Pommes Schranke deluxe im Boxring
Les Paul vs. Les Paul … Als ich das erste Bild dieses Duos auf meiner Facebook-Seite veröffentlicht hatte, war der erste Kommentar: „Pommes rot/weiß?“ Der zweite Kommentator postete dann eine blonde Telecaster darunter mit den Worten: „Hier sind die Pommes dazu“. Na toll. Wenn’s auf dem Niveau weitergeht, kann das ja heiter werden. Immerhin waren die Veganer beruhigt, dass niemand eine schwarze Explorer mit den Worten „und hier kommt das verbrannte Steak“ in seiner Fotogalerie hatte. Steigen wir in den Ring und moderieren den Kampf der Schwergewichtler.
Modern Les Paul vs. Les Paul Custom – der Vergleich
Beide Les Pauls sind sich natürlich auf den ersten Blick sehr ähnlich. Wer erfindet schon einen Klassiker neu, wenn doch der Markt nach immer neuen Kopien der alten Legenden verlangt? Also betreffend der Form beider Probandinnen gibt’s keine Überraschung. Der Korpus besteht bei beiden Instrumenten aus Mahagoni, die Modern-Ausführung hat eine Decke aus Ahorn spendiert bekommen, die deckend rot lackiert ist. Der Korpus der weißen Custom besteht ausschließlich aus Mahagoni. Während die Les Paul Modern ein klassisches, cremefarbenes Binding erhalten hat, um die Decke optisch vom Korpus zu trennen, fungiert bei der rundum weiß lackierten Custom Ausführung ein schwarz/cremefarbenes Binding als Blickfang. Die klar lackierte Rückseite der Modern ermöglicht den Blick aufs Korpusholz, die Gegenspielerin ist durchgängig lackiert, wobei hier auch am hinteren Korpus noch mal ein Binding verarbeitet wurde. Neben diesen optischen Gimmicks fällt uns bei der Betrachtung der Rückseiten der ungleichen Schwestern der erste, signifikante Unterschied ins Auge. Präsentiert sich die Custom-Version als klassische „Holzplanke“, ist bei der Modern Les Paul der Hals-Korpus-Übergang etwas verjüngt, so dass man die oberen Lagen der Gitarre besser bespielen kann.
Die Modern Les Paul, die ich schon hier in anderer Farbe ausgiebig getestet habe, brüstet sich zudem damit, einen „Weight Relief“ Korpus ihr Eigen nennen zu dürfen. Und folgerichtig ist sie auch gleich satte 300 Gramm leichter, 4,2kg zeigt mir die Waage bei der Custom, 3,9kg bei der Modern.
Wandern wir den Hals hinauf – korrekt wäre natürlich „hinunter“, denn unten ist bei Gitarren immer oben, gelle…? – spüren wir einen Unterschied, der auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist. Das Halsprofil bei der Modern Les Paul hat ein asymmetrisches Profil, was der Gitarre ein „used feel“ verleiht und das schon beim Test vor einigen Wochen Pluspunkte eingeheimst hat. Die Kopfplatte und der Übergang vom Hals sind bei beiden Gitarren identisch, kein verstärkender Holzkragen sichert die bruchgefährdete Stelle. Während auf der Custom Grover Rotomatic Tuner ihre Arbeit verrichten, trumpft hier die Les Paul Modern mit Locking Tunern aus gleichem Hause auf. Die Halsmaße sind bei beiden Instrumenten identisch, die Perloid-Griffbretteinlagen unterscheiden sich etwas in der Form. Klassische Blöcke bei der weißen, Trapeze bei der roten Lady. Am hinteren Saitenende werkeln jeweils ein Locktone ABR Steg und ein Stop-Tailpiece, mal in Gold, mal in Chrome.
Spannend wird’s jetzt bei der Elektrik. Bei beiden Gitarren kommen die von Epiphone entwickelten Probucker zum Einsatz. Geschaltet werden sie konventionell über einen 3-Wege-Toggle-Switch. Doch während die Custom-Variante, ganz in klassischer Les Paul Manier, nur 3 Varianten kennt, zeigt sich die Modern Les Paul deutlich variantenreicher, indem sie sowohl eine Coil-Switching-Option bietet als auch ein zusätzliches Phase-Switching. Zu den Einzelheiten der Schaltung verweise ich nochmals auf den ausführlichen Test der Modern Les Paul. Wenn ich also jetzt den Vergleich zwischen beiden Instrumenten ziehe, werde ich die zusätzlichen Soundoptionen der Red Lady außen vor lassen, den „Mehrwert“ der Schaltung aber natürlich als Pluspunkt gegenüber der Konkurrentin verbuchen.
