Der Waldorf-Klassiker für das iPad
Waldorf melden sich mit dem Wavetable-Synthesizer Microwave 1 für iPad nach langer Abstinenz auf der Apple-Plattform iPad zurück. Insbesondere mit der Verfügbarkeit von iPads mit M2 (iPad Air) oder M4 Prozessor (iPad Pro) entwickelt sich iPadOS zu einer leistungsstarken Produktionsplattform, sodass es spannend ist zu sehen, wie sich ein legendärer Synthesizer wie der Waldorf Microwave 1 auf dem iPad schlägt.
Inhaltsverzeichnis
Waldorf Microwave 1: Von der Hardware zur Software
Der originale Waldorf Microwave 1 kam im Jahr 1989 auf den Markt und erlangte über die Jahre hinweg Kultstatus, besonders in der Technoszene. Wer sich mehr zur Original-Hardware informieren möchte, macht das am besten direkt mit mit unserem Vintage-Artikel zum Microwave 1. Solltest du dich auch für die Desktop-Version des Software Synthesizers interessieren, geht es hier zum Test.
Beim Waldorf Microwave 1 haben Rolf Wöhrmann, Lucas Chaumeny und Axel Hartmann den originalen DSP Code von Andreas Busse, Wolfgang Palm und Stefan Stenzel auf die nativen (Intel/AMD) x64- und ARM64-Plattformen übertragen und dabei alle „Idiosynchratien und wundervollen Singularitäten“ übernommen.
Da die iPadOS-App im Standalone-Modus auch als Programmer für die originale Hardware dienen kann, bekommt man so schon mal eine sehr gute Vorstellung davon, wie es auf der Hardware klingen wird. Kollege Alex „toneup“ Semrad-Neversal hat schon in seinem Test bestätigt, dass der Unterschied von Hardware zu Software guten Gewissens vernachlässigt werden kann und hier ganz besonders, wenn man ca. 1300 Euro Gebrauchtpreis gegen 30,- Euro für die iPad App abwägt oder auch 149,- Euro für das Desktop-Plug-in. Wo „Waldorf Microwave“ draufsteht, ist also auch „Waldorf Microwave“ drin.
Auf dem iPad
Als minimale Anforderung wird ein iPad mit iPadOS 12 oder neuer benötigt. Der Waldorf Microwave 1 Software Synthesizer läuft als Standalone-App und als AUv3 Plug-in. Rechentechnisch benötigt eine AUv3-Instanz auf meinem iPad Pro 1st Gen mit A9X (iPadOS 16.7.10) unter Kymatica AUM ca. 35%, ist also noch ziemlich genügsam, zumindest solange man nicht den Multimode mit allen acht Patches, die gleichzeitig möglich sind, laufen lässt. In diesem Fall geht es schnell auf 75% und darüber und erzeugt auch Knackser.
Auf dem iPad Pro M2 mit iPadOS 17.7.2 liegt die DSP-Belastung als AUv3 in AUM hingegen bei ca. 9% und im Multimodus bei 23%.
Waldorf Microwave 1
Die Bedienelemente sind auch auf einem (simulierten) 10“-iPad geräumig genug für die Touch-Bedienung und gut lesbar. Das AUv3 skaliert sich erwartungsgemäß auf größeren Touchscreens. Es scheint, als wäre die iPad-Version schon bei der Entwicklung eingeplant gewesen, denn auch alle grafischen Darstellungen von Waveforms, Tables über Filter bis Hüllkurven lassen sich durch Anfassen bearbeiten. Sehr schön.
Wer schon mal einen Waldorf Microwave hatte, der wird sich wohl sofort zuhause fühlen, denn Waldorf haben wirklich einen sehr guten Job gemacht das Betriebsystem offenzulegen, von zweizeiligen LCDs keine Spur. Stattdessen findet man gute gegliederte Sektionen. Über den ikonischen roten Encoder werden die Wavetables ausgewählt, was allerdings auch direkt mit dem Finger auf dem Wavetable-Display oder dem Pop-Up-Menü erledigt werden kann.
Bis auf wenige Funktionen werden einigermaßen Versierte wohl kein Handbuch benötigen. Falls doch, steht das (englischsprachige) PDF mit 73 Seiten über einen App-internen Browser-Link zum Ansehen und Herunterladen bereit. Das Handbuch ist sowohl für die Desktop- als auch die iPad-Version.
