Nachfolger mit genialem Wavetable-Editor
Mit dem W. A. Production Babylon 2 Wavetable.Software-Synthesizer bringt die Software-Firma aus Prag den Nachfolger zum „One-Page“ Wavetable-Synthesizer Babylon heraus. Gleich vorweg: Dieser Design-Philosophie ist der Nachfolger treu geblieben, so dass auch hier alles auf einer Seite dargestellt wird. Allerdings werden einige Funktionen hinter auswählbaren Teilbereichen versteckt.
Inhaltsverzeichnis
W. A. Production Babylon 2 Wavetable-Software-Synthesizer
Installation und Preset-Verwaltung
Erhältlich für macOS ab Version 10.13 und Windows 8, lässt sich der W. A. Production Babylon 2 Wavetable-Software-Synthesizer in den Formaten VST2, VST3, AAX, AU und als Standalone-Applikation installieren. Nach der Installation wird einmalig der Account abgefragt, der zwingend angelegt werden muss.
Die Preset-Verwaltung gestaltet sich rudimentär, da die Struktur lediglich der Ordnerstruktur auf dem Dateisystem des Rechners entspricht. Es gibt keine Suche, Schlagwörter oder Kategorien und Favoriten. Praktisch ist zumindest, dass in der linken Seitenleiste die Preset-Ordner oben dargestellt und alle enthaltenen Presets darunter angezeigt werden.
Was jedoch nicht funktioniert, ist das Aufrufen von Presetes des Vorgängers. Eine direkte Kompatibilität oder ein Import sind nicht vorgesehen – das könnte Nutzer der älteren Version von einem Upgrade abhalten.
Die Oberfläche von Babylon 2
Die Oberfläche präsentiert sich in einem flachen, „modernen“ Design, wobei die Hauptfarbe der Steuerungselemente frei gewählt werden kann, auch kann die Hintergrundfarbe von Schwarz zu Hellblau oder Weiß geändert werden.
Die Akzentfarben können dagegen nicht manuell verstellt werden. Zu der farblichen Gestaltung gesellt sich die Größeneinstellung von 100 % bis 160 % – kleinere Darstellungen sind nicht möglich. Für eine Nutzung auf 4k-Bildschirmen ist der W. A. Production Babylon 2 Wavetable Synthesizer also bestens geeignet. Optional kann auch die Preset-Leiste ausgeblendet werden, um einen Fokus auf das Editieren zu legen. Falls mal etwas daneben gegangen ist, gibt es eine mehrstufige Undo-Funktion, das ist eine gute Sache.
Ich finde die Oberfläche nicht besonders gelungen, da durch die gleichmäßige Darstellung der Elemente, die im Dark-Mode lediglich von schwachen Rahmen umfasst sind, das Auge keinen richtigen Halt findet und ständig wandert. So kommt mir das Arbeiten mit dem Babylon 2 Software-Synthesizer nach einiger Zeit etwas anstrengend vor. Die Akzentfarben sind zudem rar gesät und ein großes Manko ist die statische Natur des GUI.
Werden nämlich Modulationen über die Modualtions-Matrix genutzt, die immerhin acht Zuweisungen beherbergen kann, so bleiben die Auswirkungen dem Ohr vorbehalten. Es gibt keine animierte Visualisierung, z. B. der Wavetables oder eines modulierten Filter-Cutoffs. Ich finde das aber bei komplexen Software-Synthesizern, zu dem der W. A. Production Babylon 2 Software-Synthesizer durchaus zählt, immens wichtig. Zumindest gibt es eine statische Visualisierung, die die Stärke der Modulation anzeigt. Diese ist interessanterweise skaliert, so dass z. B. bei einer Cutoff-Modualtion logarithmische Verhältnisse herrschen. Das bedeutet, je mehr der Cutoff aufgedreht ist, desto mehr wird er auch von der Modulationsquelle beeinflusst.
Dabei bleiben sowohl die Modulationsquellen als auch -ziele recht überschaubar. Die Parameter der Effektsektion können z. B. nicht moduliert werden, was das Synthesepotential vermindert. Allerdings können die Effekte Distortion, LoFi, Filter, Phaser, Chorus, Delay, EQ und Reverb einzeln aktiviert und auf dem GUI von Babylon 2 in ihrer Reihenfolge verschoben werden. Die Effekte habe alle eine ordentliche Qualität, jedoch wird der Reverb vielleicht nicht den höchsten Ansprüchen gerecht. In manchen Einstellungen klingt er doch etwas arg bröselig und scheppernd.
