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Test: VOX Big Ben Overdrive

VOX Big Ben

15. November 2007

Wie allseits bekannt teilt sich seit ewigen Zeiten die Musikerzunft in den Bereich Transistor und Röhre. Was für den Einen eine unverhandelbare Konstante seines Sounds ist, lässt beim Nächsten nur ein mitleidiges Lächeln über die Wangen gleiten. Insbesondere im Bodenpedalbereich, welcher traditionell vom Halbleiter dominiert wird, tauchen immer wieder Vertreter der Vakuumfläschchen auf und sorgen für interessierte Mienen. Obwohl die klassische Röhre im Signalweg des Verstärkers bei nahezu allen Arten von Rock und Metal ja geradezu zwingend vorgeschrieben ist, bleibt Selbige im Pedalbereich nach wie vor eher die Ausnahme.

Umso mehr freut es den interessierten Künstler, wenn eine ganze Serie von Röhrenpedalen vorgestellt wird, in diesem Fall die Cooltron Serie des britischen Traditionsunternehmens VOX. Ich habe mir den Big Ben Overdrive in einem echten Roadtest zur Brust genommen, Selbiger wurde bei der gerade abgeschlossenen DOMAIN Tournee sowohl klanglich als auch verarbeitungstechnisch auf Herz und Nieren geprüft.

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Front

Front

Konstruktion

Im Allgemeinen soll ein Overdrive Bodenpedal eine übersteuerte Röhre simulieren, hier gibt es nichts zu simulieren, es handelt sich tatsächlich um eine Röhre, welche übersteuert wird.
Der Big Ben kommt in einem stabilen, verspiegelten Gehäuse daher, welches optisch einen ansprechenden Eindruck hinterlässt. Die Anschlussmöglichkeiten bzgl. des Signalweges sind an der Stirnseite mit den Standards Input, Output und Netzanschluss vorhanden. Ein True-Bypass nimmt das Gerät aus dem Signalweg im ausgeschalteten Zustand. Drei Chickenhead-Regler, deren Einstellung auch aus einiger Entfernung noch gut zu erkennen sind, regeln die Bereiche Volume, Tone und Gain, eine kleine rote LED informiert über On/Off Zustand des Gerätes. 4 Gummifüße geben dem überraschend leichten Gerät ausreichend Halt. Über eine Klappe an der Unterseite kann man bei Bedarf 4 Mignon Batterien (!) (AA, R6) einlegen mit dem man das Pedal bis zu 16 Stunden betreiben kann.

Besonderheiten

Besagte Cooltron-Technik ist eine neue Verwendungsart für Vorverstärker-Röhren, welche mit niedriger Spannung betrieben werden. In besagter Serie kommen eine 12AU7 als Röhre zum Einsatz. Röhren werden normalerweise bei hohen Spannungen verwendet, welches eigentlich ihren Einsatz in batteriebetriebenen Geräten wie Gitarreneffektpedalen ausschließt. Historisch wurden immer wieder Versuche unternommen, Röhren mit niedrigen Spannungen zu betrieben, was zuweilen als "Verarmen" bezeichnet wurde. Leider zeigte sich, dass solche Schaltkreise große Probleme mit den richtigen Röhrenfunktionen haben. Eines dieser Probleme besteht darin, die richtige Vorspannung für einen ordnungsgemäßen Betriebszustand der Röhre zu gewährleisten. Ein anderes Problem ist, dass die erforderliche Heizspannung zu hoch ist, um angemessene Batterielebensdauer zu erzielen.

Die Cooltron-Schaltung arbeitet prinzipiell mit zwei speziellen Kreisen. Um die erforderliche Vorspannungsfunktion zu erzielen, wird eine Originalschaltung benutzt, welche die richtigen Parameter zwischen Anode der Röhre und dem Gitter erzeugt. Dieser Servo-Schaltkreis ersetzt die normalen Netzwerke mit gemeinsamen Kathodenwiderstand, die normalerweise verwendet würden… Obwohl es nicht die gleiche Schaltung ist, wird diese Servo-Theorie häufig bei High-End Röhren-HiFi eingesetzt, um kontrollierte, stabile Parameter zu schaffen.

