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Test: Zero-G Vocaloid 2 Prima

Vocaloid 2 Prima

26. Juni 2008

Neulich im Studio

Jeder kennt das: dem Refrain des gerade im Heimstudio produzierten Metaltracks fehlt einfach noch das gewisse Etwas. Double Base und die – tiefer gestimmten – Gitarren bringen ordentlich Druck, der Sänger verknotet gekonnt seine Stimmbänder am (unteren und oberen) Ende des Menschenmöglichen, aber irgendwie fehlt einfach die Atmosphäre. Aber halt: wie wäre es mit einem mehrstimmigen weiblichen Chor, der die Hookline schaurig-dramatisch mitsingt? Leider haben die Damen der Band dank Jonny Walker & Co nicht mehr genau die richtigen Stimmen. Was also tun ?

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Genau dieses Problem war dem Samplehersteller Zero-G offensichtlich ein Dorn im Auge. Prompt lizensierte er vom Branchenriesen Yamaha deren Vocaloid-Technologie und präsentiert die Antwort auf unser Flehen: Vocaloid 2 Prima, die Opernsängerin aus der Dose. Mittels einer DSP-Technologie werden hier Samplefragmente von echten Sängern, in diesem Fall eines weiblichen Soprans, in einem recht komplexen Verfahren zu einer virtuellen Sängerin geschmiedet, die – zumindest in der Theorie – brav alle gewünschten Texte mit der gewünschten Artikulation und Melodie vorsingt. Bei Bedarf verwandelt sie sich auch noch gleich in einen – maximal 16-stimmigen – Frauenchor. Im Gegensatz zu letzterem sind Platz- und sonstige Ansprüche recht gering: Ein PC mit XP oder Vista mit mindestens 2 GHz und 512 MB RAM und 4 GB freiem Platz auf der Festplatte genügen, dann lässt sich das Programm mittels Challenge-Response-Kopierschutz mitsamt dem 120-seitigen Handbuch auf der Festplatte installieren. Für den Einsatz der VST-Plugins (s.u.) werden allerdings 2GB RAM empfohlen. Anzumerken ist, dass unsere Prima(-donna) nicht das einzige Mitglied der Vocaloid-Famile ist, es gibt noch andere Kombinationen aus Samplesets und der Technologie von Yamaha. Sweet Ann (Power FX) hat ein anderes Timbre, Big Al ist das (noch unveröffentlichte) männliche Gegenstück, und für japanische Popeinlagen gibt es mit Hatsune Miko und Kagamine Rin und Len (Crypton Future Media) gleich drei Kandidaten zur Auswahl. Auch sind immer noch verschiedene Vorläufer der ersten Vocaloid-Generation erhältlich. Im Vergleich zu diesen wurden bei Vocaloid 2 die DSP-Funktionen komplett neu gestaltet, um den Realismus zu erhöhen. Auch wurde die Benutzeroberfläche vereinfacht und neue Funktionen und ein verbesserter VSTI-Modus ergänzt.

 

Aufbau

Vocaloid besteht eigentlich aus zwei Teilen, dem eigentlichen Editor und einem VST-Plugin.
Der Vocaloid-Editor ist dabei faktisch ein einfacher Sequencer in Minimaloptik, der mittels Notensetzen oder Midifile-Import Noten, Texte und Phrasierungen an unsere virtuelle Sängerin weiterreicht; Einspielen via Keyboard ist leider nicht möglich. Unterhalb einer Notendarstellung im vertrauten Pianoroll-Look findet sich ein zweiter Bereich zur Eingabe von Controllerdaten. Hier können für jede Note (oder im Verlauf) Parameter wie Dynamik oder Tonhöhenverlauf , aber auch stimmspezifische Eigenheiten wie Brightness (Präsens), Opening (Offenheit) und Klarheit (Clearness) gewählt werden. Noch radikaler wirken Parameter wie Gender, das eine Formantverschiebung Richtung männliche Stimme ermöglicht, oder Breath, das den Anteil des nicht-stimmhaften (Atem) festlegt. Daneben eröffnet ein Rechtsklick auf gesetzte Noten ein Menü, das neben Editieroptionen auch Zugriff auf Einzelparameter der Note bietet. Hier lässt sich beispielsweise sehr filigran das Vibrato für jede Note einzeln bestimmen.

