PPG ohne Wave - aber voll analog
Mit den drei Buchstaben PPG verbindet man vor allem den legendären Vintage-Synthesizer aus deutscher Fertigung: den PPG Wave. Seit Behringer einen Klon dieses Klassikers auf den Markt gebracht hat, ist der PPG Wave erneut in aller Munde. Doch Wolfgang Palm, Gründer und kreativer Kopf hinter PPG, hat weit mehr faszinierende und klanglich beeindruckende Synthesizer geschaffen als den ikonischen blauen Wavetable-Synthesizer von 1981. In diesem Vintage-Report stellen wir euch den PPG 1002 vor, einen erschwinglichen Analogsynthesizer, der bereits sechs Jahre zuvor das Licht der Welt erblickte:
Inhaltsverzeichnis
Bevor wir loslegen, ein paar Gedanken zur immerwährenden Diskussion: „Braucht es heutzutage noch Hardware-Synthesizer, wenn doch nahezu jeder Klang am Computer erzeugt werden kann?“ Um dieser Frage nachzugehen, beginnt dieser Beitrag über ein historisches Stück deutscher Synthesizer-Technik mit einigen Überlegungen.
Synthesizer-Hardware versus Plug-Ins
Eines vorweg: Auf die Frage “Ist der klangliche Unterschied zwischen analoger Hardware und analoger Simulation heute noch relevant?” werde ich erst gar nicht eingehen. Ziemlich sicher ist diese Überlegung auch nicht eindeutig zu beantworten: Die Einen hören in einem CS-80V eben keinesfalls das Original, während die Anderen darin genug klangliche Qualität und Inspiration vorfinden, um nur mit der Software ihre Musik zu erstellen.
Meine zentrale Überlegung liegt weder in klanglicher Qualität noch in logistischen Vor-/Nachteilen begründet. Der Kern ist – aus meiner persönlichen Sicht – eher die Frage “WIE mache ich inspirierend, kreativ und effektiv jene Musik, die meinen Gedanken, Vorstellungen, Ideen am nächsten kommt?” Und gerade in diesem Punkt unterscheiden wir uns eben enorm voneinander.
PPG 1002 Analog-Synthesizer
1975 km der PPG 1002 auf den Markt kam. Durch den Umstand, dass Wolfgang Palm mit “Palm Production Germany” selbstredend in Deutschland produzierte (was heute nicht mehr selbstverständlich wäre) und so die Musikgeschäfte direkt beliefert werden konnten, galt der PPG 1002 im deutschsprachigen Raum als (relativ) günstige Alternative zu anderen monophonen Synthesizern, wie etwa dem ARP Odyssey oder Minimoog.
- PPG 1002
- PPG 1002
- PPG 1002 Vorserienmodell mit integrierten „Strippen“
1975 gerade mal drei Jahre alt, konnte ich natürlich noch nicht als ernstzunehmender Zeitzeuge in Aktion treten, daher sei Matthias Beckers Buch “Synthesizer von Gestern” (Teil II) als Quelle einiger Gedanken hierzu genannt. Was mir jedoch sogar bis ins Jahr 2005 verborgen blieb, war die Tatsache, dass sich die Vorserienmodelle des PPG 1002 von den Serienmodellen (optisch) erheblich unterschieden. Eine – ähnlich dem späteren RSF-Kobol – abgerundete Chassis ist bei den ersten PPG 1002 ebenso kennzeichnend wie eine luxuriöse Panelbeleuchtung und integrierte (!) Patchcords (“Spring-Cords” genannt).
Die Serienversion des PPG 1002 bietet statt der Spring-Cords nun Mehrfachschalter zum Anwählen der einzelnen Modulations- oder Audioquellen. Die Klangstruktur ist jedoch – mit Ausnahme der modularen Zugriffsmöglichkeit bestimmter Parameter – identisch zu den Vorserienmodellen.
Aufbau des PPG 1002
Der PPG 1002 bietet 2 VCOs, LFO, VCF, VCA und 2 (wenn auch sehr abgeschlankte) Hüllkurven. Ein singulärer Pitch-Slider ist zudem alles, was an Controller-Elementen vorhanden ist. Sehr klassisch also und grundsätzlich kann sich jeder erfahrene Synth-User damit unter den Möglichkeiten des PPG 1002 etwas vorstellen. Was jedoch wirklich erstaunt ist der
Wie klingt der PPG 1002 Synthesizer?
des Instruments. PPG ist ja vor allem für seine Wave-Instrumente bekannt. (Digitale) Wavetable-Oszillatoren in Verbindung mit VCF und VCA – ein wunderbarer, eigener Sound! Doch auch die rein analogen Vorgänger der Wave-Garde sind absolut erstaunlich. Ich kenne wenige Instrumente, die so sehr “vintage” klingen wie ein PPG 1002. Die Oszillatoren brauchen schon erstmal 5 Minuten (oder mehr), um nach dem Einschalten auf ihre gewünschte Stimmung zu kommen. Das Filter klingt sehr dominant und geht ohne Mühe in schmerzhafte Eigenresonanz. Die Hüllkurven bleiben in ihrer sparsamen Ausführung zwar ein zuweilen mühsames Unterfangen, formen den Klang aber inspirierend, lebendig. Interessanterweise klingt der PPG 1002 so, wie ich mir den Minimoog immer vorstellte – bevor ich dann einen hatte.
