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Test: Yamaha 01V96 VCM Digital-Mixer

VCM-Frischzellenkur für Digitalmixer

14. Juli 2008

Die Audio-Branche ist teilweise ja recht schnelllebig: Viele Produkte verschwinden schon kurze Zeit, nachdem sie auf den Markt gekommen sind und werden durch Nachfolgemodelle ersetzt, die von allem mehr können und mehr haben, dafür aber weniger kosten. Das gilt vor allem für Software und digitale Geräte: während z. B. einige analoge Kompressoren oder Mikrofone auch nach Jahrzehnten noch sehr gefragt sind, erleben viele digitale Geräte nicht mal ihren 5. Geburtstag auf dem Markt.
Umso schöner ist es zu sehen, dass es ebenso Hersteller gibt, die ein digitales Produkt auch Jahre nach der Markteinführung noch weiter entwickeln, um es besser zu machen und somit seine Konkurrenzfähigkeit zu erhalten, anstatt immer nur neue Produkte vorzustellen und damit die Anwender zu zwingen, sich alle paar Jahre neue Geräte zu zulegen.
Das Yamaha 01V96 ist so ein Beispiel. Das „Ur-Pult“ 01V erschien vor ziemlich genau 10 Jahren und erfreute sich rasch recht großer Beliebtheit. Es wurde nach 5 Jahren durch das Nachfolgemodell 01V96 abgelöst, das unter anderem die zu diesem Zeitpunkt obligatorischen 96kHz-Wandler und viele weitere neue Features besaß. Den Original-Test meines Kollegen Thorsten Walter finden Sie hier (KLICKEN)

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Seitdem sind weitere 5 Jahre vergangen, aber anstatt wieder ein ganz neues Modell zu präsentieren, hat sich Yamaha diesmal dafür entschieden, die Hardware unangetastet zu lassen und nur die „inneren Werte“ des Pultes auf den neusten Stand zu bringen. So gab es erst ein kostenloses Update auf Version 2.0, das viele Detailverbesserungen und einige neue Funktionen mit sich brachte, und inzwischen verkauft Yamaha das Pult mit der Zusatzbezeichnung „VCM“ – dazu unten mehr.
Die stetige Weiterentwicklung hat für Besitzer eines „alten“ 01V96 den Vorteil, dass sie ihre Pulte mit einem Software-Update um interessante Funktionen erweitern können. Neue Kunden haben außerdem nicht den Eindruck, ein überholtes Modell zu kaufen, denn das Pult ist moderner ausgestattet und der Kunde bekommt jetzt „mehr“ für sein Geld als noch letztes Jahr. Yamaha spart sich natürlich die Entwicklungskosten für ein komplett neues Pult.
Also eine „Win-Win-Win“-Situation, von der alle profitieren? Der Test wird es zeigen.

Was ist neu am Yamaha 01V96VCM?

Trotz aller Neuerungen ist natürlich vieles beim Alten geblieben. Daher sei jedem, der das 01V96 bisher nicht kennt, nochmal der umfangreiche Test von Thorsten Walter ans Herz gelegt. Hier soll es ausschließlich um die Features gehen, die neu hinzu gekommen sind.
Wie viele digitale Geräte ist das 01V96 mit der Möglichkeit ausgestattet, durch Software-Updates mit Fehlerbehebungen und neuen Funktionen versehen zu werden. Letzteres ist umfangreich geschehen beim ersten großen Versionssprung auf V2.0, als u. a. folgende Features hinzu kamen:

  • Zusatzeffekte („Add-On Effekte“) sind installierbar
  • Erweiterte DAW-Steuerung
  • Verbesserte Monitor/Solo-Funktionen
  • Einzelne Parameter aus SCENES sind kopierbar

