Wer übt, fällt seinen Kollegen in den Rücken!
Das Walrus Audio Canvas Rehearsal Pedal ist ein potentes Übungs-Tool und ein Kopfhörerverstärker für Gitarristen und Bassisten.
Inhaltsverzeichnis
Übungspedal von Walrus Audio – der erste Eindruck
Es gibt so Geräte, da öffne ich den Karton … und mache ihn gleich wieder zu. Dazu kommt ein Blick, der gelegentlich ins Flehende rutscht und der nach der Sinnhaftigkeit des eben Gesehenen fragt. Solch ein Gerät ist mir hier auf den Schreibtisch gefallen. Gleich zwei Triggerworte stehen auf der Oberfläche: „Rehearsal“ und „Click“. Hat also was mit Üben zu tun. Bäh, kann weg.
Doch schon wenige Tage später siegt die Neugier. Zwar habe ich zum Üben hier bei mir zu Hause einen Rechner stehen, der mit allem ausgestattet ist, was ihn zum perfekten Sparringspartner macht, aber was, wenn ich unterwegs zum Gig bin und die gnadenlose WhatsApp-Nachricht vom Bandleader kommt, die mir verrät, dass wir am Abend doch noch schnell zwei neue Songs ins Repertoire quetschen müssen? Weil die Braut sich mal wieder nicht entscheiden konnte?
Das Walrus Audio Canvas Rehearsal Pedal – Was ist das?
„Kein Problem“, denkt sich da der geschmacklich tolerante und technisch versierte Gitarrist, „das schaffe ich mir Backstage schnell noch drauf.“ Und das ist der Moment des Walrus Audio Canvas Rehearsal. Dabei handelt es sich um ein „End-Of-The-Line-Pedal“, das ich, ganz dem Sinn und Zweck seines Daseins dienend, am hinteren Ende der Signalkette auf dem Effektboard montiert habe.
Dort also wartet das Pedal auf seinen Einsatz und macht, sofern es nicht aktiviert ist, zunächst mal absolut nichts. Eingeschaltet dient es uns als Kopfhörerverstärker, der das Signal meines Effekt-Boards, wahlweise in Mono oder Stereo, in adäquater Lautstärke an meine Ohren trägt. Zusätzlich ist es möglich, ein externes Signal per Aux-In oder per Bluetooth hinzuzumischen sowie ein Metronom zu aktivieren, das, wie unsere Gitarrenlehrer immer predigen, beim Üben unverzichtbar ist.
Facts und Features des Walrus Audio Kopfhörerverstärkers
Das Walrus Audio Canvas Rehearsal Pedal ist, wie der Name verrät, aus der Canvas-Serie und so ist es dementsprechend auch der Optik dieser Serie angepasst. Ein mattschwarzes Gehäuse mit regenbogenfarbener Linie ziert das ca. 12 × 6 × 7 cm große Pedal, ein Fußtaster übernimmt die Aktivierung des Metronoms und dient bei Bedarf gleichzeitig als Tempoeingabetaster. Die Anschlüsse für Kopfhörer und externes Audio befinden sich auf der Oberseite oberhalb zweier Potis, von denen eines als Push-Encoder-Poti ausgelegt ist.
Letzteres dient der Einstellung und Bestätigung von Parametern, hier wäre primär natürlich die Geschwindigkeit des Metronoms in BpM zu nennen sowie das gewünschte Metrum. Hier stehen 2/4, 3/4, 4/4 und 6/8 zur Verfügung. Das erscheint zunächst etwas spärlich, in der Praxis reicht das jedoch höchstwahrscheinlich allemal aus, obgleich ich mir zusätzlich 5/4 und 7/4 wünschen würde, das sind gängige Metren, auch im Pop. Das zweite, große Poti regelt die Lautstärke des Kopfhörerausgangs.
Weiterhin ist es mit Hilfe des Encoder-Potis möglich, schnell den Akzent des Metronoms ein- oder auszuschalten sowie mehrere mögliche Tap-Divisions einzustellen, die das Metronom anhand der eingestellten Geschwindigkeit dann berechnet. Für die Taktarten 2/4, 3/4 und 4/4 stehen die Optionen „1/4“, „1/8“, „1/8 Triole“ und „1/16“ zur Verfügung. Die Taktart 6/8 bietet die Optionen „1/4 punktiert“, „1/8“ und „1/16“. Damit ist ein breites Feld abgedeckt. Ein Akzent in der Betonung liegt auf der „1“, der ist im Menü abschaltbar für dauerhaftes, monotones Tackern. Die Geschwindigkeit des Metronoms ist von 40 bis 250 bpm einstellbar.
