ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Test: Vermona ReTubeVerb, Federhall mit Röhre

Oldschool Hall für Future-Sound

28. Juni 2017

Ein Klassiker – und das gleich im doppelten Sinne. Denn der Vermona ReTubeVerb ist nicht nur eine Vollröhrenversion des klassischen Spiralfeder-Halleffektes, sondern auch schon die zweite Inkarnation von Vermona.

ANZEIGE

Vermona ging aus dem alten VEB Klingenthal hervor, nachdem drei der ehemaligen Mitarbeiter sich entschieden hatten, nach der Wende diese Traditionsmarke nicht einfach untergehen zu lassen. Die erste Version des ReTubeVerb, die noch RetroVerb (siehe AMAZONA.de-Test) hieß, stammt aus dem Jahr 2005. Nun schreiben wir 2017 und die neue Version, die seit 2012 erhältlich ist, hat sich als beständig beliebt herausgestellt und das nicht trotz, sondern gerade wegen der Eigenarten des Federhalls.

Fett, fetter, am fettesten - der Ausgangsübertrager.

Fett, fetter, am fettesten – der Ausgangsübertrager

Eigentlich böte sich hier ja an, eine kleine Geschichte des Federhalls einzuschieben, da sie aber eben nicht so klein ist, verweise ich auf das demnächst erscheinende Special. Dieses widmet sich ausführlich diesem Thema und ergründet u.a., was das Ganze mit Öldruckkolben zu tun hat.

Im Hier und Jetzt

Die meisten Gitarristen werden wohl schon einmal mit solch einem Hall in Berührung gekommen sein. Ja, ein Federhall steht sogar ikonisch für einen mit Gitarren verknüpfte Räumlichkeit. Denn sogar extrem „günstige“ 12 W Transistoramps beherbergen mitunter so einen Hall. Der Vermona ReTubeVerb ist allerdings für ein weitaus größeres Spektrum ausgelegt. Alleine der Preis von 925 Euro, für den man einen kompletten Vollröhrenverstärker mit Federhall bekommen kann, deutet darauf hin.

Die Ein- und Ausgaenge sind gekoppelt - der kann auch kreuzweise.

Die Ein- und Ausgänge sind gekoppelt – der kann auch kreuzweise

Alles in den Schnittstellen

Und so beginnen wir von außen und arbeiten uns langsam vor. Das erste wichtige Merkmal sind die symmetrischen XLR-Eingänge, die mit Übertragern auf die richtige Impedanz für den Röhrenschaltkreis gebracht werden.

Nur handverdrahtet ist mehr vintage.

Nur handverdrahtet ist mehr Vintage

Ein Blick auf die Platine, auf der der eigentliche Schaltkreis aufgebaut ist, bestätigt dann auch, dass die komplette Signalführung mit Röhren realisiert ist – lediglich die Heizungsspannung wird von einem integrierten Spannungsregler vorgenommen (7815).

Aber auch unsymmetrische Eingänge im Klinkenformat sind vorhanden. Dazu gesellen sich noch zwei Klinkenanschlüsse für Fußtaster: für Bypass und Effekt-Stop. Diese beiden kann man auch an der Frontseite des 19-Zoll-tauglichen Geräts mittels eines Kippschalters aktivieren. Für das ReTubeVerb werden die Rackwinkel mitgeliefert.

Effekt Stop und Bypass koennen auch ueber Fussschalter bedient werden

Effekt-Stop und Bypass können auch über Fußschalter bedient werden

Bereits hier kann man erkennen, dass der Vermona ReTubeVerb ein Hybrid ist, der sich sowohl für den Studioeinsatz als auch für Live eignet, denn praktischerweise ist der unsymmetrische Eingang auf der Frontseite noch einmal herausgeführt. Man kann also den Reverb-Weg komplett umgehen und nur die Vorverstärkerschaltung nutzen und hat damit einen Röhrenvorverstärker.

ANZEIGE
Auch bei den Roehren wurde nicht gespaart, zwei mal TAD-ECC83 und ein mal JJ-ECC81.

