Seit 1996 TB-303 Sound aus Deutschland
Inhaltsverzeichnis
MAM MB33 – ein weiterer TB-303 Klon
Mitte der 90er Jahre war die Roland TB-303 Hysterie auf der Spitze: Jedes Technolied bediente sich der lustig zwitschernden Acidbasslines und unter 1.800 DM war eine abgewrackte TB nicht zu bekommen. Klar dass die Industrie reagierte und diverse Nachbauten auf den Markt brachte. Während die Technowelt noch immer auf einen 1:1-Nachbau des Sequencers der kleinen Roland Kiste wartet (denn der war es vor allem, der den „Funk“ zu den Basslines addierte!), konnte man sich „seinen TB-Clone“ unter diversen Konkurrenten aussuchen.
Eine sehr sympathische Firma aus Erlangen brachte 1996 im Zuge dieser Entwicklung ihr erstes Produkt und zugleich einen ordentlichen Verkaufsschlager auf den Markt: die MAM MB33!
Der Ur-MB33 Synthesizer
Der Bass Expander bedient sich einer komplett analogen Klangerzeugung. Wenn man mal den Silberfisch aufschraubt, wird man von einer Vielzahl von Transistoren, Widerständen und Drähtchen überrascht. In Zeiten von nativen DSP-Systemen wirkt das superalt und überholt – zugleich aber auch faszinierend und geheimnisvoll. Mich persönlich spricht so etwas an, denn man kann bei analogen Bauteilen auch von deren Schwankungen ausgehen, die eine gewisse Lebendigkeit in den Klang bringen können – ein wirklich individuelles Klangbild wohnt jeder Analogbüchse inne.
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Das Innenleben der MB Bassline
Das Innenleben der MB wird durch nahezu die gleichen Elemente wie die echte TB-303 gesteuert. Nur der Sequencer des Originals ist leider durch eine MIDI-Schnittstelle ersetzt worden. Auch gibt es keine MIDI-Thru-Schnittstelle. Die MB33 empfängt nur das Signal, leitet es aber nicht weiter. Schade, aber zu verkraften. Immerhin ist der MIDI-Kanal durch die vier Dip-Schalter frei wählbar (Klar: 4 x 4 Dip-Schalter ergibt die 16 Kombinationen für die entsprechenden 16 MIDI-Kanäle. Einfacher geht nicht!). Das monophone Audiosignal wird durch eine Klinkenbuchse nach außen geleitet. Zusätzlich steht ein Audio-VCF-Eingang zur Verfügung, der externe Sounds direkt am OSC vorbei dem Filter zum Futtern vorsetzt.
Die stufenlos mischbaren Schwingungsformen (die Original TB-303 konnte nur Rechteck oder Sägezahn und waren nicht mischbar!) muten ein wenig exotisch an, denn beide stehen gleichzeitig zur Verfügung! Man kann also nur den Anteil der jeweiligen Schwingung bestimmen, ein echtes Waveshaping gibt es leider nicht! Die vom VCO erzeugten Shwingungen laufen durch ein kraftvolles 24 dB Filter. Das Filter ist in Cutoff, Resonance und ENV-Modulation regelbar und orientiert sich damit am „Original“. Regelbar ist auch noch die rudimentär vorhandene Hüllkurve: Decay und Accent stehen zur Verfügung. Dabei schaltet sich der Accent ab einem MIDI-Velocity-Wert von 120 ein. Über MIDI ist auch noch der Slide-Parameter steuerbar, der sich an der Notensetzung orientiert. Bei überlappenden Noten wird die Slide-Funktion eingeschaltet.
Der MB33 Synthesizer in der Praxis
Im Endeffekt lässt sich die MB33 fast wie eine TB-303 bedienen. Identische Regler und ähnliche Parameter ließen damals Hunderte von Technojüngern zum Nachbau greifen. Allein durch den geschickt gewählten Namen (spätere Modelle von anderen Firmen waren sich da nicht zu schade, noch einen drauf zu setzen!) und die gleiche Benennung der Bedienelemente suggerierte MAM dem Zielpublikum „Acid-Sound zum Einsteigerpreis“. Denn die MB33 kostete bei Erstauslieferung gerade mal so um die 300 DM. Ende 2000 lag der Preis bei THOMANN sogar nur noch bei 99,- Euro.
