Analog-Synth mit Touch Bar
Inhaltsverzeichnis
Korg 900PS Monophonic Preset Synthesizer
Mitte der 70er Jahre waren monophone Synthesizer regelmäßig als Ergänzung zu anderen Instrumenten wie Orgel und E-Piano gedacht. Solostimmen für Melodieparts wiedergeben war deren Hauptaufgabe. Dazu Bässe und nebenbei vielleicht auch ein paar Soundeffekte wie Wind und Meeresrauschen. Korg war auf diesem Gebiet sehr rührig, einer der Bekanntesten aus jener Zeit ist der miniKORG 700S. Von manchen Musikern wurden – ähnlich wie bei Orgeln – sofort abrufbare Klänge in Form von Presets als praktische Sache angesehen. Und so kam es zum Korg 900PS.
Das robust verarbeitete Instrument kam 1975 auf den Markt und ähnelt im Aufbau ein wenig dem ARP ProSoloist. So gibt es neben den fertig vorbereiteten Soundpresets, die einfach per Wipptaster angewählt werden, einige Schieberegler und Schalter, mit denen diese Klänge während der Performance rasch verändert werden können. Korg hatte sich aber eine Besonderheit einfallen lassen: den Touch Bar. Das ist ein Metallbügel, der unterhalb der 37 Tasten angebracht ist und mit dem man durch simples Berühren Modulationen abrufen kann. Doch das ist noch nicht alles an ungewöhnlichen Extras, denn es gibt noch den berühmten Korg Traveler. Was es damit auf sich hat, erfahren Sie weiter unten. Auch, um was es sich bei den vielen bunt markierten Parametern handelt.
Der Korg 900PS von oben
Einigermaßen voluminös ist das Design, und von der Seite betrachtet mit einem vertikalen Knick in der Mitte, damit die Preset Anwahl auf der Frontplatte bequem ist. Die Wipptaster sind recht großflächig und stramm zu bewegen, nicht so puppig und fragil, wie das bei manchen aktuellen Instrumenten ist. Links der Tastatur sind veränderbare Klangparameter untergebracht, schön farblich nach Parametergruppen abgestimmt, damit man gut den Überblick behält. Mit ihnen können die voreingestellten Sound Presets variiert werden und das innerhalb eines kindersicheren Rahmens. Der 900PS bringt knapp 15 Kilo auf die Waage, das dürfte Ihnen einen Anhaltspunkt zur damaligen Auffassung von stabiler Bauweise geben, wodurch man das Instrument getrost als bühnentauglich bezeichnen kann. Vorne hat es eine Kopfhörerbuchse, rückwärtig neben dem Korg Logo einen Audio Out. Weitere Anschlüsse? Fehlanzeige, man gab sich spartanisch und verzichtete damals gänzlich auf irgendwelche Pedale. Das Netzkabel ist fast 2 Meter lang, woran man merkt, dass da jemand an Bühnenverhältnisse gedacht hat.
Analogen Klangerzeugung und Sound Presets
Realisiert werden die Klänge mit einem Oszillator, einem 2-Pol Low Pass Filter, einem LFO für Sinusschwingungen sowie einem Hüllkurvengenerator mit Attack und Release (heißt beim 900PS Sustain). Filter Resonanz gibt’s keine, lediglich eine mit Expand bezeichnete Funktion mit ziemlich sanftem Wirkungsgrad. Bei den Presets finden wir zwei Gruppen: Percussive und Singing. Mit diesen englischen Begriffen wollten Japaner damals wohl international verstanden werden, wenn es um Klangkategorien geht. Die perkussive Gruppe auf der linken Seite des Panels bietet 9 Sounds: Timpani, Electric Bass, Synthe Bass, Piano, Harpsichord, Shamisen, Banjo, Mandolin und Xylophone. Rechts daneben die verbleibenden 15 Klänge der Singing Group. Was wohl bedeuten soll, dass es sich um nicht verklingende, sondern dauerhaft anhaltende Klänge handelt: Tuba, Bassoon, Horn, Cello, Trombone, Sax, Voice, Clarinet, Accordion, Trumpet, Funky Trumpet, Synthe Trumpet, Oboe, Violin und Recorder.
