Ein vom Urei 1176 inspiriertes Kompressor-Pedal
Der Warm Audio Pedal76 ist ein Class-A-FET-Kompressor mit einem Custom-Transformer (Übertrager). Ein schwarzer Kompressor mit diesen markanten Potiknöpfen in der bestimmten Anordnung und mit einem VU-Meter sollte jeden Kompressor-Fan unweigerlich an den legendären Rack-Kompressor, den Urei 1176, erinnern.
Inhaltsverzeichnis
Warm Audio hat schon einige spannende Klassiker der Effektpedalgeschichte als Neuauflage auf den Markt gebracht. Diese Neuauflage finde ich persönlich besonders spannend und freue mich auf diesen Test. Auch wenn Kompressoren bei Gitarristen meist in der Beliebtheitsskala nicht unbedingt ganz oben stehen, sind sie doch die „Verzerrer“ des cleanen Sounds. Aber der Reihe nach.
Gehäuse, Potis und Schalter des Warm Audio Pedal76
Der Kompressor ist zwar um einiges schmaler und weniger tief als ein Rack-Gerät, denn seine Maße liegen bei 165 x 97 mm (B x T), aber mit einer Höhe von 41 mm ist er alles in allem nicht gerade klein. Dies ist jedoch auch dem Umstand geschuldet, dass das edle, schwarze Metallgehäuse aus gebogenem, gebürstetem Stahl ja auch einige Bauteile beherbergen muss. Es bringt 862 g auf die Waage und gehört zur Kategorie „unzerstörbar“.
Auf dem Pedalboard würde ich es aufgrund seiner Höhe gut in der zweiten Reihe platzieren können. Flachere Pedale können dann problemlos davor stehen und beide lassen sich gut betätigen. Aber das Pedal76 ist natürlich nicht nur für das Pedalboard konzipiert. Als Desktop-Studiogerät macht es auch eine sehr gute Figur.
Ein robuster Fußschalter aktiviert mit einem angenehmen Druck den Kompressor. Zum Dank erleuchtet nun das VU-Meter mit einer eleganten, gelblichen Hintergrundbeleuchtung. Das VU-Meter mit einem gut sichtbaren, roten Zeiger und einer schwarz-roten Skala ist gut erkennbar. Es ist gut geschützt hinter einem Sichtfenster aus Glas platziert. Eine schwarze Gummierung dient als Umrandung und Schutz.
Die Beschriftung des Kompressor-Pedals ist gut lesbar in Weiß aufgedruckt. Mit fünf Potis wird der Grad der Kompression geformt. Die Potiknöpfe sind natürlich vintage-korrekt und haben eine schwarze Riffelung am Schaft, einen Metallkopf und eine durchsichtige Umrandung mit weißer Markierung. Sie sind per Schraube auf die Potis montiert. Diese laufen butterweich und einzelne, aufgedruckte Punkte auf dem schwarzen Gehäuse dienen der Markierung der Einstellungen.
Die Potis regeln Input/Comp, Output, Attack und Release sowie die Ratio. Der Vintage-Nerd wird jetzt aufschreien, aber die Einstellung der Ratio per Poti ist letztlich flexibler als die vier Taster beim Vorbild.
An der Stirnseite sind sämtliche Anschlüsse angebracht. Die Buchsen sind mit dem Gehäuse verschraubt und greifen den Klinkenstecker gut. Es wurden für Input und Output zwei unterschiedliche Buchsen verwendet. Wahrscheinlich ist das der Masseverbindung beziehungsweise Isolierung geschuldet. So besteht der Input komplett aus Metall, der Output sowie ein zweiter, symmertischer Output im Amp-Style aus Metall und Kunststoff.
Während Input und Output jeweils außen liegen, ist in der Mitte, per Markierung abgegrenzt, der symmetrische Output platziert. Zu diesem Ausgang gehören auch noch zwei kleine Kippschalter: ein Ground-Lift und ein Level-Schalter, der zwischen Mic (Low) und Line (High) schaltet.
