Russian Filter - Waldorf Pulse on Steroids
Der Waldorf Pulse wurde von Waldorf 1996 auf den Markt gebracht und ist ein monophoner Synthesizer in einem 19″-Rack mit 2 HE und der Waldorf-typischen Bedienmatrix dieser Zeit. Er verfügt über 3 Oszillatoren samt für Waldorf typischem Filter, einem Arpeggiator und 100 Patches mit 59 Presets, 40 User Presets und einem Random Patch. Dazu gesellen sich 2 LFOs, 2 ADSR-Hüllkurven, VCF, VCA und eine Modulationsmatrix mit 15 Quellen und Zielen. Wer mehr über den Synthesizer erfahren möchte, sei auf den Blue Box Report zum WALDORF PULSE von Peter Grandl verwiesen.
Polivoks-Filter Upgrade für den Waldorf Pulse
Alexander Guelfenburg von Virtual Music Vienna, der bereits dem neu aufgelegten Minimoog zu einem spannenden MIDI-Upgrade in Form einer zusätzlichen Platine verhalf, hat nun dem Waldorf Pulse eine spektakuläre Erweiterung spendiert. Durch den Einbau des „Russian Filter Boards“ kann der Waldorf Pulse um ein vom legendären Formanta Polivoks inspiriertes Filter erweitert werden.
Die 5 Filtervarianten des Russian Filter Upgrades
Nach dem erfolgreichem Einbau stehen dann insgesamt 5 Filtervarianten zur Verfügung – und zwar:
- 1: das klassische Pulse-Filter
- 2: das Russian-Tiefpass-Filter
- 3: das Russian-Bandpass-Filter
- 4: das Russian-Tiefpass-Filter + Filter-FM durch Oszillator 3
- 5: der Russian-Bandpass-Filter + Filter-FM durch Oszillator 3
Das aktive Filter kann durch Halten der Mode-Taste und entsprechend oft gedrückter Down-Taste angewählt werden. Welches Filter aktiv ist, erkennt man beim Einschalten des Pulse an den entsprechenden Durchläufen der LEDs der Mode-Anzeige, dieser Prozess kann auch im laufenden Betrieb abgerufen werden, falls man sich einmal unsicher ist.

Über die Anzahl der Durchläufe der 6 Status-LEDs beim Einschalten wird der gewählte Filtermodus angezeigt. Der Filtermodus kann jederzeit gewechselt werden.
Ansonsten ändert sich an der Bedienung des Pulse nichts. Das ausgewählte Filter wird global gespeichert und ist auch beim nächsten Einschalten aktiv.
Das Tuning des originalen Pulse-Filters kann weiter Software-seitig erfolgen. Das Russian Filter wird über 2 Potentiometer auf der Platine selbst Hardware-seitig an das Verhalten des Pulse Filters angepasst. Der Vorgang ist in der Anleitung beschrieben und wird mit ein paar Klangbeispielen auf Soundcloud unterstützt.
Lieferumfang und Einbau der Hardware
Im Päckchen befindet sich die Platine mit dem Filter mit zum Teil Bauteilen aus russischer Fertigung sowie das Verbindungskabel samt Bolzen und Muttern, um die Platine im Pulse montieren zu können. Der Einbau ist für des Lötens mächtige Zeitgenossen Routine, es müssen 2 Kondensatoren ausgelötet und eine Leiterbahn durchtrennt sowie das Verbindungskabel an 16 Punkten des Mainboards angelötet werden. Die Anleitung ist dabei ausführlich bebildert und geht auch auf die unterschiedlichen Revisionen des Pulse ein.
Für User, denen der Selbsteinbau zu heikel ist, bietet Virtual Music selbstverständlich auch einen Einbauservice an.
Formanta Polivoks – das Original
Wer jemals einen Polivoks unter den Fingern hatte, wird sich sicherlich an die grottige Tastatur und die riesigen schwammigen Potis erinnern – aber auch an den brachialen Sound des Filters und auch an sein spezielles Verhalten bei hohen Resonanzwerten – dieses plötzliche Wegbrechen ins Chaos, das dosiert eingesetzt eben den unverwechselbaren Charakter des Polivoks ausmacht. Wer sich mehr für das legendäre Original interessiert, dem sei mein Test auf AMAZONA.de ans Herz gelegt.
