Warm Audio macht müde Mikros munter!
Der Warm Audio WA-WL Warm Lifter ist ein aktiver Mikrofonvorverstärker, um leisen dynamischen Mikrofonen bis zu 26 dB mehr Gain hinzuzufügen. Auch wenn ein Anfänger im Tonstudiobereich diesen Satz nicht vollständig versteht: Das ist wichtig! Denn insbesondere Podcaster oder Streamer haben häufig Probleme, sich bei der Aufnahme in einer optimalen „Lautstärkeregion“ zu bewegen, so dass das Ergebnis oft zu leise oder auf der anderen Seite verzerrt ist. Warum dies so ist und wie du diese Herausforderungen mit dem Warm Audio WA-WL – preisgünstig – meistern kannst, das erkläre ich dir in diesem Testbericht!
Inhaltsverzeichnis
Worum geht es beim Warm Audio WA-WL?
Es geht um folgendes Problem: Die Aufnahme über ein Mikrofon klingt schlecht! Was ist passiert? Man nimmt Sprache über ein handelsübliches dynamisches Mikrofon auf – und weil der Kumpel gesagt hat, dass das Shure SM7B das beste Mikrofon für Podcaster und Sprache ist und sogar Michael Jackson es bei der Aufnahme von „Thriller“ verwendet hat, greift man tief in den Geldbeutel und holt sich das 389,- Euro teure Mikrofon ins Studio.
Alles klar, anschließen an das Focusrite Scarlett 2i2 Audiointerface für 116,- Euro und los geht es! Optional habe ich ein Behringer, M-Audio oder Swissonic Interface – ebenfalls in der 100,- Euro Preisklasse.
Nachdem man den Unterschied zwischen Gain und Volume/Pegel verstanden hat, dreht man den Gain-Regler nach rechts, weiter nach rechts und dann noch weiter nach rechts und irgendwann zwischen Viertel-vor-Vollanschlag und Fünf-vor-Vollanschlag scheint die Sache dann laut genug zu sein.
Gut, ab und an leuchtet die rote Clipping-LED auf oder das Ganze ist immer noch zu leise, dann gehe ich halt mit dem Mund näher ans Mikrofon oder vergrößere den Abstand. Dass man dann Opfer des Nahbesprechungseffektes wird, nimmt man zähneknirschend in Kauf – Michael Jackson hat es ja auch hinbekommen. Sprich: Gehe ich näher an die Mikrofonkapsel, dann klingt meine Stimme mit deutlich mehr Tiefenanteile und wenn ich weiter weg gehe, dann wird alles irgendwie dünner. Michael hatte ja auch keine bassige Männerstimme.
Hier handelt es sich um klassische Anfängerfehler im Homerecording! Man hört auf den Kumpel, liest einen euphorischen Testbericht und gibt Geld aus, ohne genau zu wissen, was man da eigentlich macht und das Ergebnis klingt eben genau so: Wie bei einem Anfänger.
Was tun, lieber Herr-Klugschei***er-Autor? Nun, ein guter Tipp wäre es, in ein gutes und günstigeres Mikrofon (z. B. ein DynaCaster DCM6 von sE Electronics) und in ein Audiointerface mit hochwertigem Mikrofon-Preamp (Universal Audio Volt, SSL 2+, MOTU M4, Antelope Zen Go, etc.) zu investieren – oder dem Preamp des bereits gekauften Audiointerfaces etwas auf die Sprünge zu helfen – und genau da kommt der Warm Audio WA-WL ins Spiel.
Warm Audio WA-WL: Funktion und Ausstattung
Der WA-WL „boostet“ den Gain um ganze 26 dB nach oben – das bedeutet, dass ein sehr unempfindliches Mikrofon, wie beispielsweise das Shure SM57/58 (-57 dB) oder das beliebte SM7B (-59 dB) plötzlich genug „Preamp-Power“ bekommen, um eine anständige Lautstärke abzuliefern.
Denn gerade Tauchspulen-Mikrofone oder Bändchenmikrofone klingen erst dynamisch, wenn man erstens laut genug hineinspricht und die Spule in eine relevante Bewegung versetzt wird und/oder wenn man einen Vorverstärker einsetzt, der genug Gain-Reserven und Headroom hat, der das Mikrofon entsprechend ansteuert, ohne gleich selber an die Clipping-Grenze zu kommen.
Somit wird der Warm Audio WA-WL einfach an den Mikrofoneingang des Preamps angeschlossen und das Mikrofon an den Warm Audio – also praktisch ein Durchlauferhitzer für Mikrofone!
