Get Out Of The Boxes
Inhaltsverzeichnis
- Skalen über Skalen – was tun damit?
- So klingen deine Tonleitern auf der Gitarre besser
- Fingersatzwechsel an ungewohnten Stellen
- Pattern/Sequenzierung der Skala, Drei-/Vierklänge & intervallbasierte Patterns
- Chromatische Durchgänge in Skalen
- Wie klingen meine Tonleitern auf der Gitarre besser? Ein Resümee
Licks, Skalen, Akkorde, Timing, Blattlesen (der Angstgegner, haha ^^), Technik, Phrasing, Songs etc.: Üben hat so viele verschiedene Facetten und jede Gitarristin und jeder Gitarrist geht anders an die (meist) sechs Saiten heran.
Während manche Dinge, wie beispielsweise Akkordumkehrungen auschecken, eher Verstehen und Auswendiglernen sind oder eine Art der Fleißarbeit, wie Sight reading darstellen, gibt es andere Bereiche, die man eher „erforschen“ muss.
Vor allem die Anwendung erlernter Tools hat weniger mit System zu tun (wobei man auch hier systematisch vorgehen „kann“), sondern hier findet jeder Musizierende seine persönliche Note durch Individualismus.
Heute möchte ich euch ein paar Ideen an die Hand geben, wie ihr bereits geübte Skalen etwas spannender klingen lassen könnt, dadurch noch intensiver verinnerlicht und im kreativen Umgang damit eure eigene musikalische Stimme weiter formen könnt. Viel Spaß im Workshop!
Skalen über Skalen – was tun damit?
Denkt man an die Anfänge am Instrument und vor allem an die ersten Improvisationsversuche zurück, so ploppt bei den meisten eines auf: Die Moll-Pentatonik.
Leicht zu erlernende fünf Fingersätze (von denen meist nur der erste so richtig verinnerlicht wurde) und man kann sie sehr unkompliziert über verschiedene Genres anwenden und klingt schnell „gut“ oder zumindest ok damit.
So klingen deine Tonleitern auf der Gitarre besser
Irgendwann erweiterte man dann die Penta eventuell mit den „fehlenden“ Tönen und lernte die Fingersätze der Molltonleiter. Wer noch einen Schritt weiter geht, lernte ggf. die gleichen Fingersätze nochmal „neu“ für Dur-Pentatonik und Tonleiter. Wieso sollte man das tun? Sind die Fingersätze auch gleich (nur an einem anderen Punkt begonnen, so sind doch die Funktionen der Töne an anderen Stellen und damit funktionieren bestimmte Lines/Licks nicht mehr, da andere Töne angespielt/betont werden. Um sich wirklich auf dem Griffbrett (und in der Musiktheorie) auszukennen, sollte man auf jeden Fall alle Dur-Fingersätze getrennt von Moll-Fingerings erneut lernen und verinnerlichen.
Nun denn: So geht das Spiel immer weiter und man erarbeitet sich im Laufe der Zeit verschiedenste Fingersätze, zum Beispiel die sieben Fingersätze des Three-Notes-Per-String-Systems oder die fünf Boxen des CAGED Systems (hierzu gibt es übrigens auch einen Workshop in unserer AMAZONA.de Workshop-Reihe).
Die üblichen Wege beim Erlernen der Fingerings führen zum Herauf- und Hinunter-Dudeln der Tonleitern. Das schult auch erstmal die Übersicht und Technik, aber lässt weite Lücken in der Orientierung offen. Beim Unterrichten hatte ich immer wieder festgestellt, dass vielen Gitarrist:innen am Anfang des Improvisierens der Wechsel in andere Boxen meist nur an sehr wenigen Stellen im Fingersatz möglich ist und auch sonst Abläufe in der Skala, abgesehen von rauf und runter, eher die Ausnahme bleiben. Demnach hier mal drei Ideen, Denk-/Übungsanstöße um dies zu verbessern bzw. neue und vor allem eigene Wege zu entdecken und mit dem gegebenen Tonleitermaterial kreativ umgehen zu können.
Fingersatzwechsel an ungewohnten Stellen
Der Klassiker unter den Übungen, wie man Fingersätze miteinander verbindet, ist diese Übung:
Man spielt ein Pattern von der tiefsten zur höchsten Saite aufsteigend, wechselt dann in das nächsthöhere Pattern und spielt dieses abwärts. So hängt man Pattern an Pattern an Pattern. Das funktioniert zwar gut, aber klingt doch etwas sehr boxy, nicht musikalisch und ist wenig praxisbezogen, da man ja nicht immer nur an der höchsten und tiefsten Stelle das Pattern wechseln möchte.
Spiel deshalb jeden Fingersatz nicht immer von der tiefsten zur höchsten Saite, sondern wähle zum Beispiel immer ein Saitenset aus zwei oder drei Saiten aus und spiele alle Boxen nur auf diesen drei Saiten. Beispielsweise so:
Auch hier lässt sich das Konzert hinter der Übung beliebig variieren und so zum Beispiels auf drei Saiten erweitern.
Das Wichtige hieran ist, dass man verspielt mit dem Konzept umgehen lernt. Also nicht mechanisch die aufgezeigten Patterns auswendig lernt, sondern die Ideen dahinter erkennen, weiterentwickeln und für sich einsetzen.
