Akkorde wechseln - so geht es richtig!
Beginnt man mit dem Gitarre spielen, ist die Hauptaufgabe bzw. der tägliche Job, zunächst die am häufig benutzten Akkorde schnellstmöglich umgreifen zu können, um schließlich Songs stabil begleiten zu können. Akkorde auf der Gitarre wechseln gehört somit zum regelmäßigen Training. Zu eurer Entspannung sei gesagt: Vermeintlich lästige Themen wie Musiktheorie, Akkordzusammensetzung, komplexe Rhythmen etc. sind nicht Bestandteil dieses Workshops, es geht hier ausschließlich um die korrekte Ausführung der Technik und Tipps, wie man als Anfänger in der Praxis am effektivsten zum Erfolg kommt! Weitere Workshops für Einsteiger findest du hier:
Akkorde wechseln – offene Akkorde
Wie kümmern uns zunächst um sogenannte „offene Akkorde“, die eine Positionierung der Greifhand in den ersten drei Bünden der Gitarre erfordern.
Die wichtigsten Akkorde in der Reihenfolge ihres „Schwierigkeitsgrades“ sind: e-Moll, G-Dur, a-Moll, D-Dur, E-Dur, A-Dur, C-Dur. Damit lassen sich bereits Abertausende Popsongs rudimentär oder zumindest teilweise exakt begleiten.
Mit dem Beherzigen der hier gegebenen Tipps sollte es euch möglich sein, schnellstmöglich zum Erfolg zu gelangen. Es gilt dabei auch, einiges zu beachten und sich beim Akkorde wechseln genau zu beobachten:
Ideale Position der Finger der Greifhand
Die ideale Position der Fingerkuppen befindet sich unmittelbar hinter dem Bundstäbchen, da so am wenigsten Kraft aufgewendet werden muss und die Saite sauber schwingen kann. Man sollte mit den Fingerkuppen also möglichst nahe an das Bundstäbchen heranrücken, ohne jedoch den (die) Finger auf das Bundstäbchen aufzusetzen, da dies den Ton ruinieren (abtöten) würde.
Akkorde wechseln – entspannte Finger
Anders als beim Klavier, bei dem man beim Anschlagen einer Taste, eines Dreiklangs etc. normalerweise mit einem schönen Klang belohnt wird, ist dies bei der Gitarre deutlich schwieriger, da das klangliche Ergebnis bzw. dessen Qualität oft nur vom zehntelmillimetergenauen Aufsetzen der Finger bestimmt wird.
Die Finger der Greifhand sollten stets „locker“ sein, also nur so viel Kraft aufbringen, wie gerade erforderlich. Wer zu stark drückt, verkrampft die Greifhand und verschlechtert die Intonation (die Saite wird etwas gedehnt und erklingt somit zu hoch). Als ich anfing Gitarre zu spielen, war der Markt für Gitarren bei Weiten nicht so gesättigt wie heute, es war also viel schwieriger, an ein vernünftiges und gleichzeitig bezahlbares Instrument zu kommen. Heute ist das nicht schwer und auch eine günstige Gitarre verfügt bereits meist über eine komfortable Saitenlage, die ein entspanntes Spiel ermöglicht.
Erstaunlich ist, wie wenig Kraft ausreicht, um einen guten Ton zu erzeugen. Man kann dies ausprobieren und den Druck der Finger (Gelenke) testweise soweit reduzieren, dass der Ton gerade noch erklingt. Erzeigt man jedoch zu wenig Druck, klingt die Saite nicht sauber.
Das ist oftmals leichter gesagt als getan. Beobachtet, ob einige Glieder der Finger dazu neigen, sich „durchzudrücken“, das wäre ein Anzeichen für das Aufbringen von zu viel Kraft. Die Finger der Greifhand sollten einen leichten Bogen aufweisen, was eindeutig für eine lockere Haltung spricht.