Der Kern von Babylon 2: Wavetable-Oszillatoren
Der W. A. Production Babylon 2 Wavetable-Software-Synthesizer bietet zwei vollständige Wavetable-Oszillatoren mit drei verschiedenen Betriebsarten und einen eigenenständigen Noise-Generator. Ein dritter Oszillator läuft nur in der sogenannten Single-Betriebsart. Die Betriebsarten Single, Multi und Quad sind eng mit dem Editor „W-Lab“ verknüpft, der eine genaue Bearbeitung erlaubt. Single ist naturgemäß der einfachste Modus. Hier kann zunächst aus einer beachtlichen Anzahl an Schwingungsformen ausgewählt werden.
Im Multimodus werden dann ganze Wavetable-Verläufe ausgewählt, die aus bis zu 24 Tables bestehen können, zwischen denen selbstverständlich interpoliert wird. Es ist aber auch möglich, so einen Verlauf aus einzelnen Wavetables zusammenzusetzen. Wünschenswert wäre hier die Möglichkeit, eine erste und eine letzte Wavetable im W. A. Production Babylon 2 festzulegen, der dann alle Zwischenschwingungsformen selbst generiert. Allerdings ist das nicht möglich.
Wird die Betriebsart von Single auf Multi gewechselt, so muss zunächst über „W-LAB“ der Editor aufgerufen werden, der dann unterhalb des üblichen Fensters erscheint. Angenommen, die Augangsschwingungsform war ein Sinus, dann wird ein Klick auf „+“ einen weiteren Sinus erzeugen. Dieser kann dann aber in der Editor-Ansicht nach Belieben verbogen, gedreht und gespiegelt werden. Die Interploation zwischen zwei benachbarten Schwingungsformen scheint lediglich ein Überblenden durch Lautstärke zu sein.
Was hier schnell für interessante Wavetables sorgt, ist die Fähigkeit von Babylon 2, den ursprünglichen Schwingungsverlauf anhand einer zweiten Funktion zu verbiegen. Von linearen bis zu beliebig komplexen polynomen Verläufen geht hier alles, was auch beim Editieren der Ausgangsform funktioniert. Die Ergebnisse können kopiert und in weitere Felder eingefügt werden – so können Wavetables Stück für Stück erstellt werden. Das Ergebnis kann dann als Quelle für den Oszillator gespeichert werden und steht danach im Drop-down-Menü regulär zur Verfügung. Der Editor ist sicherlich das Highlight des neuen W. A. Production Babylon 2 Wavetable Software-Synthesizer und verleitet zu klanglich chirurgisch präziser Vorgehensweise.
Wem das zu viel Arbeit ist, der hat auch die Möglichkeit, WAV-Dateien zu importieren. Dabei können sowohl Single- als auch Multicycle-Schwingungsformen importiert werden. Leider schweigt sich die englischsprachige PDF-Anleitung über das genaue Format der zu importierenden WAV-Dateien aus, so dass hier Experimentieren angesagt ist.
Insgesamt ist die Anleitung eher eine Ansammlung von Stichpunkten zu den einzelnen Funktonen von Babylon 2 und kommt leider etwas lieblos daher. Wichtige Details werden oft nicht genannt oder nicht ausführlich beschrieben.
Als letzte Option für die Oszillatoren bleibt dann der Quad-Modus, der schnell interessante Verläufe generiert – und das ohne viel Aufwand. Hier werden einfach vier Schwingungsformen ausgewählt, zwischen denen dann ein Mischungsverhältnis mit dem „Pos X“- und „Pos Y“-Reglern eingestellt wird. Mich erinnert das sehr an die Vektor-Synthese von alten Yamaha Synthesizern wie SY35 oder der Korg Wavestation, Ursprung dieser Innavation war der Sequential Prophet VS.
Weitere Eigenschaften
Ich hatte bereits die Matrix angesprochen. Die Auswahl der Quellen ist stark begrenzt und beinhaltet u. a. die beiden synchronisierbaren LFOs und die vier Hüllkurvengeneratoren. Ein kleiner Test ergab, dass Aftertouch als Modulationsquelle in der Lage ist, das Filter und andere Ziele polyphon zu steuern, was dem Ausdruck sehr zugute kommt. Eine echte MPE-Unterstüzung wird aber nicht geboten.
Auch bei den Filtermodellen hat W. A. Production Babylon 2 deutlich zugelegt und bietet jetzt Dutzende verschiedene Filtertypen, bei denen manche schon einen eingebauten Overdrive besitzen. Das betrifft vor allem die Filtermodelle RMG A, B und C, die jeweils in mehrere LP-, BP- und HP-Typen unterteilt sind. Leider gibt es aber nur dieses eine Filter – hier bieten Mitbewerber häufig zwei Filter an, die zudem seriell und parallel verschaltet werden können.