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Darüber befinden sich die Werkzeugleisten, Taktangaben und die Menüs. Mittels umschaltbarer Cursorsymbole können Events gezeichnet, ausgewählt und kopiert werden, eine weitere Werkzeugleiste steuert die Wiedergabe, wobei das Loopen von Abschnitten ebenfalls möglich ist. Auch lassen sich hier Taktmaß, Tempo, Notenlängen und (Start)-quantisierung bequem einstellen; sogar Tempo-und Taktwechsel sind möglich. Ausgewählte Events lassen sich kopieren, löschen und einfügen, mit einer Reihe von Makros („Jobs“) lassen sich etwa überlappende Noten anpassen, Takte einfügen oder löschen. Auch Undo ist möglich, allerdings nur einfach (!). Auch lassen sich hier einige Voreinstellungen tätigen. Bei mehrstimmigen Arrangements wird zwischen den Noten umgeschaltet; die Lautstärken lassen sich in einem seperaten Mixerfenster mischen; auch kann man einzelne Tracks rendern, um Rechenleistung zu sparen. Ausgegeben wird das Ganze dann in Echtzeit über die Soundkarte, als Wavefile exportiert oder – im Studioalltag wohl das sinnvollste – als Rewire-Slave an den Hauptsequencer weitergereicht. Die Alternative zu dem Editor ist der VSTi-Modus. Vocaloid installiert sich dabei als ganz normales VST-Instrument. Das Plugin erlaubt die Eingabe von Texten, die dann in Form von Einzelsilben errechnet werden, allerdings nicht in Echtzeit. Diese errechneten Einzelsilben lassen sich dann einzelnen Noten zuordnen und wie ein ganz normaler VST-Synth benutzen. Im Unterschied zum Editor kann man hier die Stimmenoptionen wie Brightness, Clearness oder Gender in Echtzeit beeinflussen, also etwa einem Hardwarecontroller zuordnen. Auch erlaubt das VSTi-Plugin im einstimmigen Modus überlappende Noten und bietet darüber hinaus auch einen Modus, der vier stimmige Harmonie ermöglicht.

Der Editor von Vocaloid Prima

Der Editor von Vocaloid Prima

Praxis

Im Editormodus lässt sich Vocaloid recht einfach benutzen. Typischerweise setzt man die Noten mit der Maus, zieht sie auf die gewünschte Länge und setzt dann – per Doppelklick auf die Note – für jede Note das gewünschte Wort; mit Bindestrichen verbindet man Wortsilben, um Wörter in verschiedenen Tonhöhen singen zu lassen. Sollte das Programm das Wort nicht kennen, lassen sich eigene Wörterbücher anlegen. Hierzu gibt man das gewünschte Wort ein und beschreibt es lautschriftlich anhand einer Beispiele liefernden Tabelle mit den (englischen) Phonemen, die unsere Primadonna kennt. Auf diese Art kann man zumindest versuchen, unserer Sängerin auch andere Sprachen außer ihrem muttersprachlichen Englisch beizubringen, was manchmal gute Ergebnisse bringt, wegen fehlender Laute (wie ö oder ä) aber natürlich nicht immer funktionieren kann.

Anschließend wird man typischerweise das Vibrato pro Note bestimmen und im Controltrack die Phrasierung ändern. Hier gibt es definitiv eine Menge an Einstellmöglichkeiten. Gerade Parameter wie Brightness, Gender oder Clearness zeigen, was in der DSP-Engine steckt, gewinnt die Stimme – bei richtigem Einsatz – damit doch schnell dramatisch an Ausdruck. Allerdings braucht es einige Erfahrung, um diese Parameter auch zu nutzen. Gerade bei längeren Passagen verbringt man hier viel Zeit. Mit Breath, Portamento und Gender kann mann noch radikalere Effekte realisieren, die gerne mal nach Vocoder klingen und für die ein oder andere elektronische Produktion sicher hilfreich sind. Mit Breath muss man allerdings aufpassen, bei zuviel Einsatz klingt es mehr nach abgeschaltetem Trittschallfilter bei der Mikroaufnahme als nach Atem – ob das so gedacht war…