Auch wenn einige Instrumente zumindest oberflächlich gesehen klanglich auf Anhieb tatsächlich den originalen Vorbildern irgendwie ähneln, dient die Namensgebung letztlich eher der Orientierung und muss nicht als wirklich authentische Simulation verstanden werden. Bei der Anwahl der Presets ist immer das am weitesten rechts gewählte aktiviert, sobald der betreffende Wipptaster nach unten gedrückt wird. Der rastet dann in seiner nun aktivierten Position mit einem deutlich wahrnehmbaren Klackgeräusch auch spürbar ein. Rechts daneben ist optional noch das mit Scale Noise und White Noise bezeichnete Rauschen. Die sind zuständig für die beliebten Windgeräusche oder auch Meeresrauschen und: menschliches Pfeifen. Der Oszillator liefert Saw Square Waveshaping, dessen kann man sich anhand der Presets überzeugen. Die Clarinet klingt entsprechend eindeutig nach Rechteck, während die Trumpet bei ganz geöffnetem Filter ordentlich sägt. Im Anschluss zu den Singing Presets gibt es noch drei Wipptaster mit dem Oberbegriff Harmonics.
Sie haben jeweils die Unterfunktion abklingende Hüllkurve, Dauerton und sanft einschwingend. Mit ihnen verbunden sind auf dem linken Bedienfeld vier Slider mit den Fußlagen 16’, 8’, 4’und 2’. Der Klangcharakter erinnert an Sinus, und die Slider erlauben eine Mischung dieser vier Fußlagen in jeweils beliebigem Lautstärkeverhältnis. Da die beiden ersten Harmonic Presets eine, auch grafisch dargestellte, abknickende Decay Phase haben, klingt das auf Anhieb ein wenig nach Orgelsound, allerdings natürlich nur monophon spielbar. Eine schöne Zugabe bei diesem Synthesizer!
Klangmodifikationen
Komplette Verdrehungen der Presets sind zwar nicht zu machen, aber das war wohl auch gar nicht so gedacht. Mit ein paar Reglerbewegungen Sounds animieren oder klangliche Varianten schaffen – auch dynamisch, während die rechte Hand mit Spielen beschäftigt ist – dazu werden die Schalter und Schieberegler auf der linken Seite verwendet.
Das überschaubare Besteck dafür heißt Attack und Sustain als Kontrolle über die Hüllkurve, dazu noch ein Hold Taster für Dauerton. Außerdem kann zwischen voreingestellter individueller Sound Preset Hüllkurve und freier Einstellung per Wipptaster gewählt werden.
Nun zum Filter Traveler
Dabei handelt sich um einen horizontal angebrachten Filter Cutoff Schieberegler, siehe Foto oben. In diesem Falle wird 2-Pol Low Pass kontrolliert. Gegenüber dem Schwestermodell 700S eine kleine Einschränkung, wird bei dessen Traveler nämlich auch High Pass regelbar. Und zwar komfortabel bei Bedarf alle beide sprichwörtlich in einem Rutsch. Dieses Korg Filter hat einen eigenständigen Charakter, wirkt in der Auslenkung deutlich sanfter als Moog und geht mit seinem angenehmen Sweet Charakter eher in Richtung Roland SH Synthesizer, ist jedoch nicht so zwitscherfähig. Auch hier zeigt sich das klare und einfach zu bedienende Konzept: Korg empfiehlt in der Bedienungsanleitung, den Traveler Slider in Mittelposition zu bringen, wenn die Grundeinstellung der Presets benötigt wird. Er eignet sich auch gut, um während des Spielens beliebige Klangveränderungen von brillant nach dumpf und zurück auszuführen.
Damit die Performance nicht durch den geringen Tastaturumfang begrenzt werden muss, ist links neben der untersten Taste ein 3 Octave Switch positioniert. Eine rauf, eine runter und noch die Mittelstellung. So schafft man immerhin 5 Oktaven. Gestimmt wird der 900PS übrigens per Pitch Drehregler, der ganz links untergebracht ist. Leider lässt er sich nicht wirklich als Pitch Bender zweckentfremden, denn der Regelbereich beträgt gerade mal einen Viertelton rauf und runter, und eine Mittenrasterung hat er sowieso keine. Nebenbei: Der Synthesizer ist erstaunlich stimmstabil und hat da die Nase vorn im Vergleich zu mancher Legende.
