Sixties Sound fürs Tonstudio - klingen wie die Beatles?
Das Warm Audio WA-19 Studiomikrofon ist eine Wiederauflage eines Klassikers aus den Sechzigerjahren. Vor allem die Beatles nutzten das Original gern.
Inhaltsverzeichnis
Retro zieht immer! Denken wir zum Beispiel an die Beatles, kommen uns, neben den sagenhaften Songs, natürlich auch die innovativen Sounds und Produktionstechniken jener Zeit in den Sinn, die auf dem damaligen State-Of-The-Art Equipment basierten. Kaum eine Band hat die internationale Musikszene so sehr beeinflusst bzw. durcheinandergewirbelt, wie das Quartett aus Liverpool und so ist es nur verständlich, dass auch moderne Hersteller von Equipment noch ein kleines Stück vom Kuchen abbekommen wollen. Kaum ein Mikrofon ist mit dem frühen Schlagzeugsound von Ringo Starr so sehr verknüpft, wie der Vorfahr unseres Testobjektes. Die Firma Warm Audio hat das in den Sechzigern oft und gern genutztes Mikrofon wieder aufgelegt, die Rede ist vom legendären AKG D19.
Warm Audio WA-19 – ein wenig Geschichte
Das D19 Mikrofon der österreichischen Firma „Akustische und Kino-Geräte GmbH“ (kurz: AKG) kam etwa 1957 auf den Markt und wurde rund ein gutes Jahrzehnt produziert. Es handelt sich dabei um ein dynamisches Mikrofon mit Moving-Coil-Technologie. Diese Mikrofone verwenden eine Spule, die an einer Membran befestigt ist und sich in einem Magnetfeld bewegt und so Schall in elektrische Signale umwandelt. Diese Technik ist wohl die am häufigsten verwendete in dynamischen Mikrofonen.
Das AKG D19 durchlief im Laufe seiner aktiven Karriere mehrere Modellveränderungen und wurde auch wegen seines Erfolges von anderen Herstellern kopiert. Die Richtcharakteristik des D19 war eine Niere und das Mikrofon zeichnete sich durch eine sehr kompakte, anwenderfreundliche Größe und einen recht linearen Frequenzgang aus. Die hohe Schalldruckverträglichkeit machte es zum genialen Partner dieser Ära im Studio und vor allem auch auf der Bühne, denn fehlende, ausreichende PA-Technik machte es unumgänglich, auf der Bühne eine mörderische Lautstärke zu fahren.
Ebenfalls beliebt war das D19 wegen seines quasi nicht vorhandenen Nahbesprechungseffektes. Die dieses möglich machende Variable-D-Technologie, die ursprünglich von der Firma Electro Voice stammte, wurde ergänzt durch einen eher ungewöhnlichen, mechanischen Hochpassfilter, der durch Drehen eines Ringes unterhalb der Kapsel aktiviert wurde. Dabei wurde quasi „Druck abgelassen“, der sich durch die länglichen Öffnungen im Gehäuse verflüchtigen konnte und nicht von der Spule aufgenommen wurde.
Auch wegen seiner Assoziation mit den Beatles wird dieses Mikrofon noch heute von Vintage-Fans geliebt, aber auch moderne Produzenten greifen gern auf diesen Klassiker der Studiotechnik zurück, weil es über einen offenen, luftigen Klang verfügt, der dem von Kondensatormikrofonen ähnelt. Vor allem Akustikgitarren lassen sich mit diesem Mikrofon manchmal besser aufnehmen, als mit einem Kondensator-Mikro, weil der Nahbesprechungseffekt nicht immer leicht zu kontrollieren ist. Ein D19 stellt man vor die Gitarre und es klingt.
Das Warm Audio WA-19 – die modifizierte Legende
Das AKG D19 galt zwar als ausgezeichnet klingend, nicht ohne Grund haben die Techniker des Abbey Road Studios diesem Mikrofon oft so viel Raum gegeben, aber es galt eben leider auch als wenig zuverlässig und schwer zu reparieren. Dazu kamen unterschiedlichste Anschlüsse. Mal war es ein dreipoliger, verriegelbarer Anschluss, mal benötigte man ein 5-Pol-Kabel, das durch unterschiedliche Belegung der Pins unterschiedliche Widerstände anbot, dann wieder kam das Mikro selbst mit fertigem Kabel. Egal welches Modell man besaß, man benötigte immer einen Adapter. Auch der Frequenzgang, der seinerzeit mit 30 Hz bis 16 kHz absolut ausreichend war, genügt modernen Ansprüchen schon lange nicht mehr. Zeit also, den Klassiker etwas zu modifizieren und dem Markt erneut zuzuführen.