Nun kann auch Warm Audio nicht zaubern und man kann aus 30 dB nicht einfach 56 dB machen, ohne dass man das Gerät ebenfalls mit Leistung versorgt. Um den WA-WL zu aktivieren, muss man einfach am Audiointerface 48 V Phantomspeistung aktivieren – dies nutzt der Warm Audio als Leistungsquelle für die Verstärkung.
Anmerkung: Keine Sorge – die Phantomspeisung wird nicht an das Mikrofon durchgereicht, sondern wird ausschließlich für den Betrieb verwendet. Das teure Bändchenmikrofon kann also keinen Schaden nehmen.
Umgekehrt muss einem auch bewusst sein, dass man an den Warm Lifter nur dynamische Mikrofone, also Tauchspule oder Bändchen betreiben kann. Kondensatormikros, die unbedingt 48 Volt benötigen, laufen über das Gerät nicht.
Warm Audio hat dem Gerät noch zwei – aus meiner Sicht sehr sinnvolle – Filter mitgegeben: Einen Low-Cut, der Frequenzen unter 100 Hz mit 12 dB/Oktave ausblendet und einen High-Shelf-Boost, der das Signal bei 3 kHz um 2,5 dB anhebt. Letzteres ergibt bei Shure & Co. Sinn, denn verglichen mit einem Kondensatormikrofon klingen dynamische Mikrofon gerne dumpf und arm an Obertönen.
Kurzes Intermezzo: Ist hoher Gain nicht eigentlich cool?
Ja, ist es, wenn es a) vom Toningenieur so gewünscht ist und b) wenn der Preamp von hoher Qualität ist und dem Klang durch die Sättigung ein „Mehr“ hinzufügt. Ein Neve- oder SSL-Preamp heiß angefahren mit einem Neumann- oder Telefunken-Mikrofon ist eine Freude, wenn man sich in oberen Gain-Regionen aufhält.
Für ein 100,- Euro Audiointerface ist es in der Regel einfach nur Stress und genauso klingt es dann auch. Metallisch, clippend und nicht harmonisch. Ich empfehle bei weiterem Interesse meinen Artikel „Mikrofonvorverstärker in Tonstudio: Aufbau, Aufgaben, Einsatz“.
Technik und Verarbeitung des Warm Audio WA-WL
Im Warm Audio WA-WL kommen sogenannte Sperrschicht-Feldeffekttransistoren, kurz JFETs zum Einsatz, die für ihre Rauscharmut bekannt sind – beim WA-WL sind es 7,75 µV bei 150 Ohm Last. Der Signalweg ist komplett symmetrisch gehalten und die Eingangsimpedanz beträgt 2,4 kOhm, so dass an allen gängigen Lasten kein klanglicher Einfluss wahrzunehmen ist. Der Frequenzgang ist mit 10 Hz – 100.000 Hz mit einer Abweichung von +/-0,2 dB angegeben.
Das Gerät kommt in einem recht einfach gehaltenen, aber sehr gut verarbeiteten Stahlblechgehäuse, das in Sandweiß lackiert und mit dem Firmenlogo und eindeutigen Symbolen bedruckt ist. Die XLR-Buchsen sind verriegelbar und fest verschraubt und die beiden Filter-Schalter sitzen stabil im Gehäuse. Unten gibt es vier Standfüße aus Gummi – was bei 340 Gramm Gewicht immerhin Kratzer auf dem Studiotisch verhindert.
Das Gerät selber ist aber mit seinen kompakten Maßen von 119 x 69 x 41 mm (L x B x H) so leicht, dass es sich bei einer Kabelbewegung immer auch verschiebt. Das nennt man Physik und lässt sich bei so einer Gerätegattung nur verhindern, wenn man ein Betongewicht einbaut oder es irgendwie befestigt.
Der Warm Audio WA-WL in der Praxis
Leider (bitte eine Runde Mitleid) habe ich kein schwächliches Audiointerface in meinem Studio – deswegen muss ein Universal Audio Apollo TWIN X Quad herhalten, um die Wirkweise des Warm Lifters zu demonstrieren. Also Mikrofon verwende ich ein Shure SM58S.
Hier die Audiobeispiele:
1. Shure SM58 am Apollo bei 39 dB Gain
2. Shure SM58 am WA-WL am Apollo mit 39 dB Gain
3. Shure SM58 am Apollo mit 65 dB Gain
4. Shure SM58 am WA-WL am Apollo mit 34 dB Gain – Filtertest
5. Shure SM58 am SSL Pure Drive Quad Preamp mit 59dB Gain (über ADAT am X6)
In den Beispielen merkt man: Der Warm Lifter macht seine Sache sehr gut, wenn auch der Rauschpegel geringfügig höher wird. Insbesondere der Low Cut und die Anhebung im Präsenzbereich machen „müde“ dynamische Mikrofone munter und so kann man für eine vergleichsweise geringe Investition den Gain und den Gesamtklang seines Setups optimieren.
