragern auf die richtige Impedanz für den Röhrenschaltkreis gebracht werden.
Ein Blick auf die Platine, auf der der eigentliche Schaltkreis aufgebaut ist, bestätigt dann auch, dass die komplette Signalführung mit Röhren realisiert ist – lediglich die Heizungsspannung wird von einem integrierten Spannungsregler vorgenommen (7815).
Aber auch unsymmetrische Eingänge im Klinkenformat sind vorhanden. Dazu gesellen sich noch zwei Klinkenanschlüsse für Fußtaster: für Bypass und Effekt-Stop. Diese beiden kann man auch an der Frontseite des 19-Zoll-tauglichen Geräts mittels eines Kippschalters aktivieren. Für das ReTubeVerb werden die Rackwinkel mitgeliefert.
Bereits hier kann man erkennen, dass der Vermona ReTubeVerb ein Hybrid ist, der sich sowohl für den Studioeinsatz als auch für Live eignet, denn praktischerweise ist der unsymmetrische Eingang auf der Frontseite noch einmal herausgeführt. Man kann also den Reverb-Weg komplett umgehen und nur die Vorverstärkerschaltung nutzen und hat damit einen Röhrenvorverstärker.
Den meisten Platz auf der Frontplatte nimmt der ebenfalls deaktivierbare EQ ein. Bässe, Mitten und Höhen setzen bei 60 Hz, 700 Hz und 6,5 kHz an. Da man von einem Federhall sowieso kein Top-End erwarten kann, ist auch die Höhenfrequenz ausreichend gewählt. In der Praxis hat sich gezeigt, dass vor allem die Höhen den Charakter bestimmen, während den Bässen bei vielen Signalen Einhalt geboten werden muss, da sich immer sehr stark durchkommen. Als letztes Bedienelement finden sich noch der Output-Gain und der Mix-Regler, der auf 12 Uhr einen 50/50 Mix anbietet.
Ein Federhall ist ein Federhall ist ein …
Bei dem Reverb-Tank handelt es sich um einen Type 9 Hall-Tank mit drei Doppelfedern vom Marktführer Accutronis. Genaugenommen um einen Typ 9 AB2C1B – bitte was? Aufgeschlüsselt bedeutet das (von der Website www.accutronis.com):
- A Input Impedance: 10 Ohm
- B Output Impedance: 2575 Ohm
- 2 Decay Time: Medium (1,75 – 3 sec)
- C Input insulated, output grounded
- 1 No Lock
- B horiz. open side down
Von direktem akustischem Interesse ist hier die Decay-Time. Mit ca. 3 Sekunden Nachhallzeit ist der ReTubeVerb schon recht plakativ und kann bei aufgedrehten Höhen nach noch „länger klingen“. Dämpft man die Höhen und auch die Bässe, so lässt sich die Nachhallzeit gefühlt verkürzen. Die Wirkung des EQs bezieht sich aber ausschließlich auf das Hallsignal – im Effekt-Stop-Modus, in dem das Signal zwar durch die Röhrenstufe läuft, aber kein Anteil zum Reverb-Tank, bleibt er wirkungslos.
Man sollte sich aber keinerlei Illusionen hergeben – die Eigenschaft eines Federhalls ist nun einmal, dass es ein wenig scheppert. Es wird hier eben auch kein Multi-FX Studiohallgerät beworben – das muss so!
Kling Feder – kling!
Die konsequente Umsetzung des Signalwegs als Röhrenschaltung, mit einem beinahe absurd großem Ausgangsübertrager (der eher nach Netzteil aussieht) bringt eben auch diesen authentischen Klang vergangener Tage. Der Einsatz beschränkt sich bei Weitem nicht auf natürliche und elektrische Instrumente, sondern kann auch bei elektronischen Klangquellen erstaunliche Lebendigkeit erzeugen (wenn man denn diese Unterteilung überhaupt vornehmen möchte). Für einen Federhall erzeugt der ReTubeVerb eine wirklich erstaunlich dichte Hallfahne – schickt man die gleich noch mal durch das Gerät, wird‘s richtig lecker.
Bei einem Mix sollte der Vermona ReTubeVerb auch durchaus im Bus liegen und ein wenig Saxophon und Gitarre, ein wenig mehr Trompete und vielleicht noch ein bisschen mehr Snare vertragen.
Das optisch sehr ansprechende „Magische Band“ gibt auch für das Auge eine aussagekräftige Rückkopplung über das Eingangssignal. Durch die hohe Aussteuerbarkeit kommt auch der natürliche Begleiter einer Röhre, das thermische Rauschen durch.