Akkorde wechseln – die Praxis
Um die Geschichte zunächst übersichtlich zu halten, beginnen wir mit den Akkorden G-Dur und e-Moll. Der G-Dur Akkord existiert in vielen Varianten, wir befassen uns zunächst mit einer einfachen Variante. Der Ringfinger der Greifhand wird im 3. Bund der hohen E-Saite, der Mittelfinger im 3. Bund der tiefen E-Saite platziert. Der Mittelfinger tötet dann gleichzeitig die hier nicht benötigte A-Saite ab. Dies wird durch das X im Akkordraster symbolisiert.
Der e-Moll-Akkord wird bekanntermaßen folgendermaßen gegriffen:
Lifehack – Wahl der Finger
Gelegentlich ist es von Vorteil, einen Akkord situationsbedingt anders zu greifen, als es das Lehrbuch empfiehlt. Deswegen befinden sich in obigen Akkordrasterdarstellungen auch keine Angaben, welcher Finger zu benutzen ist. Es empfiehlt sich, beim Wechsel von einem Akkord zum nächsten, möglichst viele Finger „stehen zu lassen“, da auf diese Weise meist noch wichtige Sekundenbruchteile beim Umgreifen gewonnen werden können. Greift man beispielsweise den e-Moll-Akkord mit Finger 1 und 2 (Zeige und Mittelfinger), ist der Wechsel auf C-Dur minimal schneller zu erreichen. Greift man den oben abgebildeten G-Dur mit Finger 3 und 4 (Ringfinger und kleinem Finger), vollzieht sich beispielsweise der Wechsel von G-Dur nach C-Dur gleichfalls mit weniger Aufwand. Der kleine Finger muss aber zunächst die nötige Muskulatur und Gelenkigkeit entwickeln, da er zu Beginn der schwächste und untrainierteste Finger der Greifhand ist.
Nicht unwichtig – Länge der Fingernägel der Greifhand
Die Fingernägel der linken Hand (bei Rechtshändern) sollten kurz sein, was bei Gitarristinnen im Teenageralter unter Umständen einigen Unmut bzw. Widerstand erzeugen könnte. Ist beispielsweise der Nagel des Zeigefingers nur einen Millimeter zu lang, könnte dies bedeuten, dass beim Spielen des C-Dur Akkords, die benötigten Winkel der Fingerglieder nicht hergestellt werden können (die ungegriffene hohe E-Saite wird durch Berührung des Zeigefingers am Klingen gehindert und kann nicht mehr frei schwingen).
C-Dur:
Wie immer bestätigen Ausnahmen erfreulicherweise die Regel: Die legendäre Countrysängerin und Komponistin Dolly Parton („Stand By Your Man“ oder auch „I Will Always Love you“, bekannt gemacht durch Whitney Houston), schafft es tatsächlich auch, mit ihren langen Krallen sauber zu spielen.
Langsam üben
Dieser Absatz ist kurz, aber dennoch von entscheidender Wichtigkeit. Das Umgreifen der Akkorde solltet ihr zunächst sehr langsam, quasi in Zeitlupe tun und die Bewegungen der Greifhand dabei bewusst beobachten und ggf. Verbesserung vornehmen.
Enorm wichtig: Spielfluss bzw. im Rhythmus bleiben
Das Schwierigste beim Akkorde wechseln ist sicherlich, den benötigten Zeitraum, den das Umgreifen zwischen den Akkorden erfordert, möglichst kurz zu halten. Für den Lernenden oder auch für dessen Umwelt ist das ständige Warten auf den nächsten Akkord, welcher meist den Spielfluss unterbricht, oft unerträglich. Ich habe hierfür die optimale Lösung parat und nenne diese den sogenannten „Fake“, welcher im Folgenden genauer erklärt wird:
Hört man sich z. B. einen Popsong mit einer „gestrummten Gitarre“ in Zeitlupe an, wird man feststellen, dass auch Profis das Wechseln der Akkorde nicht in einer Nanosekunde erledigen können, sondern auch etwas (wenn auch wenig) Zeit dafür benötigen.
