Mighty little Moog
Ein Moog mit nur einem Oszillator? Kann echter Moog-Sound so überhaupt entstehen? Eine gute Frage, denn nach alter Moog-Tradition sind sonst alle monophonen, frei programmierbaren Moog Synthesizer mit mehreren Oszillatoren ausgestattet. Und das kommt nicht von ungefähr, diese sind schließlich wichtige Zutaten bei der Zubereitung von fetten Moog-Sounds. Ob der typische Moog-Sound trotz weniger Kalorien auch dem Micromoog vergönnt ist, soll dieser Testbericht zeigen.
Inhaltsverzeichnis
Gedanken zur Entwicklung
Der Micromoog kam 1975 auf dem Markt, zu einer Zeit, in der sich der Minimoog bereits als perfekter Live-Synthesizer etabliert hatte und die Bühnen der Welt eroberte. Auch ARP hatte mit dem Konkurrenzprodukt Odyssey ein heißes Eisen im Feuer. Gleichzeitig war jedoch die japanische Konkurrenz bereits im Begriff, mit günstigeren, aber auch einfacheren Synthesizer-Modellen Fuß auf dem Markt zu fassen. Die Japaner schafften es, durch gezielte Einsparungen in der Ausstattung und Verarbeitung ihrer Instrumente das von den Amerikanern Moog und ARP festgelegtes Preisniveau zu unterbieten. Damit schufen sie ein neues unteres Preissegment, das es vorher nicht gab. Eine der japanischen „Sparmaßnahmen“ war z.B. die Verwendung von Holzfurnier anstelle von Massivholz für das Gehäuse. Die wirkungsvollste Kostensenkung versprach aber der Einsatz eines einzigen Oszillators.
Die 1973 erschienenen 1-VCO-Synthies Roland SH-1000 und Minikorg 700 konnten einem Minimoog mit 3 VCOs natürlich soundtechnisch kaum Paroli bieten, verkauften sich aber dennoch in respektablen Mengen, da viele Musiker nun mal nicht die Brieftasche eines Herbie Hancock besaßen. Natürlich war ein einziger VCO eine Einschränkung – aber das nahm man damals nicht so genau, Hauptsache ein bezahlbarer Synthesizer!
Vor allem für Korg ging diese Rechnung auf. Als dann schließlich noch Konkurrent ARP mit dem ARP AXXE einen preiswerten 1-VCO Synthesizer vorstellte, musste Moog dringend handeln.
Aber wie baut man einen Synthesizer, der dem Namen Moog gerecht wird, mit einer möglichst kleinen Anzahl von Baugruppen, der gleichzeitig flexibel ist, super klingt und nebenbei auch noch die japanische Konkurrenz abhängt? Diese Fragen haben zum Konzept des Instrumentes geführt – Zitat aus der Bedienungsanleitung:
„Die Absicht bei der Entwicklung des Micromoog Synthesizers war, bei einem geringst möglichen Aufwand von Funktionselementen eine größtmögliche Anzahl von Bedienungsmöglichkeiten zu diesen Funktionselementen zu bieten“
Moog Mitarbeiter Jim Scott, der bereits bei der Entwicklung des Minimoog involviert war, hat viele clevere Ideen eingebracht, um dieses Ziel zu erreichen. Was dabei herauskam, war ein interessanter Synthesizer, der auch heute noch überzeugt: der Micromoog.
Äußere Werte des Micromoog
Die Tastatur ist eine auf 2½ Oktaven verkürzte Minimoog-Tastatur, die sich sehr gut spielen lässt. Das weiße, für Moog typische Modulation-Wheel wurde mit einem Ribbon-Controller ergänzt, damals eine absolute Neuheit. Die Tonhöhe ist ihm fest zugeordnet und macht sehr feinfühliges Spielen möglich, will jedoch auch beherrscht werden! Die Seitenteile sind aus stabilem Sperrholz gefertigt, mit Kunststoff-Holzmuster beklebt und in Metall eingerahmt. Das ergibt eine etwas eigenartige Optik, die auch dem Moog Taurus 1 eigen ist.
Die Bedienelemente sind vertieft im Kunststoffgehäuse untergebracht, so dass diese geschützt sind, egal in welcher Position das Instrument liegt. Bei den Drehreglern wurde leider gespart: Anders als beim Minimoog sind die Potis nicht mit dem Gehäuse verschraubt, sondern sind direkt auf der Platine befestigt – und zudem aus Plastik. Das ist beim Moog Prodigy genauso und sind Zugeständnisse an den günstigen Preis. Etwas wacklige Regler sind die Folge. Eine weitere Gemeinsamkeit mit dem Moog Prodigy sind die weißen Schiebeschalter, die sich in der Praxis mittlerweile als sehr praktisch und zuverlässig erwiesen haben.