Im direkten Vergleich eines Signals, das über True Bypass bzw. Effekt-Stop läuft, kann man deutlich den Einfluss der Röhrenschaltung hören (sehr plakativ im Audiobeispiel: True Bypass vs. Effect Stop). Bei etwa gleich ausgesteuertem Lautstärkeverhältnis bekommt das Signal deutlich mehr Obertöne und neigt zur leichten Kompression, die vor allem abhängig vom Bassanteil des Eingangssignals ist, wie man gut im Beispiel hören kann.
Da das Signal direkt in die erste Röhrenstufe eingekoppelt wird und erst danach den Gain-Regler passiert, muss man beachten, dass insbesondere basslastige Signale mit Impulscharakter (sprich z.B. Bassdrum) die erste Stufe schnell zur Übersteuerung bringen. Da das Effektgerät ja im vollen Klangspektrum arbeiten soll, wurde auf ein entsprechend hochangesetztes High-Pass-Filter vor der ersten Stufe verzichtet – entsprechend bassempfindlich ist es deswegen auch. Abhilfe schafft hier herunterfahren des Eingangssignals oder die Betätigung des 20 dB Pad-Schalters, was am Ende dann in etwas mehr Rauschen resultiert.
Ein schöner Bericht. Ich nenne das RetubeVerb auch seit letztem Jahr mein Eigen und nutze es vorrangig in der Produktion elektronischer Musik. Ich finde es verleiht einem analogen Leadsound das gewisse Etwas.
Die Info den Effekt-Sound ein 2. mal durchs Gerät zu schicken ist super. Darauf bin ich überhaupt noch nicht gekommen. Werde ich auch mal probieren.
Der Preis ist natürlich heiß für einen Mono-Federhall, auch, wenn das Drumherum sehr schön ist, mit Röhre und so — will man den Spaß in Stereo, liegt man in Bereichen, wo die großen Klassiker wie AKG BX-10/15/20/25E, Swissecho, Great British Spring, Master Room oder Sound Workshop in greifbare Nähe rücken bzw. schon überholt worden sind. Dafür brauchen die Vintagegeräte u. U. erstmal eine gründliche Überholung, um wieder zu Höchstform auflaufen zu können — und es dauert mitunter Ewigkeiten, bis man mal einen der Klassiker zum Verkauf findet.
Das muß man also positiv sehen.
Hier hat sich ein Fehler eingeschlichen.
Die Firma heißt selbstverständlich accutronics und deren Website ist erreichbar unter
http://www.....everb.com/
Dank an Cuda für die Info…
Also mich kann das einfach nicht befruchten. Bei dem Preis und dem was da hinten raus kommt muss ich sagen fehlt mir der Bezug zum Federball.
Man muss schon ziemlich verrückt sein wenn man das Teil braucht.
Aber ein sehr schöner Artikel!
Mein Tipp, ich hab mal aus einer alten Orgel den Federhall rausgebaut. Gut die Orgel war dann im Eimer aber der Hall aus der Feder klingt an der Klampfe wirklich super und war kostenlos! Also einfach olle Orgel in ebay Kleinanzeigen und für wenig Geld Orgel ruinieren mit Lötkolben und neuem Gehäuse keine Geld Probleme.
Hallo amazonam,
oder einen Verstärker der Vermona Regent Reihe. Zu finden bei ebay. Was halt auch geht einfach eine Federhallspirale in den Auxweg einschleifen. Wobei klanglich wird keine Variante an dieses Gerät herankommen. Aber LoFi so als Klangfarbe hat auch Charme
Jo, Federhall hal(l)t, Gut klingend, aber auch immer ein bissken speziell. Muss man schon oft brauchen, damit er sich bezahlt macht.
Guter Test.
Ich für meinen Teil habe viel übrig für Federhalls, und was ich hier höre, gefällt mir sehr gut. Leider sprengt der Preis meinen Rahmen für Effektgeräte ziemlich drastisch, da muß ich leider passen. Ich habe im Netz verschiedentlich über Federhall-Selbstbauten gelesen, und denke, daß ich da mal selbst Hand anlegen werde, kann ja nicht so schwierig sein. Was die Röhren betrifft, nunja, schlag mich bitte nicht, aber meine eigenen Erfahrungen damit sind eher durchwachsen. Die Wärme kann man hören, aber die Preiszuschläge für die Dinger kann ich nicht ganz nachvollziehen.
Für Vocals jedenfalls koimplett unbrauchbar.