Die Attack-Zeit findet im Mikrosekundenbereich (20-800) statt, d.h. man hat grundsätzlich nur die Wahl zwischen kurz und äußerst kurz sowie sämtlichen dazwischen liegenden Werten. Die konstruktionsbedingte Abwesenheit langer Attack-Zeiten schränkt die Einsatzmöglichkeiten zwar ein, allerdings weniger, als man zunächst vielleicht vermuten würde. Obwohl sich alles eigentlich im Transientenbereich abzuspielen scheint, hat der Attack-Regler trotzdem deutlich hörbaren Einfluss auf die Signalgestaltung.
Bei der Release-Zeit sind großzügigere Werte, nämlich 50 Millisekunden bis 1100 Millisekunden wählbar.
Bezüglich der Kompressionsrate spricht man ab 12:1 und mehr meist von Limiting, weil oberhalb des Schwellwerts kaum noch etwas durchgelassen wird. In der Praxis hat sich beim 1176 m.E. bei den meisten Signalen 1:4 oder 1:8 bewährt.
Trotz der erwähnten Einschränkungen und den recht sparsamen Einstelloptionen bieten Kompressoren vom Typ 1176 überraschend umfangreiche Einsatzmöglichkeiten. Die Eigenschaften des FET-Transistors führen zu einem Kompressionsverhalten, das trotz kurzer Attack-Zeiten zu einer Betonung der Einschwingphase führt und damit beispielsweise Bässe knackiger und über die Kompression gleichzeitig kompakter erscheinen lassen kann. Stimmen lassen sich im Mix weit nach vorne bringen (In-Your-Face), Drums erhalten Knackigkeit und Fülle, akustische Gitarren klingen fertiger und ausgewogener. Selbst Gruppen können gewinnbringend bearbeitet werden, auch parallele Kompression ist in vielen Fällen sinnvoll.
Etwas Übung ist notwendig, weil trotz des eigentlich großen Sweetspots auch leicht zu viel des Guten getan werden kann. Überkompression bzw. hörbare Effektkompression mit einem 1176 ist bei vielen Musikstilen aber gewissermaßen auch altehrwürdige Tradition – wenn es gut klingt ist alles gut.
Der Unterschied zwischen den beiden Eingangswegen des Wes Audio Beta 76 – Übertrager und elektronisch – ist deutlich hörbar. Der Cinemag-Übertrager schleift Transienten ab und fügt dem Signal Schwung und ein gewisses Strahlen in den Höhen hinzu. So wird z.B. der holzige Charakter knackiger Drums abgeschwächt oder Stimmen etwas Glanz gegeben. Welcher Modus besser klingt, ist daher immer materialabhängig. Gut, dass man eine Wahl hat.
Auf basslastigen Signalen, aber auch Vocals oder Akustikgitarren, erweitert das Sidechain-Filter das Anwendungsspektrum deutlich. Bei meinen „normalen“ 1176ern verwende ich notgedrungen häufiger einen EQ vor dem Kompressor. Die Funktion ist so offensichtlich ein Gewinn, dass man sich fragt, warum sie nicht häufiger zu finden ist. Rein technisch ist ein passives Hochpassfilter in der Sidechain ohne großen Aufwand implementierbar.
Der Klangcharakter des Wes Audio Beta 76 ist unverkennbar 1176. Wer mit dem Gerätetyp vertraut ist, wird sich sofort zurechtfinden. Trefflich streiten ließe sich natürlich darüber, wie nah er dem Klang der jeweiligen Revisionen kommt. Auf jeden Fall handelt es sich um einen sehr gut klingenden und hochflexibel einsetzbaren Kompressor, der jedes Studio bereichern kann.
Auch messtechnisch waren keine Auffälligkeiten zu verzeichnen. Grundrauschen und Verzerrungen sind in gerätetypischem Umfang vorhanden.
Alternativen
Vom UREI 1176 inspirierte Geräte gibt es viele, Sidechain-Filter bieten aber wenige. Hier kommt z.B. der wesentlich teurere Lindell Audio 176 und der ebenfalls teurere aber funktionsmäßig nochmals erweiterte und technisch vom 1176 weiter entfernte Slate Pro Audio Dragon in Frage.
Einen Klon ohne Besonderheiten aus fernöstlicher Produktion gibt es deutlich günstiger in Gestalt des WA76 von Warm Audio.
Ich muss gestehen, dass ich sogar die Vintage-Varianten der Audios für überkomprimiert empfinde. Nichts für mich.