Miniaturmikros für den kleinen und großen Geldbeutel
Im Test sind diese fünf Miniaturmikrofone: AKG C 417 PP, Audio Technica AT803, the t.bone Ovid CC100, DPA CORE 4060, DPA CORE 4099
Für viele Toningenieure sind Miniaturmikrofone immer noch Exoten – sei es auf der Bühne oder im Studio. Dabei gab es in den letzten zwei Jahrzehnten viele innovative Neuerungen, was diesen Mikrofontyp betrifft. Durch fortschreitende Miniaturisierung werden die Kapseln immer winziger, gleichzeitig wird die Leistungsfähigkeit verbessert und der Preis sinkt.
Mit meinem Special “Miniaturmikrofone im Studio” habe ich bereits eine Lanze für die Verwendung der Mini-Mikros gebrochen und anhand von Audiobeispielen einige Einsatzmöglichkeiten vorgestellt. Derer gibt es wahrlich unzählige, denn die Mikros lassen sich meist sehr nah an einem Instrument oder einer Klangquelle positionieren und sind durch ihre kleinen Abmessungen und ihr geringes Gewicht leicht zu anzubringen. Für das oben erwähnte Special wurden mir damals von der Firma DPA zwei unterschiedliche Mikrofontypen zur Verfügung gestellt. Das Kugel-Mikrofon DPA CORE 4060 wie auch die DPA CORE 4099 Serie mit Superniere lässt sich im Live-Einsatz wie auch im Tonstudio verwenden.
Aber wie sieht es mit anderen Herstellern aus? Die Zahl der erhältlichen Modelle steigt ständig und mittlerweile gibt es Miniaturmikrofone in jedem Preissegment. Wo genau liegen die Unterschiede und was gilt es beim Kauf zu beachten? Im heutigen Test vergleichen wir unterschiedliche Modelle verschiedener Hersteller. Hier ein Überblick:
AKG C 417 PP
Mit einem Ladenpreis von 114 Euro ist das AKG C 417 PP das günstigste Miniaturmikrofon im Test.
Es handelt sich um ein Kugelmikrofon mit fest montiertem, drei Meter langem Kabel und XLR-Phantomspannungsadapter. Das Mikrofon wird von AKG in China produziert und kommt im Set mit einer Mikrofontasche, einem kleinen Windschutz und einer Klemmhalterung, um es an Kleidungsstücken zu befestigen.
Audio Technica AT803
Audio Technica hat mit dem AT 803 ein sehr interessantes Komplett-Paket im Programm. Zum Preis von nur 175 Euro erhält man hier ein Miniaturmikrofon mit Kugelcharakteristik und einem 1,8 Meter langem Kabel sowie das für den Betrieb notwendige Stromversorgungsmodul AT8531, das mit Batterieschacht und einem schaltbaren Highpass-Filter bei 80 Hz aufwarten kann. Auch diverse Halterungen sind im Paket enthalten, geliefert wird das Audio Technica AT 803 zudem in einem formschönen Etui.
Wer eine Nierencharakteristik vorzieht, für den dürfte das Audio Technica das AT 831b interessant sein. Dann kommt Bauart-bedingt allerdings auch ein Nahbeprechungseffekt zum Tragen, was bei Close-Miking direkt am Instrument nicht immer erwünscht ist.
DPA CORE 4060
Dieses Mikrofonset mit nur fünf Millimeter großen Kugelkapseln habe ich bereits ausführlich getestet (siehe Testbericht). Es ist teurer als die Konkurrenz und kostet derzeit als Einzelstück mit XLR Adapter 479 Euro. Das Stereo-Set, das mit viel nützlichem Zubehör wie etwa Grenzflächenadaptern geliefert wird, ist momentan bei Thomann zum Preis von 795 Euro zu haben. Damit bietet es von allen erhältlichen DPA-Sets meiner Meinung nach das beste Preis-Leistungs-Verhältnis.
