Mehr als nur ein Design-Klassiker?
Ja, ja – der ADAM und die E.. na gut, lassen wir die Witze. Der Hohner ADAM dürfte jedenfalls – gerade dem Paradies entkommen – heute dennoch so gut wie nur sehr wenigen bekannt sein. Warum er eines Berichtes würdig ist, liegt nicht unbedingt nur an seinem Konzept oder seiner Klangerzeugung, denn mehr an seinem Design und seiner historischen Bedeutung.
Inhaltsverzeichnis
Rein optisch fällt doch die Verwandtschaft zu EINEM ganz bestimmten Synthesizer sofort auf. Oberheim OB-X? Nein, leider nicht! Casio CZ-1000? Schade, knapp vorbei. Waldorf Wave? Richtig – wer hat das gesagt??? Die Verwebung von Hohner und Waldorf ist eine der Besonderheiten des ADAM.
Das Hohner ADAM Keyboard von 1994
ADAM steht übrigens für Advanced Digital/Analog Musical-Instrument. Das Keyboard-Design stammt von Axel Hartmann, der durch unzählige Kreationen am Synthesizermarkt schon zur lebenden Legende wurde. Die Software wiederum stammt von Waldorf. Das gesamte Konzept des ADAM kann als Multi-Keyboard Workstation bezeichnet werden. Wer übrigens Lautsprecher hinter den schwarzen, gitterartigen Abdeckungen des ADAM vermutet, hat sich getäuscht. Sie sind “leer” und dienen wohl eher der guten Durchlüftung des beachtlich großen Instruments. Die Tastatur des ADAM bietet Velocity und Aftertouch, ist gut spielbar und stammt von der Firma Fatar.
Der Hohner ADAM wurde 1994 vorgestellt und war Hohners Versuch, ein professionelles Keyboard auf den Markt zu bringen. Dies ist nur zum Teil geglückt, worauf sich die breite Akzeptanz des ADAM sehr in Grenzen hielt. Hohner ließ es darauf hin gut sein und warf nach dem aufwendigen und teuren ADAM Projekt alle weiteren Keyboard-Ambitionen über Bord. Das ist etwas schade, denn Hohner hat der Musikwelt nicht nur hervorragende Akkordeons, gute Blockflöten, Gitarren, Schlagzeuge etc. beschert, sondern auch gute Keyboards. Schon in den 70er Jahren gab es z.B. das legendäre Hohner Clavinet (samt allen Verwandtschaften), das Hohner String Melody und diverse andere Keyboards der analogen Ära. In Zusammenarbeit mit Casio wurden in den 80er Jahren sogar diverse professionelle Synthesizer bzw. Sampler produziert. Die Firma Hohner ist nach wie vor ein äußerst erfolgreiches und sehr interessantes Kapitel deutschen Instrumentenbaus. Seit 1857 baut Hohner Instrumente. Mehr Infos gibt es unter www.hohner.eu. Mit Keyboards war aber nach dem ADAM Schluss…
Konzept des Hohne ADAM
Der ADAM ist gar nicht sooo schlecht, wie er manchmal dargestellt wird. Die einzelnen Klanggruppen sind übersichtlich von links nach rechts hin angeordnet. Style, Bass, Organ, Poly III, Poly II und Poly I sind so im wesentlichen die Hauptblöcke, um die es geht.
Die Rhythmen klingen größteils ganz ordentlich. Mehr noch, sind die Arrangements der Begleitautomatik meist sehr geschmackvoll gestaltet. Man muss halt mit dem Prinzip eines Arranger-Keyboards klar kommen, das steht fest. Glücklicherweise IST der ADAM auch noch mehr als nur Drums und Begleitung.
Die Poly-Sektionen I, II und III umfassen 256 teils sehr gute PCM-basierte Klänge. Wie von Synrise zu erfahren ist, wurden die Samples lediglich mit 12 Bit aufgenommen. Das erklärt, warum manche Sounds ganz ordentlich rauschen. Das muss aber gar nicht unbedingt schlecht sein, denn in bestimmten Situationen – bei einem Chor oder atmosphärischem Klang – schafft etwas Rauschen durchaus die nötige Stimmung. Akustisch steril ist nicht immer das Ein und Alles, es kommt eben auf den Zweck und die Musik an.
