Sofakissen mit Stereosound
Lange genug hat es ja gedauert und man musste bei VOX wohl einfach handeln, denn die Konkurrenz zog wohl so langsam davon. Doch von nun an gibt es auch von VOX einen Verstärker mit Bluetooth, sein Name: Adio Air GT. Was auf den ersten Blick so wirkt wie eine Mischung aus einem Kofferradio und einem Sofakissen von Omas Couch, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein enorm großzügig ausgestatteter Gitarrenverstärker mit einer Leistung von immerhin 50 Watt. Doch die Bluetooth-Funktionalität ist dabei nur ein kleiner Teil der vielen Möglichkeiten, mit der uns der VOX Adio Air GT das Üben und Jammen versüßen soll. Mal schauen, ob der neueste Sprössling aus dem Hause VOX mehr als nur ein nettes Spielzeug ist.
Facts & Features
Mit den Maßen von 360 x 165 x 163 mm und einem Gewicht von knapp 3 kg hinkt der Vergleich zwischen dem Adio Air GT und einem Kopfkissen bzw. Kofferradio der 70er Jahre wirklich nur bedingt. Keine Ahnung, was den Ingenieuren bei VOX da durch den Kopf gegangen ist, in jedem Fall aber überzeugt das Kunststoffgehäuse des in Vietnam hergestellten Verstärkers mit einer makellosen Verarbeitung bis in die kleinsten Ecken. Bevor wir uns sämtliche Bedienelemente und Anschlüsse auf der Oberseite anschauen, wandert unser Blick zunächst auf die Rück- und die Unterseite des Amps. Hier gibt es zwar nicht vieles, aber dennoch einiges Wichtige zu entdecken. Denn für Straßenmusiker beispielsweise könnte der Adio Air GT durch die Möglichkeit des Batteriebetriebs in die engere Auswahl rutschen, das Batteriefach auf der Rückseite nimmt acht Saftspender des Typs AA auf und soll damit den Verstärker bis zu acht Stunden unabhängig vom Stromnetz machen.
Ein Netzteil wird aber natürlich mitgeliefert und das findet ebenso hier an der Rückwand seinen Anschluss wie auch ein USB-Port und eine 3,5-mm-Klinkenbuchse zur Aufnahme eines AUX-Signals. Der Klang des AUX-Signals (und ebenso der vom empfangenen Bluetooth-Signal) kann sogar grob eingestellt werden. Dazu bietet die Elektronik des Adio Air GT vier Presets an. Doch zu all dem kommen wir nun.
Oberseite/Bedienpanel des VOX Adio Air GT
Auf der Oberseite kann man wahrlich aus dem Vollen schöpfen, denn mit bis zu 11 direkt anwählbaren Verstärkermodellen, zwei komplett bestückten Effektblöcken und einer Dreiband-Klangregelung lässt sich schon eine Menge anstellen. Die Anzahl der Verstärkermodelle und der Effekte ist zudem erweiterbar, so kann mithilfe der Tone Room Software auf bis zu 23 Verstärkertypen und weitere Effekte vielseitiger Art zugegriffen werden. Diese Software arbeitet mit dem Adio Air GT wahlweise per Bluetooth oder aber per USB-Anschluss zusammen und steht für Mac, PC, iOS und Android auf der Website des Herstellers zum Download bereit. Hier ein Überblick über die Verstärkermodelle des Adio Air GT:
1. DELUXE CL Emulation des Vibratokanals eines 22W-Blackface aus den Sixties, der dank 6V6 Endstufenröhren und einem röhrenbasierten Federhall trotz zivilisierter Ausgangsleistung einen fetten Sound erzeugte.
2. AC30 Emulation des „Normal“ Kanals des VOX AC30. Der klare Höhenbereich des Celestion Alnico „Blue“ Lautsprechers sowie der reichhaltige Mittelbereich bieten einen sauberen Klang.