DPA CORE 4099
Das zweite DPA Mikrofon ist das DPA CORE 4099. Es besitzt eine Supernierencharakteristik, das kleine Richtrohr mit der innenliegenden Kapsel lässt sich durch einen Schwanenhals beliebig ausrichten. DPA bietet von diesem Mikrofon Sets mit Halterungen für diverse Instrumentengruppen an. Die Halterungen sind aber auch einzeln zu erwerben. Die robusten Kabel sind sowohl vom Schwanenhals als auch an der XLR-Buchse abschraubbar und die Mikros werden in einem hochwertigen Etui geliefert.
the t.bone Ovid System CC 100
Das Ovid System wurde 2012 vorgestellt und ist augenscheinlich eine direkte Kopie der DPA 4099 Serie. Allerdings ist dieses System für den Bruchteil des Preises des Originals zu haben: unglaubliche 49 Euro kostet das Mikrofon inklusive XLR-Adapter, der die Spannungsversorgung übernimmt. Halterungen müssen extra dazugekauft werden und auch einen Plastikkoffer zur Aufbewahrung aller Teile hat Thomann im Angebot. Im Gegensatz zum DPA 4099 handelt es sich bei der Richtcharakteristik um Niere. Während das Kabel am Schwanenhals fest fixiert ist, kommt zur Verbindung mit XLR-Adapter ein 3-poliger Mini-XLR Stecker zum Einsatz, wodurch das System auch für Wireless-Systeme von the t.bone und AKG kompatibel ist.
Verarbeitungsqualität der Miniaturmikrofone
Beim Thema Verarbeitungsqualität kommen extreme Unterscheide zutage. Das AKG C 417 PP macht einen recht billigen Eindruck, sowohl was die Verarbeitung der Kapsel als auch das drei Meter lange Kabel angeht. Beispielsweise konnte man dem Kabel die Zick-Zack-Vertwistungen, die es durch die Faltung in der Verpackung angenommen hat, während der gesamten Testphase nicht austreiben. Beim Audio Technica AT803 B und den beiden DPA Mikros macht die Kabelqualität einen weitaus besseren Eindruck, bei allen drei Modellen „fällt“ das Kabel direkt nach dem Auspacken frei und ohne jegliche Verformungen. Schlusslicht beim Thema Kabel ist das the t.bone Ovid System, es ist zwar ähnlich dünn wie jenes von DPA, aber gleichzeitig unflexibel und macht einen so filigranen Eindruck, dass man hier nicht von einer langen Lebensdauer ausgehen kann. Wenn es früher oder später reißen sollte, kann man nur hoffen, dass es an einer Stelle passiert, an der man das Kabel verlöten kann – sonst ist das ganze Mikrofon reif für die Tonne. Der Schwanenhals und das Richtrohr hingegen sind beim Ovid CC100 überraschend gut ausgeführt.
Hervorheben möchte ich noch die Verarbeitungsqaulität des AT 803. “Made in Japan” steht hier für sehr gute Qualität, vor allem in Anbetracht des günstigen Preises. Wie auf dem nächsten Foto zu sehen ist, ist es aber auch ein richtig dicker Brummer. Daher ist es nicht so unscheinbar zu platzieren und auch schwerer als die anderen Lavalier-Mikros.
Technische Unterschiede der Miniaturmikrofone
Neben der Widerstandsfähigkeit und dem Klang der Kapseln sind bei Miniaturmikrofonen zwei Werte besonders wichtig: zum einen das Grundrauschen, da sich durch die geringen Kapselabmessungen nur wenig Schallenergie in Strom umwandeln lässt – zum anderen der maximale Schalldruckpegel, der wiederum angibt, ab wann das Mikrofon zu verzerren beginnt. Aus diesen beiden Werten errechnet sich in nächster Konsequenz der Dynamikumfang der Mikros, also jener dB-Bereich, in dem Klang ohne Rauschen verzerrungsfrei übertragen wird.
