Vorbereitungen für eine Aufnahmesession im Tonstudio
In unserem Workshop „Wie bereitet man sich auf eine Aufnahmesession im Tonstudio vor?“ befassen wir uns mit den wichtigsten Vorbereitungsmaßnahmen für Produzenten und Tontechniker. Was sollte man alles vorbereiten? Auf was sollte geachtet werden?
Das Allerwichtigste zu Beginn: Mensch & Maschine
Eine Aufnahmesession kann zu einem unvergesslichen Erlebnis mit ganz besonderem Momentum werden oder auch eine mittlere Katastrophe. Oftmals ist es ein schmaler Grat, der die Stimmung positiv wie negativ kippen lässt.
Deswegen sind zwei Faktoren von entscheidender Bedeutung: Der Faktor Mensch, den ich bewusst an die erste Stelle setze, sowie der Faktor Maschine, also alles, was an Hard- und Software-Equipment am Start ist.
Als Tonstudioinhaber oder schlicht als derjenige, der das Recording übernimmt, setze ich mich mit genügend Vorlaufzeit mit der geplanten Recording-Situation auseinander. Am Ende des Workshops findet ihr noch mal einen Merkzettel als Hilfestellung.
Recording-Vorbereitungen: Was passiert wann und mit wem im Tonstudio?
Nehme ich mich selbst als Musiker im eigenen Tonstudio auf? Für eigenes Songmaterial bzw. für Fremdkompositionen? Habe ich Bandkollegen hier, die von mir eine geschmeidige Aufnahme erwarten? Kenne ich den Auftraggeber noch gar nicht so gut, aber habe bereits einen Studiotermin vereinbart?
Egal auf welche dieser Fragen mit „ja“ geantwortet wird, ich selbst sollte in der Lage sein, einen Terminplan zu erstellen, der das ganze Projekt bis zu Ende gedacht abdeckt. Das schafft für alle Beteiligten Planbarkeit. Nichts ist schlimmer als nicht eingehaltene Versprechungen, denn gerade als Dienstleister muss ich Verlässlichkeit an den Tag legen können. Dann versuche ich alle Beteiligten, sofern das geht, vorab zu einem Kennenlernen im Studio zu haben. Es ist immer gut, wenn die Studioumgebung besichtigt werden kann, diese den Beteiligten zusagt und man danach dann in einer vertrauten Umgebung loslegen kann.
Der Terminplan beinhaltet auch, dass ich mich bei einem Band-Recording mit dem aufzunehmenden Genre auseinandersetze, mir vorhandenes Material wie etwa alte Produktionen des Auftraggebers, gewünschte Sounds von ähnlichen Produktionen etc. besorge und anhöre. Diese beschriebenen Prozesse laufen sehr oft ohne angeschaltetes Taxameter ab, aber das muss man als Dienstleister für sich entscheiden. Manchmal hört man dann auch solche Sätze wie „Unser Gitarrist hat Angst vom Klick“, „der Sänger singt da immer flat“, „der Basser wechselt nie seine Saiten“, „Ich kann vor 16 Uhr nicht gescheit singen“ und und und. Hier seid ihr als Head of Production gefordert. Ruhe bewahren, Lösungen anbieten, auch mal etwas für sich behalten zu können, Vorbehalte und Klickphobien zu entkräften oder schlicht den coolen Soundmann zu geben. „Das wird schon werden, du machst das bestimmt super.“ Und schon fühlt sich mein Gegenüber gut. Genau das ist es, was immer wieder den Unterschied macht: Wie gehe ich mit meinem Gegenüber um? Ich werde nur eine geile Performance bekommen, wenn die zwischenmenschliche Chemie stimmt. Vielleicht seid ihr als Recording-Mensch der viel bessere Gitarrist als der, den ihr aufnehmen wollt. Vermittelt werden muss aber, dass in dem Moment, bei dem das rote Aufnahmelicht angeht, niemand wichtiger ist als derjenige, der sprichwörtlich den „Take seines Lebens“ abliefern soll.
Recording-Engineer, Tontechniker und deren Vorbereitungen
Und schon sind wir beim zweiten wichtigen Faktor, dem Equipment. Nein, es ich nicht nur euer eigenes Equipment wichtig, sondern auch das Equipment, das dann im Studio angekarrt wird und aufgenommen werden soll.