Wir hören nun zwei Akkorde (G-Dur, e-Moll) im Wechsel. Es werden Viertelnoten angeschlagen, d.h. auf jeden der vier Schläge des 4/4 Takts erfolgt ein Abschlag der Anschlagshand. Hier könnt ihr zunächst hören, wie das Ergebnis (nur aus rhythmischer Sicht) auf keinen Fall klingen sollte:
Super „Umgreif-Lifehack“ – der „Fake“
Viel besser ist es, beispielsweise Viertelnoten bei sehr moderatem Tempo anzuschlagen und die Zählzeit „4“ dafür zu nutzen, die Saiten leer anzuschlagen (Fake) und die „gewonnene Zeit“ dafür zu nutzen, die Finger an ihre jeweils neuen Positionen zu bringen. Der neue Akkord sollte dann unbedingt im jeweiligen Rhythmus auf den ersten Schlag des folgenden Takts, jedoch nicht später erklingen. Schafft man dies nicht, muss man unbedingt das Tempo des Anschlagens weiter reduzieren, bis man es schafft, im Spielfluss zu bleiben.
Die gewünschte Geschwindigkeit ergibt sich mit regelmäßigem Üben irgendwann von selbst und ist zunächst auch nicht wichtig bzw. zweitrangig. Höchste Priorität hat die Sauberkeit, also der perfekte Klang aller benötigten Saiten des jeweiligen Akkordes. Ideal ist es, wenn beim „Akkorde wechseln“, alle benötigten Finger eine gleichzeitige Bewegung zu ihren neuen Positionen ausführen und nicht zunächst ein Finger und danach die anderen Finger aufgesetzt werden.
Hier das ideale Ergebnis mit Integrieren des „Fakes“ (leer anschlagen ohne aufgesetzte Finger auf dem Griffbrett) auf den vierten Schlag des Taktes. Das klingt dann langsam beispielsweise folgendermaßen (wir hören wieder G-Dur und e-Moll im Wechsel):
Hier das gleiche Beispiel mit „Endgeschwindigkeit“ gespielt. Der „Fake“ ist quasi nicht mehr wahrzunehmen:
Werdet ihr mit der Zeit sicherer mit dem Umgreifen, könnt ihr ausprobieren, mit der rechten Hand Achtelnoten anzuschlagen und den „Fake“ erst auf die Zählzeit „4 und“ (die letzte Achtelnote des Taktes) anzuwenden.
Wir hören wieder G-Dur und e-Moll, der „Fake“ wird nur auf die letzte Achtelnote angewendet:
Schneller gespielt ist auch hier der „Fake“ kaum noch auszumachen:
Natürlich sollte dieses System auch beim Umgreifen aller weiteren Akkorde beherzigt werden.
Die richtigen Stücke auf der Gitarre lernen
Wichtig für den Erfolg ist es, ein konkretes Ziel zu haben. Findet man also einen Song, der einen begeistert und der im Bereich der Erlernbarkeit ist, sollte man anstreben, genau diesen zu lernen und nicht irgendetwas, was das Herz nicht erreicht. Die Begeisterung ist stets der natürliche Antrieb des Übens. Irgendwann findet man heraus, dass alle anderen auch nur mit Wasser kochen. Hat man die Büchse der Pandora einmal geöffnet, warten stets neue Abenteuer. Die Möglichkeiten des Gitarrespiels sind unbegrenzt.
Lifehack – Kapodaster
Erfahrungsgemäß kann ein sogenannter Kapodaster gelegentlich Wunder bewirken. Hat ein Kind von beispielsweise 10 Jahren noch nicht die nötige Handspannweite bzw. eine entsprechend kleine Gitarre, kann man einen Kapodaster beispielsweise am 2. oder 3. Bund platzieren. Da der Abstand der Bünde mit höherer Position auf dem Hals immer etwas kleiner wird, ist eine Erleichterung des Spiels deutlich zu spüren.
Ohne Fleiß kein Preis
Es klingt langweilig und abgedroschen, ist aber immer noch zutreffend. Nur wer dranbleibt, also regelmäßig übt, erzielt schnellstmöglich befriedigende Ergebnisse. Es geht also um das ständige Wiederholen der Bewegungen, da nur so die erforderliche Gelenkigkeit erreicht und gleichzeitig die Muskulatur gestärkt wird. Man kennt das vom Sport, vom Erlernen einer Sprache etc. Auch wenn man einmal keinen Bock zum Üben haben sollte, so hilft es doch immer, die Bewegungen regelmäßig zu wiederholen bzw. zu trainieren, damit sich eine Selbstverständlichkeit einstellt. Wir hoffen, dass diese Tipps hilfreich sein können, stay tuned!
