Das Erste seiner Art!
Am heutigen Vintage-Samstag nehmen wir uns gleich zwei Klassikern an, dem Roland Digital-Delay SDE-1000, das Axel Ritt für uns vorstellt und dem Roland Reverb SRV-2000, für das uns Costello ein sehr umfangreiches Special geschrieben hat. Viel Spaß damit, eure Vintage-Redaktion.
Inhaltsverzeichnis
History des Roland SDE-1000 Delay
Wir drehen die Uhr um 34 Jahre zurück und schreiben das Jahr 1984. Eine kleine Sensation macht sich breit, denn mit dem Roland SDE-1000 Digital Delay erscheint erstmals ein bezahlbares Digital Delay, das nicht nur in professionellen High-End-Studios anzutreffen war. Bezahlbares Digital Delay? So manch einer, der die Mitte Dreißig noch nicht überschritten hat, kann sich bei dieser Behauptung nur am Kopf kratzen. Was soll an einem Digital Delay so außergewöhnlich sein, bekommt man es doch heute in jedem 50,- Euro Effektpedal nachgeschmissen.
Die Zeit Mitte der Achtziger ist über weite Strecken analog bis auf die Knochen. Die erste digitale DASH Maschine von Sony hat noch ein paar Jahre Entwicklungsarbeit vor sich und selbst der ATARI als MIDI-Sequencer hat noch keinen Einzug in die Elite der Aufnahmetempel gehalten. Von einem ernstzunehmenden Mac oder gar einer DAW sind wir noch Dekaden entfernt.
Es ist die Zeit des Outgears, die Zeit der opulenten 19 Zoll, 16 HE Massivholz Racks, die gerne einmal in bis zu sechs Exemplaren im rechten Winkel zur standesgemäßen Neve oder SSL Konsole thronen. Aufnahmestudios sind keine Arbeitsräume im klassischen Sinne, es sind Tempel mit Tausenden von blinkenden LEDs, der Abwärme eines Blockheizkraftwerkes, einem vierstelligen Stromverbrauch im Monat und einem Anschaffungspreis von mind. einer halben Million, wohlgemerkt nur für Konsole, Tonbandmaschinen und 19 Zoll Outgear! Mindestens zwei Stück synchronisierte Otari oder Studer 2-Zoll-Maschinen mit passendem Dolby System und je 24 Spuren erlauben Mehrspuraufnahmen, die damals als überirdisch galten. Diese Studios betrat man nicht, man kroch gebückten Hauptes voller Demut Richtung Couch, um mucksmäuschenstill den Meistern ihres Faches, den gottgleichen Toningenieuren bei ihrer Arbeit zusehen zu dürfen.
Das Ende der Fahnenstange in Sachen Equipment wird von den Raumeffekten gehalten. Die Qualität der Delay- und Reverb-Geräte entscheidet über den Tageskurs der Studios und wer nicht mindestens ein Lexicon 300, besser das legendäre 480 sein Eigen nennt, findet faktisch nicht statt. Der Delay-Bereich befindet sich nahezu in fester Hand des TC Electronics 2290, das DAS Delay der oberen Studioklasse darstellt. Warum aber eigentlich dieses ganze Gedöns um ein paar Nullen und Einsen?
Es lebe die Auflösung!
Schauen wir uns doch einmal kurz die Entwicklungsgeschichte des Delay-Effektes in einer ganz kurzen Abhandlung an. Schon früh merkten die ersten Toningenieure, dass neben dem großen Bruder des Delays, dem Reverb, auch das Wiederholen eines fest gelegten Zeitabschnitts ebenfalls eine dezente räumliche Tiefe erzeugt, jedoch ohne Gefahr zu laufen, wie bei einem übermäßig verwendeten Reverb-Effekt im Hall zu ersaufen oder aber die Ortung zu erschweren.
Um den Delay-Effekt jedoch optimiert einsetzen zu können, bedarf es eines rhythmischen Abgleichs mit der verwendeten Geschwindigkeit des Songs. Viertel, Achtel oder auch triolische respektive punktierte Werte in Millisekunden ausgerechnet, ermöglichen interessante Passagen und verhelfen vor allem einem Durchhänger im Arrangement zu der nötigen Aufmerksamkeitsstütze. Und in diesem Augenblick zeigt sich das erste Problem. Wie soll man die Wiederholungsgeschwindigkeit regulieren?
Die ersten Bandechogeräte nahmen sich dieser Herausforderung an. Einfach wie genial lief ein Tonband in Endlosschleife, wobei ein Tonkopf das gespielte Signal auf das Band überspielte und mehrere danach angeordneten Tonköpfe das Signal zum Original hinzu wiedergaben. Je nachdem, wie schnell das Band lief, konnte man kürzere oder längere Wiederholungszeiten einstellen und hatte zudem noch einen netten Booster in Form der internen Elektronik an Bord, was insbesondere von Gitarristen sehr geschätzt wurde.