Nebenbei finde ich es knuffig, wie sich Holger Steinbrink (stellvertretend) im Handbuch dafür entschuldigt, dass die Software nicht noch mehr multitimbrale Stimmen bietet und keine Effekte oder sonstigen Erweiterungen, weil es halt eine 1:1 Emulation ist. Da kommt wohl der Generation-Gap zum Tragen. 35 Jahre sind ja auch fast zwei Generationen. Zurück zum Thema.
Die Klangerzeugung erfolgt über zwei Wavetable-Oszillatoren, die dann durch den Waldorf-typischen Filter-Sound und dutzende von Modulationsmöglickeiten geprägt wird. Allerdings finde ich die schneidende Resonanz des Filtes zu wenig organisch und zu entkoppelt vom Basisklang, das war beim Waldorf Pulse auch so. Bei niedrigeren Resonanzwerten hört es sich gut an, aber es ist kein Filter, das ich gerne bei voller Resonanz höre. Das fand ich beim Waldorf Q / microQ schöner implementiert und auch andere Hersteller haben die Filterresonanz – in Hardware und Software – stimmungsvoller hinbekommen.
Ansonsten geben sich die Sounds keine Blöße. Aber die Zeit hat doch zumindest bei den Werks-Presets ihre Spuren hinterlassen und es ist halt schon sehr „90er“, um nicht zu sagen „abgegrast“. Aber Vergleiche zu moderneren Software Synths und was dort besser ist, sind bei so etwas eh müßig.
Im Folgenden seht ihr einige Screenshots zum Multimode, den Filter- und Lautstärke-Hüllkurven sowie LFOs.
Wavetables editieren
Der einzige Punkt, der Probleme bereiten könnte, ist die Editierung von Wavetables an sich. Über den roten Encoder kann zwischen den 88 internen Wavetable-Patches rotiert werden. Oder man öffnet gleich das Menü und wählt sie direkt aus. Dabei sind die Plätze 33 bis 56 für benutzerdefinierte Wavetables vorgesehen. Die Plätze sind aber erst einmal leer und müssen befüllt werden.
„Wellenformtabelle“ ist eine serielle Abfolge von Schwingungsformen, Table oder Tabelleneinträgen, die auch in einer zeitlichen Abfolge abgespielt werden können. Als Klangquelle dient immer mindestens ein Table-Eintrag. Die anderen Table-Einträge des Wavetables können dann per Modulation wie LFO, Modwheel, Hüllkurve angesprungen bzw. durchfahren werden.
Um ein ganzes Wavetable oder nur einen Table editieren zu können, muss dieser erst von den nicht veränderbaren Werks-Presets in die User-Plätze kopiert werden, was über den EDIT-Taster geschieht. Die App macht dann den Benutzer darauf aufmerksam, dass der Table kopiert wurde. Danach einfach den gewünschte User-Wavetable auswählen und wieder mit EDIT das Kopieren betätigen.
Ein Tippen in die CONTROL TABLE-Liste wählt einen einzelnen Table-Einträge aus. Die Prozedur ist die gleiche.
Über den Eintrag „Select User Wave“ im Wavetable-Edit-Menü wird der Wave-Editor geöffnet und es lassen sich Table-Einträge direkt mit dem Finger im Table-Display einzeichnen und per EDIT-Taster kopieren, oder das aktuelle Table, das gerade in den Oszillatoren aktiv ist, zur Bearbeitung laden. Es stehen ingesamt 122 User-Tables zur Verfügung.
Anmerkung: Der erste Table-Eintrag des Wavetables lässt sich nicht löschen, er kann nur mit einem anderen Table überschrieben werden.
Da der Waldorf Microwave 1 eine 1:1 Emulation ist, lassen sich auch weitere Patches per MIDI und SysEx-Dateien importieren. Dazu gibt es spezielle Einträge im Dropdown-Menü hinter dem Menü-Schalter in der Kopfzeile. Das funktioniert allerdings nur in der Standalone-App über das Dateisystem.
Nur damit das klar ist: neue Wavetables lassen sich nicht importieren. Den Speicherkartensteckplatz gab es (laut Peter Grandls Vintage-Bericht) erst ab Microwae 1 Version 2. Aber immerhin lassen sich einzelnen User-Tables komfortabel einzeichnen. Auf diese Weise jedoch eine „Entwicklung“ über mehrere Tables hinweg zu konstruieren, ist schon eine Herausforderung.