Auch bei den Röhren wurde nicht gespart: zwei mal TAD-ECC83 und ein mal JJ-ECC81

Den meisten Platz auf der Frontplatte nimmt der ebenfalls deaktivierbare EQ ein. Bässe, Mitten und Höhen setzen bei 60 Hz, 700 Hz und 6,5 kHz an. Da man von einem Federhall sowieso kein Top-End erwarten kann, ist auch die Höhenfrequenz ausreichend gewählt. In der Praxis hat sich gezeigt, dass vor allem die Höhen den Charakter bestimmen, während den Bässen bei vielen Signalen Einhalt geboten werden muss, da sich immer sehr stark durchkommen. Als letztes Bedienelement finden sich noch der Output-Gain und der Mix-Regler, der auf 12 Uhr einen 50/50 Mix anbietet.

Ein Federhall ist ein Federhall ist ein …

Bei dem Reverb-Tank handelt es sich um einen Type 9 Hall-Tank mit drei Doppelfedern vom Marktführer Accutronis. Genaugenommen um einen Typ 9 AB2C1B – bitte was? Aufgeschlüsselt bedeutet das (von der Website www.accutronis.com):

Die Reverbeinheit ist vom Platzhirsch Accutronics.

Die Reverb-Einheit ist vom Platzhirsch Accutronis

  • A Input Impedance: 10 Ohm
  • B Output Impedance: 2575 Ohm
  • 2 Decay Time: Medium (1,75 – 3 sec)
  • C Input insulated, output grounded
  • 1 No Lock
  • B horiz. open side down

Von direktem akustischem Interesse ist hier die Decay-Time. Mit ca. 3 Sekunden Nachhallzeit ist der ReTubeVerb schon recht plakativ und kann bei aufgedrehten Höhen nach noch „länger klingen“. Dämpft man die Höhen und auch die Bässe, so lässt sich die Nachhallzeit gefühlt verkürzen. Die Wirkung des EQs bezieht sich aber ausschließlich auf das Hallsignal – im Effekt-Stop-Modus, in dem das Signal zwar durch die Röhrenstufe läuft, aber kein Anteil zum Reverb-Tank, bleibt er wirkungslos.

Der EQ ist ausschliesslich für das verhallte Signal.JPG

Der EQ ist ausschließlich für das verhallte Signal

Man sollte sich aber keinerlei Illusionen hergeben – die Eigenschaft eines Federhalls ist nun einmal, dass es ein wenig scheppert. Es wird hier eben auch kein Multi-FX  Studiohallgerät beworben – das muss so!

Kling Feder – kling!

Die konsequente Umsetzung des Signalwegs als Röhrenschaltung, mit einem beinahe absurd großem Ausgangsübertrager (der eher nach Netzteil aussieht) bringt eben auch diesen authentischen Klang vergangener Tage. Der Einsatz beschränkt sich bei Weitem nicht auf natürliche und elektrische Instrumente, sondern kann auch bei elektronischen Klangquellen erstaunliche Lebendigkeit erzeugen (wenn man denn diese Unterteilung überhaupt vornehmen möchte). Für einen Federhall erzeugt der ReTubeVerb eine wirklich erstaunlich dichte Hallfahne – schickt man die gleich noch mal durch das Gerät, wird‘s richtig lecker.

Ein Magisches Band erlaubt die optische Kontrolle der Aussteuerung.

Ein „Magisches Band“ erlaubt die optische Kontrolle der Aussteuerung

Bei einem Mix sollte der Vermona ReTubeVerb auch durchaus im Bus liegen und ein wenig Saxophon und Gitarre, ein wenig mehr Trompete und vielleicht noch ein bisschen mehr Snare vertragen.

Das optisch sehr ansprechende „Magische Band“ gibt auch für das Auge eine aussagekräftige Rückkopplung über das Eingangssignal. Durch die hohe Aussteuerbarkeit kommt auch der natürliche Begleiter einer Röhre, das thermische Rauschen durch.

EFF STOP laesst die Röhrenvorstufe aktiv - praktisch ein PreAmp.