Für die richtige Mischung aus Gitarrensignal, Metronom und externem Audio stehen drei kleine Regler parat. Wer möchte, kann mittels des kleinen im Takt blinkenden Buttons die Geschwindigkeit des Metronoms per Hand eintappen. Per Fuß ist dies, wie oben beschrieben, natürlich auch möglich, hierzu muss der Fußtaster ca. zwei Sekunden gehalten werden, dann weiß der Taster, dass er das Metronom bedienen soll, statt Start oder Stop zu befehlen.
Rechts und links am Pedal befinden sich die Ein- und Ausgänge des Gerätes, die als 6,3-mm-Klinkenbuchsen jeweils für den rechten oder linken Kanal ausgelegt sind. Das Gerät kann das Signal von der Gitarre in vollem Stereo-Sound weitergeben. An der Stirnseite das Canvas Rehearsals befinden sich, neben der Netzteilbuchse, noch zwei Mini-TRS-Buchsen für die Annahme und das Weiterleiten von MIDI-Signalen.
Linksseitig hat man noch eine USB-C-Buchse versteckt, hierüber kann das Walrus Audio Canvas Rehearsal Pedal mit neuer Firmware versorgt werden. Wie bei Walrus Audio üblich, geht das ausschließlich über einen Web-USB-, Web-MIDI- und Web-Serial fähigen Browser, was die Auswahl recht schnell auf Google Chrome zusammenschmelzen lässt.
Das (sehr) kleine Display gibt Auskunft über die eingestellten BpM und das Metrum, sobald das Pedal aktiviert ist oder man den Encoder drückt. Nach knapp 30 Sekunden erlischt der Bildschirm und ein als Bildschirmschoner getarnter Punkt flitzt hektisch über den Screen. Warum? Weil er es kann. Eine andere Lösung für diese Frage habe ich nicht im Angebot. Diesen nervigen Punkt (kennt noch jemand Werner und Zini? Zini das Wuslon?) kann man nirgendwo abschalten, auch nicht, wenn man den Encoder gedrückt hält, um ins Systemsetting zu gelangen.
Diese Systemeinstellungen ermöglichen die Auswahl eines MIDI-Channels und die Antwort auf die Frage, ob das Walrus Audio Canvas Rehearsal Pedal auf eine externe MIDI-Clock hören soll. Weiterhin können hier Einstellungen bezüglich des Metronomsounds (drei Sounds zur Auswahl), den Mix (den man auch per Poti regeln kann) und die Funktion des Fußtasters (Tap oder Start/Stop) vorgenommen werden.
Das Canvas Rehearsal Übungspedal in der Praxis
Zunächst spiele ich per USB natürlich das aktuellste Firmware-Update auf, denn ich will schließlich keine Features verpassen. Das geht, wie von anderen Walrus Audio Devices gewohnt, recht schnell und aktuell werkelt also nun also Version 1.0.2 auf dem vor mir liegenden Pedal. Hier wurden, im Vergleich zur Vorgängerversion, ein paar MIDI-Input-Probleme behoben.
Die Koppelung per Bluetooth klappt problemlos, hier arbeitet Bluetooth in der Version 4.2. Das ist stabil und zuverlässig. Also Kopfhörer auf und alle Regler auf elf. Und ich höre … nichts! Das ist gut so, denn das Walrus Audio Canvas Rehearsal ist absolut frei von störenden Nebengeräuschen. Bluetooth hat hier Vorrang vor kabelgebundenem Audio, bei bestehender Verbindung wird das Aux-Signal stummgeschaltet.
Als nächstes höre ich mir die drei Klopfgeister an, die im Inneren des Gehäuses schlummern. Erster Zweifel macht sich breit, ob das alles so gewollt sein kann. Jedes kostenfreie Metronom fürs Smartphone bietet bessere Sounds an. Hier kann man wählen zwischen einem Rim-Click, der noch einigermaßen erträglich tickert, einem Clave-Sound, der bei höheren Lautstärken schon erste Auflösungserscheinungen der Trommelfelle provoziert sowie einer Triangle-Wave, die in der Lage ist, das Gehirn zu durchschmelzen, wie ein heißes Messer die Butter. Uff.