Modern Les Paul vs. Les Paul Custom – Handling und Bespielbarkeit
Beide Instrumente sitzen gewohnt satt auf dem Schoß. Die etwas leichtere Modern Les Paul hat natürlich wegen der Locking-Tuner eine etwas andere Verteilung des Gewichts auf dem Schoß zur Folge. Im direkten Vergleich macht sich eine minimale Kopflastigkeit gegenüber der Custom Les Paul bemerkbar. Nicht gravierend, aber spürbar. Im Test ohne den direkten Vergleich ist das tatsächlich so nicht aufgefallen, also auch für mich direkt eine neue Erkenntnis. Das moderne asymmetrische Hals-Shaping der Modern-Variante hingegen ist sofort spürbar. Die Bespielbarkeit der roten Probandin ist deutlich besser, dazu trägt natürlich auch der entschärfte Neck-Joint bei. Die weiße Custom hat die etwas handlicheren Potis. Das Handling der Potis bei der Modern hat mir schon im ausführlichen Test Kopfschmerzen bereitet. Und so hatte ich auch hier wieder direkt eine Potikappe in der Hand. Die Werkseinstellung ist bei beiden Gitarren in Ordnung, die Custom hat hier in puncto Saitenlage die Nase etwas vorn. Bei beiden Gitarren mussten die Werkssaiten noch mal kräftig überdehnt und nachgestimmt werden. Dank der Locking-Tuner ging das bei der Modern Les Paul deutlich schneller.
Trocken angespielt ergeben sich kaum nennenswerte Unterschiede. Das Sustain der rot lackierten Modern ist minimal länger und ausgewogener, dafür spricht die Custom Les Paul etwas knackiger an und produziert die klareren Höhen. Das ist für mich jetzt eine Überraschung, ich hätte aufgrund der höheren Masse einerseits und der Ahorndecke beim Schwestermodell andererseits das genaue Gegenteil erwartet. Aber ich spreche hier wirklich von Nuancen, die nur im direkten Vergleich hörbar sind. Eher noch sind sie spürbar, manchmal kann man Unterschiede zwischen Gitarren nicht in Dezibel, Hertz oder auf der Richter-Skala bewerten. Bisher führt für mich eindeutig die Modern Les Paul. Aber gehen wir mal an den verstärkten Sound.
Ring frei für den Soundcheck
Ich habe mich entschieden, zur besseren Vergleichbarkeit jeweils einen möglichst identischen Part aufzunehmen, der mit den exakt gleichen Amp- und Recording-Einstellungen eingespielt wird. Als Testequipment nutze ich einen Kemper mit je einem cleanen und verzerrten Profil eines Bogner XTC von Guido Bungenstock. Für den Vergleich bei crunchigen Angelegenheiten dient das Profil des Morgan AC20 aus der Rig Exchange. Beginnen wir clean und am Hals-Pickup. Wie schon gesagt, kommen die „extended sound options“ der Modern Les Paul nicht zur Anwendung. Und hier zeigen sich dann doch deutliche Unterschiede. Der Hals-Pickup der Modern klingt mittiger, während die Konkurrentin mehr die Bässe und Höhen bedient. Letztere hat etwas mehr „Draht“ im Sound dafür wirkt erstere voluminöser. In Zwischenstellung des Toggles ist die Modern wieder etwas präsenter und funkiger, die Kollegin klingt eher so, als wäre der Loudness-Schalter an der Stereoanlage gedrückt. Das sollte ihr später bei Distortionsounds zugute kommen. Aber der Reihe nach! Es folgt der Bridge-Pickup. Hier spiele ich ein Riff, das mit den Fingern der rechten Hand angerissen wird. Und jetzt hört man den Unterschied zwischen den beiden wirklich deutlich. Der „Draht“ im Sound der Custom wird deutlicher, die mittigere Wiedergabe der Modern ebenfalls. Was den Sound angeht, gewinnt für meinen Geschmack die weiße Prinzessin derzeit an Boden. Schalten wir mal einen Gang höher.
Das angezerrte Profil des Morgan AC20 steht bereit, den Kampf der Tonwandler zu moderieren. Les Paul vs. Les Paul geht in die zweite Runde, beginnend wieder in der roten Ecke, völlig regelkonform am Hals gepackt. Und jetzt wird’s langsam echt schwierig. Zeigte sich clean die teufelsrote Dame etwas zickiger, fällt mir jetzt eine geschmackliche Einordnung dessen, was an meine Ohren dringt, echt schwer. Der Crunch-Sound scheint von ihrer etwas mittigeren Wiedergabe zu profitieren, allerdings ist der Loudness-Character des weißen Engelchens auch definitiv eine Versuchung wert. Der Anschlag tritt bei Engelchen etwas deutlicher hervor. Für mich ergibt sich hier die Gleichung rot = rockig, weiß = vielseitig. Letztere ist in Ansprache, Wiedergabe und tonalem Charakter wieder ein oblatenhaftes Häppchen weiter vorne.
Also raus aus der Aufwärmrunde, das Finale ruft. Distortion satt aus dem Bogner XTC Profil. Hier schlägt sich meines Erachtens das rockig rote Modell deutlich besser als das weichere weiße. Die mittigere Wiedergabe kommt der Tontrennung und Artikulation der Töne im Highgain-Bereich deutlich zugute. Der Sound wirkt offener und durchsetzungsstärker, während white Lady hier etwas an Boden verliert und der Sound sich als etwas charakterloser und schwammiger in der Wiedergabe entpuppt. Der Steg-Pickup zeigt dabei noch mal eine kleine Steigerung zum etwas muffiger agierenden Kollegen am Hals.
Schwer, aus diesem Vergleich einen Sieger zu küren. Aber hier hilft jetzt das Ass im Ärmel der Modern Les Paul. Durch die Splitbarkeit der Humbucker und den zusätzlichen Phase-Switch ergeben sich ja nun um ein Vielfaches mehr Möglichkeiten, die die besseren Klangeigenschaften der Custom im cleanen und angezerrten Bereich deutlich überragen dürften.