Der Nachteil dieser Geräte war hingegen vor allem mechanischer Natur. Das Band nutzte sich ab, Tonköpfe verschmutzten und die meist auf Röhrenbasis aufgebaute Verstärkertechnik musste aufgrund ihrer Verschleißteile regelmäßig gewartet werden.
Anfang der Achtziger erreichte die nächste Generation der Echogeräte viele Endkunden. Die Wiederholung des Signals wurde nunmehr von Computerchips generiert. Der mechanische Verschleiß fiel weg und die kleinen Platinen konnten problemlos in Bodeneffektgeräten untergebracht werden. Ein Riesenerfolg, wenngleich sich die Chip-gestützte Analogtechnik klanglich mit dem gleichen Problem der Bandgeräte auseinandersetzen musste.
Aufgrund des Eimerkettenprinzips klang jeweils die nächste Wiederholung des Signals etwas höhenärmer, sprich muffiger als das vorherige Signal. Auch die Millisekunden, die man bei den Tretminen maximal einstellen konnte, lag zumeist unter der 400 ms Grenze. Nett für Slapbacks, aber das Große, Fette wollte sich einfach nicht einstellen. Was heute als Vintage-Sound gefeiert wird, war damals eine große Enttäuschung, wenn es um „große“ Sounds ging. Überhaupt wurde seinerzeit alles, was in irgendeiner Form NICHT muffig klang, gefeiert als gäbe es kein Morgen. Muffig war alt, höhenreich war neu, frisch, spritzig, bla bla bla. Das damalige „Frische“ sollte dann später wieder als „steril“ verschrien werden, aber das ist eine andere Geschichte.
So kam es dann auch, dass die ersten Digital-Delays, bei denen alle Wiederholungen bei Bedarf exakt wie das Originalsignal klangen, einschlugen wie eine Bombe. Einem Tesla gleich wurden diese Produkte wie Statussymbole behandelt und konnten aufgrund der hohen Abgabepreise ohnehin nur von entsprechend zahlungskräftigen Studios benutzt werden. Aber dann …
Der Siegeszug der Digitaltechnik
Wie immer, wenn die Massenfertigung einzieht, fallen die Preise. So kam es dann auch, dass Mitte der Achtziger mit dem Roland SDE-1000 tatsächlich ein digitales Echogerät erschien, das bei einem Frequenzgang von 10 Hz bis 17 kHz eine Verzögerung von 750 ms offerierte, bei der Halbierung des Frequenzganges sogar 1125 ms. Ich selber habe mir mein erstes Roland SDE-1000 ca. 1986 für 1.400 DM gekauft und konnte nach intensivem Gebrauch meines Ibanez AD-80 Bodeneffektes das klangliche Wunderwerk kaum fassen.
Angefixt durch das von Queen Gitarrist Brian May gespielte Gitarrensolo des Titels „Brighton Rock“ auf dem 1979 erschienenen Album „Killers Live“, das mir harmonisch komplett den Kopf weggeblasen hat, habe ich mir sogar später noch ein zweites Roland SDE-1000 gekauft, um ebenfalls die beiden Wiederholungen von 900 ms und 1800 ms realisieren zu können.
Das Frontpanel des Roland SDE-1000
In Anbetracht der Tatsache, wie viele Menüs und Untermenüs heutzutage in einem 1 HE untergebracht werden, erscheint die optische Anordnung der Regler auf der Front extrem großzügig. Neben einer sechsstelligen LED-Anzeige befindet sich ein Input-Regler, ein Feedback-Regler, ein Delay-Out (Mix) -Regler und 2 Regler für den internen Chorus-Effekt, wobei alle Regler im knuffigen Knetgummi-Style farblich voneinander abgesetzt sind.
Es folgt ein Display für die Millisekundenanzeige, eine pulsierendes LED für die Chorus-Geschwindigkeit und eine On/Off-LED für den Effekt. Abschließend befindet sich auf der rechten Seite eine Wippe zwecks Einstellen der Verzögerungszeit, Anwahldruckpunkte für die vier internen Presets und vier weitere Schalter für die Erweiterung der Delay-Zeit, ein Phasenkonverter, die Aktivierung des Chorus und die Aktivierung des Feedback-Reglers, allesamt im damaligen hochmodernen Soft-Touch-Druckschalter-Outfit.