Die Heizelemente sind mit einer speziellen Betriebsstromversorgung ausgestattet, die niedrige Spannung und niedrige Stromversorgung zu den Heizelementen in der Röhre liefert. Da die Röhrenschaltung mit Servo-Vorspannung die richtigen Betriebsbedingungen für die Röhre bietet, arbeitet die Röhre jetzt so wie bei einer höheren Spannung – mit anderen Worten, die Signalausschläge können linear betrieben werden, es werden symmetrische Clipping-
Bedingungen erzielt, und dies mit den richtigen Harmonie- und Verzerrungsbedingungen, auch bei Betrieb von B+ mit nur 6 Volt. Da die Röhre jetzt mit einem derartig verringerten
Versorgungsstrom arbeitet, ist der Anodenstrom um ein Vielfaches niedriger als normal. Das bedeutet, dass der erforderliche Wärmebetrag an der Anode zur Erzielung ausreichender Anodenstromemission ebenfalls viel geringer ist, daher werden die Heizkreise auf deutlich niedrigerem Niveau betrieben.

Side

Side

Praxis

Mit Einschalten des Pedals nimmt eine kräftige blaue Leuchte neben der Röhre ihren Betrieb auf und strahlt durch die sieben Abwärmeschlitze des Gerätes, so lässt sich auch vom Publikum aus erkennen welche Firma auf der Bühne zum Einsatz kommt. Klanglich ohne Funktion, informiert diese Leuchte ausschließlich über die gelieferte Betriebsspannung. Bei Aktivierung des Gerätes ist aufgrund des True-Bypass ein kurzzeitiger Dropout zu vernehmen, nicht eklatant, aber hörbar.

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Zunächst sollte man sich vor Augen führen dass der Big Ben auch sehr gut als Booster benutzt werden kann. Bei neutraler Toneregler-Einstellung und moderatem Gain kann man sehr schön eingangsresistente Amps ordentlich anblasen und auch eher leistungsschwachen Pickups den nötigen Output verpassen. Vor dem cleanen Kanal geschaltet kann man dann mit zunehmenden Gain die gesamte klangliche Overdrive-Palette von äußerst dezentem Blues-Crunch bis zum beißenden Classic Rock Tone generieren. Dabei klingt der Big Ben immer sehr offen, niemals knödelig und er lässt zudem den Frequenzbereich nahezu unangetastet. Ich für meinen Geschmack habe mich immer sehr über die Bass- und Höhenbeschneidung der Klassiker wie TS9 o.ä. geärgert, aber das ist Geschmackssache. Auch das typische „Röhren-Kratzen“ ist vorhanden und passt sich der persönlichen Spielweise 1:1 an, der berüchtigte „Gleichmacher-Effekt“ mit Hang zum Muffeln, gerade der preiswerteren Halbleiter-Konkurrenz ist hier niemals auszumachen.

In meinem Setup kommt der Big Ben als dritter, respektive vierter Kanal zum Einsatz. Bei richtiger Einstellung macht er aus einem Zweikanaler-Amp durch den zusätzlichen Gain einen Vierkanaler, vorausgesetzt die Settings an Pedal und Amp werden entsprechend angeglichen. Er leistet genau das Quentchen Gain, welches gerade den Protagonisten der britischen Crunch-Elite a la Marshall, Orange oder auch VOX selber den singenden Ton verleiht, welcher manchmal mit den bordeigenen Gain Reglern verwehrt bleibt. Dabei bleibt er jedoch stets britisch hart und gleitet nie in die „amerikanisch-weiche Sahne-Abteilung“ ab. Ich selber weiß aus eigener Erfahrung wie gerne man sich im stillen Kämmerlein in Zimmerlautstärke dem wohlwollenden „Easy-Going-Gain“ der Westküste hingibt um dann auf der Bühne festzustellen dass man sich trotz immenser Bühnenlautstärke selber nicht mehr hört und der Kollege nebenan mit seinem britischen Knochen selbst im größten Soundinferno immer noch korrekt zu lokalisieren ist.

 

Fazit

Seit der Einführung des H&K Tubeman vor ca. 2 Dekaden bin ich ein Freund von Röhrenpedalen, insbesondere Overdrive-Pedalen. Der Big Ben bietet in dieser Riege ein klangliches Highlight, welches insbesondere vor einen lauten Vollröhren-Head geschaltet, die Herzen höher schlagen lässt. Aber Vorsicht, bevor ihr den Big Ben benutzt, arbeitet an eurem Selbstbewusstsein, der Drecksack gibt aufgrund seiner britischen Prägung jede spieltechnische Unsauberkeit ohne jede Schönfärberei in vollem Umfang wieder. Ehe man sich versieht, sitzt man jammernd in der Ecke und hat das Gefühl man wäre die größte Wurst unter der Sonne! ;-)

Plus

+ Sound
+ Verarbeitung
+ Röhrenschaltung

UVP: 268,- €

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