EFF STOP läßt die Röhrenvorstufe aktiv – praktisch ein Vorverstärker

Im direkten Vergleich eines Signals, das über True Bypass bzw. Effekt-Stop läuft, kann man deutlich den Einfluss der Röhrenschaltung hören (sehr plakativ im Audiobeispiel: ). Bei etwa gleich ausgesteuertem Lautstärkeverhältnis bekommt das Signal deutlich mehr Obertöne und neigt zur leichten Kompression, die vor allem abhängig vom Bassanteil des Eingangssignals ist, wie man gut im Beispiel hören kann.

Der XLR-Ausgang ist trafosymmetriert.

Der XLR-Ausgang ist trafosymmetriert

Da das Signal direkt in die erste Röhrenstufe eingekoppelt wird und erst danach den Gain-Regler passiert, muss man beachten, dass insbesondere basslastige Signale mit Impulscharakter (sprich z.B. Bassdrum) die erste Stufe schnell zur Übersteuerung bringen. Da das Effektgerät ja im vollen Klangspektrum arbeiten soll, wurde auf ein entsprechend hochangesetztes High-Pass-Filter vor der ersten Stufe verzichtet – entsprechend bassempfindlich ist es deswegen auch. Abhilfe schafft hier herunterfahren des Eingangssignals oder die Betätigung des 20 dB Pad-Schalters, was am Ende dann in etwas mehr Rauschen resultiert.

ANZEIGE
Fazit

Der Vermona ReTubeVerb ist die modernste Version eines seit Jahrzehnten verwendeten Effektes, der ganze Genre geprägt hat. Die konsequente Umsetzung mit Übertragern und Röhrenschaltung ist im besten Sinne kompromisslos und so kann man eben auch alle schönen Klangfärbungen einer Röhre, von subtil bis brachial bei hoher Ansteuerung nutzen. Das Gerät beherbergt dabei nicht nur einen Tank, es ist auch gebaut wie ein Panzer.

Vor einer Sache ist zu warnen, die jedoch sehr beliebt ist bei Federhallgeräten, nämlich das Erzeugen von Dub-typischen Scheppergeräusche durch gewaltsame Einwirkung, sprich schlagen auf das Gehäuse. Denn die Röhren sind extrem empfindlich gegen solche physikalische Einwirkungen und könnten so leicht den Dienst quittieren. Andere Effektgeräte (z.B. der Vermona Retroverb Lancet) haben dafür einen eigenen „Crash“-Schalter, der eigens für die bekannte Schepperei zuständig ist.

Die Abdeckung ist aus einem dünnen Blech, das keine großen Lasten zu tragen vermag und ungeeignet ist, ein Top-Teil zu stemmen. Ansonsten ist das knapp 8 kg schwere Gehäuse absolut Road-tauglich. Bei diesem Gewicht empfiehlt sich der Einbau ganz unten im Rack. Trotz dreier Röhren ist die Wärmeentwicklung so moderat, dass man keinen Lüftungsspalt über dem 2 HE Rack einplanen muss. Auch nach mehreren Stunden Betrieb wird der Bereich über den Röhren höchstens handwarm.

Sicherlich – der ReTubeVerb ist absolut kein Multieffekt und auch der Hallklang ist eben sehr prägnant und nur in Nuancen verstellbar über den EQ. Deswegen wird er wohl eher genretypisch eingesetzt werden, aber jeder, der einmal „das volle Röhrenpaket“ genießen möchte, sollte sich den aktuellen Klassiker einmal näher anhören.

Zudem gibt es Konkurrenz vor allem aus dem eigenem Hause – denn mit dem Vermona DSR-3 gibt es für knapp 100 Euro weniger eine Stereoausführung mit sehr vergleichbaren Eigenschaften, jedoch ohne Röhren. Der Lancet peilt mit seinen vielen Effekten eine anderes Einsatzgebiet an, beherbergt aber auch einen echten Federhall (der mit dem Crash-Schalter) und kostet rund die Hälfte. Für das True-Blue-Röhrenpaket gibt es in der Preisklasse allerdings nicht Kompromissloseres.