Der Klang des Russian-Filters
Das Russian Filter Board wertet den Sound des Pulse bereits in konservativen Einstellungen auf. Im Vergleich zum originalen Waldorf Pulse Filter ist der Sound angenehm angedickt. Schaltet man auf das Pulse Filter retour bemerkt man den Unterschied. Das Pulse Filter klingt steriler. Wenn man dann auf das Gaspedal drückt, geht es ab in Richtung Polivoks samt den bekannten und gewünschten Begleiterscheinungen. Das ganze ist so gut abgestimmt, das von dezent bis brachial alles machbar ist.
Mir persönlich hat der Klang des Filter-Upgrades jedenfalls sehr gut gefallen. Am besten ihr bildet euch dazu aber eine eigene Meinung und hört auch meine Klangbeispiele an, die ich am Ende des Tests hinzugefügt habe.
Auf jeden Fall wollte ich mehr über den Hintergrund dieses Projekts erfahren und habe Alexander Guelfenburg zu einem kleinen – Corona konformen – Interview eingeladen.
Interview mit Alexander Guelfenburg zum Russian Filter
AMAZONA.de:
Hallo Alexander, viele kennen dich als Synthesizer-Experten für Systeme wie PPG, Fairlight oder Elka Synthex. Das sind alles große und komplexe Instrumente. Wie kommt es, dass du ausgerechnet für den kleinen Waldorf Pulse ein neues Filter baust?
Alexander:
Bei den Arbeiten zu Iconic (aktuelles Album von Danger in Dream mit Robert Wittek) griffen wir in der Konzeptphase gerne zum Waldorf Pulse. Er ist ein hervorragender Lieferant für abgefahrene Sequenzen und mit einer mächtigen Modulationsmatrix ausgestattet. Doch sobald wir im Studio mit den ersten Aufnahmen begonnen haben, entschieden wir uns für andere Synthesizer. Der Pulse war uns im Kontext einfach zu clean. So reifte in mir der Wunsch, dem Pulse durch ein alternatives Filter einen neuen Charakter zu verleihen.
AMAZONA.de:
Und wie kommst du ausgerechnet auf das Filter des russischen Polivoks?
Alexander:
Die Idee kam bei einer Reparatur eines alten Polivoks Synthesizers. Mich hat sein Filter schon lange begeistert, es ist ungeheuer fett und fundamental anders als die üblichen Verdächtigen. Dieses Filter war mir ein geeigneter Kandidat für mein Vorhaben. Also entwickelte ich den Prototyp. Sämtliche Spannungen und Pegel habe ich an die Architektur des Pulses angepasst, sodass Cutoff und Resonance komplett über die Modulationsmatrix steuerbar sind. Das neue Filter gab dem Klang eine völlig neue Ästhetik. Ab Sommer 2016 war der modifizierte Pulse ein ständiger Begleiter bei unseren Iconic-Sessions. Er lieferte uns viele markante Sequenzen und inspirierende Klänge.
AMAZONA.de:
Und wie entstand dann aus dem Prototypen ein fertiges Produkt?
Alexander:
Das war eigentlich nie geplant. Der Schritt von Prototyp zum fertigen Produkt ist doch mit recht hohem Aufwand und Kosten verbunden. Aber ich bekam jahrelang Anfragen von befreundeten Musikern. Wer meinen modifizierten Pulse hörte, wollte das neue Filter unbedingt haben. Ich hatte jedoch kaum Ressourcen für ein weiteres Projekt. Neben meinem Service-Beruf war die Produktion vom MUSE voll im Gange und gleichzeitig arbeitete ich mit Robert intensiv an unserem Album. CoVid19 und die Lockdowns änderten alles. Ich hatte Zeit, mich dem Projekt „Russian Filter Board“ zu widmen. Zunächst spendierte ich dem Filter zusätzliche Funktionen, sodass man aus Tiefpass, Bandpass oder dem originalen Pulse Filter wählen kann. Zum schnellen Umschalten der Filter entwickelte ich ein praxistaugliches User-Interface. Nachdem ein kleiner Kreis die ersten Platinen gut angenommen hatte, ging ich Anfang 2021 offiziell auf den Markt. Die positive Resonanz ist enorm. Ich bin gespannt, was die Musikerinnen und Musiker damit alles machen werden.
AMAZONA.de:
Dein „Russian Filter“ kann jetzt auch Frequenzmodulation – was der Pulse nicht kann. Wie hast du das realisiert?