3. BTQ CL (BOUTIQUE CL) Emulation des Clean-Kanals eines Howard Dumble Overdrive Special. Dank vollem, rundem Bass, exakter und schneller Ansprache im Mittenbereich und brillanten Höhen besonders für Singlecoil-Tonabnehmer geeignet.
4. AC30TB Dieses Modell beruht auf einem AC30 mit Top Boost Schaltung, die ab 1964 serienmäßig eingebaut wurde.
5. BTQ OD (BOUTIQUE OD) Simulation des Overdrive-Kanals des Dumble Overdrive Special.
6. TEXAS LEAD Kombination eines Fender Blackface mit der Emulation eines Ibanez TS9.
7. BRIT 1959 Emulation des High-Treble Kanals eines Marshall PLEXI.
8. BRIT 800 Emulation eines Marshall JCM 800.
9. BRIT VERB Dieses Modell beruht auf einem 100 Watt Orange Röhrentop.
10. DOUBLE REC Emulation des High-Gain-Kanals eines modernen Metal-Amps.
11. FLAT Emulation eines Amps mit Dreiband-Klangregelung für einen reinen, sauberen Sound. Mit Treble, Middle und Bass auf mittlerer Position erzeugt der Vorverstärker einen linearen Frequenzgang.
Die Anzahl der Effekte, unterteilt in zwei Blöcke, kann sich ebenfalls sehen lassen. FX1 übernimmt dabei die Modulationseffekte Chorus, Flanger, Phaser und Tremolo, wo hingegen sich FX2 um die Echotypen Analog Delay und Wide Delay sowie die beiden Hallräume Spring und Hall kümmert. Zur Bestimmung LFO-Frequenz der Modulationseffekte sowie der Verzögerungsdauer der Echos steht ein TAP-Taster bereit. Der sorgt bei längerem Drücken zudem für die Aktivierung des eingebauten Stimmgeräts.
Um den Stereoklang der Effekte in ihrer Breite noch zu erweitern, empfiehlt sich ein Druck auf den Schalter mit der Bezeichnung „Wide“. Auch diesem Schalter kommt eine Doppelfunktion zu, sorgt er doch für das Einstellen des Noisegates und der EQ-Presets für das am AUX-In und USB-Port anliegende Signal. Sämtliche Effekte sind, wie auch die Verstärkermodelle, mittels der Tone Room Software im Detail editierbar. Zum Abspeichern der selbst erstellten Sounds stehen acht Speicherplätze zur Verfügung, die über entsprechende Schalter auf dem Panel ausgewählt werden können.
Bleibt abschließend noch die „Mix-Sektion“ zu erwähnen, bestehend aus den Reglern „Audio“ und „Instruments“. Hier kann das Mischverhältnis zwischen der Gitarre und dem Sound des Playbacks angeglichen werden.
Die Auswahl ist recht ordentlich und die Qualität der verbauten Regler und Schalter steht dem in nichts nach. So sind die zehn verbauten Regler keineswegs auf der Platine des Amps montiert, wie man es bei Geräten dieser Preisklasse und aus fernöstlicher Herkunft vielleicht vermuten könnte. Sie wurden mittels Sechskantmuttern fest mit dem Gehäuse verschraubt, laufen absolut spielfrei auf ihren Achsen und besitzen zudem einen angenehmen Drehwiderstand.
Zwischenzeugnis
Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht so wirkt – der VOX Adio Air GT präsentiert sich im ersten Check-up als ein ausgewachsener Gitarrenverstärker. Die Ausstattung mit jeder Menge Amp-Simulationen, den reichhaltigen Effekten und den Anschlussmöglichkeiten könnte ihn zum perfekten Sparringpartner zum Üben, Jammen, Musikhören oder alles gleichzeitig machen. Ob und wie er diese Aufgaben erfüllen kann, erfahren wir nun im Praxischeck.
