Kapitel 2: VCF
Die Filter bestimmen den Klangcharakter eines Synthesizers maßgeblich. Am beliebtesten ist wahrscheinlich das Moog-Tiefpassfilter, dicht gefolgt von Curtis/CEM-Chip-basierten wie im Prophet V und diskret aufgebauten Multimodefiltern wie im Oberheim SEM.
Reaktor hat mehrere Emulationen in der Modulbibliothek, wir werden ein 24dB- und ein 12dB-Filter einbauen, die sich prima ergänzen. Mit ein bisschen Spezialverdrahtung werden wir dem Klang von Moog und Oberheim zumindest nahekommen.
Auch die Filter dürfen etwas mehr können als üblich:
Multimode (Hoch/Tief/Bandpass)
Frequenzmodulation (im Audiobereich), linear und logarithmisch
Filter-Verzerrung
Modulierbare Resonanz, Verzerrung und Modusüberblendung
Die Filterfrequenz ist von -127 bis +127 (in Halbtönen) regelbar, weil ein Filter bei 0 nicht vollständig geschlossen ist. Aus dem 12dB-Filter kommt bei -64 immer noch ein Signal.
Die Modulationen der Filterfrequenz finden im entsprechenden Mixer statt, aber die zwei wichtigsten Modulatoren braucht man auf jeden Fall schnell erreichbar, Envelope Amount und Key Follow. Die Regler dafür sind etwas komplizierter als üblich, dazu mehr im Kapitel über die Modulationsmischer. Sie sind auch im Gegensatz zum abschaltbaren Modmixer immer aktiv, lassen sich aber bei Bedarf durch Source:Off schnell mal abstellen, ohne die Intensität verstellen zu müssen.
Die Ausgänge des 12dB Multimode Filters statten wir mit einem Überblendregler aus wie beim Oberheim SEM, allerdings mit Bandpass statt Notch in der Mitte. Beim SEM war es mehr eine technische Notwendigkeit, den Notch zu nehmen, da er aus Hoch/Tiefpassmischung resultiert. In Reaktor ist beides möglich, aber ich finde, der Bandpass ist klanglich viel logischer und brauchbarer.
Das 24dB Ladder Filter hat für jeden Pol einen Ausgang, also nutzen wir alle und überblenden ebenfalls, hier von 6-24 dB. Wir erhalten so ein Moog-Filter-Imitat mit stufenlos regel- und modulierbarer Flankensteilheit. Ich hatte auch das LadderX3 aus der Core-Abteilung im Ohr, fand es aber etwas zu dünn. Das Primary Ladder klingt einfach fetter, und die Selbstoszillation ist sehr ausgewogen über den ganzen Frequenzbereich (das ist sonst ein typischer Schwachpunkt oszillierender Digitalfilter).
Da wir nun zwei Filter mit unterschiedlichen Reglern haben, packen wir sie wieder in ein Stacked Macro, das wir mit dem 12/24dB-Schalter umschalten. Die übereinstimmenden Regler sind für beide Sub-Macros dieselben, die Low-Band-Highpass und dB/Okt-Regler nicht, da sie völlig verschiedene Funktionen haben.
Die Modulationsmischer für diese zwei Parameter stecken wir in ein separates Mischer-Stacked Macro (zu den Mischern siehe weiter unten).
Man kann auch Stacked Macros ineinander schachteln, aber die anschließende Platzierung der Elemente bei begrenzter Macro-Größe auf dem Panel ist dann nervenzerrüttend. Jedesmal, wenn man denkt, man sei fertig und schaltet den Bearbeiten-Modus ab, springt alles an eine neue Position.
Resonanz
Die Resonanz hat nicht ohne Grund einen negativen Einstellbereich bekommen. Das 24dB Ladder hat wie das analoge Moog-Filter die Eigenart, bei mittlerer bis hoher Resonanz die Grundwelle stark abzuschwächen, so dass Basssounds dann etwas schlapp daherkommen. Wir blenden also bei negativer Reso ein nicht resonierendes Filter dazu, das dieses Manko ausgleicht. Da es wie das Ladder auch die vier Pol-Ausgänge haben muss und genauso klingen soll, müsste man ein zweites solches verwenden, aber das ist zu rechenintensiv. Also bauen wir eins diskret aus vier 1-Pol Filtern und einem Saturator für die Verzerrung auf, das klingt völlig identisch bei einem Zehntel der Prozessorlast.
Nun kann man auch Moogbässe mit ordentlich Fundament und schneidender Resonanz erzeugen. Beispiel erst mit positiver, dann mit negativer Reso:
Für mehr Obertöne sorgt schon die dB-Überblendung, da müssen wir nicht nachlegen. Das Ladder kommt in meinen Ohren einem originalen Moog-Filter am nächsten bei 18 dB, es klingt dann etwas präsenter als bei 24 dB.
Das 12dB-Filter verarzten wir noch ein wenig raffinierter. Schaut man sich ein analoges State-Variable an, stellt man fest, dass die Resonanz ein Feedback vom Bandpassausgang auf den Eingang ist. Diese Schleife bauen wir diskret auf und ignorieren den eigentlichen Reso-Eingang. Positive Resonanz klingt nun wie vorher, und die Selbstoszillation funktioniert sogar zuverlässiger, da hakelt das 2-Pole-Modul manchmal. Für die negative Resonanz verwenden wir ein zweites 2-Pole, das dann via Relais statt des BP-Ausgangs des ersten als Feedbacksignal eingeschleift wird, aber wir verwenden andere Ausgänge dafür: In Tiefpass-Betriebsart den Hochpassausgang, in Hochpass-Betriebsart den Tiefpassausgang und Bandpass bekommt das Differenzsignal von Notch und Input, auch das ergibt einen Bandpass. Eine Subtraktion ist eine Addition mit einem invertierten Signal, aber man spart eine Rechenoperation.