Die Mitbewerber
Bei Thomann findet man neben dem Warm Audio noch den Cloud Microphones Cloudlifter CL-1 (166,- Euro), der als „Quasistandard“ für diese Gerätekategorie steht. Allerdings hat dieser weder einen Low Cut noch einen Präsenzanhebung.
Alternativ haben die Damen und Herren von Fredenstein den Hyperlifter 1 für nur 129,- Euro im Portfolio. Dieser hat auch keine Frequenzfilter – dafür aber einen Gain-Regler und eine Impedanzanpassung für Mikrofone.
Im Gegensatz zum Warm Audio bieten beide Mitbewerber keinen dedizierten Übertrager, den ich beim WA-WL schon als Pluspunkt werten möchte.
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Also, das Focusrite Scarlett Solo 4th Gen hat 57 db Preamp Gain und ca. 115 db Dynamic Range. In der DAW lässt sich nach der Aufnahme so ein Signal locker um 15 db verstärken ohne den Noise Floor hörbar zu machen. Das ist ja Gang und Gäbe. Aber wenn es um die Liveanwendung geht: Bei jeder Podcast-Software lassen sich Signale nach der Wandlung ebenso digital auf einen vernünftigen Pegel fürs Monitoring und podcasten verstärken. Und das Ergebnis ist kein höheres Rauschen als mit einem Inline-Verstärker.
Julian Kraus hat das in einem Extra-Video klargemacht und testet das bei jeder Review:
https://www.youtube.com/watch?v=T8HwNnJAjbQ&t=509s
Leuten hier ein Audiotool für eine bestimmte Interface/Mikrofon-Kombination zu empfehlen, bei dem das Audiotool teurer als das komplette Interface ist ohne zu beweisen, dass es einen Vorteil hat, finde ich schon daneben. Stattdessen wird mit mit einem Interface verglichen, dem man mit Sicherheit zurecht attestiert, dass es keinen Inline-Verstärker nötig hat.
Wer soll das verstehen bzw. für wen ist jetzt die Kaufempfehlung?!
@beni Guter Punkt!
Es wird regelmäßig vergessen, dass man bei 24Bit einen Dynamikumfang von 144db hat. Selbst wenn man vom einfachen Audiointerface nur 45db Verstärkung nutzen kann, ist der Rauschabstand immer noch höher als eine CD auflöst. Das Signal digital zu verstärken erzeugt also kein zusätzliches Rauschen. Oder um bei deinem Beispiel zu bleiben: die rechnerische Auflösung liegt über der Hardware… sind aber immer noch 90db – was besser ist als so mancher Analog-Synth und nur 6db schlechter als die zitierte CD.
Wohlgemerkt: dies gilt bei 24Bit – bei 16Bit kommt man eher in den Bereich, bei dem es hörbar wird. Aber in 2024 macht so ziemlich jedes >50EUR-Interface 24Bit
Immer wieder sieht man, dass Signale ziemlich „heiss“ aufgenommen werden, weil
A) das wurde schon immer so gemacht
B) es ist analoge Technik vorhanden, die auf Sättigung etc. positiv reagiert.
Gerade dann, wenn man eher innerhalb des Rechners arbeitet und mit eher preiswerter Gerätschaft hantiert, sind diese Tipps häufig kontraproduktiv.
Aber natürlich kann man eine Zielgruppe identifizieren: ein Übertrager macht etwas mit dem Klang und die Filterstufen vereinfachen den Aufnahmeprozess. Ob das die Investition wert ist, das ist eine individuell zu treffende Entscheidung.
@Django07 Ich stimme Euch beiden absolut zu.
Einfach einen anderen Vorverstärker vor den Interface Vorverstärker zu schalten, beseitigt keinen einzigen der genannten „Anfängerfehler“.
Wenn der Anfänger nicht weiß, daß er genug Headroom nach oben lassen muß, weil ein Digital-Interface sonst böse clippt, dann erhöht ein weiterer Vorverstärker diese Gefahr sogar – besonders falls der „Anfänger“ die Gainstellung von zwei Mikrofonen regeln soll, aber nur einen Vorverstärker hinzukauft….
Und einen ggf. falsch eingesetzten Nahbesprechungseffekt bzw. fehlenden Pop-Filter zaubert das hier beschriebene Zauberkästchen genau so wenig weg, wie es gefühlvolles EQ-ing zu Verschlankung/Sprachverständlichkeit und De-Essing nicht liefern wird.