Sonstiges
Wie gesagt gibt es keine Eigenschaften, die es nicht auch in der Hardware gibt. Da wundert es auch nicht, dass der Browser nur die minimalsten Anforderungen erfüllt. Suchfunktionen oder Preset-Tagging sind hier Fehlanzeige. „Minimal“ ist leider auch eine zutreffende Beschreibung, wenn es um das Thema „Software-Pflege“ bei Waldorf geht. So haben sie es u.a. bis heute nicht geschafft, alle ihre Desktop-Plugins für Apple Silicon umzusetzen. Hoffen wir mal, dass mit dem lange angekündigten Nave-Update dann auch das iPad eine entsprechend neue Version erhält. Bitte.
Aber wie dem auch sei: Hier ist endlich einmal einen Software Synthesizer, bei dem die Master-Lautsträrke nicht an das Preset gekoppelt ist. Dafür gibt es einen Extra-Stern!
Die Audiodemos sind auf -6dBFS normalisiert. Es wurden weder Effekte noch Kompression benutzt.
es ist, wie es ist: hardware-klone finde ich sexy, software-klone weniger. und bei beiden ist sklavisches 1:1 nicht zeitgemäß.
Sehe ich auch wie mdesign (sklavisches 1:1 betreffend). Trifft hier die Funktionen.
Das Design der App gefällt mir deutlich besser als die 35 Jahre alte Hardware. Ich spiele gerne mit der App und finde sie gelungen. Habe sie sofort nach Erscheinen gekauft.
Der Mythos des MW1 ist die Symbiose der digitalen, sowie analogen Welt (VCA/VCF). Nun wird durch die neuen digitalen PlugIn Varianten dieser Mythos nachhaltig ausgehebelt. Verstehe ich das richtig? 29,99€ und aller Vintage Zauber ist verflogen … pfffffffttttt.
@Anjin Sun Bei mir waren es eher 14,99
@Tai wie kommt der Preis bei Dir zustande?
@CDRowell Das war der Einführungspreis zum Produkt Launch. Waldorf macht aber immer wieder mal Aktionen.
@northumberland Achso… Da habe ich wohl geschlafen😇 Jetzt 29€ irgendwas….
@CDRowell Habe sofort gekauft. Am ersten Tag.
War es nicht so, dass der D/A-Wandler des Microwave seine besonderen nichtlinearen „Eigenheiten“ hatte, die den Sound so brachial und begehrenswert machen? Würde mich interessieren, ob das hinter den„Idiosynchratien und wundervollen Singularitäten“ steckt, die simuliert werden.
@Skerjanc danke!
gute Frage!
Hi!
hab ein iPad 9.generation…
nix pro.. 😜
hat es jemand damit getestet?
@Numitron Innerhalb von AUM weiß ich nicht, aber mit einem ipad 6 keine Probleme hier.
@Numitron Hi Numitron,
wie geschrieben geht es selbst mit meinem iPro 1.Gen mit A9X noch gut. Ein iPad 9 mit A13 wird also keine Probleme haben.
M.
@Markus Schroeder danke!
hatte Jetzt nicht im Kopf die Prozessoren.
frohe Weihnachten!
Die Hardware und die Software klingen teilweise deutlich unterschiedlich. Hab hier ein Rev B und die klingt bei manchen Patches deutlich schmutziger. Es gibt aber auch Patches wo die Software besser gefällt. Finde die Bedienung mit Stereoping Programmer angenehmer ausser bei der Wave Hüllkurve, die mit dem Finger schnell zeichnen zu können ist genial.
14,99 war der Einführungspreis – dafür hat es sich mehr als gelohnt
@vlkr @nlkr Deine Äußerung lässt vermuten, dass Du mit der App auch schon eine original- Hardware gesteuert hast. Ist es so?
Im Artikel stand ja auch, dass dies möglich sei. Wie muss man sich das vorstellen? Einfach nur MIDI – Interface am iPad und dann ans MW1? Das reicht? Die Bedienoberfläche der Software sieht ja recht aufgeräumt aus – allein das wäre vielleicht das Geld wert…?
@cosmolab Genau – Midi Port auswählen und in den Hardware Remote Modus schalten.
Leider kann die Software keine Bänke per Mididump senden und empfangen deswegen zur Patchverwaltung nur bedingt brauchbar sonst wäre es perfekt..