Die Rückseite des Roland SDE-1000
Rückseitig befinden sich am Roland SDE-1000 Digital-Delay neben Standards an Outputs (Dry/Wet) und Schalterbuchse (Preset, On/Off) auch einige Schaltungsmöglichkeiten, die auf den angestrebten Bühneneinsatz abzielen. So lässt sich über ein Expression-Pedal die Delay-Zeit in Echtzeit verändern, ein Hold-Schalter schaltet den Effekt bei einem Taster ein und aus und als abgefahrenes Special ein „Playmate“-Switch, der bei Aktivierung die Delay-Zeit auf einen vorher eingestellten Wert hochlaufen lässt.
Man merkt dem Produkt aber auch zuweilen die fehlende Praxis an. Das Gerät wurde gerne den Gitarristen an die Hand gegeben, um es zwischen Gitarre und einem oder zwei Verstärker zu schalten. Abgesehen davon, dass wohl über 90 % der User am galvanischen Trennungsproblem und dem damit verbundenen 50 Hz Netzbrummen bei zwei Verstärkern gescheitert sind, bedenkt Roland auch nicht die Interaktion zwischen Gitarre und Verstärker.
Ich erinnere mich noch sehr gut, wie ich versucht habe, mittels des Druckschalters auf der Rückseite des Gehäuses die richtige Einstellung in Sachen Empfindlichkeit zu treffen. Was im FX-Loop kein Problem darstellt, entpuppte sich vor dem Amp als Katastrophe. Sowohl bei -20 dB als auch insbesondere bei -35 dB sprang mir die LED Anzeige umgehend in den roten Bereich und hatte ich den Eingang auf einen erträglichen Wert eingestellt, kam für einen guten Verstärkersound viel zu wenig Pegel an der Eingangsbuchse des Amps an. Das Ergebnis war ein dünner Clean-Sound und ein absolut erbärmlicher Leadsound.
Das Roland SDE-1000 Delay on YouTube
Hier ein YT-Video aus der Loop-Ecke:
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Wow – 5 kg für einen 19“er !!
Ja, man sieht auch dass das Gerät deutlich tiefer ist als die meisten anderen 19“-(Effekt-)Geräte, die teilweise 10 cm nicht wesentlich überschreiten und oft ’nur‘ um die 2 kg wiegen …
Damals gab es noch nicht die SMPS-Netzteile, so dass der Trafo im Gerät einen gewissen Teil des Gewichts ausmachte (sofern die Spannungsversorgung nicht über ein externes Netzteil eingespeist wurde).
Trotz diverser Oldies in meinen Racks: diesen Roländer kenne ich nur vom Sehen … war aber früher ein viel genutztes Gerät in vielen Bands.
Guter Bericht mal wieder – interessante Serie, diese ‚Vintage‘ !
@Nvelope haha. hebe Mal einen akai s1000 mit 3 HE!
Meiner braucht ein neues Display 😜
in der Wiener s.a.e. hatten wir vor 20 Jahren auch eine neve! war toll! 😊 und einen mackie 8 Bus. die meisten übungsstationen mit mackie cr1604! 😊
2 Jahre später war ein Freund dort. alle mäckies mit Behringer ersetzt.. alle Trainer haben immer Behringer schlecht gemacht.. 😄
@Numitron Nun – ich schrieb ja über 19“-Effektgeräte … allermeistens in 1 HE wie dieser Roländer.
Und solche wiegen zumeist etwa zwischen 2 bis 2,5 kg, selten mal auch etwas weniger als 2 kg.
Uns manche davon sind kaum tiefer als 10-12 cm (ich habe z.Zt. 3 Stück T.C: ‚M 300‘ rumstehen, die haben 10 cm Einbautiefe und ein internes SMPS-Netzteil) . . .
Klar – ich schätze auch die im Artikel angesprochene sehr robuste Bauweise – obwohl diese Geräte im Studio wie auch im Live-Betrieb ja in den aller-allermeisten Fällen im Rack betrieben werden.
Dass aber (19“-)Verstärker schonmal schweineschwer sind, weiß ich durch vielfaches (und stets alleiniges) leidvolles Tragen einer chinesischen Endstufe, die 38 kg wog. Deshalb ist meine beginnende Knie-Arthrose damit sicher sehr eng verbunden . . .
@Nvelope OK. fair enough
leider hab ich auch schon Knieprobleme.
es ist furchtbar
lg
Danke für den guten Rückblick!
Dieses Delay, das ich vor einigen Jahren gebraucht in sehr gutem Zustand bekommen habe, ist bis heute eines meiner Lieblings-Delays überhaupt – auch wenn ich selbst nicht ganz genau weiß, warum das so ist. Für Keys/Synths funktioniert es einfach immer sehr gut mit ganz unterschiedlichen Sounds und verschiedenen Delay/Modulationssettings. Dabei fügt es sich wunderbar in den musikalischen Kontext, ohne vordergründig draufgeklatscht zu wirken. Fantastisches Ding!