Eine Sonderstellung nimmt das Audio Technica AT 803 ein, denn bei diesem Mikrofon unterscheiden sich die Messwerte je nachdem ob es mit 48 Volt Phantomspannung oder mit Batterie betrieben wird. Die Möglichkeit des Batteriebetriebs als zusätzliche Option ist äußerst praktisch, wenn ein Mischpult oder ein Preamp keine Phantomspannung zur Verfügung stellen kann oder man mit mobilem Equipment aufnehmen will. Man sollte allerdings beachten, dass sich beim AT803 dann folgende Werte ändern: Der maximale Schalldruck bei 1 % THD reduziert sich im Batteriebetrieb von 135 dB SPL auf 121 SPL dB, der Dynamikumfang beträgt nur noch 92 dB anstatt 106 dB. Will man mit lauten Schallquellen arbeiten, sollte man also unbedingt auf eine Aktivierung der Phantomspannung achten.
Beim DPA CORE 4060 liegt der Dynamikumfang ebenfalls bei 106 dB, was aufgrund der erheblich kleineren Kapsel im Vergleich zum AT803 eine besondere Leistung ist. Das 4099 geht noch einen Schritt weiter und bietet 108 dB. Das the t.bone Ovid System bietet offiziell einen Dynamikumfang von 89,7 dB – der Wert wird aber in der Praxis nicht erreicht, da das Rauschen höher ist als angegeben. Beim AKG C 417 PP liegt der Dynamikumfang bei nur 84 dB.
Extra Zubehör für Miniaturmikrofone: Halterungen für verschiedene Instrumente
Um die Schwanenhals-Mikrofone an den verschiedensten Instrumenten zu befestigen, gibt es sowohl von DPA als auch von the t.bone Adapter für Streichinstrumente, Saiteninstrumente und Schlagzeug. Bei DPA sorgt eine spezielle Klemme am Schwanenhals dafür, dass das Mikrofon zusätzlich gesichert wird und bombenfest hält. Bei the t.bone gibt es keine zusätzliche Sicherung, wobei die Halterungen für Gitarre oder Kontrabass ihren Job gut erfüllen.
Etwas aus der Reihe tanzt der Pianohalter. Beim Modell von DPA befindet sich auf der Unterseite ein starker Magnet, man kann das Mikrofon also überall am Gussrahmen des Klaviers befestigen – damit hält das Mikrofon auch in vertikaler Positionierung absolut sicher und es bewegt sich keinen Millimeter. Bei der Pianohalterung von the t.bone muss man auf einen Magneten verzichten, er kommt stattdessen mit einer doppelseitigen Klebefolie. Wo bitte soll ich diese Halterung in mein Klavier kleben? Beim ersten Versuch, das Mikrofon zu positionieren, fällt es um und das doppelseitige Klebeband löst sich von der Halterung ab. Leider eine totale Fehlkonstruktion – zumal die Halterung mit 19,90 Euro auch einen sehr stolzen Preis hat.