Aber für was eignet sich eigentlich die 19“-Flunder und macht ein Acid-Bass-Synth nach der großen Acid-Euphorie überhaupt noch Sinn?
Und wie klingt die Bassline von MB?
Eine TB-303 Emulation bekommt man mit der MB-33 allemal hin. Zu 100% ist der TB-303 Sound in all seinen Schattierungen durch die MB-33 nicht zu reproduzieren. Gerade im Bereich „Selbstoszillation“ ist der Original-Japaner von Roland bissiger, während der Erlangener noch brav zwitschert. Trotzdem ist im Rahmen des Klangspektrums das authentische Acid-Feeling reproduzierbar und allemal für wenig Geld erreichbar. Sozusagen die Demokratisierung der Acid-Welle. Retro-Fans und Neu-Acid-Freaks werden ihre ersten „Aha“ Erlebnisse haben, genauso wie sich Technik-Fetischisten mal über einen auf den ersten Blick erklärenden Synth freuen dürften.
Durch den Wegfall des Sequencers und die Zusammenführung von 303-Klangerzeuger und MIDI-Schnittstelle wurden aber auch ganz neue Einsatzgebiete für einen so minimalistischen Bassexpander erschlossen. Schnöde Bassbegleitung und komplexe Sequencer-Figuren sind ohne Komplikationen möglich und die MB-33 macht bei dieser Aufgabe eine sehr schlanke Figur. Deepe Off-Beat Bässe sind genauso im Poti-Umdrehen gebastelt wie die typischen 80er Jahre Italo-Disco Sägezähne. Leider ist man mit vier Oktaven Oszillator-Umfang etwas limitiert.
Aufgrund des wirklich druckreichen und vollen, warmen Sounds benutze ich die MB33 mittlerweile als den „Brot-und-Butter-Bass“ im Studio. An den typischen Acid-Figuren habe ich mich mittlerweile überhört, die MK I nutze ich daher für unmodulierte Basslines, die eher das Bassfundament stützen und nicht ganz so weit vorne in der Aufmerksamkeit des Zuhörers stehen. Als Basisbass ist die MB33 angenehm hintergründlich und drängt einem Track nicht ganz so sehr seinen Charakter auf, wie es normalerweise bei den meisten TB-303 Produktionen der Fall ist.
19″ Variationen: MB33 / FB383
Die MB-33 wurde zunächst im silbernen Design ausgeliefert, danach im typischen MAM Grün/Grau/Schwarz.
Für den UK-Markt wurde eine orange-silberne Variante produziert, die den Namen FREEBASS FB383 trug. Diese gab es dann auf Grund ihres Erfolges auch zeitweise in Deutschland zu kaufen, ist heute aber eher selten anzutreffen.
Aber auch wenn der äußere Schein die Vermutung aufkommen lässt, es handle sich hier um eine erweiterte MAM MB33, die FREEBASS FB383 ist bis auf ihren Look identisch mit der MAM MB-33 der ersten Generation.
Doch Vorsicht ist angebracht: Gerade die Potis der ersten Serie (silber) haben nicht gerade eine sehr lange Lebenszeit und fangen gerne mal an zu kratzen. Unbedingt vorher checken. Die Freebass sowie die grün-graue Version haben deutlich besser verarbeitete Potis.
Die zweige Generation: MB33 MKII
Ab 1998 hat MAM der MB-33 einen großen Bruder zur Seite gestellt: die MB-33 MK II.
Maßgebliche Veränderung zur ersten Version: Volle MIDI-Steuerung der Bedienelemente, Suboszillator und Distortion – und auch das Design wurde abermals geändert.