Der PPG liefert jene geballte Kraft, die völlig für sich steht und zutiefst lebendig, voll, schlicht und einfach “animalisch” klingt. Was ich jedoch neben den kraftvollen Sounds am PPG 1002 zudem sehr schätze, sind seine butterweichen, beinahe verspielt wirkenden Klangfarben. Und genau diese Flexibilität zeichnet – aus meiner Sicht – einen klassischen Analogen aus. Dabei ist es der Weg vom “harten” zum “weichen” Klang, vom „experimentell verschachtelten“ zum „simplen“ Sound, der die Spannung und das Lustprinzip der analogen Klangformung erst in sich birgt. Variationen gibt es hier unendlich viele, denn die Veränderungen einiger Potis um nur wenige Nuancen ergibt schon wieder einen völlig neuen, lebendigen Klang.
Besonderheiten des Mono-Synths
Der PPG 1002 bietet einige Besonderheiten, so lässt sich z. B. die Schwingungsform von VCO1 stufenlos von Dreieck nach Sägezahn überblenden. Das ist sicher ein Teil der Klangfarbe von Sound Nr. 4. Weiterhin lässt sich VCO2 völlig entkoppeln und als freie Modulationsquelle verwenden.
Wenngleich der singuläre Pitch-Slider des PPG 1002 in der Fachliteratur mitunter belächelt wird: Ich finde den Bender äußerst gelungen. Er geht zwar nur eine Oktave nach oben (und auf Wunsch wieder zurück), doch ist dieses Intervall zumindest exakt eingestellt und das musikalische Ergebnis passt wunderbar. Weiterhin wäre noch die Tastatur (4 Oktaven) anzuführen, die ich als – für Monophone aus dem Jahre 1976 – sehr gut einstufen würde.
Anschlüsse
Neben Audioausgängen verfügt der PPG 1002 über CV/Gate-Eingänge und lässt sich dadurch auch heute unkompliziert ansteuern. Als kleine Besonderheit gibt es auch noch einen Eingang zum Ansteuern des Filters.
Der PPG 1002 heute
Vom Serienmodell PPG 1002 wurden nicht einmal hundert Exemplare hergestellt. Vom Vorserienmodell dürften deutlich weniger hergestellt worden sein. Das mag nun nicht viel erscheinen, doch nachdem Deutschland den Hauptabsatzmarkt darstellte, dürfte sich ein guter Teil der Geräte auch noch in unseren Gefilden befinden.
Wer also – per Zufall oder nach systematischer Suche – einen PPG 1002 an der Angel hat, sollte diesem Synthesizer mit Aufmerksamkeit und Respekt begegnen. Wolfgang Palm entwarf – lange vor seiner legendären, hybriden PPG Wave-Serie – analoge Synthesizer vom Feinsten, die sowohl baulich wie auch klanglich von beachtlicher Qualität sind.
Der Nachfolger PPG 1020
Der Nachfolger des PPG 1002 trug die Bezeichnung PPG 1020 und arbeitete bereits mit digitalen Oszillatoren.
Der PPG 1002 Synthesizer on YouTube
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Redaktionelle Info:
Wir möchten uns an dieser Stelle noch herzlich bei Franz Schebelle für die Bilder des PPG 1002 Serienmodells bedanken.
Ja, da muss ich noch mal auf die Einleitung eingehen. Ich wechsle die Kunstform zur Bildhauerei. Frage mich: hat mal jemand nachgeforscht, welchen Meissel Michelangelo verwendet hat? Wird dieses Werkzeug noch gebaut? Eventuell kopiert? Natürlich nicht. Er hätte mit (fast) irgendeinem Werkzeug den David genau so gut hinbekommen, davon bin ich überzeugt. ER hat das Kunstwerk gemacht, nicht sein Meissel. Oder wie Martin Andersson mal treffend schrieb (made my day): eine neue Schreibmaschine schreibt keine besseren Texte.
Insgesamt wundere ich mich mal wieder, mit wie wenig Output in bestimmten Genres ganze Titel bestritten werden. Ein cooler Drumgroove, ergänzt mit einer Synthiefigur, ein paar Einwürfen, fertig ist die Laube (also so wie das bei mir oft passiert, veröffentliche allerdings nicht, habe also auch keinen Erfolg).
Klar, geht, ist auch eine Option, nur begreife ich nicht, warum dieser Synthieeinwurf dann nur mit einem bestimmten Instrument gespielt werden kann, das dazu nicht kopiert sein darf. Was‘n Meissel!