The Lonely Oscillator
Es gibt zwar „nur“ einen Oszillator, aber der hat es in sich. Fußlagen gibt es von 32’ bis 2’. In der „WIDE“-Stellung lässt sich die Frequenz mit dem FREQUENCY-Regler in einem großen Bereich stufenlos regeln. Die Steuerung von der Tastatur sowie das VCO-Signal kann bei Bedarf abgeschaltet werden.
Ein wirklich tolles Feature ist, dass sich die Schwingungsform stufenlos von Sägezahn über Rechteck bis Puls mit dem WAVESHAPE-Regler bestimmen lässt – und durch den LFO ebenfalls modulierbar ist (das ist mehr als nur Pulsbreitenmodulation)! Die Schwingungsformen klingen übrigens etwas anders als beim Minimoog, hier klingt alles viel „reiner“. Der Micromoog ist auch der erste Synthesizer mit einem Suboszillator – ein wichtiges Feature bei einem 1-VCO-System, da er die Soundmöglichkeiten deutlich erweitert und den fehlenden zweiten VCO manchmal vergessen lässt. Die Idee des Suboszillators wurde später von vielen Herstellern übernommen. Mit dem Regler DOUBLING kann ein Rechtecksignal 1 oder 2 Oktaven unter der VCO-Frequenz stufenlos hinzugemischt werden. Dadurch bekommen bestimmte Sounds einen unglaublichen fundamentalen Druck.
Zusätzlich steht noch ein Rauschgenerator mit Weißem Rauschen zur Verfügung, der sich dem Oszillatorsignal hinzumischen lässt. Die obligatorische Portamento-Funktion rundet die Oszillator-Sektion ab.
Das Moog Filter
Als Filter kommt hier das exzellente Moog-Filter zum Einsatz. Wie es sich gehört, in der 24 dB Lowpass Ausführung. Das Filter klingt wie beim Minimoog, hier gibt es keinerlei Abstriche! Es packt richtig zu und leistet eine hervorragende Zusammenarbeit mit den sehr schnellen Hüllkurven. Das Handling des Filters ist hier etwas exotisch: Will man die Filterresonanz pfeifen lassen, so muss man den FILTER MODE-Schalter extra auf „Tone“ stellen. Geschieht das nicht, hört der Regelbereich des Emphasis-Reglers ganz kurz vor der Filterschwingung auf. Laut Anleitung wird so ein „versehentliches Pfeifen“ des Filters vermieden. Ein nützliches, wenn auch ungewöhnliches Feature, wie ich finde.
Die externe Spannungssteuerung der Cutoff-Frequenz ist durch die FILTER IN Buchse möglich. EXTERNAL IN erlaubt die Bearbeitung externer Signale durch das Moog Filter. Dass dies oft zu interessanten, brauchbaren Ergebnissen führt, brauche ich eigentlich fast nicht mehr zu erwähnen.
Hüllkurven
Es gibt zwei unabhängige Hüllkurvengeneratoren jeweils für VCF und VCA, wobei ersterer auch invertierbar ist. Aus Kostengründen wurde hier wieder etwas gekürzt: Der Micromoog muss mit Reglern für ATTACK und RELEASE und je einem SUSTAIN-Schalter auskommen. Der SUSTAIN-Schalter verwandelt den RELEASE-Regler in ein DECAY-Regler.
Zusätzlich gibt es noch einen Schalter für den Gesamt-Release. Das hört sich ziemlich begrenzt an, in der Praxis ist diese Einschränkung jedoch bei Weitem nicht so tragisch, weil sich die meisten denkbaren VCF/VCA-Verläufe leicht realisieren lassen. Ich zumindest habe selten eine vollständige ADSR beim Micromoog vermisst. Das beste ist aber: Die Micromoog-Hüllkurven sind so schnell wie die des Minimoog!
Modulationsmöglichkeiten des Moog Synthesizers
Um Platz und Geld zu sparen, hat man sich etwas sehr Effizientes einfallen lassen: Der LFO ist in eine Miniatur-Modulationsmatrix integriert, wobei die Stärke der Modulation mit dem Modulationsrad erfolgt. Folgende Modulationsquellen stehen zur Auswahl: RECHTECK oder DREIECK, NOISE, WHEEL, SAMPLE & HOLD AUTO, SAMPLE & HOLD KB. Diese können folgende Ziele steuern: WAVEFORM, OSCILLATOR, FILTER, OSCILLATOR & FILTER. Integriert ist ebenfalls eine Art „Repeat“-Funktion, ähnlich wie z.B. auch beim ARP Odyssey oder Minikorg 700. Dabei werden die Hüllkurven vom LFO getriggert, um ein wenig „Sequencer-Feeling“ zu erzeugen.