Die Benutzerführung von Vocaloid entpuppt sich allgemein – nach etwas Einarbeitungszeit – als wirklich durchdacht. Großes Manko ist allerdings, dass im Editor während des laufenden Betriebs keinerlei Manipulationen an Noten und Controllerdaten möglich sind. Gerade für elektronische Stile wäre Vocaloid 2 andernfalls interessanter, da hier im Loopmodus mit Noten und Phrasierungsmöglichkeiten experimentiert werden könnte. Dies hat seine Ursache natürlich in der benötigten hohen Rechenleistung für die Änderungen und lässt sich auch im VSTi-Modus (mit Abstrichen) umgehen, bleibt aber – besonders für die Loopbastler unter uns – ärgerlich. Auch fehlt eine CPU-Anzeige. Bei meinem Testsystem (AMD X2 3800) kam es im Editor zu keinen Aussetzern, aber schön wäre es trotzdem. Davon abgesehen, merkt man, dass einige Energie in die Perfektionierung der Software gesteckt wurde. So ermöglicht ein Job zufällige Variationen der Sequenzen für einen natürlicheren Gesamteindruck , zum Simulieren des (typischen) Einsatzes der Vocalattackphase vor dem Beat lässt sich eine „Pre-Send“-Zeit einstellen, ein Macro ermöglicht Legatoeffekte durch Verbinden von Noten und Tracks von mehrspurigen Arrangements und können auch verschiedene Vocaloid 2 – Sängerlibraries ansteuern, sofern vorhanden. Auch gefällt mir das minimalistische Sequencerkonzept trotz schlichter Optik wirklich gut, alles ist genau da, wo man es braucht, und stabil läuft es auch – bitte Yamaha, baut darauf doch euren Haussequencer auf…

Im VSTi-Modus muss man zwar auf einige praktische Eigenheiten wie die Jobs verzichten, die Möglichkeit der Echtzeitsteuerung macht dies aber wirklich wett. Hier arbeitet sich eindeutig intuitiver. Hübsch wäre aber gewesen, wenn Yamaha etwas mehr Zeit in das Design des Plugins gesteckt hätte. Ist im Sequencer der Minimallook noch interessant, so ist das Plugin an Hässlichkeit kaum zu überbieten – nicht wirklich schlimm, aber gerade bei virtuellen Synths isst das Auge halt doch mit.

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Klangbeispiele
Forum
  1. Avatar
    AMAZONA Archiv

    Für mich klingt das einfach nur grausam und ist nur für Electro-Mucke zu gebrauchen, wo man den "Sound" von Vocaloid bewußt als Effekt benutzt. Da kann ich auch gleich selber singen und Autotune und ein Pitchshifter mit Formanten benutzen. Geht garantiert schneller.

    • Avatar
      AMAZONA Archiv

      Ich finde selbst für elektro mucke hört es sich schon zu schlecht an…

  2. Avatar
    AMAZONA Archiv

    Es überzeugt zwar nicht, aber wenn man bedenkt
    was computer vor 20 Jahren konnten und was sie heute leisten, ist dieses Produkt ein Teil des Weges
    zum einem Ergebnis das eines Tages seine Qualitäten und Vorzüge haben wird.
    Wenn es nie überzeugen wird ist es auch nicht schlimm.

  3. Avatar
    AMAZONA Archiv

    Hehe – das liegt vielleicht an meinen Klangbeispielen, die einen alltäglichen Einsatz demonstrieren sollten. Eindruckvollere Demos gibt es auf der Herstellerseite, hier singt die Dosendonna halbe Arien. Aber grundsätzlich gebe ich dir schon recht, das Ding ist primär ein Sing-Synthesizer, kann aber auch in Pop/Rock eingesetzt werden, solange es nicht so sehr im Vordergrund steht.

  4. Avatar
    AMAZONA Archiv

    Naja, die Beispiele hauen mich jetzt keineswegs vom Hocker. Das hört sich eher an, als ob die Sängerin einen Frosch verschluckt hat.
    Aber stimmt schon, für elektronische Richtungen ist es am ehesten zu gebrauchen.

  5. Avatar
    AMAZONA Archiv

    … du hast recht, die Demos vom Hersteller klingen doch aussagekräftiger. Für Komponisten neuer Musik und Mock ups reicht es erstmal, aber für Pop oder Elektro ist es ungeeignet da eine klassische Stimme immitiert wird.

  6. Avatar
    AMAZONA Archiv

    wenn man sich viel mühe macht, entdeckt man erst das eigentliche potential von vocaloid.
    übrigens, ein sehr schoner testbericht, danke.

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