Subdivisions und ihre Magie im Gitarrenspiel
In diesem Workshop zeigen wir euch, wie man coole Rhythmen mit Delay erzeugt, klären aber zunächst ein paar grundlegende theoretische Dinge. Damit richtet sich dieser Workshop eher an Einsteiger, aber sicherlich kann auch der schon etwas versiertere Gitarrist noch die eine oder andere Idee mitnehmen.
Inhaltsverzeichnis
Ein Delay ist ein Delay ist ein Delay ist ein Delay … In diesem Satz steckt nicht nur Wahrheit, sondern auch direkt die Erklärung, was so ein Delay überhaupt macht. Delay bedeutet übersetzt bekanntlich „Verzögerung“, was ja grundsätzlich mal eher zur Deutschen Bahn passt, als zu einem Gitarristen, der seit Monaten vorbildlich und intensiv mit Metronom übt. Was soll ich überhaupt mit Verzögerung in der Musik? Geht es nicht eher darum, die Noten zum richtigen Zeitpunkt zu treffen?
Klar, spielen sollten wir schon im richtigen Timing, auch wenn leichte Verzögerungen einzelner Noten gern als „Laid Back Feeling“ oder ähnlich bezeichnet werden und tatsächlich einen gewissen Status im Gitarrespiel erkennen lassen. Manchmal möchte man aber auch gern den eigenen Sound einfach etwas „dicker“ machen, ihm eine gewisse Breite verleihen oder seinem Sound einfach irgendwie das Krönchen aufsetzen. Oder man möchte sogar eigene Rhythmen erzeugen. Und hier kommen das Delay und unser Workshop ins Spiel.
Rhythmen mit Delay – Grundlagen des Delays
Die Entstehung des Delays als Effektgerät ist vermutlich eher ein Zufall oder ein Unfall gewesen, so genau kann man das heute nicht mehr nachvollziehen. Ich stelle mir immer vor, irgendein Toningenieur hat versucht, mit zwei Bandmaschinen zu arbeiten und hat die nicht richtig synchronisiert bekommen, so dass ein Signal so klang, als hätte man es in die Berge hineingerufen. Und statt sich zu ärgern, hat der findige Toni sich gedacht „hm, wenn ich nicht in die Berge kann, hole ich mir die Berge ins Studio“. Und der Rest ist Geschichte.
Die ersten künstlich erzeugten Delays (oder Echos) erzeugte man also mit Tonbändern, die mit einem Aufnahmekopf und einem oder mehreren Tonköpfen ausgestattet waren. Das Band läuft und ein Ton wird aufgezeichnet, während weiter hinten der aufgenommene Ton direkt wieder abgespielt wird. Die Länge der Verzögerung richtet sich dabei nach der Bandgeschwindigkeit und der Entfernung der Tonköpfe vom Aufnahmekopf. Eigentlich alles ganz easy.
Leider läuft so ein Band nicht immer ganz gleichmäßig und die Qualität lässt nach und so wurde, quasi aus Versehen, das heute so beliebte Tape-Echo erfunden, bei dem die verminderte Qualität der Wiederholungen zum Stilmittel wird, den Stempel „Vintage“ bekommt und aufwändig digital reproduziert wird.
Doch bevor man das Eiern und die Imperfektion des Tape-Echos digital nachbilden konnte, erfand man zunächst das analoge Delay, das mit Hilfe einer sogenannten „Bucket Brigade“ arbeitet, also einer Schaltung, die einer Eimerkette beim Feuerlöschen ähnelt, wobei immer ein klein wenig Wasser verloren geht. Der Klang dieser analogen Version des Delays kann als „warm“ und „natürlich“ umschrieben werden, mit jeder Wiederholung verliert der Sound etwas an Klarheit und so wirkt das ganze Klanggebilde natürlich.
Das digitale Delay schließlich kann völlig verlustfrei und endlos den gespielten und aufgenommenen Klang wiedergeben, klingt dafür aber auch irgendwie künstlich, wenn auch nicht im negativen Sinne. Es dürfte nachvollziehbar sein, dass mit dem digitalen Delay die längsten Verzögerungen möglich sind, denn hier gibt keine Bandlänge eine maximale Verzögerung vor und die Eimer haben keine Löcher.