Das Ergebnis ist Tiefpass mit Hochpassresonanz und andersherum, der Bandpass erhält eine anders klingende Band-Reso. Technisch ausgedrückt: Das Signal ist an der Cutoff-Frequenz phasenverschoben, und zwar bei allen Modi gleich. Andere Bandpass-Berechnungen haben eine abweichende Phasenverschiebung, was zu Auslöschungen bei der Überblendung führt.
Das reichert das Ausgangssignal des resonierenden 12dB mit Obertönen an, Tiefpass klingt heller, Hochpass satter und Bandpass beides. Beispiel mit Tiefpass, erst mit positiver und dann mit negativer Resonanz:
Man muss ein wenig herumspielen, um die optimalen Input/Filtereinstellung-Kombinationen herauszufinden, der negativ resonierende Tiefpass kommt z.B. gut zur Geltung bei niedrigem Cutoff in den tiefen Lagen und generell bei obertonarmen Kurvenformen, für obertonreiche nimmt man besser positive (normale) Resonanz.
Verzerrung (Saturation)
Filter-Verzerrung ist nicht dasselbe wie ein nachgeschalteter Overdrive. Stattdessen wird das Eingangssignal mit dem Feedback zusammengemischt und beide zusammen übersteuert, das ist beim 12dB möglich durch unsere diskret aufgebaute Resonanzschleife. Genau dort setzen wir den Saturator ein. Das Ladder hat so etwas schon integriert, wir müssen nur wie oben erwähnt einen beim selbstgebauten 4-Pol vorschalten und etwas für Schub sorgen. Den Eingangspegel verstärken wir bei beiden Filtern kräftig, bis zu Faktor 100, und senken anschließend die Lautstärke wieder ein wenig. Gleichzeitig wird die Resonanz erhöht, da sie durch die Verzerrung unterdrückt wird. Beispiel mit dem 24dB-Filter:
Das erfordert eine etwas aufwändige Kompensationsschaltung, die den Pegel nicht perfekt nivelliert, aber zumindest in gewissen Grenzen hält. Gezielt angesättigt kann man ganz gut mit der Verzerrung arbeiten und sie natürlich auch modulieren. Vor allem einfache Oszi-Intervalle klingen so recht fetzig, und sparsam eingesetzt trägt sie nicht unerheblich dazu bei, einem analogen Filtersound näher zu kommen.
Das Ladder muss im „Excellent“-Modus betrieben werden, da nur dann die Übersteuerung weich genug einsetzt und das Resonanzverhalten optimal ist. Das kostet einige Prozent CPU-Power, aber Soundqualität ist hier vorrangig.
Frequenzmodulation
Wie bei den VCOs machen wir sie logarithmisch und linear möglich, mit der gleichen FM-Schaltung. Die Filter verfügen nur nicht über die bei den F-Eingängen der Oszis integrierten Spiegelung der Frequenz an der Nulllinie (siehe Artikel über FM), sondern kappen negative Modulation einfach bei Null. Die Spiegelung müssen wir selbst hinzufügen, indem wir ein Mirror-Modul einsetzen. Wir müssen allerdings erst alle Modulationen addieren, damit die Tonhöhen (bzw. Cutoff-Frequenzen) zusammengefasst das Mirror durchlaufen. Hinterher ziehen wir das Pitch-Signal wieder ab, das wird ja extra in die Filter geroutet und dort addiert.
Eigentlich könnte man auf diesen letzten Schritt verzichten und den Pitch-Eingang einfach offen lassen, aber ein Null-Input dort entspricht einer Frequenz von etwa 8 Hz, die müsste man aus dem kombinierten Pitch/FM-Signal also herausrechnen. Kann man so machen, muss man aber nicht.
Mit Rechteck moduliert kann man schon mit einem Filter Formanten und mit anderen Kurvenformen recht interessante und brauchbare Abwandlungen des üblichen Filterklangs erzeugen. Hier erst lineare und dann logarithmische Filter-FM:
Post Filter
Einige Filterklänge, z.B. solche mit Hochpass, bedürfen manchmal einer weiteren Filterung. Dafür bauen wir noch ein resonanzloses Hoch/Tiefpass ein, mit zuschaltbarem 1:1 Key Follow. Simpel aber nützlich.
Der Thread im Forum steht noch nicht, hier schonmal der Download-Link (einloggen und so in die Adresszeile kopieren):
http://www...../Replicant A v1.0.zip
@h.gerdes Hello,
I can’t find the file you posted.
Hi Oscar,
I fixed the file, there is now a link on the last page of the workshop articles.
Best regards
Max
@Max Hi Max,
Thanx a lot.
@h.gerdes Hmmm,
ja ich weiß, der Artikel ist schon ein paar Jahre alt, aber wenn man auf den verweist (wg. Version 6), dann wäre es nett, wenn auch der Download funktionieren würde.
@Haspelkecht Ok, kann gelöscht werden. ;-)
Inzwischen ist der Download eingerichtet und funzt auch ohne Login.
@h.gerdes Tag,
leider ist der download nicht mehr verfügbar. kann man den synth noch irgendwo anders herunterladen. wäre sehr nice. merci!
@SoerGl Der Link am Ende des Artikels funktioniert. Hat ein wenig Durcheinander gegeben beim Amazona-Redesign, sorry…
Ein super Workshop, danke dafür!