Die XLR Adapter für die Spannungsversorgung
Für mobile Aufnahmen ist es wichtig, den Platz der XLR-Adapter mit einzuplanen. Da sich darin nicht nur der Stecker, sondern der Rest der Mikrofontechnik befindet, können diese Adapter recht viel Platz beanspruchen. Bei einem Recorder wie dem Sound Devices MixPre 6 II, mit dem auch alle Testaufnahmen in 32 Bit Float angefertigt wurden, sieht das dann beispielsweise so aus:
Die Kugelmikros im Einsatz im Studio
Die Corona-Krise verhindert leider, dass ich die Miniaturmikrofone auf der Bühne teste – dafür habe ich mich aber in Zeug geschmissen und viele Klangbeispiele für euch angefertigt. Gewisse klangliche Aspekte lassen sich ja durchaus vom Studio auf die Bühne übertragen. Den Anfang machen die drei Kugelmikros an der Akustikgitarre:
Im Vergleich zum Audio Technica und dem DPA Mikrofon tendiert das AKG C 417 PP klanglich in Richtung Badewannen EQ mit zurückgenommenen Mitten. Leider ist auch das Rauschen deutlich hörbar, wenn man sich die letzten Sekunden des Samples anhört. Hier ein weiterer Test an der Gitarre mit gezupften Saiten:
Auch bei Sprachaufnahmen ist das Rauschen des AKG deutlich zu vernehmen. Mit rund 34 dB (A) liegt es rund 10 dB höher als etwa beim DPA 4060. In diesem Bereich kommt es wirklich auf jedes dB an und für Studioproduktionen ist das einfach zu viel. Die Aufnahmen wurden ohne Pop-Filter angefertigt, um nachzuvollziehen, wie die Kapseln auf Plosivlaute reagieren.
Am Klavier mache ich Stereoaufnahmen und installiere die Miniaturmikrofone einfach mithilfe eines Tapes an der Oberseite des Gussrahmens:
Mit offenem Deckel klingt das so:
Live oder im Proberaum kann man den Deckel natürlich auch schließen, um eine bessere Dämpfung der anderen Instrumente bzw. eine Verringerung des Raumanteils zu erreichen. Wie sich der Klang verändert, hört ihr im nächsten Beispiel. Durch den geschlossenen Deckel steigt auch der Schalldruck an, die erzielte Lautstärke ist also höher als mit offenem Deckel. Im ersten Durchgang ist der Deckel geschlossen, danach habe ich ihn geöffnet. Die Gain-Einstellung des Preamps wurde nicht verändert, um den Unterschied in der Lautstärke zu verdeutlichen:
Im Studio gefällt mir persönlich die Positionierung der Miniaturmikrofone an der Wand hinter dem Piano sehr gut. Da das DPA CORE 4060 einen Grenzflächen-Adapter mit im Gepäck hat, habe ich auch diesen natürlich auch ebenfalls ausprobiert:
Miniaturmikrofone mit Richtwirkung: the t.bone Ovid CC100 und DPA CORE 4099
Ich bleibe gleich am Klavier und baue bei offenem Deckel die beiden Schwanenhals-Mikrofone auf.
Auch hier ist das Rauschen des the t.bone deutlich höher als das DPA 4060. Klanglich ist das the t.bone am Klavier gar nicht so schlecht – jedenfalls besser als es sein Preis vermuten lassen könnte. Um trotz Corona-Krise und Auftrittsverbot zumindest ein klein wenig nachvollziehen zu können, wie die Mikros den rückseitig eintreffenden Schall verfärben, habe ich im Studio eine Aufnahme des Publikums im vollgepackten Wembley Stadium abgespielt. Wenn schon, denn schon:
An der Akustikgitarre liefert das the t.bone eine recht basslastige Vorstellung, die zum Teil dem Nahbesprechungseffekt geschuldet ist. Das DPA klingt hier deutlich ausgewogener:
Am Schlagzeug installiere ich die beiden Miniaturmikrofone sowohl an der Snare Drum als auch an der Floor Tom. Letztere klingt durch den nicht linearen Frequenzgang des the t.bone OVID CC 100 leider recht „topfig“, von einer natürlichen Abbildung des Sounds ist es weit entfernt.
Am Kontrabass und anderen Streichinstrumenten lassen sich die Miniaturmikrofone mit einer Halterung auf den Saiten hinter dem Steg befestigen. Die sehr tiefen Frequenzen erzeugen beim the t.bone Ovid jedoch ein deutlich wahrnehmbares Vibrationsgeräusch, das ich trotz mehrerer Versuche nicht unterbinden konnte.
Twinplex waere im vergleich als direkter 4060/4061 konkurent sehr interessant gewesen, sowie natuerlich MKE2 und Countrymans.