Wie an den Klangbeispielen zu hören ist, bietet der ADAM durchaus brauchbares Potential. Die etwas schwachen internen Effekte sollte man besser abschalten und stattdessen auf externe Peripherie zurückgreifen.
Hohner war wirklich bemüht, ein hervorragendes Instrument zu bauen. Wie man an vielen Details erkennt, hat man bei der Entwicklung des Keyboards keine Mühen gescheut. So ist der direkte Zugriff auf alle Klangbereiche natürlich sehr benutzerfreundlich. Gut, gerade bei einem Arranger-Keyboard ist dies auch oberstes Gebot. Dennoch wurde das Design des ADAM sehr gut gewählt. Weiters findet man an allen Ecken und Enden kleine Knöpfe, die eben nochmals einen Bonusdienst tun. Poly I bietet Portamento, jede Klangsektion hat ihren eigenen Sustain-Regler, Vibrato kann global hinzugefügt werden etc.
Die 256 Basis-Sounds lassen sich noch eingeschränkt verändern. Ein kleiner Synthesizer ist im ADAM also doch versteckt. Ein Digitalfilter mit Resonanz, zwei Hüllkurven (Filter und Amplifier und auf Wunsch auch der Tonhöhe zugeordnet) sowie ein LFO mit vier Wellenformen sind des Soundbastlers großes Glück. Der LFO bietet immerhin eine Delay und Attack (!) Funktion, also zeitliches Einschwingen nach dem Delay. Es ist sogar Random vorhanden, und Modulationen lassen sich stets positiv oder negativ ausführen. Das ist doch zur Klanggestaltung gar nicht so schlecht.
Organ – Leslie und Zugriegel
Diese Abteilung verdient einen eigenen Absatz. Ein absolutes Unikat sind Leslie-Effekt und digitale Drawbars des ADAM. Der Leslie-Effekt kann via Aftertouch (!) automatisch von Slow nach Fast schalten, je nach Fingerdruck ändert sich also die Geschwindigkeit des (virtuellen) Leslies. Zwar bin ich kein Orgel-Experte, doch finde ich die klanglichen Resultate wirklich schön (siehe Klangbeispiel “Organ”). Sogar ein eigener Overdrive-Effekt lässt sich stufenlos beimischen…
Die Zugriegel der Orgel lassen sich mittels der acht (!) großen Wheels direkt unterhalb des Displays verändern. Auch das ist klanglich sehr überzeugend, das Ein- und Ausblenden einzelner Klangbereiche ermöglicht sehr lebendige Variationen.
Die Anschlüsse des ADAM-Keyboards
Rückseitig hat Hohner auch nicht gegeizt. Neben dem MIDI-Trio gibt es ein Stereo-Ausgangspaar, 2 Pedal-Eingänge, Audio-In (zur Mischung und Weiterleitung an das Ausgangssignal), EFX Send 1 & 2, einen Einzelausgang nur für den Orgelsound, Kopfhörer-Anschluss, sowie Speaker Output.
Das letztgenannte Paar “Speaker” hat schon einen Amplifier vorgeschaltet (!) und kann somir direkt an (passive) Boxen angeschlossen werden.
Der Hohner ADAM on YouTube
Leider gibt es auf YouTube kein einziges Video mit einem vernünftigen audio-Demo. Sich das folgende Video wurde nur mit dem Kameramikforon aufgezeichnet, zeigt aber zumindest ein wenig die die Art der Editierung:
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Ich setzte den ADAM bereits 10 Jahre schon als Master-Tastatur im Studio und auf der Bühne ein, seine MIDI-Implementierung ist für mich genau das richtige!
Auch einige Sounds sind äuserst brauchbar, doch die Orgelsounds sind einfach der Hammer, sie können auch heute noch locker mit Native B4-II mithalten.
Danke für den Ausflug in die Zeitgeschichte. Ihr macht ja manchmal Reviews/Rückblicke zu Klassikern bzw. unterbewerteten Synths – interessant und echt super. Danke!
Grüße aus Bangkok
Das Design ist auf jeden Fall klasse. Bin ein großer Fan von Axel Hartmann, der Mann hat einfach ein Händchen für innovatives, und dennoch zeitloses Design.
Erstaunlich das der Adam bis heute ein Geheimtipp blieb und so völlig unterging. Ein wirklich hübsches Gerät.