Ein digitales Delay bietet zudem die Möglichkeit, das Eiern eines Bandes, Schmutz, Unzulänglichkeiten und sogar bewusste Modulationen auf digitalem Wege hinzuzufügen. Welches Delay für einen selbst das Beste ist, muss jeder selbst erfahren und hier kristallisiert sich meist im Laufe der Zeit ein persönlicher Favorit heraus.
Die Bedienung des Delay-Effektes
Die meisten Delay-Effekte haben zum Einstellen der gewünschten Parameter recht ähnlich arbeitende Regler, die auch immer irgendwie ähnlich heißen. Wichtig sind für uns heute die Regler „Delay“, manchmal auch als „Time“ bezeichnet, „Feedback“ (oder „Repeats“) und der „Mix“ oder „Level“-Regler. Die Arbeitsweise dieser Regler ist eigentlich klar, „Delay“ regelt die Länge, „Feedback“ die Anzahl und „Mix“ die Lautstärke der verzögerten Klänge im Verhältnis zum originalen Ton.
Die meisten Delays verfügen über eine Tap-Tempo-Funktion, mit deren Hilfe man das Tempo eines Songs per Finger- oder Fuß-Tap eingeben kann. Dabei wird im Tempo des Songs getappt, das Delay berechnet dann die zum passende Länge des Delays, je nachdem welchen Notenwert man eingestellt hat. Vielen Delays kann man die Verzögerung in Millisekunden oder in Subdivisions vorgeben, wobei Subdivisions untergeordnete Notenwerte sind. Dazu kommen wir im Praxisteil noch mal gesondert.
Coole Rhythmen mit Delay – welches Delay wofür?
Welches Delay, also digital, analog oder Tape-Echo, man wofür einsetzt, ist Geschmacksache, allerdings eignen sich manche Delays für bestimmte Einsatzzwecke besser. Möchte man einen Klangteppich erzeugen, haben Tape-Echo und analoges Delay wegen ihres weicheren Klangs wahrscheinlich die Nase vorn, für rhythmische Delays à la The Edge oder David Gilmour ist das Digital-Delay die bessere Wahl. Aber wie angedeutet, da ist der Experimentierfreude keine Grenze gesetzt.
Ich habe im Folgenden ein paar simple Akkorde auf der Gitarre gespielt und mit jeder der drei Delay-Arten versehen, damit die Unterschiede deutlich werden.
Rhythmen mit Delay erzeugen – die Subdivisions
Das Songtempo in der DAW ist auf 90 bpm im 4/4-Takt eingestellt, die einzelnen Delays sind mit dem Tempo synchronisiert und produzieren Viertelnoten. Wer das in Millisekunden eingeben muss, dem sei geholfen, denn es gibt Tabellen im Internet, die einem die Rechnerei abnehmen. In diesem Fall sind das etwa 666 ms. The Number of the Beast. Aber wieso eigentlich? Jetzt wird’s ernst, Heft und Stifte raus und mitschreiben, wir kommen zu den Subdivisions.
Subdivisions unterteilen den Notenwert innerhalb eines Bezugszeitraums in rhythmische Untereinheiten. Das klingt erstmal fürchterlich theoretisch, meint aber eigentlich ein ganz simples Konstrukt. Nehmen wir das Beispiel von eben, mit dem Songtempo von 90 bpm und den Viertelnoten. Hier zählt man, während das obligatorische Metronom 90x pro Minute tackert, einmal pro Schlag, sofern der Song im 4/4-Takt steht. Gezählt wird 1 2 3 4, das Metronom schlägt jeweils auf alle vier Zählzeiten. Möchte ich Achtelnoten haben, muss ich im selben Zeitraum doppelt so schnell zählen, hier zählt man „1 und 2 und 3 und 4“, Sechzehntelnoten werden „1 e und a 2 e und a 3 e und a 4 e und a“ gezählt.
Jetzt gibt’s da aber auch noch Triolen und Punktierungen. Triolen sind drei Noten auf einer Zählzeit, gezählt wird das, am Beispiel der Achteltriolen, „1 e und 2 e und 3 e und 4 e und“. Eine punktierte Note ist ein rhythmischer Brainfuck, so ein Punkt verlängert den Notenwert um 50 %. All diese Subdivisions haben ihren eigenen Rhythmus und den machen wir uns nun zu Nutze.