Schon beim Vorgänger vom W. A. Production Babylon 2 Wavetable-Synthesizer gab es die Option, Mictrotunings zu verwenden. Diese werden in XML-Dateien hinterlegt, aber es gibt leider keinen Support für das MTS-Tuning System von ODDSOUND, das die Handhabung von Microtuning wesentlich vereinfacht.
Der Arpeggiator sieht auf den ersten Blick simpel aus, leistet aber gute Dienste, da er eben auch rhythmische Muster sowie Velocity mit ins Spiel bringt. Kombiniert mit der Option, jede Note auch eine Oktave nach oben oder unten zu transponieren, ist hier gerade für Technoides eine schöne Spielwiese. Erstellte Arpeggios können natürlich abgespeichert werden. Im Modus Poly mutiert er zu einer Trance-Gate-Funktion, bei der immer noch der Urpsrungsakkord hoch oder runter oktaviert werden kann. Auch eine Random-Generatorfunktion ist enthalten. Von Vorteil wäre aber, die Arpeggios sperren zu können, wenn das Preset gewechselt wird.
Klang
Der W. A. Production Babylon 2 Wavetable-Software-Synthesizer klingt solide. Auch außergewöhnliche Klänge können ihm entlockt werden, dennoch verorte ich ihn eher in die Rubrik von Brot und Butter Wavetable-Synthesizer, was per se nichts Schlechtes ist. Sein hervorstechendstes Merkmal ist der Wave-Editor, mit dem die Wavetables präzise edititert oder von Grund auf kreiert werden können. Toll wäre hier eine Exportmöglichkeit gewesen, um diese auch in anderen Applikationen nutzen zu können.
Mein größtes Problem beim Editieren des Babylon 2 Wavetable-Synthesizers war tatsächlich das fehlende Feedback über das GUI, das ich mittlerweile bei vielen Software-Synthesizern gesehen habe und somit beinahe schon gewohnt bin. Das mögen andere aber anders beurteilen und vielleicht sogar bevorzugen. Außerdem wirkt das GUI so flach und uninspiriert, ich wünsche mir beinahe eine fotorealistische Oberfläche – aber nur beinahe.
Update 2.1
Kurz nach dem Test wurde ein Update veröffentlicht, das einige Verbesserungen enthält und auch den Kritikpunkt, dass Babylon V1 Presets nicht geladen werden können, beseitigt. Folgende Punkte wurden verbessert:
- Überarbeitete Werks-Presets und Erweiterung der Bibliothek um 1500+ neue Presets
- Neu: Import von Babylon v1-Presets*
- Neu: Fast Mode für schärfere Filtermodulation
- Fehlerbehebung: Free-Run-Modus für Oszillatoren
- Fehlerbehebung: Mono-Modus für LFOs
- Fehlerbehebung: Env 3- und 4-Kurvenformen werden nicht gespeichert
- Optimierung von Speichern und Laden
- Benutzeroberfläche: Mehr Optionen für den Preset-Browser
- Kleinere Korrekturen und Verbesserungen
*Aufgrund struktureller Änderungen in Babylon 2 könnten einige v1-Presets leicht anders klingen.
Alternativen
Auch eher im Bereich der klassischen Wavetable-Synthesizer zu verorten ist der Waves Codex Wavetable-Synthesizer. Dieser ist aber deutlich günstiger als Babylon 2.
Natürlich darf auch Waldorf bei den Alternativen nicht fehlen. Hier gibt es neben dem Plug-in zum Klassiker PPG Wave mit Nave noch eine weitere Alternative. Das GUI sieht beim Nave deutlich moderner und übersichtlicher aus.
Und zum Schluss muss natürlich das gerade erschienene Plug-in zum Waldorf Microwave 1 genannt werden.
Neben den teureren Waldorf Synthesizern gibt es auch noch einen interessanten deutlich günstigeren Kandidaten, den Initial Audio Sektor Wavetable-Synthesizer. Dieser preisgünstige Synthesizer besitzt ebenfalls einen Editor zum Erstellen eigener Wavetables und Schwingungsformen.
