Yamaha Vintage Plugs
Yamaha vergrößert seine Plug-in Reihe um weitere hochwertige Emulationen alter Hardware. Die Vintage Plug-in Collection emuliert dabei bekannte State-Of-The-Art Geräte der so genannten guten alten analogen Zeiten. Während die RND Portico Plug-ins eine Zusammenarbeit zwischen Rupert Neve Designs, Steinberg und Yamaha war, handelt es sich nun um ein eigenständiges Yamaha Produkt, welches über Steinberg vertrieben wird. Erstmals entwickelt, um die Standard-Effekte der digitalen Yamaha-Pulte klanglich aufzuwerten und zu erweitern, stehen sie nun auch als native VST2 und VST3 Plug-ins und AU in 32 und 64 Bit zur Verfügung und sind somit auch in Drittanbieter-Software nutzbar.
Allen Plug-ins ist gemein, dass sie dem Audiosystem keine Latenz hinzufügen. Natürlich entstehen bedingt durch die Algorithmen Phasenverschiebungen und sehr kleine Verzögerungen, jedoch nur in dem Ausmaß, wie dies analoge Schaltkreise auch tun würden. Die Plug-ins arbeiten dabei auf der Abtastrate, die im Projekt eingestellt ist ohne ein internes Oversampling. Außerdem sind sie in Mono- und Stereo-Versionen verfügbar. Mehrkanal-Versionen bleiben leider auch trotz VST3 auf der Stecke, das bedeutet, wenn man ein VST3-Vintage-Plug-in in einen 5.1 Kanal lädt, so werden nur die ersten beiden Kanäle bearbeitet.
Als Kopierschutz fungiert auch hier der bekannte eLicenser USB-Dongle, der nicht im Kaufpreis enthalten ist.
Compressor 260
Wie unschwer zu erkennen ist, orientiert sich Yamaha am bekannten dbx 160A Kompressor. Somit dürfte auch klar sein, was man klanglich zu erwarten hat, und das Ergebnis kann sich wirklich sehen und hören lassen. Im direkten Vergleich zum UAD-Pendant lassen sich zwar Unterschiede ausmachen, aber ob der eine besser oder schlechter klingt, ist nicht exakt belegbar. Wichtig ist vor allem, dass die Klangcharakteristik genau getroffen wird – und das wird sie.
Sehr schön ist beim Compressor 260, dass er über eine VST3 Sidechain Funktion verfügt.
Compressor 276
Hier stand der altehrwürdige Urei 1176 Pate, und auch er wird in allen wichtigen Belangen sehr gut kopiert. Zusätzlich zu den bekannten Funktionen spendiert Yamaha einen automatischen Gain-MakeUp und ein internes Hochpassfilter für den Sidechain. Ein VST3 Sidechain steht allerdings leider nicht zur Verfügung. Wie schon beim Original lassen sich als Ratio die vier festen Werte und zusätzlich 1:20 einstellen. Die Mono- und Stereo-Versionen unterscheiden sich nur durch die Signalführung und entweder ein oder zwei Metering-Anzeigen.
EQ 601
Rein farblich erinnert der EQ 601 sehr an den Neve 1066 und soll auch dessen Klangcharakteristik widerspiegeln. Während der generelle Sound sehr gut ist, schafft er es aber nicht in die klanglichen Regionen des RND Portico Plug-ins, denn mit ihm komme ich schneller ans Ziel und habe auch den Eindruck, dass er etwas „musikalischer“ arbeitet. Auch der 601 emuliert Verzerrungen, die in analogen Schaltkreisen auftreten. Diese sind hier sogar abschaltbar, denn sie genehmigen sich etwas mehr Rechenleistung. Die Harmonischen werden übrigens nur bei den vier Mittenbändern hinzugefügt. Die Shelving-Filter bleiben immer clean. Dank der vier vollparametrischen Bänder und der großzügigen Features der High- und Lowband Umschaltungen kann der 601 sehr flexibel eingesetzt werden.
Vintage Open Deck
Um zum Beispiel den Sound der 70er und frühen 80er Jahre zu erreichen, darf in einem Vintage Paket eine Tonbandmaschine natürlich nicht fehlen. Während eine Bandmaschine bereits bei „richtiger“ Benutzung das Signal unüberhörbar färbt, so kommt sie erst richtig bei Drums und Bass zur Geltung, wenn man vom Pegel her absichtlich in die Sättigung fährt. So kann man aus einer schlappen Bassdrum doch noch den drückenden Sound einer Disco-Scheibe generieren. Apropos Scheibe, eine Vinylemulation würde hier auch noch gut hineinpassen. Dabei meine ich nicht das Knistern, sondern vor allem die Schneidekennlinie, eine Emulation verschiedener Nadeln und die Emphasis-Einstellungen in guter Qualität.
