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Test: Vintage Reissued V100GT, E-Gitarre

Goldtop-Style für kleine Brieftaschen

16. Mai 2017

Wer heutzutage eine „gut durchgehangene“, originale Les Paul Gold Top von Gibson sein Eigen nennen möchte, der wird dafür ganz sicher tief in die Tasche greifen müssen. Die kräftig goldene Lackierung ist das Markenzeichen der ersten Serie von Gibsons Klassiker, die in den frühen Jahren von 1952 bis 1957 die Decken der Paulas schmückte. Heute ist die Gold Top längst wieder ein fester Bestandteil im Sortiment von Gibson, klar, allerdings zu einem Preis jenseits der 3000-Euro-Grenze und somit zwar erschwinglicher, als die Originalmodelle der 50er Jahre es sind, aber immer noch unerreichbar für viele Musiker mit eher überschaubaren Budget.

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Der Markt ist voller Kopien und auch die Firma Vintage, deren Inhaber der wohl allseits bekannte Pickup- und Hardware-Guru Trevor Wilkinson ist, bietet eine Goldtop-Paula zu einem sehr fairen Kurs an. Inklusive der P90-Style-Pickups, die auf eine Goldtop natürlich drauf gehören. Die Vintage Reissued V100GT stellt sich nun zu einem genauen Check bei uns vor.

Facts & Features

Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen in diesem Artikel eine der wohl gewichtigsten E-Gitarre in Les Paul Form präsentieren, denn die Vintage Reissued V100GT bringt stolze 4,6 kg auf die Waage! Ein Wert, der selbst das Original von Gibson um Längen schlägt und zugleich eine echte Herausforderung für einen mehrstündigen Gig darstellt. Das für den Korpus und den Hals verwendete Mahagoni scheint wohl nicht von der besten Qualität zu sein und noch eine große Menge Restfeuchte im Innern zu tragen. Anders ist ein solch hohes Gewicht kaum zu erklären, zumal die Hardware-Ausstattung nur aus einem Steg und einem Tailpiece besteht und nicht aus einem Floyd Rose Vibrato und dessen gewichtigen Anbauteilen etwa.

Erste Verarbeitungsmängel

Die goldene Lackierung wurde im Großen und Ganzen sauber aufgetragen, leichte Verarbeitungsmängel zeigen sich lediglich im Bereich des Griffbretts. Hier wurde vor dem Lackieren wohl nicht sorgfältig genug vorgegangen. Weiterhin sind beim Tasten mit den Fingern ein paar Unebenheiten in der Oberfläche des Holzes zu entdecken, das betrifft den Bereich zwischen dem Hals-Korpus-Übergang und dem Gurtpin sowie die Rückseite des Halses bzw. das Halsprofil. Spüren tut man aber davon beim Bespielen des schlanken Profils so gut wie nichts, gut anfühlen tut es sich trotzdem nicht. Dafür aber fühlt sich die lackierte Halsrückseite der Vintage Reissued V100GT gut bzw. schön griffig an und ändert ihre Form und Funktion auch bei einer schwitzigen Greifhand zu keiner Zeit.

— Leichte Verarbeitungsmängel am oberen Rand des Griffbretts —

Fast nichts zu bemängeln gibt es an der Bundierung unserer Vintage Reissued V100GT, sämtliche Bünde wurden sauber in das Palisandergriffbrett eingesetzt und an den Kanten abgerichtet. Beim genauen Betrachten zeigen sich allerdings Unebenheiten in der Höhe der Bundstäbchen, sodass man hier durchaus noch nacharbeiten könnte, um eine bequemere Saitenlage zu erzielen. Die war ab Werk bei unserem Testinstrument trotzdem befriedigend eingestellt und frei von Schnarren obendrein – was will man für 369,- Euro noch mehr erwarten?