Also der Klang laut den Soundbeispielen gefällt mir sehr gut! Solche Klänge habe ich spätestens seit der NI Absynth nicht mehr auf neueren Systemen funktioniert, keine mehr im Repertoire. Mir sagt allerdings die Firma W.A. Productions nix und da bin ich doch irgendwie Markentreu bzw. wie man bei uns im Allgäu sagt: „Was der Bauer nicht kennt, dass fri**t er nicht!“ Ein Klischee was auf mich zutrifft! Sollten hier noch einige Updates erscheinen (wovon ich ausgehe), ist dieser Softwaresynthesizer sicherlich eine Überlegung wert. Stärkster Mitbewerber dürfte ggf. der Waldorf Microwave Softwaresynthesizer sein. Dieser kostet 50€ mehr und hat den Ruf eines sicheren Hafen. Vielleicht sollte ich mein Klischee mal ablegen. 😂
@Filterpad „…seit der NI Absynth nicht mehr auf neueren Systemen funktioniert…“
Läuft bei mir in Cubase 14 Pro.
Mit jBridge läuft da auch noch ein unersetzbares VST1-PlugIn.
Nur, weil Steinberg und NI sagen, daß sie VST2 bzw Absynth nichtmehr unterstützen, heißt das nicht, daß man das nichtmehr nehmen kann…
@mort76 Danke für den Hinweis. Interessant weil bei mir geht seit cubase 13 dieser nicht mehr. Aber ich teste das nochmal.
@Filterpad Im Plugin-Manager gibt es ganz unten-mittig einen kleinen Button zum anklicken, mit dem man VST2 insgesamt freischalten kann…das übersieht man leicht.
@mort76 Super vielen Dank auch. 🙂
Ich finde es immer klasse, dass ihr die negativen Punkte (und auch die positiven) noch mal separat auflistet. So kann man sehr schnell abchecken, ob die Punkte für einen selber relevant sind.
Das »uninspirierende Interface«: Ich sehe den Punkt, der im Text noch mal angesprochen ist, auch deutlich. Auf der anderen Seite mag ich zum Beispiel photorealistische Interfaces (hallo Arturia) echt überhaupt gar nicht mehr. Mir hat auf den ersten Blick sofort gefallen, dass eben alles sehr nüchtern gehalten ist. Wo was ist und wie funktioniert … mei, das bekommt man schon drauf (denke ich). Natürlich dürfte das etwas deutlicher gestaltet sein. Aber mei.
Ähnliches gilt für »keine GUI-Animationen«. Wobei diese zum Beispiel beim »Pigments« schon echt hilfreich sind. Ja, ich sehe den Punkt, stört mich aber auch nicht soooo.
»Kein MPE« und »keine Zahlenanzeige bei Mod-Matrix« finde ich schon dramatischer.
Dafür ist der Klang von dem Ding echt spannend (vielen Dank an dieser Stelle für die Soundbeispiele).
PS: Wer jetzt zuschlägt (also heute, 20.11.2024), der bekommt den übrigens für nur EUR 14,90!
@Flowwater Keine 15€? Das ist wirklich eine hollografische Ansage!
@Filterpad Bei EUR 15 wäre ich auch abgesprungen. Aber EUR 14,90 ist doch eine Ansage! 😀
Ein Wavetable Synth muss sich meiner Meinung nach immer erstmal an Vital messen. Der ist kostenlos, kann echt eine ganze Menge und die GUI und Bedienung ist finde ich sehr gut gelöst.
Gegen eine flache GUI habe ich nichts aber das Teil hier sieht auf den Screenshots echt anstrengend aus, dann kommt noch die fehlende visuelle Rückmeldung dazu und anscheinend gibt es wohl nur ADSR Hüllkurven. Wenn man einmal MSEGs gewöhnt ist, wo man jeden Kurvenverlauf detailiert direkt in der Anzeige bearbeiten kann, will man nichts anderes mehr. Zumindest ich nicht.
Also bei 14,90 Euro für großen Soundcontent würde ich jetzt nicht meckern. Der Hersteller von Vital möchte am liebsten auch seine 5 Euro Subscription. Die Frage ist doch, brauche ich das wirklich oder können meine anderen Wavetable Plugins das nicht genauso gut. Und da gibt es eine Menge. Bei dem Preis setzt bei mir oftmals der Will/Haben Wunsch ein aber nur wegen des Preises. Ich habe schon massig Presets, die ich alle noch nicht gehört habe. Ich bleibe standhaft…
@iOwner GENAU DESWEGEN habe ich das PlugIn nicht gekauft (bis jetzt). Ich habe kurz auf »Pigments« geschaut, ich habe kurz meinen »Argon8« angesehen … und dann war das GAS schon wieder weg.
@Flowwater So isses.Auch ich verspüre immer wieder, auch dank Amazona, das Bedürfnis das eine oder andere Kistchen oder was Softes aus dem Grabbeltisch zu ziehen.
Zum kalten Entzug setze ich mich dann erstmal ein Stündchen an die DAW und merke dann,daß ich eigentlich schon genug Spielzeug habe.