Und hier unsere Workshops auf einen Blick:
- Gitarre & Bass Workshop: Harmonie-Grundkenntnisse
- Gitarre & Bass Workshop: Tonleitern Minor Pentatonik & Major Scale
- Gitarre & Bass Workshop: Harmonielehre: Intervalle und Akkorde
- Gitarre & Bass Workshop: Arpeggios
- Gitarre & Bass Workshop: Jazz vs Precision!
- Gitarre & Bass Workshop: Fretless Bass für Einsteiger
- Gitarre & Bass Workshop: Moll Pentatonik 1
- Gitarre und Bass Workshop: Moll Pentatonik 2
- Gitarre Tutorial: Blues Dur Pentatonik
- Gitarre Workshop: Advanced Blues Dur Pentatonik
- Gitarre & Bass Workshop: Die besten Blues Licks
- Gitarre & Bass Workshop: Blues Improvisation
- Gitarre & Bass Workshop: Die besten Blues Gitarristen aller Zeiten
- Harmonielehre 1: Verstehen und Anwenden
- Harmonielehre 2: Intervalle
- Harmonielehre 3: Akkorde und Terzen
- Harmonielehre 4: Kadenzen
- Harmonielehre 5: Moll Tonleitern
- Gitarre Tutorial: Die Technik des Doubling
- Gitarre Tipps & Tricks: Die Kunst des Hybrid Pickings
- Gitarre Workshop: Volume Swells und Sustain
- Gitarre & Bass Workshop: Funky Grooves
- Gitarre & Bass Tutorial: Umgang mit Bottleneck und Slideguitar
- Gitarre Workshop: Gitarre aufnehmen und Homestudio
- Gitarre Workshop: Wie nehme ich meine akustische Gitarre auf?
- Gitarre Workshop: Gitarrenverstärker aufnehmen mit Speaker-Simulator
- Gitarre Workshop: Recording – die Grundlagen
- Gitarre Workshop: Recording – der Equalizer
- Gitarre Workshop: Recording – der Hall
Klasse, Johannes: Für mich als Katzendarm-Anfänger (na gut, eher Stahlsaiten…) kommt der Bericht genau zur rechten Zeit. Vielen Dank für die Tipps.
PS: Gerne mehr davon!!!!!
und hier noch ein Keyboarder mit latenten Saitenambitionen. ;-) Was man nicht genug herausheben kann: das Kennzeichen von anfängerhaftem Spiel ist nicht, dass man sich verspielt, sondern dass man den Spielfluss, sprich: Tempo und Rhythmik durchhält. Man kann sich jede Menge falsche Noten erlauben – so lange man gut im Groove mitmacht, so lange vermittelt das Spiel Selbstvertrauen des Instrumentalisten und so lange wird das Ergebnis als durchaus gekonnt wahrgenommen. Das gilt echt für jedes Instrument und jegliche Art von Musik.
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Ich bin schon gespannt auf die kommenden Folgen.
Zeit mal wieder die Klampfe auszupacken und sich damit auseinanderzusetzen!
Um beim Akkordwechsel Sicherheit und Schnelligkeit zu gewinnen, kann man die Schlaghand auch mal beiseite lassen und ganz stumpf zwei Akkorde – deren Wechsel man üben möchte – nur mit der Greifhand wechseln. Immer hin und hier … 5 Minuten … 10 Minuten … Immer hin und her…
Dabei darauf achten, dass die Finger möglichst gleichzeitig auf den Saiten landen.
Wenn das mit Hinschauen gut klappt, den Wechsel blind üben. Und dann mit der Schlaghand Synchronisieren.
Das hat mir damals sehr geholfen und ich konnte innerhalb weniger Wochen die wichtigsten Akkorde zumindest im Fluss wechseln – auch wenn mein Rhythmusgefühl und Timing noch katastrophal waren ;-)