Betrieben wird das Kompressor-Effektgerät per 9 V Netzteil oder Batterie. Für den Batteriewechsel muss das Gehäuse mit vier Schrauben geöffnet werden. Intern arbeiten DC-DC-Spannungswandler, um die Spannung zu steigern.
Ein weiterer Kippschalter ist mit Drive beschriftet und schaltet zwischen High und Low. Versenkt befinden sich noch zwei Trimpotis, die nur per Schraubenzieher einzustellen sind, sowie ein kleiner Schalter, der ebenfalls nur mit Werkzeug geschaltet werden kann. Ein Trimpoti regelt die Input-Sensitivity, das andere die Helligkeit des VU-Meters. Mit dem kleinen Schiebeschalter kann der Bypass des Pedals zwischen True-Bypass und Buffered gewechselt werden. Hier wird also einiges geboten, um das Verhalten des Pedals an die eigenen Vorstellungen anzupassen.
Auf der flachen Bodenplatte, die ideal für das Anbringen von Klettband ist, sind bereits vier Gummiklebefüße angebracht. Die Batterie sitzt äußerst fest in einer Halterung aus Kunststoff.
Hat man das Pedal schon mal geöffnet, erblickt man zwei sauber verarbeitete Platinen mit zahlreichen SMD-Bauteilen, ein paar Through-Hole-Bauteilen und dem „magischen“ Transformer (Übertrager). Das Gehäuse als zweiteiliges Puzzle muss etwas gewinkelt zusammengeführt werden. Dann lässt es sich leichter wieder schließen. Man kann die Batterie also einfach für den Notfall im Pedal lassen oder gleich herausnehmen.
Das Warm Audio Pedal76 in der Praxis
Es handelt sich bei dem Warm Audio Pedal76 um einen komplett analog aufgebauten Kompressor. Dieser basiert auf FETs und hat einen Übertrager, der von der Firma CineMag in den USA hergestellt wird.
Auf dem Pedalboard platziert, fällt die etwas höhere Bauart des Pedals noch mehr auf. Am besten ist es, wenn man es in der hinteren Reihe platziert. Die stirnseitigen Anschlüsse und die Tatsache, dass ein Kompressor relativ weit vorne in der Signalkette platziert werden sollte, empfehlen einen Platz am oberen, rechten Rand des Boards.
Der Schalter hat einen angenehmen Druckpunkt. Mit dem Input/Comp-Poti wird die Eingangslautstärke eingestellt. Dieses ist aber kein „Set-and-Forget“-Poti, denn hier wird ebenfalls die Kompressionsschwelle mitgeregelt. Ein höherer Input führt dementsprechend zu einer stärkeren Kompression. Die Gesamtlautstärke lässt sich gut im Zusammenspiel mit dem danebenliegenden Output-Poti abstimmen. Dreht man den Input ganz weit auf, ist ein erhöhtes Rauschen wahrnehmbar. Allerdings gilt dies nur in den letzten 10 % des Regelwegs. Und das Rauschen ist für diese Extremeinstellung absolut vertretbar.
Mit dem Output-Poti lässt sich das Signal auch wunderbar boosten, nachdem man den Grad der Kompression eingestellt hat. Man findet schnell seinen Sweetspot, egal ob man eine leichte Kompression oder einen stark arbeitenden Kompressor bevorzugt.
Klanglich am gefälligsten ist das Pedal76, wenn man den Input etwas höher einstellt. Im Vergleich zu anderen Gitarrenkompressoren arbeitet es ansonsten bisweilen fast etwas zu dezent. Dafür benötigt es aber auch keine parallele Kompression.
Zudem hebt das Pedal76 die einzelnen Spielnuancen auf wunderbare klanglich Weise hervor. Das gesamte Signal klingt voller und lebendiger. Selbst dezent eingestellt fühlt es sich einfach gut an. Und spätestens, wenn man das Pedal wieder ausschaltet, bemerkt man den Unterschied. Selbst schwache Singlecoil-Pickups klingen gleich voller, ohne dass die Dynamik verloren geht.