Add-On-Effekte

Der erste Punkt dürfte derjenige sein, der wohl die meisten Interessenten aufhorchen lässt. Daher liegt auf diesem Punkt auch unser Hauptaugenmerk. Schließlich erhält das Pult nur daher seinen neuen Namenszusatz „VCM“: das steht für „Virtual Circuitry Modeling“ und besagt letztendlich, dass hier versucht wird, analoge Schaltkreise und Bauteile virtuell nachzubilden, um so den Klang oder das Ansprechverhalten eines bestimmten Effektgeräte-Klassikers möglichst originalgetreu zu simulieren. Der Vollständigkeit halber muss man aber hinzufügen, dass die bisher zur Verfügung stehenden Add-On-Effekte nur teilweise auf VCM beruhen (nämlich AE-011, AE-021 & AE-051).
Wie auch immer, gute Effekte kann man immer gebrauchen, egal ob man das Pult live oder im Studio einsetzt. Schön, dass man jetzt (anders als bei den meisten Mischpulten) die Möglichkeit erhält, bestimmte hochwertige Effekte nachträglich zu integrieren – ganz so, als hätte man ein Computer-Recording-System und würde ein neues PlugIn installieren. Natürlich ist die Auswahl begrenzt, kann sich aber dennoch jetzt schon sehen lassen. Wer alle Add-On-Effekte installiert, hat 15 neue Effektprogramme im 01V96 zur Verfügung:

AE011 Channel Strip (5 Programme)
Das Channel-Strip-Paket beinhaltet fünf Module (nämlich vier Kompressoren und einen EQ), die auf VCM beruhen und 70er-Jahre Klassiker emulieren: Compressor 260 (Mono), Compressor 260S (Stereo), Compressor 276 (Mono), Compressor 276S (Stereo), Equalizer 601

Compressor 260

Compressor 260

AE021 Master Strip (1 Programm)
Hier werden (VCM-basiert) analoge Schalttechniken und Band-Charakteristika von professionellen Studio-Bandmaschinen simuliert. Man kann zwei verschiedene Bandlaufgeschwindigkeiten, die Bandqualität, verschiedene Bias- und EQ-Einstellungen sowie Verzerrungs- und Sättigungscharakteristiken einstellen.

AE031 Reverb (3 Programme)
Hier kommt kein VCM-Effekt, sondern der REV-X-Algorithmus aus Yamahas Multieffektgerät SPX2000 zum Einsatz. Man kann wählen zwischen REV-X-Hall, REV-X-Room und REV-X-Plate.

AE041 Surround Post (3 Programme)
Dieses Paket beruht ebenfalls nicht auf VCM, sondern auf „ISSP“: Yamahas „Interactive-Spatial-Sound-Processing-Technologie“. Drei Module stehen zur Auswahl: Room ER, Auto Doppler und Field Rotation.

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AE051 Vintage Stomp (3 Programme)
Drei VCM-basierte Nachbildungen klassischer Fußpedale der 70er-Jahre: Dual Phaser, Vintage Phaser und MAX100.

Wer jetzt allerdings meint, das 01V96VCM, das er beim Händler um die Ecke gesehen hat, hätte jetzt alle diese Effekte an Bord, ist schief gewickelt: Das Pult bringt lediglich Seriennummern für zwei der oben genannten Pakete mit – AE011 und AE031. Alle anderen Effekt-Pakete müssen nach wie vor kostenpflichtig erworben werden – zu nicht gerade kleinen Preisen (siehe unten). Meinem Eindruck nach geht dieser Umstand nicht bei jedem Händler aus der Beschreibung eindeutig hervor. Sätze wie „VCM-Update kostenlos“ liest man nicht selten und sind irreführend. Immerhin gibt es einen Demo-Modus, in dem man auch die nicht mitgelieferten Effekte ausprobieren kann – praktisch. Alle PlugIns können übrigens auch auf anderen Yamaha-Digitalpulten wie z. B. 02R96 oder DM2000 installiert werden.

Die beiden Effektpakete müssen zuerst einmal im Pult installiert werden, was sich insgesamt relativ problemlos bewerkstelligen lässt, wenn man das Pult per USB mit seinem Computer verbunden hat und über eine Internetverbindung verfügt. Auf dem PC muss ein Treiber installiert werden, damit das 01V96 erkannt wird, ein paar Einstellungen am Pult müssen vorgenommen werden, evtl. muss noch die neueste Firmware installiert werden und anschließend kann man über die Internetverbindung mithilfe der mitgelieferten Seriennummern einen Authorisierungscode herunterladen, der die Effekte im Pult frei schaltet. Ohne PC kann man die Effekte nicht freischalten! Hat man mehrere Pulte und will die Effekte auf allen installieren, braucht man natürlich für jedes Pult eine eigene Seriennummer.