Sound & Praxis mit dem VOX Adio Air GT
Alles kann er zwar nicht erfüllen, aber der VOX Adio Air GT kann schon eine ganze Menge! Die Verstärkersimulationen klingen zwar nicht immer nach dem, was sie vorgeben, aber dennoch sind unter den angebotenen Modellen ein paar wirkliche gute Simulationen am Start. Und das gilt nicht nur für die Sounds mit hoher Verzerrung, sondern auch für die nur leicht angezerrten Presets, denen man eine gute Dynamik nicht absprechen kann. Hinzu kommen die Effekte, die natürlich enorm vom Stereosound des Verstärkers profitieren. Somit sind schwebende Chorus- oder Flangersounds oder Ping-Pong-Delays überhaupt kein Problem und machen das Üben direkt vor dem Abstrahlwinkel der Lautsprecher zu einem echten Erlebnis.
Auch der Betrieb des VOX Adio Air GT als „Jukebox“ imponiert. Im Handumdrehen ist eine Bluetooth-Verbindung hergestellt und der reine Hi-Fi-Klang der kleinen Kiste klingt erstaunlich erwachsen. Das bezieht sich auch auf die Lautstärke, die zwar für den Proberaum nicht ausreichen dürfte, für Sessions oder beim Musikhören auf Partys aber vollkommen genügen sollte. Die 50-Watt-Stereoendstufe gibt sich zwar redlich Mühe, die zwei 3″ Lautsprecher und das kleine Gehäuse setzen hier aber natürlich Grenzen. Dafür aber bietet das Stereosystem des Adio Air GT genügend „Headroom“, um das Gitarrensignal sauber neben dem empfangenen AUX-Signal abzubilden. Die beiden entsprechenden Regler („Instruments“ und „Audio“) ermöglichen ein sauberes Einpegeln beider Quellen.
Hören wir rein in den Sound des VOX Adio Air GT. Für die Klangbeispiele wurde der Verstärker per USB an den Computer angeschlossen. Das verlief sogar ohne Installation eines zusätzlichen Treibers, zumindest auf dem Mac. Eingespielt wurden die Tracks mit einer Music Man Silhouette Special mit verschiedenen Pickup-Konfigurationen.
Klangbeispiel 1 zeigt das Amp-Modell Texas Lead, dem etwas Hall zugemischt wurde.
In Klangbeispiel 2 nun das Amp-Modell Deluxe Clean mit zugefügtem Chorus.
Klangbeispiel 3 zeigt den Klang des VOX Evergreen AC30. Dazu gibt es den Sound des Effekts „Analog Echo“.
Wir kommen zu den Zerrsounds. Klangbeispiel Nummer 4 die Emulation eines Marshall JCM 800, im VOX Adio Air GT als Brit 800 bezeichnet. Dazu wurde der Effekt „Wide Delay“ gewählt. Die Zerre befindet sich auf ca. 50 % des Möglichen innerhalb dieses Presets.
Abschließend in Klangbeispiel 5 das „heißeste“ der Preamp-Modelle, den VOX als Double Rec bezeichnet und der den Klang der US-Highgain-Boliden im Stil eines Boogie Rectifier nachbilden soll. Kann er das? Er kann? Zum Preampsound wurde wieder das „Wide Delay“ hinzugefügt, der Stereosound der kleinen Kiste kann echt beeindrucken!
Habe das Teil heute beim Musikaliendealer meines Vertrauens gecheckt: Recht beeindruckender Klang… eigentlich genau die Features, die ich will… aber (subjektiv) echt nicht gerade eine optische Schönheit!!!
Muss noch überlegen ob ich pragmatisch genug für den ADIO bin.Warum gibt’s den nicht in einem Look, der wenigstens entfernt nach Amp aussieht?! *seufz*
@Marcador Gell, der Sound ist cool ;)
Vielleicht hat das ja der Designer erschaffen, der auch die neuen Modern Flying Vs gemacht hat? Hahaha