Gerade die MIDI-Steuerung war ein ordentlicher Burner und hoher Neidfaktor bei allen MK I Besitzern: Acidlines leben halt nun mal durch Modulation und diese immer wieder per Hand durchzuführen, war lästig. Da bot sich eine MIDI-Steuerung an, die das bloße „Cutoff auf – Cutoff zu“-Spiel beherrscht. Dadurch stehen dem Solo-Musiker endlich wieder beide Hände zur Verfügung, die an anderer Stelle mit Sicherheit vermisst wurden.
Der Suboszillator ist natürlich zum „Andicken“ des Sounds gedacht. Allerdings verläßt man bei Einsatz des Sub-OSC den klassischen TB-303 Bereich. Wenn’s schön macht… und der Unter-Oszillator macht seinen Dienst wirklich gut: Im Gleichtakt schwingt er mit der ausgewählten Hauptschwingungsform und kleine Sägezahn-Schwebungen sind damit endlich möglich. Eine enorme Erweiterung des Klangspektrums! Echt komplexe Sounds sind immer noch nicht möglich und die Stimmarchitektur ist längst nicht so flexibel wie bei anderen Mitkonkurrenten (-> z.B. Doepfer MS404). Aber fetter und breiter macht der devote Oszillator allemal…
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Tweaken per MIDI – Videosoundbeispiel der MAM MB-33 MKII
Den ebenfalls neu spendierten Verzerr-Effekt kann man eher als netten Bonus verstehen. Klar, der Effekt verzerrt. Aber Audio-Gourmets werden den ziemlich lahmen, dünnen Klang bemängeln. Da ist man dann doch von Röhrenverzerrungen und anderen netten Schweinereien verwöhnt und bei den stufenlos zumischbaren Kondensator-Verzerrer etwas enttäuscht. Trotzdem ist der Effekt sinnvoll, um schnellstmöglich einen A/B-Vergleich zwischen verzerrt und sauber zu haben – wenn man sich für die Distortion entscheidet, kann man immer noch seine Lieblings-Tretmine raussuchen. Und wenn man keine Auswahl zwischen Dutzenden Effektboxen hat, dann ist die gebotene Verzerrung immer noch besser als überhaupt keine!
Die MK II bietet sich eher für modulierte Sounds an: lange zwitschernde Acid-Lead-Sequenzen. Durch die erweiterten Möglichkeiten kann man den Sound etwas besser definieren und einen nicht ganz so plakativen Charakter aufbürden. Und natürlich ist bei einer Modulation eine MIDI-Steuerung ungeheuer komfortabel!
MB33 vs MB-33 MKII
Im direkten 1:1-Vergleich (gleiche Bassline mit gleichen Ausgangswerten, geroutet auf identische Kanalzüge und mit gleicher EQ Bearbeitung) meiner beiden MBs fällt auf, dass die MK I lauter und voller tönt. Die MK II scheint etwas flacher auf der Brust zu sein und nicht ganz das Volumen der MK I zu erreichen. Verwunderlich, da doch beide Geräte weitestgehend baugleich sein sollen. Subjektiv ist dieser Unterschied aber klar wahrnehmbar.
Mein Tipp: Kauft zwei MB33 fürs Rack! Gerade im Zusammenspiel von zwei MBs entstehen super dynamische, interessante Sequenzen, die jeden Dancefloor rocken und schocken. Und für weniger Geld ist so viel Spaß nicht kaufbar!
Die MB33 als Desktop (dritte Generation)
2017 gab es ein Revival der MB33 als preisgünstige Desktop-Version. Den ausführlichen Test dazu findet IHR HIER.
Schöner Test, da bekomme ich ja fast Lust der Kiste nochmal eine Chance zu geben. Bei mir flog sie sehr schnell wieder raus. Ich fand den Sound so gar nicht 303ig. Es gab bei recht hoher Resonanz und leicht geöffnetem Filter immer eine Position, in der es wirklich gut nach 303 klang, aber sobald man schraubte, ging das sofort verloren. Ganz anders als zum Beispiel die Acidlab Bassline, die meiner Meinung nach in egal welcher Einstellung immer sehr nah an das Original rankommt. Die durfte dann auch bleiben :)
ein schöner bericht, aber auf den Audio-in hätte man noch eingehen können.