Nun zu den mitgelieferten Effekten:

AE011 Channel Strip: Yamaha selbst gibt (wahrscheinlich aus rechtlichen Gründen) zwar weder im Handbuch noch an anderer Stelle DIREKTE Hinweise darauf, welche Klassiker der 70er Jahre denn hier eigentlich virtuell nachgebildet werden. Wer sich aber etwas auskennt, wird anhand der nur geringfügig veränderten Namen und der grafischen Darstellung der PlugIns im Studio-Manager schnell erkennen, dass es sich hier wohl um dbx 160X (Compressor 260/260S), UREI 1176 (Compressor 276/276S) und Neve 1066 EQ (EQ 601) handeln soll – also natürlich alles bekannte Klassiker. Der Urei und der dbx-Kompressor liegen jeweils als Dual-Mono und Stereo-Variante („S“) vor.

Ein Schelm, wer an UREI denkt: Compressor 276

Ein Schelm, wer an UREI denkt: Compressor 276

Ob der Sound 1:1 übereinstimmt, kann ich nicht zuverlässig sagen, da ich leider noch nicht im Lotto gewonnen habe und diese Klassiker folglich nicht alle besitze. Ich kenne nur den 1176 „persönlich“. Das finde ich aber eigentlich auch immer zweitrangig, denn die Effekte müssen nicht im Vergleich, sondern für sich genommen zu überzeugen wissen und das tun sie allesamt durchaus. Der Urei-Klon eignet sich besonders fürs „Verdichten“, die typischen, wenigen, aber teilweise sehr hohen (20:1) einstellbaren Ratios wurden vom Original übernommen. Auch der EQ weiss zu gefallen, er klingt weniger steril als der eingebaute EQ.
Schön hätte ich übrigens die Möglichkeit gefunden, die neuen Effektalgorithmen direkt über die EQ- oder DYNAMICS-Sektion ansprechen zu können. Das ist aber leider nicht möglich.

Farblich zu 100% ein Neve: Der EQ

AE031 Reverb: Dass ausgerechnet ein Hall-PlugIn zu den kostenlosen neuen Effekten zählt, ist wohl kein Zufall, denn der Standard-Hall des 01V96 zählte bisher nicht zu seinen großen Stärken. So gab es auch im letzten Amazona-Test dafür noch einen Minuspunkt.
Die hier angebotenen, sog. REV-X Algorithmen für Hall, Room und Plate sind identisch mit den Algorithmen des Multieffektgerätes SPX2000 aus gleichem Haus und klingen dementsprechend hochwertig. Natürlich besitzt ein SPX2000 darüber hinaus noch viele weitere, ältere Algorithmen, z. B. aus berühmten Vorgängern wie dem SPX90. Die modernen, neu entwickelten Algorithmen hat man aber unverändert auch dem 01V96VCM spendiert – eine gute Wahl.
Man findet bei allen drei Programmen alle typischen Reverb-Parameter inklusive einer direkten Einstellmöglichkeit für die Raumgröße („Roomsize“). Übrigens: Ein SPX2000 alleine kostet schon gut die Hälfte eines 01V96VCM. Da spricht das Preis/Leistungsverhältnis eindeutig für das Pult!

Feines Reverb: REV-X

Feines Reverb: REV-X

Erweiterte DAW-Steuerung

Einer der wenigen Kritik-Punkte in Thorsten Walters Test des ersten 01V96 war, dass die Remote-Funktionen zur Steuerung einer DAW noch sehr rudimentär waren. Dies nahm sich Yamaha wohl zu Herzen, denn die Steuerung, die ich mit Cubase 4 ausprobieren konnte, funktionierte hervorragend und relativ umfangreich: Fader, Pan, Sends, Inserts, EQs – alles lies sich wunderbar fernbedienen, und zwar seit Version 2 auch mit den Tasten, die Sinn machen. So bedient man den EQ in Cubase nun auch über die EQ-Regler des Mischpults – endlich. Offensichtlich macht sich hier die Verbindung zwischen Yamaha und Steinberg für Cubase-User positiv bemerkbar. Schön ist auch die Möglichkeit, die USER DEFINED KEYS mit beliebigen Funktionen belegen zu können.
Die Bedienung von Pro Tools soll ebenfalls recht umfangreich sein, konnte ich mangels eines Testsystems aber leider nicht überprüfen.
Andere Sequencer werden leider nicht direkt unterstützt, lassen sich jedoch über den General DAW-Modus mit etwas Handarbeit ebenfalls fernsteuern. Das jedoch keine spezielle Anpassung für Logic, definitv einen der 3 wichtigsten Sequencer, vorliegt, gibt einen Minuspunkt.