Trapez-Inlays sorgen wie beim berühmten Vorbild für die Orientierung auf dem Griffbrett, auch wenn deren Qualität mit denen der Gibson Gitarren und deren anmutig strahlenden Abalone-Perlmutt-Inlays kaum mithalten kann. Aber hey, es sind immerhin Trapez-Inlays!

Die Hardware der Vintage Reissued V100GT 

Die stammt, wie kann es anders sein, aus dem Mutterhause von Trevor Wilkinson. Eine ToM-Bridge sowie ein Tailpiece, beide in Hochglanzchrom, sorgen für die Führung bzw. die Aufnahme der Saiten. Genau so und nicht anders, wie es auch an einer Gibson Les Paul der Fall ist. Am anderen Ende der Saiten stehen sechs Vintage-Mechaniken, also Typen mit nicht versiegeltem Gehäuse, zum Auffädeln bzw. Stimmen der Drähte bereit. Sie besitzen Flügel aus künstlich gealtertem Kunststoff, was aber hier eher irgendwie über das Ziel hinaus geschossen wirkt. Ihre Funktion ist dennoch zufriedenstellend für diese Preisklasse, dann und wann hakelt es zwar mal ein klein wenig beim Stimmen, aber im Großen und Ganzen kann man damit leben. Oder sich eben bei der nächst bietenden Gelegenheit ein paar Austauschmechaniken schenken lassen.

— Vertrautes Bild: ToM-Bridge und Tailpiece —

Die Pickups der Vintage Reissued V100GT 

Zwei Wilkinson P90-Style-Pickups an Steg- und Halsposition (Wilkinson Stacked Ceramic W90SK) sorgen für die elektrische Abnahme bei der Vintage Reissued V100GT. Geschaltet wird wie üblich bei einer Paula mit dem Dreiwegeschalter am oberen Zargen, dessen Qualität für diese Preisklasse vollkommen in Ordnung geht. Er wackelt zwar ganz leicht in seinem Sitz, rastet aber satt und sicher ein, wenn es darauf ankommt. Da hat man selbst bei höherpreisigen Modellen schon schlechter funktionierende Kandidaten erlebt.

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Das Gleiche gilt auch für die vier Potis, die allesamt spielfrei und nicht zu schwer auf ihren Achsen laufen. Die goldfarbenen Knöpfe passen natürlich optisch zu der golden lackierten Decke wie die Faust aufs Auge, ihre sehr glatten Oberflächen allerdings dürften so manchen Griff wohl ins Leere führen.

–Wilkinson Stacked Ceramic W90SK Tonabnehmer am Hals —

Auch bei den vier Reglern gibt es nichts Überraschendes, jeweils ein Pärchen für Ton und Lautstärke stehen für jeden der zwei Tonabnehmer bereit. Das wirkt sehr vertraut.

Zwischenzeugnis

Bis hierhin gibt die Vintage Reissued V100GT ein gutes Bild ab, auch wenn das hochglänzende Äußere beim genauen Hinschauen schon einige kleinere Mängel offenbart. Die sind aber nicht so gravierend, als dass man hier sofort Hand anlegen müsste oder vom Kauf abraten sollte. Wir haben es nun einmal mit einer Low-Budget-Gitarre zu tun und dafür steht das Instrument ganz gut im Futter. Betrifft das auch den Sound? Hören wir rein!

— Sackschwer: der Mahagonikorpus der Vintage Reissued V100GT —

Sound & Praxis mit der Vintage Reissued V100GT

Das hohe Gewicht der Gitarre stellt eine wahre Herausforderung dar. Am Gurt sowieso, aber auch auf dem Schoß sind die 4,6 kg zunächst nicht ganz einfach wegzustecken. Doch diese Masse hat tatsächlich klangliche Vorteile zu bieten, denn schon im trocken angespielten Zustand fällt das kräftige Sustain der Vintage Reissued V100GT prompt positiv auf – Akkorde stehen wunderbar lange und die Licks bekommen das nötige Fundament verpasst. Ansonsten ist Grundsound der Vollmahagonikonstruktion nicht sonderlich resonant und ebenso wenig ausgeglichen im abgegebenen Frequenzbild. Es überwiegt der Mittenbereich, was für einen durchsetzungsfähigen Gitarrensound ja nicht das Schlechteste ist.