Touch Bar
Hier hatte sich Korg was Ulkiges ausgedacht. Angebracht unterhalb der Tastatur in großzügiger 53 cm Länge kann damit durch einfache Fingerberührung ein Klangeffekt bzw. Modulation aktiviert werden.
Die Effekte wie Vibrato, Repeat, Portamento können hier nicht nur wie üblich einfach eingeschaltet werden, sondern bei Bedarf per Touch Bar spontan aktiviert werden! Es ersetzt ein bisschen das klassische Modulation Wheel. Und das funktioniert auch multipel für mehrere Effekte gleichzeitig. Man kann ihn an jeder beliebigen Stelle berühren, das ist tatsächlich praktisch bei der Performance. Denn je nachdem welcher Finger gerade „unbenutzt“ ist, das kann der kleine genauso sein wie der Daumen, man macht das dann einfach so wie es gerade passt. Oder man nimmt einfach die linke Hand, wenn die sonst nichts zu tun hat. Natürlich erfordert die Sache ein wenig Übung, damit es auch wirkungsvoll eingesetzt werden kann und nicht nach Unfall klingt.
Es ist wirklich schade, dass der 900PS kein Pitch Bend Wheel und Modulation Wheel hat, denn die mittels Modulation Bar erzielbaren Spieleffekte sind verglichen damit doch etwas eingeschränkt.
Der Sound des Korg 900PS
Warm, insgesamt eher die angenehme Seite, kaum krachig auch bei Effekten. Manchmal hohl und dünn, gelegentlich nasal. Trocken und ohne jegliche externen Effekte nicht wirklich das Gelbe vom Ei. Aber halt, denn in den 70ern wurde der Sound angereichert mit Effekten wie Echo, Reverb, Flanger, Phaser. Dazu Wiedergabe per Röhrenamp und Speakersystem wie etwa zwei 12“ Lautsprechern. Das Klangresultat war dann durchaus ansehnlich. Wer sowas nicht besitzt, kann das mit modernen Mitteln zumindest nachahmen, etwa Line 6 Pod oder entsprechende Plug-ins für Speaker- und Ampsimulationen. Nicht zurückschrecken sollten Sie beim 900PS daher auch nicht beim Gedanken an abgefahrene Effektketten Typ Gitarristenbodenbrett. Einfach das ganze Zeug in Reihe geschaltet, etwa das 900PS Trumpet Preset durchgeschickt und dann mit dem Touch Bar dynamisch ein paar Effekte hinzugefügt – das macht schon Laune und klingt vor allem passabel.
Hinweis zu den Audio Beispielen
Es ist ein monophoner Synthesizer ohne eingebaute Effekte wie Reverb und Delay, das kann in einer Sounddemo schnell dröge klingen. Also habe ich bei den untenstehenden Audio Tracks ein bisschen davon praxisnah mit externen Mitteln hinzugefügt. Ohne großartige Demosongs, wo er etwa die Melodie oder den Basspart übernimmt. Sie hören den 900PS also quasi „freigestellt“.
Und so ist auch Freude am Spielen das, was beim 900PS klar im Vordergrund steht. Gerade die überschaubare Anzahl der Sounds ist es, dazu die Performance Control wie Traveler. Der Touch Bar und seine Ausdrucksmittel. Man kann den Synthesizer auch sampeln und hinterher im Sampleplayer Akkorde spielen für erstaunliche Ergebnisse. Ebenso ihn spielen über die Audio Inputs moderner Synths wie MicroKorg und dann dessen Effekte und Filter einsetzen.
Korg brachte etwas später (1977) noch den kleineren M500 Micro Preset auf den Markt. Er ist kompakter und hat eine nochmals reduzierte Bedienoberfläche mit ganz wenigen Klangparametern. Der Grundklang jedoch ähnelt durchaus dem 900PS und wartet ganz nebenbei noch mit einem Extratrick auf: Zwei Preset Buttons gleichzeitig drücken ergibt eine dritte Klangvariante. Ihn gab es auch als Modell M500SP mit eingebautem Lautsprecher auf der Unterseite.