Alexander:
Das „Russian Filter“ kann Filter-FM, um es zu präzisieren. Der Oszillator 3 wird auf Bedarf von der Tonerzeugung herausgelöst und steuert dafür die Cutoff-Frequenz des Filters. Der Level definiert die Stärke der Modulation. Alle Parameter können mit der Modulationsmatrix beeinflusst werden. Das ist ein unheimlich starkes Tool für spektakuläre Klangeffekte. Ich liebe die Filter-FM speziell für Synth-Percussions. Der Pulse hat ja sehr knackige Hüllkurven. Da dieses Feature erst im Serienprodukt implementiert ist, konnten wir diese Sounds leider noch nicht bei der Iconic verwenden.
AMAZONA.de:
Dein Filter ist ja auch für den Pulse Plus geeignet.
Alexander:
Richtig. Interessant beim Pulse Plus ist, dass sich auch externe Signale über das Russian Filter einfärben lassen. Man kann damit Drums sättigen oder Flächen zerhacken und auffetten.
AMAZONA.de:
Dein „Russian Filter“ hat definitiv Charakter und das Polivoks Feeling ist bei mir sofort da.
Alexander:
Das freut mich sehr! Obwohl das Klonen des alten Polivoks ja nie mein Ziel war. Vielmehr wollte ich ein hervorragend klingendes Filter in einen genialen Synthie verbauen (lacht).
AMAZONA.de:
Das „Russian Filter“ ist ein Einbau-Kit. Wie kompliziert ist der Einbau?
Alexander:
Wer ein wenig Gespür für Technik hat und der bebilderten Anleitung folgt, wird den Einbau leicht finden. Man muss den Pulse zerlegen, ein paar Drähte anlöten, eine Leiterbahn durchtrennen und zwei Kondensatoren entfernen. Eigentlich keine Raketenwissenschaft. Da das Hantieren mit der Elektronik jedoch nicht jedermanns Sache ist, übernehme ich auf Wunsch den Einbau. Der Pulse ist ja klein und kann leicht nach Wien verschickt werden. Für Interessenten in Übersee vermittle ich gerne fähige Techniker-Kollegen, die sich lokal um den Einbau kümmern.
AMAZONA.de:
Du fertigst deine Produkte in Kleinserie in Wien. Woher kommt dein Faible für Boutique-Ware?
Alexander:
Ich habe einen hohen Qualitätsanspruch. Bei einer Modifikation ist der Klang das Wichtigste. Für den Signalpfad verwende ich ausgesuchte Komponenten, ich orientiere mich an der Bauweise der frühen 80er und an meinem Ohr. Der Kern besteht aus den originalen Verstärkern aus alten UDSSR-Beständen. Weiterhin schwöre ich auf Kohleschicht-Widerstände, die dem Sound eine samtige Räudigkeit verleihen. Die Signalpegel sind so ausgelegt, dass das Filter sauber klingen kann oder aber deftig sättigt, je nachdem wie hoch die Pegel der Oszillatoren sind. Ich favorisiere generell eine möglichst lokale Wertschöpfung. Die Platinen werden in Bayern produziert und in Wien von einem dreiköpfigen Team bestückt, programmiert und getestet. Das Filter hat einen hohen Anteil an Handarbeit und wir fertigen unter fairen arbeits-, umwelt- und lohntechnischen Bedingungen. Es freut mich deshalb besonders, dass wir das „Russian Filter“ dennoch zu einem guten Preis anbieten können.
AMAZONA.de:
Wie lange wirst du die „Russian Filter Boards“ bauen?
Alexander:
Das hängt von mehreren Faktoren ab. Erstens brauchen wir für den Bau zeitliche Ressourcen. Das ist neben meiner Service-Tätigkeit eine Herausforderung. Der Knackpunkt ist jedoch die Verfügbarkeit der alten russischen Bauteile. Sind sie vergriffen, müsste ich westliche Ersatztypen oder moderne Varianten verwenden. Das wäre ein Stilbruch und würde das Projekt gefährden. Ich habe mir Restbestände gesichert und so kann ich aus heutiger Sicht noch einige „Russian Filter Boards“ fertigen.
AMAZONA.de:
Na dann wünsche ich dir viel Erfolg mit dem „Russian Filter Board“
Alexander:
Herzlichen Dank!
Aber es ist und bleibt ein „Polivoks Filter“ richtig? Die „Russian“ Bezeichnung finde ich – naja. Nicht das morgen der deutsche Tiefpass kommt. Davon abgesehen, nettes Hardware Upgrade.