Plus

  • dichte Hallfahne
  • EQ-Bänder gut gewählt
  • auch als Preamp nutzbar
  • EFF STOP und Bypass per Fußschalter steuerbar
  • geringe Hitzeentwicklung
  • röhrenspezifische Klangeigenschaften
  • inkl. Rackwinkel

Minus

  • oberes Blech sehr dünn

Preis

  • Ladenpreis: 925,- Euro
ANZEIGE
Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    Loom9-Studio

    Ein schöner Bericht. Ich nenne das RetubeVerb auch seit letztem Jahr mein Eigen und nutze es vorrangig in der Produktion elektronischer Musik. Ich finde es verleiht einem analogen Leadsound das gewisse Etwas.
    Die Info den Effekt-Sound ein 2. mal durchs Gerät zu schicken ist super. Darauf bin ich überhaupt noch nicht gekommen. Werde ich auch mal probieren.

  2. Profilbild
    iggy_pop AHU

    Der Preis ist natürlich heiß für einen Mono-Federhall, auch, wenn das Drumherum sehr schön ist, mit Röhre und so — will man den Spaß in Stereo, liegt man in Bereichen, wo die großen Klassiker wie AKG BX-10/15/20/25E, Swissecho, Great British Spring, Master Room oder Sound Workshop in greifbare Nähe rücken bzw. schon überholt worden sind. Dafür brauchen die Vintagegeräte u. U. erstmal eine gründliche Überholung, um wieder zu Höchstform auflaufen zu können — und es dauert mitunter Ewigkeiten, bis man mal einen der Klassiker zum Verkauf findet.
    Das muß man also positiv sehen.

  3. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Also mich kann das einfach nicht befruchten. Bei dem Preis und dem was da hinten raus kommt muss ich sagen fehlt mir der Bezug zum Federball.
    Man muss schon ziemlich verrückt sein wenn man das Teil braucht.
    Aber ein sehr schöner Artikel!

    Mein Tipp, ich hab mal aus einer alten Orgel den Federhall rausgebaut. Gut die Orgel war dann im Eimer aber der Hall aus der Feder klingt an der Klampfe wirklich super und war kostenlos! Also einfach olle Orgel in ebay Kleinanzeigen und für wenig Geld Orgel ruinieren mit Lötkolben und neuem Gehäuse keine Geld Probleme.

    • Profilbild
      TobyB RED

      Hallo amazonam,

      oder einen Verstärker der Vermona Regent Reihe. Zu finden bei ebay. Was halt auch geht einfach eine Federhallspirale in den Auxweg einschleifen. Wobei klanglich wird keine Variante an dieses Gerät herankommen. Aber LoFi so als Klangfarbe hat auch Charme

  4. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Jo, Federhall hal(l)t, Gut klingend, aber auch immer ein bissken speziell. Muss man schon oft brauchen, damit er sich bezahlt macht.
    Guter Test.

  5. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Ich für meinen Teil habe viel übrig für Federhalls, und was ich hier höre, gefällt mir sehr gut. Leider sprengt der Preis meinen Rahmen für Effektgeräte ziemlich drastisch, da muß ich leider passen. Ich habe im Netz verschiedentlich über Federhall-Selbstbauten gelesen, und denke, daß ich da mal selbst Hand anlegen werde, kann ja nicht so schwierig sein. Was die Röhren betrifft, nunja, schlag mich bitte nicht, aber meine eigenen Erfahrungen damit sind eher durchwachsen. Die Wärme kann man hören, aber die Preiszuschläge für die Dinger kann ich nicht ganz nachvollziehen.

Kommentar erstellen

Die AMAZONA.de-Kommentarfunktion ist Ihr Forum, um sich persönlich zu den Inhalten der Artikel auszutauschen. Sich daraus ergebende Diskussionen sollten höflich und sachlich geführt werden. Politische Inhalte und Statements werden durch die Redaktion gelöscht.

Haben Sie eigene Erfahrungen mit einem Produkt gemacht, stellen Sie diese bitte über die Funktion Leser-Story erstellen ein. Für persönliche Nachrichten verwenden Sie bitte die Nachrichtenfunktion im Profil.

X
ANZEIGE X