Nun gut, man muss also aufpassen mit der Gesamtlautstärke. Das sollte man, der Langlebigkeit seiner Ohren zuliebe, ohnehin tun. Und durchsetzungsfähig sind diese Sounds definitiv, da kann es keine zwei Meinungen geben. Ich hätte mir allerdings an dieser Stelle noch einen dezenten Sound oder sogar Drumsamples gewünscht. Das Signal des Metronoms liegt immer an allen Ausgängen an, also sowohl am Kopfhörerausgang als auch an den Main-Outs. Die Option, das Metronom ausschließlich auf den Kopfhörern zu hören, würde das Pedal in seinen Möglichkeiten als Clicktrack für Proben sinnvoll erweitern.
Jetzt geht’s ans Üben. Mein Pedalboard, derzeit bestehend aus Boss CS-3 Compressor, CTC Venus Röhren-Overdrive, Eventide Micropitch und EQD Avalanche Run Delay/Reverb füttert das Probenhilfspedal mit einem Stereosignal. Über das Smartphone starte ich einen Backingtrack und versuche, beides in Einklang zu bringen. Das gelingt, dank der kleinen Mixer-Potis, recht schnell und gut, allerdings klingt der verzerrte Sound doch recht gewöhnungsbedürftig.
Was hier sofort negativ auffällt, ist die Tatsache, dass das Gitarrensignal nicht frequenzkorrigiert auf den Kopfhörer losgelassen wird. Natürlich wäre ein generell bearbeiteter Ausgang in diesem Zusammenhang blödsinnig, weil ja auch das Audiosignal des Smartphones wiedergegeben werden soll, technisch dürfte es doch aber ein Leichtes sein, in den Gitarrenkanal ein oder mehrere Impulse-Responses einzufügen. So ist das Canvas Rehearsal nur geeignet, wenn man eine Amp-Simulation auf dem Board hat. Warum man hier nicht – mit dem Know-how des ACS1 im Rücken – einen IR-Loader integriert hat, ist mir ein Rätsel.
Glücklicherweise habe ich aus einem vorhergehenden Test das ACS1-Pedal noch hier und so tausche ich echte Röhre gegen simulierten Kolben, habe dafür aber einen angenehmen Sound auf den Ohren. Schade, denn hier wird Potenzial verschenkt.
Für einen Kopfhörerverstärker wäre mir das Bauformat ziemlich unpraktisch.
Ich suche schon seit längerem eine Standalone Lösung, um einen zur synthie midi clock synchronisierten click track an meinen drummer zu senden. Insofern ist das regearsal pedal interessant – aber halt teuer und mit viel Firlefanz drumherum, den ich nie verwenden würde. Jemand einen Tipp für mich?
@j.keys Eigentlich sollte es eine einfache Drum-Machine tun: Sync mit MIDI, einfaches Pattern, Klick-Sound nach Wahl.
Beim großen T finde ich sogar einen Spezialisten dafür (watt nich all givt):
https://www.thomann.de/de/boss_db90.htm
Könnte einen Test wert sein.
Sehr guter Test.
Gerät interessant vorgestellt und nachvollziehbares Fazit.
Danke Jan Steiger.
Beim Erscheinen dachte ich: Wow, ein Übungsbegleiter in Pedalform von Walrus Audio!
Als ich dann die Features verstanden hatte (im Wesentlichen: Metronom + Kopfhörerverstärker + mini Mixer) war die Enttäuschung doch sehr groß. Diese sonst so innovative Firma will uns da was nicht zu Ende gedachtes für fast € 300 verkaufen – Schade.
Also beim Thema Übungshilfe hatte ich folgendes im Kopf:
– Audioplayer
– Ein SD-Karte Slot oder irgendeine Möglichkeit die Songs von außen zu speichern
– Automatische Chord, Note und Tempo-Erkennung mit deren Anzeige
– Temposteuerung des Playbacks (slow motion)
– Pitchsteuerung des Playbacks (Transpornieren)
– Loop-Funktion (für einzelne Passagen)
– Und da in Pedalform die im Artikel angedachte Speaker-Emulation
Das mit den schon Vorhanden Features gepaart, für den gleichen oder ähnliche Preis – das wär doch mal was 😉
Wenn die Braut sich nicht entscheiden kann dann hat die Pech gehabt. Ich unterstütze sowas ich nicht und ich habe es auch nicht nötig. Ein bisschen Arroganz und Narzissmus kann bei solchen Leuten nicht schaden. Nach dem Motto: Die hat Glück das wir überhaupt bei der Spielen. ;-).