@rio Das hat vielleicht etwas mit Namensrechten zu tun. Derartige Bezeichnungen sind nicht unüblich, in Serum gibt es ja auch ein „German LP“ Filter, wobei ich bis heute nicht herausgefunden habe, was das genau sein soll. Das Projekt ist aber großartig, tolle Idee und gut umgesetzt.
Tolle Soundbeispiele. :)
Die Soundbeispiele sind super, musikalisch und man hört das Filter schön raus. Insgesamt ein schönes Produkt das den Pulse ordentlich aufwertet.
@Emmbot Danke für die Blumen :), der Pulse mit dem Russian Filter ist eine wahre Fundgrube an schönen gut schraubbaren Sounds. Der ist bei mir jetzt immer im Basic-Setup, vor allem für Sequenzen.
Mensch, die Filtererweiterung hatte ich völlig aus den Augen verloren … Danke fürs Erinnern und den tollen Test mit aussagekräftigen Soundbeispielen. Muss wieder weg .. Bestellung aufgeben. :)
Ich hab jetzt das grosse dilemma ob ich einen Pulse mit diesem filter aufrueste und mich damit von dem traum des Polypulse etwas weiter entferne.
Weiss hier eigentlich jemand was mit dem PULSCar projekt von Stereoping passiert ist? Da wurde ja der Pulse um ein OSCar Filter ergaenzt.
Ich habe den Filter (und den pulse plus) jetzt seit 2 Monaten und bin sehr happy mit dem Sound. Bei mir default auf polivoks LP. Viel natürlich für Bässe und leads aber auch weichere arpeggios gewinnen ungemein.
Bedienung über Elektra One controller und über das M4l Pulse device in Kombination mit einem Mackie C4 (habe dafür jetzt ein midi remote script für ableton)
Danke für den Beitrag und die Hörbeispiele, ich hatte bisher nichts davon gehört.
.. und ich hab meinen Pulse vor einem Jahr verkauft… Mist!
@Tyrell Mich hat der Klang so überzeugt, das ich mich bereits erfolgreich am Gebrauchtmarkt umgesehen habe…
@Tyrell Ich hatte meinen Pulse auch schon versucht zu verkaufen. Und dann kam die Ankündigung von Alexander. Aber es gibt ja immer mal wieder gebrauchte Pulse.
Ich habe seit Januar hier diesen alternativen Filter in meinem Pulse drin (https://till-kopper.de/pulse.html). Der Einbau übernahm für mich ein lötbegabter Kumpel in wenigen Kilometern Entfernung. Ich bin absolut begeistert meinem davor eigentlich nur ungenutzt rumstehenden Pulse so eine neue Aufgabe zukommen zu lassen. Der Klang ist, das hört man sehr gut an den gut gemachten Klangbeispielen dieses Tests, einfach sehr musikalisch erweitert worden. Und man hat ja jederzeit wieder seinen original Pulse Klang. Aber nur wenn man den wirklich dann noch will ;-)
Meinem Pulse habe ich dann auch noch den Stereoping Programmer gleich dazu bestellt. Nun habe ich Knöpfe und den so schönen neuen alten Filterklang.
Mein Pulse2 ist, so glaube ich, sehr neidisch geworden.
Schöner Testbericht und wirklich gute Klangbeispiele (auch musikalisch schöner als viele andere).
Ohne die Einbauanleitung studiert zu haben: Wenn es heißt einen Trace durchtrennen – oh no! Bestimmt (meine Semi-Informierter-Idee) kann man entweder an dem einem oder dem anderem Ende dieser Verbindung ein Beinchen abheben oder ähnliches? Warum den Trace trennen? Dergleichen ist wirklich eklig (nein, kein Xacto macht das gut) und irreversibel (ok, reversibel mit Bridge etc.).
Wirklich reversibel ist sonst nur das Cap-Auslöten. Gut, an meiner HW ist auch ansonst nicht rumgebastelt.
Ihr könnt den Preis für den Selbsteinbau auf 260,-EUR nach oben hin korrigieren.
Die verlangen für dieses kleine Päckchen 26,-EUR für den Versand von Österreich nach Deutschland!!!
Wollen wir doch bitte die Kirche im Dorf lassen!
HPF und BPF für meinen Waldi. Ich liebe es! Der Pulse ist noch immer mein wichtigster Synth und darf in keinem Setup fehlen.