Die Mitbewerber
Monophone Synthesizer mit Presets waren in den 70ern so beliebt, dass vor allem die anderen japanischen Hersteller was im Angebot hatten. Roland etwa mit dem SH1000 und SH2000, Yamaha mit den Modellen SY1, SY2 sowie dem CS15D. Außerdem der schon eingangs erwähnte ARP ProSoloist aus USA, ebenso sein Geschwisterinstrument Pro/DGX. Auch der Teisco S100P ist in dieser Kategorie mit im Rennen. Einen prinzipiell ähnlichen Sound bringen natürlich die Zeitgenossen von Korg selber, und das sind neben dem M500 die Preset-freien Synthesizer 770, 700 und 700S sowie der 800DV, der auch unter dem Namen Maxi-Korg verkauft wurde. Nicht zu vergessen der Sigma KP30, der wohl als Nachfolger des 900PS betrachtet werden kann.
Gebrauchtpreise
Der 900PS ist definitiv eine Rarität und selten zu kriegen. Obwohl er meinen Recherchen nach damals in passabler Stückzahl hergestellt, nur lediglich nicht in Europa besonders häufig verkauft wurde. Die verlangten Preise richten sich insbesondere nach dem Erhaltungszustand. Wir sprechen dabei über den Bereich 500 bis 1000 Euro, wobei die höchsten Beträge nur für wirklich optisch und technisch einwandfreie Instrumente fällig sind. Dem Lebensalter des Instruments von rund 40 Jahren entsprechend darf das natürlich eine gewisse Gebrauchspatina berücksichtigen. Honoriert wird dabei üblicherweise auch Case und Nettigkeiten wie Owner’s Manual, das es damals zweisprachig in japanisch/englisch gab.
Der Korg 900PS on YouTube
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Recht netter, aber eben doch stark in seinen Möglichkeiten eingeschränkter Synthesizer.
Der Sound ist ganz klar erste Korg- Generation und ein Blick ins Innere bestätigt das auch. Ich habe mich von meinem günstig erworbenen Exemplar getrennt, denn der ‚Nachfolger‘, der Sigma ist klanglich um ein Vielfaches flexibler, alleine wegen der 2 Oszillatoren, der Crossmod und der Möglichkeit alle Schalter in beliebigen Kombinationen zu aktivieren. Hz/ V CV- Gate nicht zu vergessen :)
Hallo Klaus,
der Korg 900PS ist sicher nicht der König aber seine klanglichen Möglichkeiten sind schon zeitlos. Voice erinnert etwas an G Style Westcost, Horn auch. Harmonics mit Controller und Tuba rerinnern an folgenden Filmdialog,…“geben wir ihnen 6/8, … eine Terz rauf und dann eine Quinte runter.“ :-)
Sehr schön.
@TobyB Der Trick bei einem Synthesizer dieser Bauweise ist, wie im Artikel angedeutet, der beherzte Griff in die Effektgerätekiste. In den Soundbeispielen absichtlich nur angedeutet, damit man noch den tatsächlichen Synthesizer hört. Aber sobald du wenigstens 3 Effekte in Kette dranhängst, ein wenig mit den durchaus passabel nutzbaren Modulationselementen hantierst, geht es echt gut zur Sache. Für jemanden, der abseits von irgendwie auch bereits leicht ausgetretenen Pfaden von Prodigy, Promars und ProOne unterwegs seín will, aber generell mal auf 70er Analog und monophon steht, ist der 900PS eine interessante Angelegenheit. Und den eben nicht jeder hat.
@k.rausch Hallo Klaus,
ohne FX gehts nun mal nicht, wer möchte den nackten rohen Sound? ;-) Ich finde dieser kleine Synth hat Charakter. Und überzeugt mich.
Die alten KORG Synthesizer mit Traveler Filter klingen durch die Bank toll und sehr musikalisch. Die müssen gar nicht viel können, hier zählt allein der Klang. Toll!
Habe das Gerät leiweise gerade zu Hause. Muẞ sagen macht echt Laune. Danke für eure Einblicke, Amazona hat halt fast alles. ❤️