@Tai Vielleicht, hätte ja der original Meissel in deiner Hand „dir“ mehr Inspiration gestiftet wie ein JPG (PlugIn) desgleichen? Bzw., ist das komplette Klanguniversum mit nur einer Maultrommel erforschbar? Oder, was ist in dir, und mit was holst du es nach außen …
@Tai Den Vergleich mit der Schreibmaschine finde ich sehr schön, bin aber nicht Anderssons Meinung: Natürlich schreibt eine neue Schreibmaschine nicht bessere Texte. Aber sie erleichtert die Arbeit. Die Evolution von der rein mechanischen, zur elektrischen (IBM »Kugelkopf«), zu einer mit eingebautem Korrekturband (»TipEx«), dann zur Speicherschreibmaschine … und schlussendlich zur Textverarbeitung am Computer hat die ganze Tipperei doch deutlich vereinfacht. Gerade für Autoren sind Schreib-Programme wie »Papyrus« superspannend (»Word« ganz weit weg schmeißen).
Die Frage ist, ob eine Technologie eingesetzt wird, um etwas besser oder schneller zu machen. Der Künstler wird es »besser« machen wollen, alle, die der Wirtschaft verhaftet sind, dagegen nur schneller.
Um zur Musik zurück zu kehren: Heute wird ein Track in 2 Stunden fertig gemacht … und dann »Zack«, wird er veröffentlicht. Das ist aber nix, an das man sich irgendwie länger erinnern wird (sinngemäßes Zitat: Toby Neumann, Electronic Beats, YouTube 2012, immer noch sehr sehenswert).
Von daher: Ja, die Technik ist es nicht. Ob eine Melodie, Riff, Basslinie, sonstwas nun mit einem »PPG 1002«, einem »MiniMoog«, einem »AKS 3« oder einen »Korg Monologue« gespielt wurde, ist für’s Endprodukt egal. Aber den Künstler hat es evtl. auf Ideen gebracht.
@Flowwater Ich bitte um Entschuldigung:
Tobi Neumann wird natürlich mit »i« und nicht mit »y« geschrieben.
Toller Artikel für einen kleinen aber sehr großen Synthesizer Made in Hamburg.
Danke fürs Bauen Wolfgang Palm :)
Heute frage ich mich oft, was mich damals geritten hat, meinen PPG 1020 zu verkaufen.
Würde ich heute nie mehr tun….
@THo65 Geht mir nicht nur mit diesem PPG so . . . sondern mit der ganzen Sammlung an (damaligen – und noch viel mehr: heutigen) Schätzchen, die jemand aus der Frankfurter ‚HipHop‘-Szene bei mir (damals in Stuttgart wohnend) per Transporter abgeholt hatte und rund 10.000 DM zum Trocknen meiner Tränen bei mir ließ.
Ich ging allerdings (zum zweiten Mal) nach Afrika zum arbeiten – und insofern stand ich an einer Weiche in meinem Lebensweg, an der ich mich eben für’s Ausland entschieden hatte.
Heute – seit 3 Jahren wieder (dauerhaft ?) zurück – weine ich mitunter schon sehr heftig & tränchenreich all diesen Gerätschaften hinterher, die damals meine Wohnung verlassen hatten . . . Hätte ich diese deutlich mehr als 50 Geräte noch und würde ich sie erst heute verkaufen, dann wäre ich jemand, der an die 70-80 k€ reicher wäre . . .
Einen 1002er habe ich leider nie in Echt gesehen.
Der Klang und besonders das eigenständige Design hätten mich auch ohne davor von dem Kult-Status erfahren zu haben, mit Sicherheit abgesprochen.
’ne 49er Tastatur in einem Mono-Synth,
wusste bisher nicht, dass es sowas mal gab,
(da heute mancher Poly mit 37er auskommen muss)
Was für ein wunderschönes Instrument!
@SynthNerd Arturia MatrixBrute 🤙
@Wurlinskovitch und ich dachte, der wär paraphon 😉
Der Vorläufer des PPG 1002 nannte sich „Der Kleine“ und hatte, so wie das Modularsystem PPG 100, eine deutsche Beschriftung.
Auch dieser Synthie hatte bereits dieses abgekantete Frontpanel und die integrierten Patchkabel mit Federzug.
Vom „Der Kleine“ wurden jedoch nur ca. 3 bis maximal 5 Stück hergestellt und ist daher kaum bekannt.
Ich hatte den PPG 1002 sowie den PPG 1020 hier im Studio. Leider driftet der 1002 auch nach der Aufwärmphase sehr gerne im Tuning ab und ist auch nicht sonderlich oktavrein.
Daher würde ich den 1020 immer vorziehen, denn klanglich liegen die recht nahe beieinander.
Das Thema analog vs digital finde ich allgemein spannend. Bei vielen Instrumenten (zB Gitarre, Bass) resoniert der akustische Klang mehr in mir als der elektronische. Deshalb würde ich auch bei Synthesizern lieber analog als digital arbeiten- wobei der Preis leider sehr einschränkend ist. Ich verstehe absolut, warum man Modelle wie den PPG 1002 sammeln möchte :)