Nun könnte man meinen, ein einziger VCO würde klanglich interessante Effekte wie Crossmodulation oder Ringmodulation von vornherein ausschließen. Das ist richtig, zumindest in der Theorie. Aber auch hier hat man sich etwas einfallen lassen, um schräge Sounds zu ermöglichen. Die Lösung verbirgt sich hinter dem Schalter FILTER MOD BY OSC. Hierbei wird die Filterfrequenz vom Oszillatorsignal moduliert – hier fängt der Sound an, kräftiger, dreckiger, metallischer, angezerrter zu klingen! In der Stellung WEAK recht subtil, in der STRONG-Variante ziemlich böse!
Wer mit diesem Schalter und mit verschiedenen Oszillator-Schwingungsformen, Suboszillator-Einstellungen, Cutoff-Frequenzen experimentiert, der findet hier eine Unzahl an Sounds, von leicht angeraut bis total abgefahren! Es sind aber lange nicht nur Effektsounds möglich, sondern auch richtig spielbare Leads oder Bässe mit dem gewissen „Etwas“. Und das alles in Moog-Qualität.
Die Rückseite
Die Rückseite des Micromoog ist sehr gut ausgestattet und lässt keine Wünsche offen: AUDIO-IN, AUDIO OUT HIGH/LOW, CV und GATE jeweils IN und OUT und FILTER-IN. Weiterhin gibt es noch zwei Anschlüsse ausschließlich für Moog-Zubehör: MODULATION und ACCESSORY. Man kann vom Micromoog aus andere Synthesizer mit 1V/Okt. ansteuern, wobei hier ein Poti für Oktavspreizung ebenfalls zur Verfügung steht.
Verwirrend ist eine spezielle Eigenart des Micromoog, die er mit dem Multimoog teilt: Der VCO-Eingang bricht mit der Tradition des von Moog selbst gesetzten Standards von 1V/Oktave. Der Oszillator muss mit 0,95 Volt angesteuert werden, um oktavrein gespielt zu werden. Als Micromoog-Besitzer sollte man sich darauf einstellen. Ein MIDI-Interface wie das Doepfer MCV-1 erlaubt dankbarerweise eine Korrektur der Oktavspreizung, damit alles wieder so klingt, wie es soll.
Der Moog Micromoog on YouTube
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sehr schöne Darstellung eines ziemlich unterbewerteten Instruments, vielen Dank dafür. Klanglich ist am Micromoog wirklich nichts auszusetzen, natürlich immer unter Berücksichtigung seiner technischen Restriktionen. Ich denke, dass dieser Synthesizer nicht umsonst im Setup vieler namhafter Tastenkünstler (Moraz, Hancock, Corea u.a) über Jahre seinen festen Platz hatte.
Es ist immer wieder sehr interesannt zu beobachten wie nur ein Name den Menschen beeinflussen kann. Wenn auf dem Gerät nicht Moog sondern Pfiffkas stehen würde, hätte niemand das Teil auch nur mit seiner Kehrseite angeschaut.
Ansonsten ein schöner Bericht der sich vorallem schön flüssig liest.
… grundsätzlich sehe ich das genau so. Jetzt habe ich aber mal die Soundbeispiele anderer Synthesizer hier angehört und muss sagen, dieses kleine Prachtstück hat irgendwie mehr Wumm, Charakter und Durchsetzungskraft. Nicht das die anderen schlechter wären, aber der Micromoog hat mich von den Soundbeispielen her voll überzeugt. Saftig.
Tolle Klangbeispiele! Besonders die FX-Sounds haben es mir angetan. Könnte ich mir stundenlang anhören. Der Text ist auch gut geschrieben.
hätte ich gerne so einen, aber das mit den unter 500 euro wage ich zu bezweifeln…
@Synthuser eher 800 Euro und aufwärts
Auf welche Art (Signalverlauf / Modulation) entstehen Sounds wie in Bsp 2 ? Kann das jemand beschreiben, so dass man es evtl. in einem Nord Modular nachbauen kann ? thx …
Diese metallischen Sounds entstehen durch „Filter mod. by OSC“ Schaltung – da gibt es beim Micromoog die Wahl zwischen WEAK und STRONG. Auf die Sounds ist dann noch eine S & H Steuerung drauf. Soviel zur Theorie. Wie es in der Praxis beim Nachbauen mit dem Nord Modular aussieht, wirst Du dann erfahren…
Der Micromoog war lange Zeit Jim Crichtons (SAGA) Bass-Synth!
@moogist Das war kein Micromoog, sondern ein Multimoog (sieht man sehr schön in den 1985er Videos vom Rock am Ring, wo der frühere zweite Polymoog durch einen Jupiter-8 ersetzt wurde und der Moog obendrauf viel zu breit ist für einen Micromoog), der ist übrigens im aktuellen Setup, welches seit letzten bzw vorletztem Jahr existiert, wieder dabei.
Einen Micromoog gab es aber auch, der stand meist beim Drummer, kann man in den alten Videos sehen.
@microbug Du hast recht!