Im Vorfeld wären Fakten zum Fremdequipment zu klären: Sind neue Felle auf den Drums, die Scharniere geölt, haben die Becken irreparable Risse, sind die Sticks beim ersten Kantenschlag durch, sind neue Saiten aufgezogen, gibt es ein spezielles Tuning einzelner Instrumente, sind die Keyboardsounds gut programmiert, die Texte fertig, die Arrangements gemacht oder kommt noch zusätzliches Songwriting im Studio spontan dazu. Vielleicht habt ihr eine Progrockband im Studio mit Tracks von 30 min Spieldauer. Übersicht hilft und was man abhaken kann, ist aus dem Kopf. So viel wie nur machbar sollte in jedem Fall vorab besprochen werden, auch in welcher Reihenfolge die Instrumente aufgenommen werden. Fragt unbedingt nach, ob die Leute schon Erfahrungen gemacht haben und wie ihr euch einbringen könnt, um alles schon im Vorfeld so reibungslos wie möglich zu planen. Tja, noch ist kein Ton aufgenommen, aber viel ins Rollen gebracht worden. So kann man sich dann auf die eigentliche Aufnahme konzentrieren.
Das eigene Equipment ist selbstverständlich so gepflegt, dass keine Kabelwackler, leere Batterien, seltsame Routings in der Aufnahmesession den Verlauf der Aufnahme stören könnten. Das wirkt schnell unprofessionell. Ist in der Aufnahmekabine der Kopfhörer fit und blättert das Kunstleder nicht schon ab? Hört sich der Sänger oder die Sängerin mit zu viel Latenz durch zu viele Plug-ins in der DAW-Software? Versetzt euch immer in die Lage des Aufzunehmenden und probiert aus, wie sich das anfühlt. Sicher kommt es immer wieder zu kleineren Pannen, ein Lächeln und euer Reserve-Equipment könnte griffbereit seinen Einsatz finden. Bei der Gelegenheit kann man dann auch gleich einen oft vernommenen vorwurfsvollen Satz entkräften: „Schatz, du hast doch schon so viele Kabel, brauchst du denn wirklich noch weitere?“ Die Antwort kann sich jeder jetzt selbst geben.
Tonstudio-Credo: Never change a running system
Vielleicht müsst ihr ja spezielle Instrumente aufnehmen und habt da keine eigenen Erfahrungen. Da greift Plan B und man probiert einfach mal was aus. Ein Beispiel: Ich sollte eine Session mit einem Bluesharp-Spieler aufnehmen, hatte das mit diesem Instrument bisher noch nicht gemacht und der Kollege hatte sein eigenes Mikro dabei. Es war die berühmte Fahrradlampe von Shure:
Wichtig zu wissen: Neben dem Klang des Mikros war entscheidend, dass der Spieler das Mikro von der Bühne her schon kannte, weil er die Bluesharp UND das Mikro dort ständig in der Hand hält. Ich hätte normalerweise ein anderes Mikrofon hingestellt, doch wäre ich klar auf dem Holzweg gewesen, denn der Spieler will sich ja zum Song bewegen, also ist das Shure Mikro in diesem Fall die perfekte Lösung.
Dann hatte ich eine Nykelharpa Spielerin hier, die einen Track begleiten sollte und auch einen Part improvisieren sollte. Diese Episode erzähle ich dann ausführlich im nächsten Workshop.
Als Fazit: Ihr solltet euer Equipment verstehen, es bedienen können und vor allem wissen, wie man eine schnelle und annehmbare Lösung findet, wenn mal etwas nicht funktioniert. Das klingt jetzt recht hochtrabend. Natürlich kenne ich auch nicht alle Funktionen meiner DAW-Software und auch nicht 100 % jeglicher Wirkungsweisen aller meiner Mikrofone, doch je mehr man weiß, was man tut, desto sicherer tritt man dem anderen gegenüber auf und desto schöner klingt am Ende das Ergebnis. Das Equipment ist ja nur Mittel zur Realisation eurer Vision. Fehler können immer passieren, aber wichtig ist, was man draus macht.