Doch zurück zum Open Deck: Das Plug-in ist mit viel Liebe zum Detail entworfen worden. So gibt es zum einen die grafische Oberfläche mit drehenden Bandspulen, zum anderen aber die wichtigen klanglichen Parameter als schöne Nachbildungen der Hardwaregeräte. Man kann die Bandsorte wählen, braun steht für alt, dunkelgrau für neu. Ich kenne unterschiedliche Bandsorten nur noch von Musikkassetten, da waren die braunen Bänder aus Eisenoxyd und die dunklen wurden mit Chrom oder einfach Metal bezeichnet. Die klanglichen Unterschiede waren trotz korrektem Einmessen des Tapedecks deutlich hörbar, was auch hier im Open Deck gut emuliert wird.
Die Bandgeschwindigkeit ist zwischen 15″ und 30″ wählbar. Vier verschiedene Bandmaschinen (drei verschiedene Studer und wahrscheinlich eine Ampex) werden emuliert, und man kann vor allem auch wählen, welche zur Aufnahme und welche zur Wiedergabe benutzt werden soll. Etwas Spielerei muss eben auch sein!
Zudem kann man Einstellen, wie das Signal auf das Band gelangt und wie es wieder reproduziert wird. Hierzu kann das VU-Meter auch umgeschaltet werden. Schön ist auch, dass man neben der eigentlichen Aussteuerung den Bias manuell justieren kann, dann auch damit lassen sich schöne Effekte erzielen.
Puristen werden sicher Abstand von digitalen Emulationen halten, aber diese Emulation kann absolut ausreichend gute Ergebnisse liefern, um den Eindruck von Bandsättigung zu erhalten.
Stomp Pack
Das Vintage Stomp Pack ist eine Sammlung von verschiedenen Fußtretern wie drei Phasern, einem Flanger und einem WahWah, so wie man sie aus analogen Zeiten kennt. Auch heute noch sind die original Phaser und Flanger hoch begehrt und erreichen bei Ebay hohe Preise. Ein Chorus ist leider nicht dabei, dafür kann der Sound der Stomp-Plug-ins aber wirklich gut gefallen. Im Gegensatz zu einfachen digitalen Emulationen klingen sie wirklich sehr schön „vintage“, also eher weich und so gar nicht clean und transparent. Je nach Plug-in lassen sich die LFO-Geschwindigkeiten auch nach dem Songtempo einstellen. Bei dem WahWah Effekt kann auch ein MIDI-Controller wie zum Beispiel ein Pedal die Filtereckfrequenz variieren.
Praxis
Auffällig ist, dass alle Vintage Plug-ins sehr wenig Ressourcen verbrauchen. Ich denke, dass ist der Herkunft aus den Yamaha Digitalpulten zu verdanken, die ja mit einer bestimmten limitierten Rechenleistung auskommen müssen. Insofern sind die VCM Plug-ins schlank und rank programmiert worden. Wer Probleme mit Aliasing bekommen sollte, muss die Plug-ins unter einem Projekt mit doppelter Samplerate laufen lassen, da auf ein internes Upsampling zugunsten von Latenz und Performance verzichtet wurde.
Die Installation und Lizenzfreischaltung verlief ohne Probleme, ein Internetzugang ist jedoch Voraussetzung. Wer kurzfristig keinen Internetzugang hat, kann die Plug-ins 30 Tage lang im Demo-Modus testen und die Lizenz später aktivieren.
Mitbewerber
Vorteile gegenüber den zahlreichen Mitbewerbern sind, dass im Gegensatz zu UAD keine DSP-Karte gebraucht wird. Gegenüber den neuen NI Plug-ins stehen die Yamaha VCMs direkt als VST oder AU zur Verfügung und müssen nicht umständlich über Guitar-Rig eingebunden werden. Die direkten Mitbewerber sind somit die Plug-ins von Softtube, die ebenfalls klanglich eine hervorragende Figur abgeben. Beim Stomp Pack ist es schwieriger, denn Produkte wie Guitar-Rig oder Amplitube bieten schon von Hause aus ähnliche Effekte und haben diese in ein gut funktionierendes Preset-System eingebunden.
Diese Plugins sind auch heute noch allererste Sahne, nicht zuletzt, weil durch die Emulation des Mu-tron Bi-Phase (Dual Phaser) die einzige ernst zu nehmende Emulation dieses King of Phasers auf dem Markt angeboten wird. Selbst UAD hat so etwas nicht im Programm – die haben – kein Witz! – nicht einen einzigen Phaser vorzuweisen.