Es gibt eigentlich kein Setting, mit dem man nicht arbeiten kann. Die Einstellung von Attack und Release arbeitet eher dezent, so dass der Grundcharakter stets erhalten bleibt.
Attack und Release
Mit den beiden Potis für Attack und Release wird das Ansprechverhalten des Pedal76 eingestellt. Beide sind links mit „slow“ und rechts mit „fast“ beschriftet. Eine genaue Zahl der Millisekunden lässt sich aber aus der Gebrauchsanleitung ablesen. Beim Attack reicht die Range von 20 bis 800 Mikrosekunden, beim Release sind es 50 bis 1100 Millisekunden. Diese Werte orientieren sich am 1176, der mit seinen sehr kurzen Attack-Zeiten als Limiter konzipiert wurde und nicht so viele Transienten durchlassen soll.
Und genau auf diese Art und Weise reagiert auch das Pedal76. Es reagiert sehr schnell auf eingehende Signale und komprimiert sie. Das soll für einen konstanten Pegel unabhängig vom Spielstil sorgen und klappt ganz wunderbar. Die Release-Zeit ist hingegen etwas genügsamer. Mit kurzem Release kann es etwas zum Pumpen kommen, aber generell ist diese Range beider Potis natürlich über Jahrzehnte benutzt und bewährt. Längere Release-Zeiten klingen etwas entspannter und sorgen für eine gleichmäßige Kompression mit langsamem Ausklingen.
Ratio
Beim 1176 dienen vier Schalter der Auswahl der Ratio. Beim Pedal76 übernimmt diese Funktion das Ratio-Poti. Das Verhältnis der Kompression ist von 4:1 bis 20:1 stufenlos einstellbar. In der niedrigsten Einstellung wird das Signal leichter komprimiert. In höheren Einstellungen von 12 bis 20 wird das Pedal zum Limiter.
Mit dem VU-Meter lässt sich der Einsatz der Kompression gut verfolgen. Und es sieht halt einfach schick aus. Die Helligkeit ist sehr gut eingestellt, könnte aber ja auch per Poti nachjustiert werden.
Ob vor dem Verzerrer, um ein gleichmäßigeres Signal in den Overdrive zu schicken, oder nach dem Verzerrer, um die Spitzen etwas abzufedern – das Pedal76 macht in beiden Positionen eine sehr gute Figur. Und gerade, wenn man nur clean spielt, gehört meiner Meinung nach ein guter Kompressor auf das Pedalboard. Als Boost am Anfang der Signalkette ist ein guter Kompressor das „Overdrive“-Pedal des cleanen Sounds. Er verleiht Charakter, betont die Nuancen und verfeinert das Signal.
Mit dem FX-Bypass-Schalter kann das Pedal ganz traditionell in den True-Bypass versetzt werden. Aber als guter Buffer ist es ebenfalls absolut empfehlenswert. Wer den Kompressor noch besser an seine Gitarre anpassen möchte, kann mit dem Trimpoti für die Eingangsempfindlichkeit etwas nachhelfen. Das ist aber nicht nötig, da das Pedal sehr gut eingestellt ist. Der Drive-Schalter ist aber in der Tat interessant. Je nach Setting klingt der Kompressor etwas heller und crisper oder dunkler. Das ist natürlich nur marginal, lässt sich aber sehr gut abstimmen.
Balanced Output
Zur Direktaufnahme kann der Balanced Output genutzt werden. Der Ground-Lift-Schalter hilft, Brummschleifen zu verhindern. Mit dem Level-Schalter, der zwischen Low für ein Mikrofon-Level und High für Line-Level schaltet, kann der Ausgang an das entsprechende Equipment angepasst werden. Der High-Modus liefert etwas mehr Färbung des internen Übertragers.
Sehr interessantes Gerät! Hat es auch die „Alle-Knöpfe-Rein-Funktion“ des Originals (all buttons in)? Ich sehe, dass für Skalierung nach Ratio 20:1 weitergeht. Wird über Ratio 20:1 hinaus dieser Modus aktiviert?