Beginnen wir mit Viertelnoten. Das Songtempo ist auf 60 bpm eingestellt, das Delay soll Viertelnoten produzieren. Also entweder, das Gerät synchronisiert sich mit dem Songtempo selbst, oder ihr müsst 857 ms eingeben. Der Feedback-Regler wird jetzt so weit heruntergedreht, dass nur eine einzige Wiederholung zu hören ist, diese wird aber mittels des Mix-Reglers auf die gleich Lautstärke gebracht, wie der originale Ton.
Rhythmen mit Delay – Viertelnoten
Im ersten Beispiel spiele ich dazu recht straighte Viertelnoten und beginne damit, mich selbst zu doppeln. Das klingt schon ganz nett, aber der Workshop heißt ja „Coole Rhythmen mit Delay“ und so richtig cool ist das noch nicht. Also versuche ich, wie im zweiten File zu hören, den Rhythmus des Anschlags etwas zu verändern. Das ist schon besser und wer jetzt eine Assoziation mit Brian May und Brighton Rock hat, liegt schon mal ganz gut.
Und damit sind wir dann auch bei einem Gitarristen, der schon früh wusste, wie man coole Rhythmen mit Delay erzeugt. Und nebenbei verdammt gute Melodien. Aber was macht der gute Brian denn da nun genau mit dem Delay? Nun, er nimmt nicht nur eins, sondern zwei, wobei das zweite auf genau die doppelte Verzögerungszeit eingestellt wird. Verteilt man das im Stereobild und spielt ein wenig um e-Moll herum, ist man direkt im Stadion. Die Einstellungen bleiben sonst gleich, eine Wiederholung pro Seite, Tempo bei 70 bpm. In Millisekunden: 857 und 1714 ms
Ein weiterer, recht bekannter Chanson mit ähnlichen Einstellungen des Delays kommt von den Spaniern Heroes Del Silencio. Hier ist das Grundtempo deutlich höher, nämlich 166 bpm, das Delay ist aber ebenfalls auf Viertel- und halbe Noten gestellt. Der interessante Groove ergibt sich unter anderem durch die vorgezogenen Anschläge, die jedes zweite Mal nicht genau auf den Vierteln liegen, sondern auf der Achtel davor.
Delay Rhythmen – The Beauty of the Dotted Eight
So, der Coolness-Faktor steigt. Kommen wir direkt zur Königsklasse der coolen Rhythmen mit Delay, dem punktierten Achtel oder wie der Angelsachse es ruft: „Dotted Eight“. Hier haben wir es mit einem kleinen Wundertierchen zu tun, denn durch die Punktierung (wir erinnern uns, der Punkt fügt dem Notenwert 50 % seines Wertes hinzu) fallen die Wiederholungen nicht mehr auf eine der vier Zählzeiten, sondern genau dazwischen.
Hier folgen jetzt ein paar Beispiele, was so mit dem Dotted Eight Delay so möglich ist. Vor allem The Edge spielt und das habe ich im dritten der folgenden Beispiele versucht durchzuhalten, ganz straighte Achtel. Den Rest erledigt das Delay.
Auch für spannende Soli kann man das Dotted Eight Delay verwenden, richtig Spaß macht das in Verbindung mit etwas Violining, also dem Einfaden des Tones mit dem kleinen Finger am Volume-Poti der Gitarre.
Rhythmen mit Delay – Was sonst noch geht
Das waren jetzt die gängigsten Rhythmen, die man mit einem Delay erzeugen kann. Aber damit ist ja noch lange nicht Schluss. Mit viel Experimentierfreude kann man ganz irres Zeug kreieren. Eine wahre Fundgrube für kreativen Delay-Gebrauch ist Guitar Rig 7 von Native Instruments, hier kommen ein paar Beispiele. Wer im Ambient oder im Techno zu Hause ist, der wird die Möglichkeiten lieben. Hier werden auf teilweise geniale Art und Weise Delay und andere Effekte miteinander kombiniert.
Vielen Dank für die Übersicht zu dem Thema. Komme eigentlich aus der Tasten-/Synth-Ecke, habe jedoch vor gut zwei Jahren begonnen meine Finger mit Saiten zu quälen. Das Spielen mit passend versetzten Delays macht unglaublich viel Spaß und der Artikel gibt mir hier kompakt weitere Tipps und Anregungen 😀