Das Warm Audio WA-19 kommt im perfekt schützenden Karton mit ausgeschnittenem Schaumstoffinlay. Das ist einerseits sicher und schön, andererseits nicht mehr zeitgemäß, denn eine gute Pappe schützt das Gerät genauso, schont aber gleichzeitig die Umwelt. Im Lieferumfang enthalten ist eine passende Klemme, eine weich gepolsterte Tasche sowie ein kleines Booklet mit den technischen Spezifikationen des Warm Audio WA-19.
An den Spezifikationen sieht man auch die ersten Modifikationen: Der Frequenzgang des Mikros ist jetzt auf bis zu 18 kHz angewachsen, die Richtcharakteristik ist keine reine Niere mehr, sondern ein Kardioid und am unteren Ende wartet ein XLR-Anschluss auf Kontakt. Das Mikrofon wiegt 230 g und hat an der Kapsel einen Durchmesser von 3,56 cm. Die gesamte Länge des Warm Audio WA-19 beträgt 15,24 cm. Das ist wahrlich ein recht kleines Mikro, das unterstreicht aber den Vintage-Charakter sehr gut, wenn man es in der Hand hält.
Wie beim Original ist unterhalb der Kapsel der mechanische Hochpassfilter als beweglicher Ring ausgelegt. Sollte man dieses Mikrofon im Rahmen einer Retro-Live-Show einsetzen wollen, sollte man den oder die Künstler/in davon in Kenntnis setzen, dass das Mikrofon keinen Schalter besitzt und dass man bei Inbetriebnahme des Mikros auch tatsächlich das hört, was hineingesungen wird.
Optisch ist das Remake des Warm Audio WA-19 also gelungen, haptisch definitiv auch. Vor allem die Option, das Mikro in Schwarz oder Nickel erwerben zu können, ist für potenzielle Kunden, denen die Optik wichtig ist, ein nicht zu unterschätzender Faktor. Es soll aber auch Menschen geben, die ein Mikrofon wegen der Klangeigenschaften kaufen. Klingt komisch, ist aber so. Also wollen wir mal hören, wie sich das Warm Audio WA-19 in der Praxis so schlägt.
Wie klingt das Warm Audio WA-19?
Ein erster Test erfolgt in meiner improvisierten Sprecherkabine, das Mikrofon ist auf einem Stativ montiert und ich bewege mich während des Sprechens auf das Mikrofon zu. Zum Vergleich habe ich ein Kondensatormikrofon, im speziellen Fall ein günstiges the t.bone SC 400, herangezogen, das hauptsächlich den manchmal kritischen Nahbesprechungseffekt demonstrieren soll. Hier kann das Signal auch ohne den manuellen Hochpassfilter (nicht Tiefpassfilter, wie im Audio fälschlich genannt!)
Ein weiterer Test erfolgt am Gitarrenamp. Ihr hört einen Bogner Alchemist in drei unterschiedlichen Grundsounds. Ich nehme das Signal parallel mit dem Warm Audio WA-19 und einem Kondensatormikro ab. Das WA-19 klingt im direkten Vergleich recht farblos und eher spitz, bietet aber eine recht gute, neutrale Basis, im Wesentlichen für cleane Sounds.
Mit EQ ist da einiges zu machen. Vor allem zum Dazumischen hat es einen wirklichen Mehrwert, das gibt dem Gesamtsound eine gewisse Frische, zu hören im letzten der folgenden Files. Hier sind die Signale etwas nach im Stereobild verteilt, was einen schönen, fetten Sound ergibt. Ihr hört ausschließlich die Signale der beiden Mikros direkt in Logic aufgenommen, Reverb und Delay kommen vom Bogner.
Der letzte Test gilt der Akustikgitarre. Hier kommt zum direkten Vergleich wieder das the t.bone SC 400 zum Einsatz, die Mikrofone stehen etwa in Höhe des 17. Bundes. Die Signale wurden wieder jeweils direkt in Logic Pro aufgenommen, es kamen keine zusätzlichen Effekte zum Einsatz bis auf einen Limiter im Kanal des WA-19. Man hört hier deutlich, dass das WA-19 dem Kondensatormikrofon deutlich überlegen ist, einen klaren, aufgeräumten Bass liefert und in den Höhen schön silbrig schimmert.
Natürlich kann auch ein EQ hier dem SC 400 auf die Sprünge helfen, aber was das Warm Audio WA-19 hier als Basis liefert, ist schon verdammt gut. Aber auch hier gilt wieder: Das WA-19 als zusätzliches Mikrofon kann Wunder bewirken, in Beispiel 3 hört ihr wieder beide Mikrofone gleichzeitig.