Sonstiges

Auch an vielen weiteren Punkten hat Yamaha das Pult in der Zwischenzeit verbessert. Hier seien aber nur noch die wichtigsten genannt. So wurde mit Version 2.0 z. B. die Solo-Funktion verfeinert, es gibt hier jetzt etwas, das man vielleicht als „PFL Stereo“ bezeichnen könnte, wenn es so einen Begriff denn gäbe. De facto kann man also einstellen, dass das Signal bei SOLO zwar PRE-FADER abgegriffen wird (wie bei PFL), aber dennoch seine Panorama-Position im Stereobild behält (wie bei AFL stereo).
Eine weitere praktische Neuerung ist die Möglichkeit, beliebige einzelne Parameter der aktuellen oder einer gespeicherten SCENE (Speichereinheit für ALLE Parameter des Pults) in andere SCENES zu übertragen. Dazu müssen die SCENES nicht einmal geladen werden. Man wählt einfach in einem Auswahlmenü die SCENE und den entsprechenden Parameter aus und wählt danach die SCENE, die die Einstellungen übernehmen soll. Das ging früher nur deutlich umständlicher.
Man sieht an diesen beiden Beispielen: es gab durchaus noch einige Detail-Verbesserungen, allerdings kaum weitere „Killer-Features“. Daher komme ich jetzt auch zum…

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Fazit

Das Yamaha 01V96 weiß auch im Jahre 2008 noch zu überzeugen – schließlich kann es mehr denn je und ist über die Jahre trotzdem kontinuierlich günstiger geworden. Für knapp 2.300,- Euro erhält man heute ein sehr gut ausgestattetes Digital-Mischpult, das darüber hinaus inzwischen auch als DAW-Controller (mit 17 Motor-Fadern!) und Effekt-Lieferant (mit nachrüstbaren hochwertigen Effekten) selbst gehobenen Ansprüchen gerecht wird. Das Preis/Leistungsverhältnis sehe ich somit bei einem neuen Yamaha 01V96VCM als sehr gut an. Da bei diesem Test ja das „neue“ Pult beurteilt werden soll, gibt es von mir auch als Gesamtbewertung ein „Sehr gut“.

Nicht unerwähnt bleiben sollte jedoch, dass Yamaha die Preise für die nachrüstbaren Add-On-Effekte relativ hoch angesetzt hat. Vor allem trifft das die treuen 01V96-Usern der erste Stunde, die ja sowieso meist einen höheren Preis für das Pult bezahlt haben und die – anders als Neukäufer oder Käufer, die das Pult seit Anfang 2008 erworben haben – mit Version 2 keinen einzigen Effekt kostenlos dazu bekommen. Möchte man als 01V96-Besitzer nur die beiden PlugIns nachrüsten, die bei einem neuen Pult bereits dabei sind, kostet das rund 1.000 Euro – also fast die Hälfte eines neuen Pultes. Das finde ich doch etwas übertrieben.

Insgesamt ist es aber schön zu sehen, dass Yamaha daran arbeitet, ein gutes Produkt weiter zu verbessern und somit am Zahn der Zeit zu halten – was wichtig ist, denn wir haben schon am Anfang festgestellt: Die Audio-Branche ist eigentlich recht schnelllebig.

Plus

  • 40 Kanäle mit umfassender Ausstattug
  • gute Remote-Funktionen (Cubase, Pro Tools)
  • gute Effektqualität (vor allem mitgelieferte Add-On-Effekte)
  • Flexibles Routing
  • großes Display
  • bis zu vier Effekte
  • sehr gute Audioqualität
  • Preis/Leistung
  • EQ-Potis / Pan-Poti
  • acht Aux-Sends
  • USB Schnittstelle
  • Surround-Fähig
  • diverse Detail-Verbesserungen ggü. 01V96 V1

Minus

  • kein Remote-Layer für Logic
  • nachrüstbare Add-On-Effekte recht teuer

Preis

  • 2.974,-€
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Forum
  1. Avatar
    AMAZONA Archiv

    Danke für die Info, aber wie verhält es sich mit Verzögerungen durch die Effekte? Gibt es einen Latenzausgleich?

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