Pattern/Sequenzierung der Skala, Drei-/Vierklänge & intervallbasierte Patterns
Altbekannte Technikübungen sind oft Patterns aus Dreier- oder Vierergruppen, wie zum Beispiel:
Diese Patterns kann man aufbrechen, neudenken und das Konzept erweitern. Statt ausschließlich Dreiergruppen oder ausschließlich Vierergruppen zu spielen, könnte man immer abwechselnd eine Dreier- und eine Vierergruppe aneinanderhängen. So entsteht ein sieben Töne langes Pattern, das sich wiederholt.
3 + 4
4+3
Oder man spielt Fünfergruppen in Sechszehntel-Noten. Dadurch entsteht ein spannender, nicht so „ausgelutschter“ rhythmischer Verschieber in der Line. Es gilt die gleiche „Regel“ wie unter 1) „Das Wichtige hieran ist, dass man verspielt mit dem Konzept umgehen lernt. Also nicht mechanisch die aufgezeigten Patterns auswendig lernt, sondern die Ideen dahinter erkennen, weiterentwickeln und für sich einsetzen.“
Auch Drei- oder Vierklangsberechungen/Arpeggien – beziehungsweise allgemein gesprochen intervallbasierte Sequenzen – sind gute Möglichkeiten der „neuen“ Ausgestaltung von Skalen.
Terzstapelung
Basisvierklänge von G ionisch
Warum immer in Sekunden voranschreiten. Terzstapelungen bieten Arpeggiosounds, die man aus dem Jazz, aber auch dem Metal kennt. Spielt man dieses Gedankenspiel weiter, so lassen sich auch Quarten, Quinten, Sechsten, Septimen usw. stapeln. Dabei kommen dann beispielsweise solche Lines heraus:
Quinten:
Quarten:
Chromatische Durchgänge in Skalen
Möchte man nicht diatonisches (also nicht in der Tonleiter enthaltenes) Tonmaterial hinzufügen, so lassen sich relativ einfach chromatische Durchgangstöne in Skalen einbauen. Dabei gibt es ein paar Dinge zu beachten. Einerseits sind diese Durchgängstöne, wie der Name schon sagt, lediglich „Durchgänge“ also keine Zielnoten, auf denen man stehen bleiben sollte. Außerdem ist es ratsam, diese mit Bedacht zu wählen, da man schnell den melodiösen Bezug zur Tonart verlieren kann.
Wie geht man dabei vor? Viele kennen die „Blue Note“, die zwischen dem dritten und vierten Ton (Quarte und Quinte) der Moll-Pentatonik liegt. Das gleiche Konzept kann man nun auf die Tonleiter und einfach die „Lücken“ im Fingersatz mit einem chromatischen Durchgangston füllen. Man nehme z. B. die hohe e-Saite des G-Dur Three-Notes-Per-String-Fingersatzes und fülle entweder zwischen Grundton und Sekunde und/oder zwischen Sekunde und Terz mit einem Durchgangston auf.
Alternativ können Zieltöne auch chromatisch „angenähert“ werden. So umspielt man zum Beispiel den Zielton „G“ (erstes Beispiel) oder „A“ (zweites Beispiel“) von einer oder zwei Seiten, bevor man schließlich darauf landet.
Hierzu sei gesagt, dass es im Jazz eine Vielzahl an Konzepten zum „Chromatic Approach“ gibt, die hier aber den Rahmen des Workshops sprengen würden. Auch hier gilt wieder: Sieh‘ die Idee als Anregung, selbst zu experimentieren.
Wie klingen meine Tonleitern auf der Gitarre besser? Ein Resümee
Unter dem Strich kann man sagen, dass die wichtigste „Regel“, um spannend und individuell mit Skalen umzugehen, das kreative Anwenden von Konzepten ist. Patterns und Sequenzen sind beliebig erweiter-, gruppier- und modifizierbar, Intervall basierte Brechungen müssen nicht in Terzen aufgebaut sein und chromatische Töne können eingefügt werden. Gemacht werden darf, was gefällt und weggelassen, was nicht gefällt. Man selbst hat die Wahl, welche Zutaten aus dem großen Schrank der musikalischen Gewürze man verwenden möchte und welche nicht. So entsteht eine eigene musikalische Handschrift. Und wir haben hier nur sehr an der Oberfläche des Möglichen gekratzt und Detailarbeit/Gestaltung, wie Phrasierung, Artikulation etc. komplett vernachlässigt. Am Ende entscheidet immer das Ohr, ob etwas cool klingt und gefällt oder nicht. Kein Konzept der Welt, kann das ersetzen. Demnach das Allerwichtigste beim Musikmachen und Improvisieren: Hört euch selbst zu, wenn ihr spielt!
Ich hoffe, euch konnte der Workshop ein bisschen Gedankenanstöße geben und wünsche euch viel Spaß beim Experimentieren und Erkunden (für euch) neuer Wege. Schreibt gerne eure Lieblingsübungen in die Kommentare. Ich freue mich immer über neue Gedanken und mir noch unbekannte Konzepte.
Im Ernst, Ihr stellt hier Gitarrenübungen mit Sequenzeraudiofiles vor ?
Was kommt als nächstes ? Gesangsübungen mit Beispielen aus dem Roland Go Piano ?
Danke für diesen Workshop, habe mich jetzt eine Weile damit beschäftigt und er hat mich definitiv ein Stück weiter gebracht!