Die Bespielbarkeit ist dank des für eine Paula-Kopie ungewöhnlich schlanken Halsprofils und trotz des durchschnittlichen Werkssettings unserer Testgitarre gut ausgefallen. Der Ton wird an jeder Stelle des Halses sauber intoniert, dafür sorgt auch die perfekt eingestellte Oktavreinheit unseres Testinstruments.

Die Wilkinson P90-Style-Pickups sehen in ihren cremefarbenen Gehäusen nicht nur charmant aus, sondern liefern auch einen durchaus brauchbaren Klang vom Blues bis hin zu allen Arten des Rock ’n‘ Rolls. Der sustainreiche Grundsound der Gitarre wird von ihnen gut aufgenommen und an den Verstärker weitergeleitet, allzu übertreiben sollte man es allerdings mit der Verzerrung am Amp nicht, denn schließlich haben wir es eigentlich ja mit Einspulern zu tun, die traditionell schon immer mit Nebengeräuschen zu kämpfen haben. Auch wenn der Hersteller den Pickups eine zweite Spule zur Brummunterdrückung spendiert hat, sind Sounds mit hoher Verzerrung stets vom berüchtigten 50-Hertz-Brummen begleitet. Mal mehr und mal weniger.

Für fette Blueslicks oder durchsetzungsfähige Riffs aber macht der Sound durch seine Wärme schon verdammt viel Spaß und selbst im Clean-Bereich geht den P90s dabei nur selten mal die Puste aus!

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Fazit

Trotz der kleineren Mängel in der Verarbeitung und ihrem hohen Gewicht kann man der Vintage Reissued V100GT nach Abschluss des Tests ein gutes Urteil ausstellen. Die Vollmahagoni-Konstruktion liefert zwar keine Spitzenwerte in Sachen Charakter und tonaler Entfaltung, drückt dafür aber ein fettes Sustain ab, was die recht ordentlich klingenden Wilkinson P90s gut in den angeschlossenen Amp bringen. Hinzu kommt die angenehme Bespielbarkeit des unerwartet schmalen Halses bzw. Halsprofils, bei einer Paula erwartet man da ja, und das vollkommen berechtigt, eher die Form eines Baseballschlägers. Für dieses kleine Geld können Fans von Goldtop-Paulas bei der Vintage Reissued V100GT in keinem Fall etwas falsch machen.

Plus

  • guter Klang
  • solide Pickups und Hardware
  • angenehm schlankes Halsprofil
  • schöne Optik
  • gutes Preis-Leistungs-Verhältnis

Minus

  • hier und da leichte Verarbeitungsmängel
  • extrem hohes Gewicht, einfach sackschwer

Preis

  • Ladenpreis: 369,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Die Firma Vintage baut Gitarren in einer ungewöhnlichen Qualität nach, so dass man gut auf das Original verzichten kann. Sie kosten alle um die 370€ und stellen eine wahre Alternative zum Original dar.

    Ich finde Vintage Gitarren sind ein echter Geheimtipp und sollten im Fachgeschäft immer mit in die Wahl genommen werden.

  2. Profilbild
    Fadermaster

    Ich besitze 5 Gitarren dieses Herstellers (4 E-Gitarren und 1 Akustikbass). Beineiner Tele habe ich Fender Custom Shop Pickups eingebaut, die Anderen sind weitestgehend original. Ich nehme damit ausschliesslich im Studio auf, denn live wären diese Gitarren nicht zu gebrauchen. Schlechte Stimmechaniken, mittelmässige Pickups und ab Werk meist fürchterlich eingestellt. Da haben Squier und Epihone inzwischen die Nase vorn. Man bekommt was man zahlt.

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