Aufnahmen im Tonstudio: Es gibt Künstler und Künstler
Jeder Mensch ist glücklicherweise anders. Bei der Recording-Session legt ihr schon vor der Aufnahme ein Ziel fest. Wie sollte es am Ende klingen? Eure gemeinsame Vision, getragen durch das verwendete Equipment und befeuert durch besondere Momente bei der Aufnahme, soll zu Leben erweckt werden. Etwas Neues soll entstehen. Diesem Ziel ist alles unterzuordnen. Am Ende muss ich mich als Dienstleister oder sogar als musikalisch Beteiligter daran messen lassen, wie zufrieden mein Auftraggeber ist. Klar, bei Low- oder No-Budget-Produktionen macht man Abstriche, weil es oft ultraschnell gehen muss oder Mittel sowie Ressourcen begrenzt sind. Dann gibt es eben keine endlosen Takes zur Auswahl, oder wenn schlicht die Fähigkeiten nicht 100 % abgerufen werden können, dann wird die Messlatte eben etwas nach unten korrigiert. Wichtig ist, am Ende sollte Zufriedenheit herrschen, das bringt neue Aufträge und Folgeproduktionen. Der Weg zu diesem Ziel ist oft mit viel Fingerspitzengefühl und Psychologie gepflastert und natürlich auch von eurer Empathie im Umgang mit dem Gegenüber begleitet. Völlig egal, ob ein Demo für eine Schülerband erstellt wird, Omas Geburtstagssong von den Enkeln, unter leichtem Zwang, eingesungen wird oder gerade ein potenzieller Welthit entsteht, diese Schablonen gelten immer, denn der Umgang Mensch zu Mensch und die daraus resultierende positive Energie, die Spannungen und die Vibes werden am Ende zu hören sein und machen die Aufnahme einzigartig. Und eines habe ich gelernt: Lege dieselbe Recodring-Aufgabe 10 verschiedenen Leute vor, es wird 10 Mal ganz unterschiedlich klingen und auch das ist gut so. Gerade in Zeiten aufkommender KI ist der Faktor Mensch, der die Maschinen bedient und die Idee geistig trägt und durch seinen Willen voranbringt, genau das, was den Unterschied ausmacht und erstrebenswert ist.
Komfortzone
Selbstverständlich soll sich der Auftraggeber bei euch wohlfühlen, betrachtet die Leute als Gast. Und der Gastgeber bietet auch mal etwas zu trinken an, reicht ein Handtuch, wenn es draußen regnet oder wenn man nach dem Gitarrensolo ins Schwitzen gekommen ist. Die Komfortzone verlassen soll der Musiker ja nur, wenn das rote Aufnahmelicht angeht. Ein kühles Bier kann die Finger entkrampfen usw.
Nach dem Musikprojekt ist vor dem Musikprojekt
Wenn eine Aufnahme gut gelaufen ist, erinnert euch, woran das lag. Und sofort kann man das auf der Haben-Seite verbuchen, etwa sich eine gut beschriftete Basicsession speichern, gut klingende Mikrofonwege merken und notieren, welche Reihenfolge der Musiker am besten funktioniert hat, Signalwege überdenken, verbessern oder das Ergebnis feiern. All das schafft neue Freunde und Freude, denn Erfahrungen zahlen sich aus, genau wie eine möglichst gute Vorbereitung einer Aufnahmesession.
Merkzettel, To-do-Liste
- Kennenlernen des Auftraggebers, Studiobesichtigung
- Anlegen einer Liste mit Namen Nummern Mailadressen aller am Projekt Beteiligten
- Zeitpläne erstellen, wer kann wann
- Informieren über eingesetze Instrumente, braucht es frische Saiten, Drumfelle etc.
- Reihenfolge im Studio festlegen, immer Zeitpuffer einbauen
- Kontrolle des eigenen Equipments, Kabelwege, Routings, Mikros
- Verinnerlichen des Recordingmaterials, anhören anhören anhören
- Definieren eines gemeinsamen Ziels, wie soll es am Ende klingen
- Terminkalender, Aufnahmestatus aller immer digital für alle sichtbar ablegen, Doodle Kalender, Dropbox Excel Liste mit Zugriffsmöglichkeiten aller Beteiligten usw.
Ach ja, das wichtige Thema Finanzen habe ich bewußt ausgeklammert – das kommt gleich als erstes beim Folge-Workshop dran.
Erst ma` den offenen Cola-Becher auf’s Mischpult stellen – vorzugsweise direkt auf die Schieberegeler – und dann wild an allen Reglern inklusive der am OutBoard-Equipment herum drehen. Anschließend im Aufnahme-Raum alle Mikrofone verschieben und/oder umstoßen. So macht man sich bestimmt Freunde. 😁
@Flowwater Vielleicht sind auf dem Foto die Münzen im Becher die Vorbereitung zum Bau einer Bio-Batterie!? Dann kann der Herr mit seiner Zitrone, etwas Zink seine Studiolichter bei Stromausfall weiter tanzen lassen. 🤣👍
Es kann auch sein, dass er seine Spotify-Jahreseinnahmen dem Finanzamt zeigen möchte.🤪👍