Um es ganz klar zu sagen: Ich würde den Kauf eines solchen Vorverstärkers durchaus in Erwägung ziehen, um bestimmte Pegel-Probleme zu lösen – der Pickup an meiner Geige, welcher schon erfahrene Live-Tontechniker in den Wahnsinn getrieben hat, wäre da ein Kandidat.
Aber hier Anfängern quasi eine Wunderwaffe zu empfehlen, die eben gar keine sein soll, finde ich auch nicht so richtig zielführend…..
Oder anders gesagt: Liebe Anfänger! Ihr könnt mit den richtigen preiswerten Geräten tolle Ergebnisse erzielen. Aber beschäftigt Euch mit den Basics von Klang auf Aufnahme, bevor ihr (zu viel) Geld ausgebt!
@Metaphistopheles Grundsätzlich stimme ich Dir komplett zu. Ja, Shure SM7B, SM57/58 sind allesamt richtig gut klingende, funktionierende Mikrofone – mit dem Manko, dass sie einfach zu „leise“ sind. Da hilft das o.g. Gerät definitiv.
Besser so, als ein anderes, laut-aber-schlecht-Mikrofon zu kaufen: Niemand verkauft seine Fender Stratocaster, weil im Studio stets irgendwelche Einstreuungen über die Single Coils nerven und der Gitarrist in seltsamen Winkeln positioniert werden muss. Die Strat ist trotzdem eine gute Wahl.
Was in diesem Test m. E. derbe daneben ist: Die Suggestion, man könne ein Mikrofon einfach in ein preiswertes Audiointerface stöpseln und dann aufnehmen. Nein, genau das ist der Anfängerfehler! Ein Mikrofon braucht einen Preamp. Immer. Egal, ob dynamisch, Kondensator oder Bändchen, Punkt. Der Gain-Regler am günstigen Interface ist eben kein Preamp, auch wenn er dies suggeriert.
Natürlich kann/muss man manchmal monetäre Kompromisse eingehen, aber ein preiswertes Audiointerface ist keine „eierlegende Wollmilchsau“. Also die 179€ sollte man besser als Spargrundlage für einen richtigen Preamp (gibt`s übrigens auch von Warm Audio) einplanen – meiner Meinung nach.
@heimannrudolf …auch nicht falsch überlegt.
Ein Punkt kommt für meinen Geschmack aber häufig zu kurz im Aufmacher des Testberichts und unserem Diskurs:
Es gibt Unterschiede zwischen
(1) absolutem Anfängermurks
(2) ordentlichem Sound auf Podcast / Demo / Live Niveau
(3) Studio High-End Sound.
Den Fall (1) wird man bei fast jeglichem Equipment finden. Wer sich (noch) nicht auskennt, kann sowohl mit einem NoName IF als auch mit göttlichem Gear aus der Asservatenkammer unter der heiligen Abbey Road Murks und Matsch aufnehmen. Und ja, man kann auch ungeeignete Komponenten zusammenstellen.
Fall (3) geht in Deine Richtung – es ist klar, daß prämierte Grammy Engineers wohl eher mit Profi Preamps und einer tadellosen Signalkette zaubern.
Aber den Fall (2) gibt es ja eben zuhauf. Z.B. auf zahllosen Live-Bühnen, wo es die absolute Regel ist, daß die Gainregler des Mischpults den amtlichen Pegel aus SM5x und Konsorten herstellen. Und die Vorstufen dieser Pulte sind zumeist sehr eng verwand (oder gar identisch) mit denen in den roten oder schwarzen Interfaces im Heimstudio. Ganz klar geht da noch was in Richtung (3) beim Sound – wenn man das halt für einen Podcast oder die Band-Demo bräuchte, und es auch fachgerecht einsetzen kann…
Danke für den Test. Ich verwende für meine Sprachaufnahme (Lernvideos und Youtube) ein Lewitt Studiomic an einem Motu M4, da betrifft mich das wenig. Ne saubere und klare Sprachaufnahme ist halt einfach ne tolle Sache (gerade als Musiker).
Aber eine Verständnisfrage hab ich noch: Den Warm Audio Vorverstärker schließ ich dann quasi per XLR-Kabel an den XLR Eingang meines Interfaces (in dem Fall M4) an. Der Vorverstärker im M4 würde dann das Signal auch nochmal verstärken (dann brauch ich dort wahrscheinlich viel weniger Gain). Ich muss quasi 2 Vorverstärker einstellen?