Der Victory RK50H in der Praxis
Wie auch viele andere Amps der Vollröhren Lunchbox Klasse ist das Gehäuse des Victory RK50H komplett aus Metall gefertigt, um die Hitze, welche sich während des Betriebes bildet, gut ableiten zu können. Dies bedeutet aber auch, dass das Gehäuse während des Betriebes sehr heiß wird, was jedoch nicht wie bei einem Verstärker im Holzchassis die unmittelbar bevorstehende Zerstörung des Amps zu Folge haben wird. Es ist vielmehr ein Bestandteil der Kühlungskonstruktion, wie man sie auch bereits von der H&K Grandmeister Serie her kennt.
Um es direkt vorne weg zu sagen, die Klangregelung des Amps ist wahrlich auf Singlecoils im Fender-Style zurechtgeschnitten, ganz wie sie von RK propagiert wird. Wer latent harsch klingende Einspuler im Vintage Style sein Eigen nennt, wird von der Reduzierung über die Höhenblende begeistert sein, für den Großteil Humbucker-bestückter Instrumente ergibt die Höhenblende jedoch keinen echten Sinn.
Selbst bei den EMG-Pickups der Testgitarre war der Tone-Regler stets voll aufgedreht, da bereits auf 3 Uhr ein deutlich muffiger Klang einsetzte, der auf null gedreht einem kompletten Höhencut mit zugedrehtem Klangregler an der Gitarre plus Wah Wah Pedal auf Hackenanschlag gleichkam. Dies mag im ZZ TOP lastigen Texas Blues mit schrägen Anleihen durchaus seine Berechtigung finden, im „normalen“ Rockbereich findet diese Ausrichtung eher weniger Anklang. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der Amp für durchschnittlich höhenreiche Pickups faktisch über keine Klangregelung verfügt, was seine Flexibilität massiv einschränkt.
Überhaupt zeichnet der Victory RK50H für einen eher dumpfen Grundklang verantwortlich, was aber bei den Soundfiles durch das SM57 sehr schön kaschiert wird. Ich empfehle, den Amp vor Anschaffung intensiv mit seinem persönlichen Set-up auszuprobieren, ob man auch ohne Dreiband-Klangregelung seinen persönlichen Sound findet. Als kleiner Tipp, ein 7- bis 10-Band Graphic-EQ als Bodenpedal kann hier wahre Wunder bewirken!
Kommen wir zu der Effektabteilung des Verstärkers. Eine fest verbaute Tremolo-Einheit ist heutzutage eher selten anzutreffen, hinterlässt aber einen sehr guten Eindruck. Der Effekt ist weich ausgelegt und hinterlässt ein stark analoges Klangbild mit großem Vintage-Charme. Mit dem Digitalhall kann ich mich persönlich nicht so recht anfreunden. Es muss nicht immer eine Hallspirale sein, zumal sich in diesem Gehäuse wohl ohnehin kein Platz für die entsprechenden Federn finden lassen würde, aber der fein aufgelöste Hall passt so gar nicht zum eher rotzig gehaltenen Grundklang des Amps. Aber dies ist nur eine persönliche Einschätzung, die klangliche Qualität des Halls ist über jede Kritik erhaben.
Was hingegen verwundert, sind die immensen Gain-Reserven, die der Amp bietet. Schon im normalen Range lassen sich stattliche Lead-Passagen mit voll aufgedrehtem Gain erreichen, was bei aktiviertem Boost-Schalter nochmals an Kompression und Weichzeichnung zulegt. Wer jetzt allerdings einen echten Metal-Amp erwartet, sieht sich enttäuscht. Der fehlende Dreiband-EQ und auch die EL 84 Endbestückung lassen keinen echten Druck im Bassbereich aufkommen, wenngleich die Gain-Reserven dies zulassen würden.
Was aber sollte RK auch mit einem Metal-Amp. Auch wenn er von vielen Schreiberlingen immer noch gerne im Bereich Metal eingeordnet wird, könnte seine eigentliche musikalische Ausrichtung kaum weiter davon entfernt sein. Überhaupt ist mir selten ein Amp untergekommen, der so feinfühlig und speziell die spielerischen Fähigkeiten seines Namensgebers aufgreift, wissend, dass er an einem großen Teil seiner potenziellen Käuferschaft vorbei entwickelt wurde.